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Zwölfter Theil
Neunte Rede

Einsicht in den Körper

Das hab' ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos.

Als nun manche der Mönche nach dem Mahle, vom Almosengange zurückgekehrt, in der Halle des Vorhauses sich eingefunden, versammelt hatten, kam unter ihnen die Rede auf: ›Erstaunlich, ihr Brüder, außerordentlich ist es, ihr Brüder, wie sehr da von Ihm, dem Erhabenen, dem Kenner, dem Seher, dem Heiligen, vollkommen Erwachten, Einsicht in den Körper, übt man und pflegt man sie, als hochlohnend gepriesen wurde, hochförderlich.‹

Bald aber nachdem dieses Gespräch der Mönche unter einander begonnen, kam der Erhabene heran, gegen Abend, nach Aufhebung der Gedenkensruhe, zur Halle hin des Vorhauses, und nahm, dort angelangt, auf dem angebotenen Sitze Platz. Da wandte sich denn der Erhabene an die Mönche:

»Zu welchem Gespräche, ihr Mönche, seid ihr jetzt hier zusammengekommen, und wobei habt ihr euch eben unterbrochen?«

»Als wir uns da, o Herr, nach dem Mahle, vom Almosengange zurückgekehrt, in der Halle des Vorhauses eingefunden, versammelt hatten, war unter uns die Rede aufgekommen: ›Erstaunlich, ihr Brüder, außerordentlich ist es, ihr Brüder, wie sehr da von Ihm, dem Erhabenen, dem Kenner, dem Seher, dem Heiligen, vollkommen Erwachten, Einsicht in den Körper, übt man und pflegt man sie, als hochlohnend gepriesen wurde, hochförderlich‹: das war, o Herr, das Gespräch unter uns, das wir unterbrachen als der Erhabene ankam.«

»Wie aber übt man, ihr Mönche, Einsicht in den Körper, wie pflegt man sie, auf dass sie hohen Lohn verleihe, hohe Förderung? Da begiebt sich, ihr Mönche, der Mönch ins Innere des Waldes oder unter einen großen Baum oder in eine leere Klause, setzt sich mit verschränkten Beinen nieder, den Körper gerade aufgerichtet, und pflegt der Einsicht. Cf. Bernardi Casinensis Speculum monachorum I, 1, 1, 2: »Omnium honorum operum officina cella est et stabilis perseverantia.« – »Impossibile est hominem fideliter figere in uno animum suum, qui non prius in aliquo loco perseveranter affixerit corpus suum.« Vergl. noch Pascal, Pensées I, 7, 1,: »C´est pourquoi ... j'ai souvent dit que tout le malheur des hommes vient de ne savoir pas se tenir en repos dans une chambre.« Bedächtig athmet er ein, bedächtig athmet er aus. Athmet er tief ein, so weiß er ›Ich athme tief ein‹, athmet er tief aus, so weiß er ›Ich athme tief aus‹; athmet er kurz ein, so weiß er ›Ich athme kurz ein‹, athmet er kurz aus, so weiß er ›Ich athme kurz aus‹. ›Den ganzen Körper empfindend will ich einathmen‹, ›Den ganzen Körper empfindend will ich ausathmen‹, so übt er sich. ›Diese Körperverbindung besänftigend will ich einathmen‹, ›Diese Körperverbindung besänftigend will ich ausathmen‹, so übt er sich. Während er also ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilt, schwinden ihm die hausgewohnten Erinnerungen dahin; und weil sie dahingeschwunden, festigt sich eben das innige Herz, beruhigt sich, wird einig und stark. Eben das ist, ihr Mönche, Einsicht in den Körper, wie sie der Mönch übt.

»Weiter sodann, ihr Mönche: der Mönch weiß wenn er geht ›Ich gehe‹, weiß wenn er steht ›Ich stehe‹, weiß wenn er sitzt ›Ich sitze‹, weiß wenn er liegt ›Ich liege‹, er weiß wenn er sich in dieser oder jener Stellung befindet, dass es diese oder jene Stellung ist. Während er also ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilt, schwinden ihm die hausgewohnten Erinnerungen dahin; und weil sie dahingeschwunden, festigt sich eben das innige Herz, beruhigt sich, wird einig und stark. Auch das ist, ihr Mönche, Einsicht in den Körper, wie sie der Mönch übt.

