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Dreizehnter Theil
Zehnte Rede

Die Götterboten

Das hab' ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Sāvatthī, im Siegerwalde, im Garten Anāthapiṇḍikos. Dort nun wandte sich der Erhabene an die Mönche: »Ihr Mönche!« – »Erlauchter!« antworteten da jene Mönche dem Erhabenen aufmerksam. Der Erhabene sprach also:

»Gleichwie etwa, ihr Mönche, wenn da zwei Häuser wären, mit Thüren, und es betrachtete ein scharfsehender Mann, in der Mitte stehend, die Menschen, wie sie das Haus betreten und verlassen, kommen und gehn: Das selbe Gleichniss »ex domo in domum videri migrare« bei Cornelius Nepos, Atticus i. f. ebenso nun auch, ihr Mönche, seh' ich mit dem himmlischen Auge, dem geläuterten, über menschliche Gränzen hinausreichenden, die Wesen dahinschwinden und wiedererscheinen, gemeine und edle, schöne und unschöne, glückliche und unglückliche, erkenne wie die Wesen je nach den Thaten wiederkehren. ›Diese lieben Wesen sind freilich in Thaten dem Guten zugethan, in Worten dem Guten zugethan, in Gedanken dem Guten zugethan, tadeln nicht Heiliges, achten Rechtes, thun Rechtes; bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, kehren sie auf gute Fährte, in himmlische Welt wieder. Und auch diese lieben Wesen sind in Thaten dem Guten zugethan, in Worten dem Guten zugethan, in Gedanken dem Guten zugethan, tadeln nicht Heiliges, achten Rechtes, thun Rechtes; bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, kehren sie unter die Menschen wieder. Jene lieben Wesen sind aber in Thaten dem Schlechten zugethan, in Worten dem Schlechten zugethan, in Gedanken dem Schlechten zugethan, tadeln Heiliges, achten Verkehrtes, thun Verkehrtes; bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, kehren sie in das Gespensterreich wieder. Und auch jene lieben Wesen sind in Thaten dem Schlechten zugethan, in Worten dem Schlechten zugethan, in Gedanken dem Schlechten zugethan, tadeln Heiliges, achten Verkehrtes, thun Verkehrtes; bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, kehren sie in die Thierheit wieder. Und auch jene lieben Wesen sind in Thaten dem Schlechten zugethan, in Worten dem Schlechten zugethan, in Gedanken dem Schlechten zugethan, tadeln Heiliges, achten Verkehrtes, thun Verkehrtes; bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, kehren sie abwärts, auf schlechte Fährte, zur Tiefe hinab, in höllische Welt wieder.

»Ein solcher, ihr Mönche, wird von den höllischen Wächtern unter den Armen ergriffen und vor den Richter der Schatten gebracht: ›Da ist, o König, ein Mann, der unbarmherzig war, kein Entsagen kannte, keine Lauterkeit, vor keinem ehrwürdigen Haupte Achtung hatte; na kulejeṭṭhāpaccāyī, i. e. na kule jeṭṭhā(ya) paccāyī. – Vergl. das sinngemäße gurūnaṃ apaciti, vuḍhānaṃ suśruṣā etc. bei Asoko, Felsenedikt IX, IV, Säulenedikt VII, 2,8. ihm soll der König die Strafe erkennen.‹ Ein solcher, ihr Mönche, wird vom Richter der Schatten über den ersten Götterboten befragt, ausgeforscht, unterrichtet: ›Lieber Mann, hast du nicht bei den Menschen den ersten Götterboten erscheinen sehn?‹ Er aber antwortet: ›Ich hab' ihn nicht gesehn, o Herr.‹ Da sagt, ihr Mönche, der Richter der Schatten zu ihm: ›Lieber Mann, hast du nicht bei den Menschen ein kleines Kind, einen unvernünftigen Säugling, mit Koth und Harn beschmutzt daliegen sehn?‹ Er aber antwortet: ›Das hab' ich gesehn, o Herr.‹ Da sagt, ihr Mönche, der Richter der Schatten zu ihm: ›Lieber Mann, da du verständig geworden, erwachsen warst, mahallako, wörtlich: groß geworden, d. i. in das Alter der Reife eingetreten sein; nicht etwa in das Greisenalter, wie die nordbuddhistischen Lexikographen vermeint haben. Vergl. mahilā = adulta; āyuṣmān, in aetatem esse, etc. – Ähnlich heißt bei uns »zu seinen Jahren gekommen sein« zunächst nur, das Alter der Pubertät erreicht haben: wie z. B. der Sachsenspiegel 1, 42 ausdrücklich erklärt. hast du bedacht: ‘Auch ich bin der Geburt unterworfen, habe die Geburt nicht überstanden; wohl denn, günstig will ich wirken, in Werken, in Worten, in Gedanken’?‹ Er aber antwortet: ›Ich konnt' es nicht, o Herr, war unachtsam, o Herr.‹ Da sagt, ihr Mönche, der Richter der Schatten zu ihm: ›Lieber Mann, aus Unachtsamkeit hast du nicht günstig gewirkt in Werken, in Worten, in Gedanken: da wird man dir, lieber Mann, eben nur also begegnen wie einem Unachtsamen. Das aber nun, was du dort Böses begangen, hat nicht die Mutter gethan und nicht der Vater, hat nicht der Bruder gethan und nicht die Schwester, hat kein Freund und Genosse gethan, hat kein Verwandter und Gevatter gethan, hat kein Asket und Priester gethan, hat keine Gottheit gethan: du selber hast dort böse That gethan, du selber hast die Ernte davon einzutragen.‹ Genau so der platonische Mythos, den Sokrates, im Gorgias p. 523/4, vorträgt, wo Rhadamanthys, »der Richter aus Asien«, den nackten Geist des Verstorbenen, der gerechten Krisis überantwortet. Noch schöner, ohne Mythos, nur klar Manus IV, 239–241; Raṭṭhapālo in der 82. Rede.
Jene häufige Übereinstimmung mit den Griechen ist schon dem feinsinnigen Forscher und Beobachter Megasthenes aufgefallen, der da, bei Strabo p. 713, von den Indern sagt:
περι πολλων δε τοις Ελλησιν δμοδοξειν , und bald darauf, gerade als ob er unsere obige Stelle im Sinne hätte, fortfährt. – Vergl. übrigens das altägyptische Todtengericht. Geistesverwandt sind bei Shakespeare the visible spirits of the heavens, the justicers, Lear IV, 2.

