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Vierzehnter Theil
Siebente Rede

Sechsfachen Gebietes Abzeichen

Das hab' ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: »Ihr Mönche!« – »Erlauchter!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Sechsfachen Gebietes Abzeichen will ich euch Mönchen weisen: das höret und achtet wohl auf meine Rede.«

»Ja, o Herr!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Sechs innere Gebiete sind zu merken und sechs äußere Gebiete, sechs bewusstsame Reiche sind zu merken und sechs berührsame Reiche, achtzehn geistige Angehungen sind zu merken und sechsunddreißig Fesselpfade; dann habt ihr auf eines gestützt ein anderes abzustoßen; drei Pfeiler der Einsicht dann heilig behütet, in heiliger Hut als Meister, und Jünger aufzuerziehn ist man würdig; ein solcher heißt der Fahrkundigen vorzüglichster, Leiter der Menschenheerde. Das ist der Stämpel von den Abzeichen sechsfachen Gebietes.

»›Sechs innere Gebiete sind zu merken‹: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Um das Gebiet des Gesichts, das Gebiet des Gehörs, das Gebiet des Geruchs, das Gebiet des Geschmacks, das Gebiet des Getastes, das Gebiet des Gedenkens. ›Sechs innere Gebiete sind zu merken‹: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.

»›Sechs äußere Gebiete sind zu merken‹: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Um das Gebiet der Formen, das Gebiet der Töne, das Gebiet der Düfte, das Gebiet der Säfte, das Gebiet der Tastungen, das Gebiet der Gedanken. ›Sechs äußere Gebiete sind zu merken‹: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.

»›Sechs bewusstsame Reiche sind zu merken‹: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Um das Sehbewusstsein, das Hörbewusstsein, das Riechbewusstsein, das Schmeckbewusstsein, das Tastbewusstsein, das Denkbewusstsein. ›Sechs bewusstsame Reiche sind zu merken‹: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.

»›Sechs berührsame Reiche sind zu merken‹: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Um Sehberührung, Hörberührung, Riechberührung, Schmeckberührung, Tastberührung, Denkberührung. ›Sechs berührsame Reiche sind zu merken‹: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.

»›Achtzehn geistige Angehungen sind zu merken‹: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Hat man mit dem Gesichte eine Form erblickt, so geht man die erfreulich bestehende Form an, geht die unerfreulich bestehende Form an, geht die gleichgültig bestehende Form an. Hat man mit dem Gehöre einen Ton gehört, hat man mit dem Geruche einen Duft gerochen, hat man mit dem Geschmacke einen Saft geschmeckt, hat man mit dem Getaste eine Tastung getastet, hat man mit dem Gedenken ein Ding erkannt, so geht man das erfreulich bestehende Ding an, geht das unerfreulich bestehende Ding an, geht das gleichgültig bestehende Ding an. So giebt es sechs erfreuliche Angehungen, sechs unerfreuliche Angehungen, sechs gleichgültige Angehungen. ›Achtzehn geistige Angehungen sind zu merken‹: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.

»›Sechsunddreißig Fesselpfade sind zu merken‹: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden ? Um sechs mit dem Hause verbundene Fröhlichkeiten, sechs mit der Entsagung verbundene Fröhlichkeiten, sechs mit dem Hause verbundene Traurigkeiten, sechs mit der Entsagung verbundene Traurigkeiten, sechs mit dem Hause verbundene Gleichheiten, sechs mit der Entsagung verbundene Gleichheiten.