»Weiter sodann, ihr Mönche: der Mönch ist klar bewusst beim Kommen und Gehn, klar bewusst beim Hinblicken und Wegblicken, klar bewusst beim Neigen und Erheben, klar bewusst beim Tragen des Gewandes und der Almosenschaale des Ordens, klar bewusst beim Essen und Trinken, Kauen und Schmecken, klar bewusst beim Entleeren von Koth und Harn, klar bewusst beim Gehn und Stehn und Sitzen, beim Einschlafen und Erwachen, beim Sprechen und Schweigen. Während er also ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilt, schwinden ihm die hausgewohnten Erinnerungen dahin; und weil sie dahingeschwunden, festigt sich eben das innige Herz, beruhigt sich, wird einig und stark. Auch das ist, ihr Mönche, Einsicht in den Körper, wie sie der Mönch übt.

»Weiter sodann, ihr Mönche: der Mönch betrachtet sich diesen Körper da von der Sohle bis zum Scheitel, den hautüberzogenen, den unterschiedliches Unreine ausfüllt: ›Dieser Körper trägt einen Schopf, ist behaart, hat Nägel und Zähne, Haut und Fleisch, Sehnen und Knochen und Knochenmark, Nieren, Herz und Leber, Zwerchfell, Milz, Lungen, Magen, Eingeweide, Weichtheile und Koth, hat Galle, Schleim, Eiter, Blut, Schweiß, Lymphe, Thränen, Serum, Speichel, Rotz, Gelenköl, Harn.‹ Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn da ein Sack, an beiden Enden zugebunden, mit verschiedenem Korne gefüllt wäre, als wie etwa mit Reis, mit Bohnen, mit Sesam, und ein scharfsehender Mann bände ihn auf und untersuchte den Inhalt: ›Das ist Reis, das sind Bohnen, das ist Sesam‹: ebenso nun auch, ihr Mönche, betrachtet sich der Mönch diesen Körper da von der Sohle bis zum Scheitel, den hautüberzogenen, den unterschiedliches Unreine ausfüllt. Während er also ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilt, schwinden ihm die hausgewohnten Erinnerungen dahin; und weil sie dahingeschwunden, festigt sich eben das innige Herz, beruhigt sich, wird einig und stark. Auch das ist, ihr Mönche, Einsicht in den Körper, wie sie der Mönch übt.

»Weiter sodann, ihr Mönche: der Mönch schaut sich diesen Körper da wie er geht und steht als Artung an: ›Dieser Körper ist von Erdenart, von Wasserart, von Feuerart, von Luftart.‹ Gleichwie etwa, ihr Mönche, ein geschickter Metzger oder Metzgergeselle eine Kuh schlachtet, auf den Markt bringt, Stück vor Stück zerlegt und sich dann hinsetzen mag: ebenso nun auch, ihr Mönche, schaut sich der Mönch diesen Körper da wie er geht und steht als Artung an. Während er also ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilt, schwinden ihm die hausgewohnten Erinnerungen dahin; und weil sie dahingeschwunden, festigt sich eben das innige Herz, beruhigt sich, wird einig und stark. Auch das ist, ihr Mönche, Einsicht in den Körper, wie sie der Mönch übt.

»Weiter sodann, ihr Mönche: als hätte der Mönch einen Leib auf der Leichenstätte liegen sehn, einen Tag nach dem Tode oder zwei oder drei Tage nach dem Tode, aufgedunsen, blauschwarz gefärbt, in Fäulniss übergegangen, zieht er den Schluss auf sich selbst: ›Und auch dieser Körper ist so beschaffen, wird das werden, kann dem nicht entgehn.‹ Est dies, in quo color in aiium colorem mutatur, et pro colore vitae color mortuorum induitur: Ephræmi Carmen Nisibenum ultimum, ed. Bickell 77, 11. Während er also ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilt, schwinden ihm die hausgewohnten Erinnerungen dahin; und weil sie dahingeschwunden, festigt sich eben das innige Herz, beruhigt sich, wird einig und stark. Auch das ist, ihr Mönche, Einsicht in den Körper, wie sie der Mönch übt.