»Ein solcher, ihr Mönche, vom Richter der Schatten also über den ersten Götterboten belehrt, wird über den zweiten Götterboten befragt, ausgeforscht, unterrichtet: ›Lieber Mann, hast du nicht bei den Menschen den zweiten Götterboten erscheinen sehn?‹ Er aber antwortet: ›Ich hab' ihn nicht gesehn, o Herr.‹ Da sagt, ihr Mönche, der Richter der Schatten zu ihm: ›Lieber Mann, hast du nicht bei den Menschen ein Weib oder einen Mann gesehn, im achtzigsten oder neunzigsten oder hundertsten Lebensjahre, gebrochen, giebelförmig geknickt, abgezehrt, auf Krücken gestützt schlotternd dahinschleichen, siech, welk, zahnlos, mit gebleichten Strähnen, kahlem, wackelndem Kopfe, verrunzelt, die Haut voller Flecken?‹ Er aber antwortet: ›Das hab' ich gesehn, o Herr.‹ Da sagt, ihr Mönche, der Richter der Schatten zu ihm: ›Lieber Mann, da du verständig geworden, erwachsen warst, hast du bedacht: ‘Auch ich bin dem Alter unterworfen, habe das Alter nicht überstanden; wohl denn, günstig will ich wirken, in Werken, in Worten, in Gedanken’?‹ Er aber antwortet: ›Ich konnt' es nicht, o Herr, war unachtsam, o Herr.‹ Da sagt, ihr Mönche, der Richter der Schatten zu ihm: ›Lieber Mann, aus Unachtsamkeit hast du nicht günstig gewirkt in Werken, in Worten, in Gedanken: da wird man dir, lieber Mann, eben nur also begegnen wie einem Unachtsamen. Das aber nun, was du dort Böses begangen, hat nicht die Mutter gethan und nicht der Vater, hat nicht der Bruder gethan und nicht die Schwester, hat kein Freund und Genosse gethan, hat kein Verwandter und Gevatter gethan, hat kein Asket und Priester gethan, hat keine Gottheit gethan: du selber hast dort böse That gethan, du selber hast die Ernte davon einzutragen.‹