»Was sind nun die sechs mit dem Hause verbundenen Fröhlichkeiten? Wer bei den durch das Gesicht ins Bewusstsein tretenden Formen, den ersehnten, geliebten, angenehmen, herzerfreuenden, süchtigem Genusse entsprechenden, die Erlangung erreicht, oder erhofft, oder an einst Erlangtes, das vergangen, entschwunden, verändert ist, zurückdenkt, wird fröhlich bewegt: eine solche Fröhlichkeit, die heißt mit dem Hause verbundene Fröhlichkeit. Wer bei den durch das Gehör ins Bewusstsein tretenden Tönen, durch den Geruch ins Bewusstsein tretenden Düften, durch den Geschmack ins Bewusstsein tretenden Säften, durch das Getast ins Bewusstsein tretenden Tastungen, durch das Gedenken ins Bewusstsein tretenden Dingen, den ersehnten, geliebten, angenehmen, herzerfreuenden, süchtigem Genusse entsprechenden, die Erlangung erreicht, oder erhofft, oder an einst Erlangtes, das vergangen, entschwunden, verändert ist, zurückdenkt, wird fröhlich bewegt: eine solche Fröhlichkeit, die heißt mit dem Hause verbundene Fröhlichkeit. Das sind die sechs mit dem Hause verbundenen Fröhlichkeiten.

»Was sind nun die sechs mit der Entsagung verbundenen Fröhlichkeiten? Wer ebenda bei den Formen Vergänglichkeit gemerkt hat, Veränderung, Unrath, Untergang, ›Formen von einst wie von heute, alle die Formen sind vergänglich, leidig, wandelbar‹, also dies, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit betrachtet, wird fröhlich bewegt: eine solche Fröhlichkeit, die heißt mit der Entsagung verbundene Fröhlichkeit. Wer ebenda bei den Tönen, den Düften, den Säften, den Tastungen, den Dingen Vergänglichkeit gemerkt hat, Veränderung, Unrath, Untergang, ›Dinge von einst wie von heute, alle die Dinge sind vergänglich, leidig, wandelbar‹, also dies, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit betrachtet, wird fröhlich bewegt: eine solche Fröhlichkeit, die heißt mit der Entsagung verbundene Fröhlichkeit. Das sind die sechs mit der Entsagung verbundenen Fröhlichkeiten.

»Was sind nun die sechs mit dem Hause verbundenen Traurigkeiten? Wer bei den durch das Gesicht ins Bewusstsein tretenden Formen, den ersehnten, geliebten, angenehmen, herzerfreuenden, süchtigem Genusse entsprechenden, die Erlangung nicht erreicht, nicht erhofft, oder an einst nicht Erlangtes, das vergangen, entschwunden, verändert ist, zurückdenkt, wird traurig bewegt: eine solche Traurigkeit, die heißt mit dem Hause verbundene Traurigkeit. Wer bei den durch das Gehör ins Bewusstsein tretenden Tönen, durch den Geruch ins Bewusstsein tretenden Düften, durch den Geschmack ins Bewusstsein tretenden Säften, durch das Getast ins Bewusstsein tretenden Tastungen, durch das Gedenken ins Bewusstsein tretenden Dingen, den ersehnten, geliebten, angenehmen, herzerfreuenden, süchtigem Genusse entsprechenden, die Erlangung nicht erreicht, nicht erhofft, oder an einst nicht Erlangtes, das vergangen, entschwunden, verändert ist, zurückdenkt, wird traurig bewegt: eine solche Traurigkeit, die heißt mit dem Hause verbundene Traurigkeit. Das sind die sechs mit dem Hause verbundenen Traurigkeiten.

»Was sind nun die sechs mit der Entsagung verbundenen Traurigkeiten? Wer ebenda bei den Formen Vergänglichkeit gemerkt hat, Veränderung, Unrath, Untergang, ›Formen von einst wie von heute, alle die Formen sind vergänglich, leidig, wandelbar‹, also dies, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit betrachtet und nun der höchsten Erlösungen in Sehnsucht gedenkt, ›Wann doch nur werde ich das Gebiet erobert haben, das die Heiligen schon besitzen?‹, so der höchsten Erlösungen sehnsüchtig eingedenk ist, wird aus Sehnsucht traurig bewegt: eine solche Traurigkeit, die heißt mit der Entsagung verbundene Traurigkeit. Ὸ τοιουτος παντα του κοσμου πραγματα ενδοξα, πλουτον και τρυφην, και πασαν, απολαυσιν, αυτην δε την γνωσιν, και παντα τα του αιωνος τουτου βδελυκδα ἡγειται και μισητα, Makarios, Homil. IX § 8 i. f. Wer ebenda bei den Tönen, den Düften, den Säften, den Tastungen, den Dingen Vergänglichkeit gemerkt hat, Veränderung, Unrath, Untergang, ›Dinge von einst wie von heute, alle die Dinge sind vergänglich, leidig, wandelbar‹, also dies, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit betrachtet und nun der höchsten Erlösungen in Sehnsucht gedenkt, ›Wann doch nur werde ich das Gebiet erobert haben, das die Heiligen schon besitzen?‹, so der höchsten Erlösungen sehnsüchtig eingedenk ist, wird aus Sehnsucht traurig bewegt: eine solche Traurigkeit, die heißt mit der Entsagung verbundene Traurigkeit. Das sind die sechs mit der Entsagung verbundenen Traurigkeiten.