»Weiter sodann, ihr Mönche: als hätte der Mönch einen Leib auf der Leichenstätte liegen sehn, von Krähen oder Raben oder Geiern zerfressen, von Hunden oder Schackalen zerfleischt, oder von vielerlei Würmern zernagt, zieht er den Schluss auf sich selbst: ›Und auch dieser Körper ist so beschaffen, wird das werden, kann dem nicht entgehn.‹ Weiter sodann, ihr Mönche: als hätte der Mönch einen Leib auf der Leichenstätte liegen sehn, ein Knochengerippe, fleischbehangen, blutbesudelt, von den Sehnen zusammengehalten; ein Knochengerippe, fleischentblößt, blutbefleckt, von den Sehnen zusammengehalten; ein Knochengerippe, ohne Fleisch, ohne Blut, von den Sehnen zusammengehalten; die Gebeine, ohne die Sehnen, hierher und dorthin verstreut, da ein Handknochen, dort ein Fußknochen, da ein Schienbein, dort ein Schenkel, da das Becken, dort Wirbel, da der Schädel; als hätte er das gesehn, zieht er den Schluss auf sich selbst: ›Und auch dieser Körper ist so beschaffen, wird das werden, kann dem nicht entgehn.‹ Weiter sodann, ihr Mönche: als hätte der Mönch einen Leib auf der Leichenstätte liegen sehn, Gebeine, blank, muschelfarbig; Gebeine, zuhauf geschichtet, nach Verlauf eines Jahres; Gebeine, verwest, in Staub zerfallen; als hätte er das gesehn, zieht er den Schluss auf sich selbst: ›Und auch dieser Körper ist so beschaffen, wird das werden, kann dem nicht entgehn.‹ Αποβλεψατε γαρ προς το τελος ἑκαστου των γενομενων βασιλεων, ὁτι τον κοινον πασι θανατον απεθανον: Iustinus Martyr, Apol. I, 18. Während er also ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilt, schwinden ihm die hausgewohnten Erinnerungen dahin; und weil sie dahingeschwunden, festigt sich eben das innige Herz, beruhigt sich, wird einig und stark. Auch das ist, ihr Mönche, Einsicht in den Körper, wie sie der Mönch übt.

»Weiter sodann, ihr Mönche: der Mönch, gar fern von Begierden, fern von unheilsamen Dingen, verweilt in sinnend gedenkender ruhegeborener säliger Heiterkeit, in der Weihe der ersten Schauung. Diesen Körper durchdringt und durchtränkt er nun, erfüllt ihn und sättigt ihn mit ruhegeborener säliger Heiterkeit, sodass nicht der kleinste Theil seines Körpers von ruhegeborener säliger Heiterkeit ungesättigt bleibt. Gleichwie etwa, ihr Mönche, ein gewandter Bader oder Badergeselle auf ein erzernes Becken Seifenpulver streut und mit Wasser versetzt, verreibt und vermischt, sodass sein Schaumball völlig durchfeuchtigt, innen und außen mit Feuchtigkeit gesättigt ist und nichts herab träufelt: ebenso nun auch, ihr Mönche, durchdringt und durchtränkt, erfüllt und sättigt der Mönch diesen Körper da mit ruhegeborener säliger Heiterkeit, sodass nicht der kleinste Theil seines Körpers von ruhegeborener säliger Heiterkeit ungesättigt bleibt. Während er also ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilt, schwinden ihm die hausgewohnten Erinnerungen dahin; und weil sie dahingeschwunden, festigt sich eben das innige Herz, beruhigt sich, wird einig und stark. Auch das ist, ihr Mönche, Einsicht in den Körper, wie sie der Mönch übt.

»Weiter sodann, ihr Mönche: der Mönch erreicht nach Vollendung des Sinnens und Gedenkens die innere Meeresstille, die Einheit des Gemüthes, die von sinnen, von gedenken freie, in der Einigung geborene sälige Heiterkeit, die Weihe der zweiten Schauung. Diesen Körper durchdringt und durchtränkt er nun, erfüllt ihn und sättigt ihn mit der in der Einigung geborenen säligen Heiterkeit, sodass nicht der kleinste Theil seines Körpers von der in der Einigung geborenen säligen Heiterkeit ungesättigt bleibt. Gleichwie etwa, ihr Mönche, ein See mit unterirdischer Quelle, in den sich kein Bach von Osten oder Westen, von Norden oder Süden ergösse, keine Wolke von Zeit zu Zeit mit tüchtigem Gusse darüber hinwegzöge, in welchem nur die kühle Quelle des Grundes emporwellte und diesen See völlig durchdränge, durchtränkte, erfüllte und sättigte, sodass nicht der kleinste Theil des Sees von kühlem Wasser ungesättigt bliebe: ebenso nun auch, ihr Mönche, durchdringt und durchtränkt, erfüllt und sättigt der Mönch diesen Körper da mit der in der Einigung geborenen säligen Heiterkeit, sodass nicht der kleinste Theil seines Körpers von der in der Einigung geborenen säligen Heiterkeit ungesättigt bleibt. Während er also ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilt, schwinden ihm die hausgewohnten Erinnerungen dahin; und weil sie dahingeschwunden, festigt sich eben das innige Herz, beruhigt sich, wird einig und stark. Auch das ist, ihr Mönche, Einsicht in den Körper, wie sie der Mönch übt.