»Ein solcher, ihr Mönche, vom Richter der Schatten also über den zweiten Götterboten belehrt, wird über den dritten Götterboten befragt, ausgeforscht, unterrichtet: ›Lieber Mann, hast du nicht bei den Menschen den dritten Götterboten erscheinen sehn?‹ Er aber antwortet: ›Ich hab' ihn nicht gesehn, o Herr.‹ Da sagt, ihr Mönche, der Richter der Schatten zu ihm: ›Lieber Mann, hast du nicht bei den Menschen ein Weib oder einen Mann gesehn, unwohl, leidend, schwerkrank, mit Koth und Harn beschmutzt daliegend, von anderen gehoben, von anderen bedient?‹ Er aber antwortet: ›Das hab'ich gesehn, o Herr.‹ Da sagt, ihr Mönche, der Richter der Schatten zu ihm: ›Lieber Mann, da du verständig geworden, erwachsen warst, hast du bedacht: ‘Auch ich bin der Krankheit unterworfen, habe die Krankheit nicht überstanden; wohl denn, günstig will ich wirken, in Werken, in Worten, in Gedanken’?‹ Er aber antwortet: ›Ich konnt' es nicht, o Herr, war unachtsam, o Herr.‹ Da sagt, ihr Mönche, der Richter der Schatten zu ihm: ›Lieber Mann, aus Unachtsamkeit hast du nicht günstig gewirkt in Werken, in Worten, in Gedanken: da wird man dir, lieber Mann, eben nur also begegnen wie einem Unachtsamen. Das aber nun, was du dort Böses begangen, hat nicht die Mutter gethan und nicht der Vater, hat nicht der Bruder gethan und nicht die Schwester, hat kein Freund und Genosse gethan, hat kein Verwandter und Gevatter gethan, hat kein Asket und Priester gethan, hat keine Gottheit gethan: du selber hast dort böse That gethan, du selber hast die Ernte davon einzutragen.‹

»Ein solcher, ihr Mönche, vom Richter der Schatten also über den dritten Götterboten belehrt, wird über den vierten Götterboten befragt, ausgeforscht, unterrichtet: ›Lieber Mann, hast du nicht bei den Menschen den vierten Götterboten erscheinen sehn?‹ Er aber antwortet: ›Ich hab' ihn nicht gesehn, o Herr.‹ Da sagt, ihr Mönche, der Richter der Schatten zu ihm: ›Lieber Mann, hast du nicht bei den Menschen gesehn wie Könige einen Räuber, einen Verbrecher ergreifen lassen und mancherlei Strafen verhängen, als wie Peitschen-, Stock- oder Ruthenhiebe; Handverstümmlung, Fußverstümmlung oder Verstümmlung der Hände und Füße; Ohrenverstümmlung, Nasenverstümmlung, Verstümmlung der Ohren und der Nase; den Breikessel, die Muschelrasur, das Drachenmaul; den Pechkranz, die Fackelhand; das Spießruthenlaufen, das Rindenliegen, den Marterbock; das Angelfleisch, den Münzengriff, die Laugenätze; den Schraubstock, das Bastgeflecht; die siedende Ölbeträufelung, das Zerreißen durch Hunde, die lebendige Pfählung, die Enthauptung?‹ Er aber antwortet: ›Das hab' ich gesehn, o Herr.‹ Da sagt, ihr Mönche, der Richter der Schatten zu ihm: ›Lieber Mann, da du verständig geworden, erwachsen warst, hast du bedacht: ‘Wer da wahrlich Übelthaten verübt, wird schon bei Lebzeiten mit gar mancher Strafe gestraft: wie erst mag es dann drüben sein! Wohl denn, günstig will ich wirken, in Werken, in Worten, in Gedanken’?‹ Er aber antwortet: ›Ich konnt' es nicht, o Herr, war unachtsam, o Herr.‹ Da sagt, ihr Mönche, der Richter der Schatten zu ihm: ›Lieber Mann, aus Unachtsamkeit hast du nicht günstig gewirkt in Werken, in Worten, in Gedanken: da wird man dir, lieber Mann, eben nur also begegnen wie einem Unachtsamen. Das aber nun, was du dort Böses begangen, hat nicht die Mutter gethan und nicht der Vater, hat nicht der Bruder gethan und nicht die Schwester, bat kein Freund und Genosse gethan, hat kein Verwandter und Gevatter gethan, hat kein Asket und Priester gethan, hat keine Gottheit gethan: du selber hast dort böse That gethan, du selber hast die Ernte davon einzutragen.‹