»Was sind nun die sechs mit dem Hause verbundenen Gleichheiten? Hat man mit dem Gesichte eine Form erblickt und bleibt gleichgültig, als Thor unbewusst, ein gewöhnlicher Mensch, der Einwirkung und Befruchtung nicht entfremdet, ohne das Elend zu sehn, ein unerfahrener gewöhnlicher Mensch, so kann ein solcher Gleichmuth eine Form nicht überwinden: darum wird dieser Gleichmuth mit dem Hause verbunden geheißen. Hat man mit dem Gehöre einen Ton gehört, hat man mit dem Geruche einen Duft gerochen, hat man mit dem Geschmacke einen Saft geschmeckt, hat man mit dem Getaste eine Tastung getastet, hat man mit dem Gedenken ein Ding erkannt und bleibt gleichgültig, als Thor unbewusst, ein gewöhnlicher Mensch, der Einwirkung und Befruchtung nicht entfremdet, ohne das Elend zu sehn, ein unerfahrener, gewöhnlicher Mensch, so kann ein solcher Gleichmuth ein Ding nicht überwinden: darum wird dieser Gleichmuth mit dem Hause verbunden geheißen. Das sind die sechs mit dem Hause verbundenen Gleichheiten.

»Was sind nun die sechs mit der Entsagung verbundenen Gleichheiten? Hat man ebenda bei den Formen Vergänglichkeit gemerkt, Veränderung, Unrath, Untergang, ›Formen von einst wie heute, alle die Formen sind vergänglich, leidig, wandelbar‹, also dies, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit betrachtet und bleibt gleichgültig, so kann ein solcher Gleichmuth eine Form überwinden: darum wird dieser Gleichmuth mit der Entsagung verbunden geheißen. Hat man ebenda bei den Tönen, den Düften, den Säften, den Tastungen, den Dingen Vergänglichkeit gemerkt, Veränderung, Unrath, Untergang, ›Dinge von einst wie von heute, alle die Dinge sind vergänglich, leidig, wandelbar‹, also dies, der Wahrheit gemäß, mit vollkommener Weisheit betrachtet und bleibt gleichgültig, so kann ein solcher Gleichmuth ein Ding überwinden: darum wird dieser Gleichmuth mit der Entsagung verbunden geheißen. Das sind die sechs mit der Entsagung verbundenen Gleichheiten. – ‘Sechsunddreißig Fesselpfade sind zu merken’: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.