»Weiter sodann, ihr Mönche: der Mönch weilt in heiterer Ruhe gleichmüthig, einsichtig, klar bewusst, ein Glück empfindet er im Körper, von dem die Heiligen sagen: ›Der gleichmüthig Einsichtige lebt beglückt‹; so erwirkt er die Weihe der dritten Schauung. Diesen Körper da durchdringt und durchtränkt er nun, erfüllt ihn und sättigt ihn mit entsäligter Heiterkeit, sodass nicht der kleinste Theil seines Körpers von entsäligter Heiterkeit ungesättigt bleibt. Gleichwie etwa, ihr Mönche, in einem Lotusweiher einzelne blaue oder rothe oder weiße Lotusrosen im Wasser entstehn, im Wasser sich entwickeln, unter dem Wasserspiegel bleiben, aus der Wassertiefe Nahrung aufsaugen und ihre Blüthen und ihre Wurzeln von kühlem Wasser durchdrungen, durchtränkt, erfüllt und gesättigt sind, sodass nicht der kleinste Theil jeder blauen oder rothen oder weißen Lotusrose von kühlem Nass ungesättigt bleibt: ebenso nun auch, ihr Mönche, durchdringt und durchtränkt, erfüllt und sättigt der Mönch diesen Körper da mit entsäligter Heiterkeit, sodass nicht der kleinste Theil seines Körpers von entsäligter Heiterkeit ungesättigt bleibt. Während er also ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilt, schwinden ihm die hausgewohnten Erinnerungen dahin; und weil sie dahingeschwunden, festigt sich eben das innige Herz, beruhigt sich, wird einig und stark. Auch das ist, ihr Mönche, Einsicht in den Körper, wie sie der Mönch übt.

»Weiter sodann, ihr Mönche: der Mönch erwirkt nach Verwerfung der Freuden und Leiden, nach Vernichtung des einstigen Frohsinns und Trübsinns die Weihe der leidlosen, freudlosen, gleichmüthig einsichtigen vollkommenen Reine, die vierte Schauung. Er setzt sich hin und bedeckt diesen Körper da mit geläutertem Gemüthe, mit geklärtem, sodass nicht der kleinste Theil seines Körpers von dem geläuterten Gemüthe, dem geklärten, unbedeckt bleibt. Das selbe Gleichniss behandelt Makarios im 1. Th. der 20. Homilie. Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn sich ein Mann vom Scheitel bis zur Sohle in einen weißen Mantel eingehüllt niedersetzte, sodass nicht der kleinste Theil seines Körpers von dem weißen Mantel unbedeckt bliebe: ebenso nun auch, ihr Mönche, setzt sich der Mönch nieder und hat diesen Körper mit geläutertem Gemüthe, mit geklärtem, überzogen, sodass nicht der kleinste Theil seines Körpers von dem geläuterten Gemüthe, dem geklärten, unbedeckt bleibt. Während er also ernsten Sinnes, eifrig, unermüdlich verweilt, schwinden ihm die hausgewohnten Erinnerungen dahin; und weil sie dahingeschwunden, festigt sich eben das innige Herz, beruhigt sich, wird einig und stark. Auch das ist, ihr Mönche, Einsicht in den Körper, wie sie der Mönch übt.