»Ein solcher, ihr Mönche, vom Richter der Schatten also über den vierten Götterboten belehrt, wird über den fünften Götterboten befragt, ausgeforscht, unterrichtet: ›Lieber Mann, hast du nicht bei den Menschen den fünften Götterboten erscheinen sehn?‹ Er aber antwortet: ›Ich hab' ihn nicht gesehn, o Herr.‹ Da sagt, ihr Mönche, der Richter der Schatten zu ihm: ›Lieber Mann, hast du nicht bei den Menschen ein Weib oder einen Mann gesehn, einen Tag oder zwei Tage oder drei Tage nach dem Verscheiden, aufgedunsen, blauschwarz gefärbt, in Fäulniss übergegangen?‹ Er aber antwortet: ›Das hab' ich gesehn, o Herr.‹ Da sagt, ihr Mönche, der Richter der Schatten zu ihm: ›Lieber Mann, da du verständig geworden, erwachsen warst, hast du bedacht: ‘Auch ich bin dem Sterben unterworfen, habe das Sterben nicht überstanden; wohl denn, günstig will ich wirken, in Werken, in Worten, in Gedanken’?‹ Er aber antwortet: ›Ich konnt' es nicht, o Herr, war unachtsam, o Herr.‹ Da sagt, ihr Mönche, der Richter der Schatten zu ihm: ›Lieber Mann, aus Unachtsamkeit hast du nicht günstig gewirkt in Werken, in Worten, in Gedanken: da wird man dir, lieber Mann, eben nur also begegnen wie einem Unachtsamen. Das aber nun, was du dort Böses begangen, hat nicht die Mutter gethan und nicht der Vater, hat nicht der Bruder gethan und nicht die Schwester, hat kein Freund und Genosse gethan, hat kein Verwandter und Gevatter gethan, hat kein Asket und Priester gethan, hat keine Gottheit gethan: du selber hast dort böse That gethan, du selber hast die Ernte davon einzutragen.‹ Und hat einen solchen, ihr Mönche, der Richter der Schatten über den fünften Götterboten befragt, ausgeforscht, unterrichtet, so verstummt er. Zum letzten Götterboten, dem Lehrer Tod, dem Musageten der Philosophie, wie er von Schopenhauer nach der berühmten sokratischen Definition genannt wird, cf. Lieder der Mönche Seite 285 Anm. 1. – Wie oben der Richter der Schatten im Dialoge die reflektierende Frage stellt, genau entsprechend lässt Petrarca im ersten Dialoge De contemptu mundi seinen Augustinus, als ob er eben jene Frage vernommen, antworten: »dum aequaevum quisque comitatur ad sepulchrum, necesse est, ipse etiam ad alieni casus praecipitium contremiscat, et de se incipiat esse sollicitus. – Eo autem vehementius movebitur qui iuniorem, qui validiorem formosioremque videat repentina morte subtractum, sese ante circumspiciet et dicet: securius hic habitare videbatur, et tamen eiectus est, nac aetas profuit nec forma nec robur: mihi securitatem quis spopondit deusve magusve? Mortalis sum profecto.« – Und merkwürdig: die selbe Anschauung findet sich, etwa ein viertel Jahrtausend später, beim gewaltigen Demiourgen des Rinascimento, dem Künstler, von dem Vasari, wie mir De Lorenzo erzählt, gesagt hat, »non nasceva pensiero in lui, che non vi fusse scolpita la morte«, also bei Michelangelo wieder, der, gleichfalls in einem seiner Dialoge, nachdem er in bekannter Weise tiefernst gelächelt, »Io vi dico che in questo mondo è da piangere«, dann fortfährt: »bisogna pensare alla morte. Questo pensiero è solo quello che ci fa riconoscere noi medesimi, che ci mantiene in noi uniti, senza làsciarci rubare dai parenti, dagli amici, dai gran maestri, dall' ambizione, dall' avarizia, e dagli altri vizii e peccati, che l'uomo all' uomo rubano, e lo tengono disperso e dissipato, senza mai lasciarlo ritrovarsi e riunirsi. Ed è meraviglioso l'effetto di questo pensiero della morte; il quale, distruggendo ella per natura sua tutte le cose, conserva e mantiene coloro che a lei pensano, e da tutte le umane passioni li difende.« Und noch einmal merkwürdig: wiederum etwa ein viertel Jahrtausend später hat der herrlichste aller Melodiker, also Mozart, dessen Werk allmählich von Köchel und Jahn erschlossen zwar heute noch recht ungekannt ist, in der Blüthe seines 51. Jahres genau das Selbe ausgesprochen, hat den Tod als »Schlüssel zu unserer wahren Glücksäligkeit« bezeichnet, und gesagt: »da der Tod, genau zu nehmen, der wahre Endzweck unseres Lebens ist, so habe ich mich seit ein paar Jahren mit diesem wahren, besten Freunde des Menschen so bekannt gemacht, dass sein Bild nicht allein nichts Schreckendes mehr für mich hat, sondern recht viel Beruhigendes und Tröstendes.«
Den schlichtesten Auszug der letzten Götterbotschaft geben vielleicht die Lieder der Mönche Seite 173, wo es heißt »Ein einzig Tüchlein deckt ihn, das ist alles, Am Hingeschiednen haftet keine Habe« etc.; sowie der alte Spruch:

Povre et riche, par tout le mont,
De tout l'avoir qu'assamblé ont,
Qu' enportent ils quant ils s'en vont?
Un drapelet tant seulement.