»‘Dann habt ihr auf eines gestützt ein anderes abzustoßen’: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Da mögt ihr denn, Mönche, die sechs mit der Entsagung verbundenen Fröhlichkeiten als Stütze gebrauchen, als Staffel gebrauchen um die sechs mit dem Hause verbundenen Fröhlichkeiten abzustoßen, überzuschreiten: das ist die Art, wie man diese abstoßen kann, das ist die Art, wie man diese überschreiten kann. Dann mögt ihr, Mönche, die sechs mit der Entsagung verbundenen Traurigkeiten als Stütze gebrauchen, als Staffel gebrauchen um die sechs mit dem Hause verbundenen Traurigkeiten abzustoßen, überzuschreiten: das ist die Art, wie man diese abstoßen kann, das ist die Art, wie man diese überschreiten kann. Dann mögt ihr, Mönche, die sechs mit der Entsagung verbundenen Gleichheiten als Stütze gebrauchen, als Staffel gebrauchen um die sechs mit dem Hause verbundenen Gleichheiten abzustoßen, überzuschreiten: das ist die Art, wie man diese abstoßen kann, das ist die Art, wie man diese überschreiten kann. Dann mögt ihr, Mönche, die sechs mit der Entsagung verbundenen Fröhlichkeiten als Stütze gebrauchen, als Staffel gebrauchen um die sechs mit der Entsagung verbundenen Traurigkeiten abzustoßen, überzuschreiten: das ist die Art, wie man diese abstoßen kann, das ist die Art, wie man diese überschreiten kann. Dann mögt ihr, Mönche, die sechs mit der Entsagung verbundenen Gleichheiten als Stütze gebrauchen, als Staffel gebrauchen um die sechs mit der Entsagung verbundenen Fröhlichkeiten abzustoßen, überzuschreiten: das ist die Art, wie man diese abstoßen kann, das ist die Art, wie man diese überschreiten kann.

»Es giebt, ihr Mönche, einen Gleichmuth, der vielfach, mit Vielheit verbunden ist, es giebt einen Gleichmuth, der einfach, mit Einheit verbunden ist. Was ist das nun, ihr Mönche, für ein Gleichmuth, der vielfach, mit Vielheit verbunden ist? Es giebt, ihr Mönche, einen Gleichmuth bei Formen, giebt ihn bei Tönen, bei Düften, bei Säften, bei Tastungen: das ist, ihr Mönche, ein Gleichmuth, der vielfach, mit Vielheit verbunden ist. Was aber ist das, ihr Mönche, für ein Gleichmuth, der einfach, mit Einheit verbunden ist? Es giebt, ihr Mönche, einen Gleichmuth, der an die unbegränzte Raumsphäre gebunden ist, der an die unbegränzte Bewusstseinsphäre gebunden ist, der an die Nichtdaseinsphäre gebunden ist, der an die Gränzscheide möglicher Wahrnehmung gebunden ist: das ist, ihr Mönche, ein Gleichmuth, der einfach, mit Einheit verbunden ist. Da mögt ihr denn, Mönche, den Gleichmuth, der einfach, mit Einheit verbunden ist, als Stütze gebrauchen, als Staffel gebrauchen um den Gleichmuth, der vielfach, mit Vielheit verbunden ist, abzustoßen, überzuschreiten: das ist die Art, wie man diesen abstoßen kann, das ist die Art, wie man diesen überschreiten kann. Unmittelbarkeit mögt ihr, Mönche, als Stütze gebrauchen, Unmittelbarkeit als Staffel gebrauchen um den Gleichmuth, der einfach, mit Einheit verbunden ist, abzustoßen, überzuschreiten: das ist die Art, wie man diesen abstoßen kann, das ist die Art, wie man diesen überschreiten kann. – ‘Dann habt ihr auf eines gestützt ein anderes abzustoßen’: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.

»‘Drei Pfeiler der Einsicht dann heilig behütet, in heiliger Hut als Meister, und Jünger aufzuerziehn ist man würdig’: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Da legt, ihr Mönche, ein Meister den Jüngern die Lehre dar, mitleidig, wohlwollend, von Mitleid bewogen: ›Das dient euch zum Wohle, das dient euch zum Heile.‹ Und die Jünger horchen nicht auf ihn, leihen ihm kein Gehör, wenden das Herz nicht dem Verständnisse zu, und übertreten in ihrem Betragen die Satzung des Meisters. Da wird, ihr Mönche, der Vollendete nicht unzufrieden, empfindet keine Unzufriedenheit, unbetrübt verweilt er besonnen, klar bewusst. Das heißt man, ihr Mönche, ersten Pfeiler der Einsicht, dann heilig behütet, in heiliger Hut als Meister, und Jünger aufzuerziehn ist man würdig.