»Wer auch immer, ihr Mönche, Einsicht in den Körper geübt und gepflegt hat, einbegriffen hat er die heilsamen Dinge, die nur irgend Wissen einbringen. Gleichwie da, ihr Mönche, ein jeder, der das große Meer im Geiste gefasst hat, einbegriffen die Flüsse hat, die nur irgend ins Meer sich ergießen: ebenso nun auch, ihr Mönche, hat ein jeder, der da Einsicht in den Körper geübt und gepflegt hat, einbegriffen die heilsamen Dinge, die nur irgend Wissen einbringen. Cf. das vedische Gleichniss, e. g. Bṛhadāraṇyakam II, 4, 11, Sayathā sarvāsām apāṃ samudra ekāyanam evamādi; Praśnopaniṣat VI, 5, Sayathemā nadyaḥ syandamānāḥ samudrāyaṇāḥ samudraṃ prāpyās taṃ gacchanti, bhidyete tāsāṃ nāmarūpe, samudra ityevaṃ procyate, etc.; und ebenso Tao-te-king Kap. 32 i. f., Merswin, Neun Felsen p. 138. –Vergl. Ilias XXI, 195 – 197: βαθυρρειταο μεγα σθενος Ωκεανοιο, εξ οὑ περ παντες ποταμοι και πασα θαλασσα και πασαι κρηναι και φρειατα μακρα ναουσιν.

»Wer auch immer, ihr Mönche, Einsicht in den Körper nicht geübt, nicht gepflegt hat, in den kann der Tod hineingleiten, in den kann der Tod hinabschleichen. Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn ein Mann eine schwere Steinkugel auf einen feuchten Lehmhaufen hinwürfe; was meint ihr wohl, Mönche: würde da nicht diese schwere Steinkugel in den feuchten Lehmhaufen hineingleiten?«

»Gewiss, o Herr!«

»Ebenso nun auch, ihr Mönche, hat irgend einer da Einsicht in den Körper nicht geübt, nicht gepflegt, kann der Tod in den hineingleiten, kann der Tod in den hinabschleichen. Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn ein trockenes, ausgedörrtes Holzscheit da wäre, und es käme ein Mann herbei, mit einem Reibholz versehn: Holzscheit und Reibholz stellen das vedische und ebenso altgriechische Feuerzeug dar, wie es z.B. des Sophokles Philoktet bei sich in der Höhle verwahrt, v. 36. Der erste Feuerreiber ist bekanntlich Prometheus, pramanthayas, gewesen, dessen Thätigkeit von Diogenes, im Widerspruch zur dichterischen Darstellung aber im Einklang mit unserem obigen Gleichnisse, als eine unheilsame bezeichnet wurde, δια την εὑρεσιν και μεταδοσιν του πυρος, ὡς αρχην τουτ' ον και αφορμην τοις ανθρωποις, bei Mullach, Fragm. philos. Graec. vol. II. p. 327. ›Ich will Feuer erwecken, Licht hervorbringen‹; was meint ihr wohl, Mönche: könnte da nicht dieser Mann, mit dem Reibholz das trockene, ausgedörrte Holzscheit reibend, Feuer erwecken, Licht hervorbringen?«

»Gewiss, o Herr!«

»Ebenso nun auch, ihr Mönche, hat irgend einer da Einsicht in den Körper nicht geübt, nicht gepflegt, kann der Tod in den hineingleiten, kann der Tod in den hinabschleichen. Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn ein Wassereimer, ungefüllt, ohne Inhalt, auf der Staffel stände, und es käme ein Mann herbei, mit einer Kufe Wasser; was meint ihr wohl, Mönche: könnte da nicht dieser Mann das Wasser hineinschütten?«

»Gewiss, o Herr!«

»Ebenso nun auch, ihr Mönche, hat irgend einer da Einsicht in den Körper nicht geübt, nicht gepflegt, kann der Tod in den hineingleiten, kann der Tod in den hinabschleichen. – Wer auch immer, ihr Mönche, Einsicht in den Körper geübt und gepflegt hat, nicht in den kann der Tod hineingleiten, nicht in den kann der Tod hinabschleichen. Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn ein Mann einen leichten Fadenknäul gegen ein ganz aus Kernholz gehobeltes Thürbrett schleuderte; was meint ihr wohl, Mönche: könnte da etwa dieser leichte Fadenknäul in das ganz aus Kernholz gehobelte Thürbrett hineingleiten?«