»Da lassen ihn denn, ihr Mönche, die höllischen Wächter Fünffache Schmiede geheißene Strafe durchmachen. Einen glühenden Eisenkeil bohren sie ihm in die eine Hand, einen glühenden Eisenkeil bohren sie ihm in die andere Hand, einen glühenden Eisenkeil bohren sie ihm in den einen Fuß, einen glühenden Eisenkeil bohren sie ihm in den anderen Fuß, einen glühenden Eisenkeil bohren sie ihm mitten in die Brust. So hat er da schmerzliche, brennende, stechende Gefühle zu empfinden, und nicht eher kann er sterben, bis nicht sein böses Werk erschöpft ist.

»Da lassen ihn denn, ihr Mönche, die höllischen Wächter überfallen und mit Äxten zerspalten; Fuß oben, Kopf unten anpacken und mit Messern zerschlitzen; lassen ihn an einen Wagen schirren und treiben ihn über eine feurige, flammende, flackernde Fläche hinüber, herüber; lassen ihn einen hohen, glühenden, feurigen, flammenden, flackernden Felsen emporklimmen, herabklimmen; lassen ihn Fuß oben, Kopf unten anpacken und in einen siedenden, feurigen, flammenden, flackernden Schmelzofen werfen, wo er bis zu schaumigem Gischte aufgekocht wird und also bald emporsteigt und bald herabsinkt und bald queerdurchtreibt. So hat er da schmerzliche, brennende, stechende Gefühle zu empfinden, und nicht eher kann er sterben, bis nicht sein böses Werk erschöpft ist.

»Da lassen ihn denn, ihr Mönche, die höllischen Wächter in die Erzhölle werfen. Die Erzhölle aber, ihr Mönche, hat vier Winkel und vier Thore, genau nach den Seiten vertheilt, ist mit eisernem Walle umschlossen, mit Eisen überwölbt. Ihr Boden, aus Eisen bestanden, von glühender Röthe durchdrungen, erstreckt sich rings umher dreihundert Meilen weit überall hin. In dieser Erzhölle aber, ihr Mönche, steigt von der östlichen Wand eine Stichflamme auf und stößt bis an die westliche Wand, steigt von der westlichen Wand eine Stichflamme auf und stößt bis an die östliche Wand, steigt von der nördlichen Wand eine Stichflamme auf und stößt bis an die südliche Wand, steigt von der südlichen Wand eine Stichflamme auf und stößt bis an die nördliche Wand, steigt von unten eine Stichflamme auf und stößt bis oben empor, steigt von oben eine Stichflamme auf und stößt bis unten herab. So hat er da schmerzliche, brennende, stechende Gefühle zu empfinden, und nicht eher kann er sterben, bis nicht sein böses Werk erschöpft ist.

»Es kommt wohl, ihr Mönche, dann und wann einmal, im Verlaufe langer Zeiten vor, dass sich das östliche Thor der Erzhölle aufthut. Da sucht er in eiliger Hast zu entfliehen: und wie er in eiliger Hast zu entfliehen sucht, wird ihm das Antlitz verzehrt und die Haut verzehrt und das Fleisch verzehrt und das Gerippe verzehrt und die Knochen gehn in Qualm auf, und emporgestiegen ist er wiederum der selbe geworden; und hat er es nun, ihr Mönche, oftmals erprobt, dann schließt sich das Thor wieder zu. So hat er da schmerzliche, brennende, stechende Gefühle zu empfinden, und nicht eher kann er sterben, bis nicht sein böses Werk erschöpft ist.

»Es kommt wohl, ihr Mönche, dann und wann einmal, im Verlaufe langer Zeiten vor, dass sich das westliche Thor, das nördliche Thor, das südliche Thor der Erzhölle aufthut. Da sucht er in eiliger Hast zu entfliehen: und wie er in eiliger Hast zu entfliehen sucht, wird ihm das Antlitz verzehrt und die Haut verzehrt und das Fleisch verzehrt und das Gerippe verzehrt und die Knochen gehn in Qualm auf, und emporgestiegen ist er wiederum der selbe geworden; und hat er es nun, ihr Mönche, oftmals erprobt, dann schließt sich das Thor wieder zu. So hat er da schmerzliche, brennende, stechende Gefühle zu empfinden, und nicht eher kann er sterben, bis nicht sein böses Werk erschöpft ist. Vergl. Platon, Rep. X. No. 14; die Höllenschilderung und den Feuerwirbelsturm im Faust, 2. Theil, bei der Grablegung,

Die rothe Brandung schlägt hervor etc.