»Weiter sodann, ihr Mönche: da legt ein Meister den Jüngern die Lehre dar, mitleidig, wohlwollend, von Mitleid bewogen: ›Das dient euch zum Wohle, das dient euch zum Heile.‹ Und manche der Jünger horchen nicht auf ihn, leihen ihm kein Gehör, wenden das Herz nicht dem Verständnisse zu, und übertreten in ihrem Betragen die Satzung des Meisters; und manche der Jünger horchen auf ihn, leihen ihm Gehör, wenden das Herz dem Verständnisse zu, und nicht übertreten sie in ihrem Betragen die Satzung des Meisters. Da wird, ihr Mönche, der Vollendete weder zufrieden, empfindet keine Zufriedenheit, noch unzufrieden, empfindet keine Unzufriedenheit: Zufriedenheit und Unzufriedenheit, beides hat er von sich gewiesen, gleichmüthig verweilt er besonnen, klar bewusst. Das heißt man, ihr Mönche, zweiten Pfeiler der Einsicht, dann heilig behütet, in heiliger Hut als Meister, und Jünger anfzuerziehn ist man würdig.

»Weiter sodann, ihr Mönche: da legt ein Meister den Jüngern die Lehre dar, mitleidig, wohlwollend, von Mitleid bewogen: ›Das dient euch zum Wohle, das dient euch zum Heile.‹ Und die Jünger horchen auf ihn, leihen ihm Gehör, wenden das Herz dem Verständnisse zu, und nicht übertreten sie in ihrem Betragen die Satzung des Meisters. Da wird, ihr Mönche, der Vollendete nicht zufrieden, empfindet keine Zufriedenheit, ungetrübt verweilt er besonnen, klar bewusst. Cf. die 22. Rede, p. 140. Das heißt man, ihr Mönche, dritten Pfeiler der Einsicht, dann heilig behütet, in heiliger Hut als Meister, und Jünger aufzuerziehn ist man würdig. – ‘Drei Pfeiler der Einsicht, dann heilig behütet, in heiliger Hut als Meister, und Jünger aufzuerziehn ist man würdig’: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.

»‘Ein solcher heißt der Fahrkundigen vorzüglichster, Leiter der Menschenheerde’: das ist gesagt worden; und warum ist das gesagt worden? Der Elephantenlenker, ihr Mönche, lässt den Reitelephanten eben nach einer Richtung laufen, nach Osten oder nach Westen, nach Norden oder nach Süden. Der Rosselenker, ihr Mönche, lässt das Wagenross eben nach einer Richtung laufen, nach Osten oder nach Westen, nach Norden oder nach Süden. Der Stiertreiber, ihr Mönche, lässt den Zugstier eben nach einer Richtung laufen, nach Osten oder nach Westen, nach Norden oder nach Süden. Der Vollendete, ihr Mönche, der Heilige, vollkommen Erwachte, lässt das Menschenthier purisadammo; analog puruṣapaśus in der Chāndogyopaniṣat II, 6, und το θρεμμα ανθρωπος im Platon, De legibus p. 777. acht Richtungen durchlaufen. Formhaft ist es und sieht die Formen: das ist die erste Richtung. Innen ohne Formwahrnehmung sieht es außen Formen: das ist die zweite Richtung. Schönheit nur hat es im Sinne: Vergl. den »desiderio della bellezza«, nach Platon, bei Michelangelo, wie e.g. in den Rime e prose, Chieti 1847, p. 174. das ist die dritte Richtung. Durch völlige Überwindung der Formwahrnehmungen, Vernichtung der Gegenwahrnehmungen, Verwerfung der Vielheitwahrnehmungen gewinnt es in dem Gedanken ›Gränzenlos ist der Raum‹ das Reich des unbegränzten Raumes: das ist die vierte Richtung. Nach völliger Überwindung der unbegränzten Raumsphäre gewinnt es in dem Gedanken ›Gränzenlos ist das Bewusstsein‹ das Reich des unbegränzten Bewusstseins: das ist die fünfte Richtung. Nach völliger Überwindung der unbegränzten Bewusstseinsphäre gewinnt es in dem Gedanken ›Nichts ist da‹ das Reich des Nichtdaseins: das ist die sechste Richtung. Nach völliger Überwindung der Nichtdaseinsphäre erreicht es die Gränzscheide möglich Wahrnehmung: das ist die siebente Richtung. Nach völliger Überwindung der Gränzscheide möglicher Wahrnehmung erreicht es die Auflösung der Wahrnehmbarkeit: das ist die achte Richtung. Der Vollendete, ihr Mönche, der Heilige, vollkommen Erwachte, lässt das Menschenthier diese acht Richtungen durchlaufen. – ‘Ein solcher heißt der Fahrkundigen vorzüglichster, Leiter der Menschenheerde’: wurde das gesagt, so war es darum gesagt.«