»Gewiss nicht, o Herr!«

»Ebenso nun auch, ihr Mönche, hat irgend einer da Einsicht in den Körper geübt und gepflegt, kann der Tod nicht in den hineingleiten, kann der Tod nicht in den hinabschleichen. Makarios, De elevatione mentis cap. XVI. Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn ein feuchtes, leimiges Holzscheit da wäre, und es käme ein Mann herbei, mit einem Reibholz versehn: ›Ich will Feuer erwecken, Licht hervorbringen‹; was meint ihr wohl, Mönche: könnte da etwa dieser Mann, mit dem Reibholz das feuchte, leimige Holzscheit reibend, Feuer erwecken, Licht hervorbringen?«

»Gewiss nicht, o Herr!«

»Ebenso nun auch, ihr Mönche, hat irgend einer da Einsicht in den Körper geübt und gepflegt, kann der Tod nicht in den hineingleiten, kann der Tod nicht in den hinabschleichen. Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn ein Wassereimer, voll von Wasser, bis zum Rande gefüllt, Krähen schlürfbar, auf der Staffel stände, und es käme ein Mann herbei, mit einer Kufe Wasser; was meint ihr wohl, Mönche: könnte da etwa dieser Mann das Wasser hineinschütten?«

»Gewiss nicht, o Herr!«

»Ebenso nun auch, ihr Mönche, hat irgend einer da Einsicht in den Körper geübt und gepflegt, kann der Tod nicht in den hineingleiten, kann der Tod nicht in den hinabschleichen. Diese hier dargebotenen drei Doppelgleichnisse können als meisterliche Ausführung von Bṛhadāraṇyakam I, 5, Ende gelten, so zu sagen als Auflösung des dort gegebenen Siegels: Tasmād ekam eva vrataṃ caret, prāṇyāccaivāpānyācca, nenmā pāpmā mṛtyur āpnutvad: iti yadyucaret samāpipayiṣet. – Cf. noch S. Francesco, bei Celano I, 16: Docebat eos non solum mortificare vitia et carnis incentiva reprimere, verum etiam et ipsos exteriores sensus, per quos mors intrat ad animam. – Wer auch immer, ihr Mönche, Einsicht in den Körper geübt und gepflegt hat: auf was für ein durch Erkenntniss erwirkbares Ding der sein Herz nur irgend hinlenkt, um es durch Erkenntniss zu erwirken, eben da und da wird ihm Erwirkung zutheil, je und je nach der Wirkensart. Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn ein Wassereimer, voll von Wasser, bis zum Rande gefüllt, Krähen schlürfbar, auf der Staffel stände, und diesen ein kräftiger Mann mehr und mehr tiefte: triefte da Wasser?«

»Gewiss, o Herr!«

»Ebenso nun auch, ihr Mönche, hat irgend einer da Einsicht in den Körper geübt und gepflegt: auf was für ein durch Erkenntniss erwirkbares Ding der sein Herz nur irgend hinlenkt, um es durch Erkenntniss zu erwirken, eben da und da wird ihm Erwirkung zutheil, je und je nach der Wirkensart. So auch das sokratische Gleichniss von den vollen Fässern, im Gorgias p. 493/4. Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn in flacher Landschaft ein Teich läge, an den vier Seiten von einem Damme umfriedet, voll von Wasser, bis zum Rande gefüllt, Krähen schlürfbar, und diesen Damm ein kräftiger Mann mehr und mehr tiefte: triefte da Wasser?«

»Gewiss, o Herr!«

»Ebenso nun auch, ihr Mönche, hat irgend einer da Einsicht in den Körper geübt und gepflegt: auf was für ein durch Erkenntniss erwirkbares Ding der sein Herz nur irgend hinlenkt, um es durch Erkenntniss zu erwirken, eben da und da wird ihm Erwirkung zutheil, je und je nach der Wirkensart. Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn da auf gutem Boden, am Ausgangsplatze vierer Straßen, ein treffliches Wagengespann in Bereitschaft stände, mit dem zugehörigen Treibstock versehn, und diesen Wagen bestiege ein Meister der Fahrkunst, ein gewandter Rosselenker, nähme die Zügel in die linke Hand, den Treibstock in die rechte, und führe nach Wunsch und Willen hin und her: ebenso nun auch, ihr Mönche, hat irgend einer da Einsicht in den Körper geübt und gepflegt, auf was für ein durch Erkenntniss erwirkbares Ding der sein Herz nur irgend hinlenkt, um es durch Erkenntniss zu erwirken, eben da und da wird ihm Erwirkung zutheil, je und je nach der Wirkensart. Vergl. Kaṭhādyup. III, 3: Ātmānaṃ rathinaṃ viddhi śarīraṃ ratham eva tu buddhin tu sārathiṃ viddhi manaḥ pragrakam eva ca. – S. Bernardus, Serm. 49 i. m.: »Est ergo discretio non tam virtus quam quaedam moderatrix et auriga virtutum ordinatrixque affectuum et morum doctrix.« Das selbe ritterliche Gleichniss »discretio auriga virtutum« von S. Francesco gebraucht, bei Bonaventura cap. 5 in med. Vor ihnen schon vom säligen Makarios, ed. Prittus, Homil. 15 § 34 & 40 § 5 i. f., και γαρ ὁ νους ἡνιοχος εστι κτλ. Und wiederum auch bei Platon, e.g. im Phaidros p. 247.