»Es kommt wohl, ihr Mönche, dann und wann einmal, im Verlaufe langer Zeiten vor, dass sich das östliche Thor der Erzhölle aufthut. Da sucht er in eiliger Hast zu entfliehen: und wie er in eiliger Hast zu entfliehen sucht, wird ihm das Antlitz verzehrt und die Haut verzehrt und das Fleisch verzehrt und das Gerippe verzehrt und die Knochen gehn in Qualm auf, und emporgestiegen ist er wiederum der selbe geworden, und er flüchtet sich durch das Thor hinaus. Dieser Erzhölle aber, ihr Mönche, ist rings herum sogleich die große Dreckhölle angeschlossen: da stürzt er hinein. In der großen Dreckhölle nun, ihr Mönche, giebt es nadelmäulige Maden, die bohren sich in die Haut ein, und haben sie die Haut durchbohrt so bohren sie sich in das Fett ein, und haben sie das Fett durchbohrt so bohren sie sich in das Fleisch ein, und haben sie das Fleisch durchbohrt so bohren sie sich in die Sehnen ein, und haben sie die Sehnen durchbohrt so bohren sie sich in die Knochen ein, und haben sie die Knochen durchbohrt so fressen sie das Knochenmark auf. Ir vleisch die maden âzen | unz ûf daz gebeine. Konrad, Der werlte lôn 222/3. So hat er da schmerzliche, brennende, stechende Gefühle zu empfinden, und nicht eher kann er sterben, bis nicht sein böses Werk erschöpft ist.

»Dieser Dreckhölle aber, ihr Mönche, ist rings herum sogleich die große Hundehölle kukkulanirayo, kukkuranirayo = sārameyādanam, der Hundehölle des Bhāgavatapurāṇam V, 26, 7; cf. die uralten Höllenhunde des Ṛg- und Atharvavedas, auch den hesiodischen Κερβερον ωμηστην Αϊδεω κυνα πεντηκοντακεφαλον. Dann: Aen. VI, 417 ff.; Inferno VI, 13 ff.: »Cerbero, fiera crudele e diversa... graffia gli spirti, gli scuoia, ed isquatra.« Ebenso hat Dante die anderen mehr oder minder traumhaften Höllen, die gleichfalls im Bhāgavatapurāṇam 1. c, bei Manus etc. etc. kurz angedeutet sind, wahrscheinlich vermittelst der sog. Paulusapokalypse überkommen und seiner katholischen Komödie kunstvoll eingefügt. – Auch die höllischen »dogs of war« Julius Caesar, III, 1, 273, gehören hierher. angeschlossen: da stürzt er hinein. So hat er da schmerzliche, brennende, stechende Gefühle zu empfinden, und nicht eher kann er sterben, bis nicht sein böses Werk erschöpft ist.

»Dieser Hundehölle aber, ihr Mönche, ist rings herum sogleich der große Dornenwald angeschlossen, drei Meilen hoch gewachsen, mit sechzehnzölligen Saamenstacheln besät, feurig, flammend, flackernd: den muss er da bald emporklettern, bald herabklettern. So hat er da schmerzliche, brennende, stechende Gefühle zu empfinden, und nicht eher kann er sterben, bis nicht sein böses Werk erschöpft ist.

»Diesem Dornenwalde aber, ihr Mönche, ist rings herum sogleich der große Wald der Schwerdtblätter angeschlossen: da geräth er hinein. Da wird ihm von den sturmgeschwungenen Blättern die Hand abgehauen, der Fuß abgehauen, Hand und Fuß abgehauen, das Ohr abgehauen, die Nase abgehauen, Ohr und Nase abgehauen. So hat er da schmerzliche, brennende, stechende Gefühle zu empfinden, und nicht eher kann er sterben, bis nicht sein böses Werk erschöpft ist.

»Diesem Walde der Schwerdtblätter aber, ihr Mönche, ist rings herum sogleich das Gewässer der großen Laugenätze angeschlossen: da stürzt er hinein. Da wird er stromabwärts gerissen, stromaufwärts gerissen, stromabwärts, stromaufwärts gerissen. Vergl. die Stygia unda, Aen. VI, 385, bis hinauf zur δεινη Στυξ des Hesiod, Theog. 776 ≅ dem vāḍavam der Smṛti. So hat er da schmerzliche, brennende, stechende Gefühle zu empfinden, und nicht eher kann er sterben, bis nicht sein böses Werk erschöpft ist.