 

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen. Die aṭṭha disā acht Richtungen bezeichnen s.v.a. die acht Freiungen aṭṭha vimokhā der 77. Rede, passim; vergl. auch Lieder der Mönche, Anmerkung zu v. 1172. – Die Makarismen Matth. V, 3-10, im Mittelalter die aht sælekeiten genannt, bieten ein christliches Gegenstück dar; desgl. die, wiederum andersartigen, octo beatitudines der Scholastiker, vielleicht auch schon des Irenäus Abhandlung περι ογδοαδος; mehr noch das Durchwandeln der sechserlei Bilder, in Fritzlars Blume der Schauung. Über die Unmittelbarkeit, S. 492, sagt Eckhart, S. 5: Als nû ie ein meister wîser unde mehtiger ist, alsô ouch sîn werc unmitelîcher geschiht und einveldiger ist.
Zur ganzen Stelle S. 490, ‘Dann habt ihr auf eines gestützt ein anderes abzustoßen’, sei der geübteren Beobachtung ein gewiss analoger Spruch Goethes empfohlen, aus der Säligen Sehnsucht, im West-östlichen Divan, 1. Buch, vorletzter Vers:

Und so lang du Das nicht hast,
Dieses: Stirb und werde!
Bist du nur ein trüber Gast
Auf der dunkeln Erde.

Der selbe Gedanke, »Dies um Das«, ist im Tao-te-king wiederholt vorgetragen.
Die Reihenfolge der Thiere auf S. 494, wie im Gleichnisse der 125. Rede S. 324, ist auch anf den schönen Friesen und Reliefgruppen rein indischer Meisterskulptur noch ebenso erhalten: es geht der Elephant voran, dann folgt das Ross, der Stier etc. Cf. e. g. Rea, South Indian Buddhist Antiquities, Madras 1894, S. 36 und Tafel XXII. – Vorzüglich ausgeführte Elephanten und Rosse bietet später die hochentwickelte Bildhauerkunst von Amarāvati, nahe der Krischna Mündung, etwa 600 Jahre nach Gotamo. Kräftig, anmuthig, edel, zugleich individuell sehr verschieden, je nach dem gewählten Moment, und immer ungemein anschaulich, lebendig, durchgeistigt, im ganzen und im einzelnen wie bei den besten Antiken feinsinnig beobachtet und fixiert: sei es nun in einem sanft blickenden oder aber wild anstürmenden Elephantenauge oder in der seiden glänzenden muskelgeschwellten Haut oder in der wogenden Macht der zermalmenden Vorderfüße; sei es wieder an den ausdrucksvoll erregten Ohren der Rosse, ihrem stolz geschwungenen Nacken, den beweglichen Nüstern, dem rhythmischen Tritt ihrer leichten zierlichen Hufe u.s.w., u.s.w. Photographien der Reste und Fragmente – die Muhammedaner haben natürlich auch hier was sie konnten dem Erdboden gleichgemacht und kein einziges Stück unversehrt lassen, und die moderne Sammelwuth hat die Zerstörung so ziemlich vollendet – findet man, freilich dazu noch in einem gar dürftig verkleinerten Maaßstabe, in Fergussons Tree and Serpent Worship, London 1868: als Beispiel der Rosse namentlich auf Tafel 59, 1, 82, 1, 96, 1; der Elephanten auf Tafel 61, 1, 64, 1, 91, 3. Vergl. auch die z. Th. ergänzenden Blätter in Burgess' Archaeological Survey of Southern India (Amarāvati and Jaggayyapeta), London 1887, e. g. No. 27, 1, 2, 5, etc.


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