»Ist Einsicht, ihr Mönche, in den Körper genommen, geübt, gepflegt, ausgeführt, ausgebildet, angewendet, durchgeprüft, durchaus entrichtet worden, mag man da zehn förderliche Eigenschaften an sich erfahren. Über Unmuth hat man Gewalt, Lies hier arati-r-atisaho. nicht lässt man sich von Unmuth bewältigen, aufgestiegenen Unmuth überwindet, übersteht man. Furcht und Angst bewältigt man, nicht lässt man sich von Furcht und Angst bewältigen, aufgestiegene Furcht und Angst überwindet, übersteht man. Man erträgt Kälte und Hitze, Hunger und Durst, Wind und Wetter, Mücken und Wespen und plagende Kriechthiere, boshafte, böswillige Redeweisen, körperliche Schmerzgefühle, die einen treffen, heftige, schneidende, stechende, unangenehme, leidige, lebensgefährliche dauert man duldend aus. Die vier Schauungen, die das Herz erquicken, schon im Leben besäligen, die kann man nach Wunsch gewinnen, in ihrer Fülle und Weite. Auf manigfaltige Weise mag man Machtentfaltung an sich erfahren, bis zu den Brahmawelten hat man den Körper in seiner Gewalt. Mit dem himmlischen Gehör, dem geläuterten, über menschliche Gränzen hinausreichenden, kann man beide Arten der Töne hören, die himmlischen und die irdischen, die fernen und die nahen. Der anderen Wesen, der anderen Personen Herz im Herzen schaut und erkennt man je gemäß. An manche verschiedene frühere Daseinsform erinnert man sich, als wie an ein Leben, dann an zwei Leben, und so weiter, mit je den eigentümlichen Merkmalen, mit je den eigenartigen Beziehungen. Mit dem himmlischen Auge, dem geläuterten, über menschliche Gränzen hinausreichenden, kann man die Wesen dahinschwinden und wiedererscheinen sehn, gemeine und edle, schöne und unschöne, glückliche und unglückliche, man kann erkennen wie die Wesen je nach den Thaten wiederkehren. Den Wahn kann man versiegen und die wahnlose Gemütherlösung, Weisheiterlösung noch bei Lebzeiten sich offenbar machen, verwirklichen und erringen. Ist Einsicht, ihr Mönche, in den Körper genommen, geübt, gepflegt, ausgeführt, ausgebildet, angewendet, durchgeprüft, durchaus entrichtet worden, mag man diese zehn förderlichen Eigenschaften an sich erfahren.«

 

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freuten sich jene Mönche über das Wort des Erhabenen. Die klassische Leichenbetrachtung, wie oben S. 250f., mit dem Ende »Gebeine, verwest, in Staub zerfallen«, erinnert an die grandiose Szene in Senecas Hercules Œtæus i. f., wo Alcmena mit der Aschenurne ihres Sohnes im Arme auftritt:

Timete, Superi, fata: tam parvus cinis
Herculeus est: huc ille decrevit gigas.
O quanta, Titan, in nihil moles abit:
Anilis, heu me, recipit Alciden sinus.
Hic tumulus illi est. Ecce, vix totam Hercules
Complevit urnam; quam leve est pondus mihi,
Cui totus æther pondus incubuit leve.

Kürzer gefasst im Hamlet, Todtengräberszene, Schlussverse:

Imperious Cæsar, dead and turn'd to clay,
Might stop a hole to keep the wind away:
O, that that earth which kept the world in awe
Should patch a wall t' expel the winter's flaw!

Auch Goethes Geistesgruß klingt hier an.


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