»Da lassen ihn denn, ihr Mönche, die höllischen Wächter mit einem Angel herausfischen und an das Ufer werfen und reden also zu ihm: ›Lieber Mann, was willst du?‹ Er aber sagt: ›Mich hungert, o Herr!‹ Da lassen ihm denn, ihr Mönche, die höllischen Wächter mit eisernem Haken den Mond aufsperren, mit feurigem, flammendem, flackerndem, und eine glühende Eisenkugel durch, den Mund hinabschlingen, eine feurige, flammende, flackernde. Vergl. Manus VIII, 271: niḥkṣepyo ‘yomayaḥ śaṉkur jvalann āsye daśāṉgulaḥ, mit dem Kommentar lohakīlo ‘gninā pradīpto daśāṉgulo mukheṣu kṣeptavyaḥ. – Analog bei uns der nicht etwa nur dantesk visionäre sondern realchristliche »Schwedentrunk«, im dreißigjährigen Kriege vom rechtgläubigen Soldaten dem geplünderten Bauer mit Vorliebe verabfolgt, indem er ihn fesselte, zu Boden warf, ihm ein Sperrholz in den Mund steckte, einen Melkkübel Mistjauche in den Magen goss und ihm dann auf den Bauch trat, dass es wieder herausspritzte: cf. Grimms Wörterbuch s.v. Schwedentrunk, Simplicissimus I, 4, und zumal des Dr. Lammert Geschichte der Seuchen, Hungers- und Kriegsnoth etc., Wiesbaden 1890, S. 132, wo aus einer handschriftlichen Chronik noch viel andere, jeder Phantasie spottende Gräuel enthüllt werden, »unerhörte Martter, davon auch der teuffel in der höll mit Wissenschaft haben mochte, so sie den Menschen angethan.« Auch aus neuerer Zeit erzählen Augenzeugen wie treu noch unsere vereinigten apostolischen Streiter in China höllische Art bewährt haben.
Man hat gelegentlich gesagt, die Inder gefielen sich in überschwänglicher Höllenphantasie. Aber leider ist nicht nur unser ›Schwedentrunk‹ einer teuflischer Wirklichkeit bedenklich nahegekommen. Zahllose Beispiele erscheinen als leibhaftige Zeugen, beweisen wie genau jene Alten ja nicht den satanischen sondern eben den menschlichen Geist auch auf diesem Gebiete beobachtet und geschildert haben. Wir Deutsche stehn da gar nicht so fern ab, wie man meinen möchte, und können uns schon etliche der Akten verrathen lassen, die Dr. Lammert ein langes Leben hindurch aus Archiven und Urkunden unermüdlich zusammengetragen hat: und manche Zweifel an höllischer Objektität werden da schwinden. Man vergegenwärtige sich etwa folgende typische Fälle, aus tausenden gleicher herausgegriffen, und sei dabei der kantischen Lehre von der Idealität des Raumes und der Zeit wohl eingedenk. Der kgl. Bezirksarzt Dr. Lammert also berichtet L c. S. 174 f.: ›So meldet die Augsburger Chronik am 17. Mai 1654: »Die speerreiterische Soldaten haussen in schwaben sehr tyrannisch, tractieren die bauren mit köpff Reitlen, wasser eingießen, die Mäuler bis auf die Ohren aufschneiden u. dergl.« S. 193 ff.: In Landau und Umgegend steigerte sich der Hunger so, dass die Leichen aus den Gräbern gestohlen und verzehrt wurden, »Auch Lebende wurden hin und her erschlagen und verzehrt; so schlachtete eine Frau ihr eigenes Kind, salzte es ein, verzehrte es; sie starb darüber im Gefängniss.« Nahe bei Zweibrücken stritten zwei Weiber um den Besitz eines von Würmern bedeckten Stückes Aas, wobei eine die andere erwürgte. Rudelweise durchzogen die Wölfe Elsass und Kurpfalz und die sonst blühenden Landstriche hatten das Aussehen verödeter Kirchhöfe. Der Rektor Gottfried Andreä (von Worms) erzählt in seiner Lebensbeschreibung, dass sich die Leute vor den Bäckerläden einander todt gedrückt haben und dass der Magistrat auch hier den Kirchhof mit einer Wache hat versehen müssen; zur selben Zeit sah genannter Rektor vor dem Thore ein todtes Pferd liegen, »dabei sich eine Weibsperson befand, welche das Fleisch abschnitt, in ihr Fürtuch nahm und zugleich roh davon aß, dabei etliche Hunde, welche an der Mitte des Pferdes fraßen und auf dem Kopfe desselben unterschiedliche Raben.« Graf Johann von Nassau-Saarbrücken sagt in seinem Schreiben an Kaiser Ferdinand aus eigener Erfahrung, dass er in Städte, Flecken und Dörfer gekommen sei, da nicht ein Haus gefunden worden, darin nicht ein vor Hunger verschmachteter Körper gelegen wäre. »Ja, ich habe gesehn, dass die Leut vor Hunger nicht allein allerhand unnatürliche Speisen und sich untereinander selbst aufgefressen, sondern rasend worden, wie die unvernünftigen Thiere, die Sprach verloren, dagegen als Hund und Wölf geheult, nicht mehr aufrecht, sondern auf allen Vieren gelaufen.« Calmet in seiner Geschichte von Lothringen berichtet aus dieser Zeit zum Jahre 1638: Der Hunger war so groß, dass die Menschen Aas, und zuletzt sich selbst aufzehrten. Der Sohn vergriff sich an der Leiche des Vaters, der Vater an jener des Kindes, die Mutter an der Leiche der Tochter, der Reisende schlief nicht sicher neben seinem Reisegefährten, aus Furcht, dass er ihn todtschlage, um an ihm den Hunger zu stillen. Auch in der Mainzer Gegend haben sie (nach Khevenhiller) »die Gottesäcker durchsucht, die Gräber aufgebrochen, die Hochgerichte erstiegen und die Todten zur Speise genommen.« S. 219: In Ruppertshofen und Castorf waren alle Männer gestorben. Die Kuhhirtin in Ruppertshofen »hat von ihrem todten Manne gerissen und geschnitten, solches gekocht und mit ihren Kindern gegessen: auch ihrem Vater die Schenkel abgehauen, gewaschen, gekocht, dergleichen den Kopf aufgethan, gesotten und gefressen. Als sie gefragt worden, wie es geschmeckt, hat sie geantwortet, wenn sie nur ein wenig Salz dazu gehabt hätte, hätt' es gut geschmeckt.« Der Kommandant von Rheinfels, Junker Georg Phil. von Buseck, hat dies nach genauem Erforschen wahr befunden. Dergleichen Jammerszenen sollen auch in anderen Gegenden, am Rhein, Main, an der Lahn, Dill und Sieg vorgekommen sein. S. 228f.: Im Fuldaischen und Koburgischen bildeten sich »sogar förmliche Mordbanden, welche in Höhlen oder leerstehenden Häusern wohnten und von diesen aus auf Menschenraub ausgingen.« »Wie im vergangenen, so schlachteten auch in diesem Jahre Mütter ihre Kinder und verzehrten sie, während sich andere ertränkten.« – »Haufen Bettler lauerten auf die Vorübergehenden und tödteten sie, wie denn bei Worms eine solche Bande von ihrem Feuer verjagt und in den Töpfen die schaurigen Überbleibsel von Händen und Füßen gefunden wurden.« S. 239: Gefangene, im Stockhause verwahrte weimarische Soldaten, litten so große Noth, dass sie die vor Hunger gestorbenen Kameraden roh auffraßen. S. 132: Vernehmen wir, zu weiterer Beleuchtung des Zeitbildes, noch eine Stimme jener Leidensgenossen über die bestialische Raffiniertheit, mit welcher die schutzlosen Leute von den Mordgesellen gequält, geschunden und zum Tode gebracht wurden. »Zu dieser Zeit«, berichtet eine handschriftliche Chronik von Redwitz, »gieng Jammer und Noth an in Unsrem Lande, vnd hat gewehret bis vff das 1657. Jahr, do man den baldt nichts änderst hörte, alss Rauben, stelen, Morden, brennen vnd sengen, die armen Leuth wurden niedergehauen, gestochen, geschossen, auch geraitelt, vielen die Augen ausgestochen, Arm vnd Beine entzwey geschlagen, Ohren vnd Nasen, auch Männliche Glieder vnd Säugende Brüst wurden ab- vnd ausgeschnitten, ettliche von Ferne beim Feuer gebratten, theils im Rauchschloth vffgehenket vnd Fever vnter sie geschieret, ettliche in die Backöffen gestossen, stroh fürgemacht vnd angezündet, Khün vnd schweffel vnter die Nägel gestecket vnd angezündet, die Daumen geschraubet, spitzige Knöbel ins Maul gestecket, dass das Bluth hauffenweiss herauss geloffen, hernacher den gantzen leib, durch den Mundt, mit Urin vnd Mistwasser gefüllet, die Fuesssohlen aufgeschnitten, hernach Salz hineingestreuet, Riemen auss den leibern geschnitten, vnd vielen die Rippen in den leib entzwey geschlagen, Jn Summa die grosse pein vnd vorhin unerhörte Martter (davon auch der teuffel in der höll mit Wissenschaft haben mochte) so sie den Menschen angethan, biss sie gestorben vnd verschmachtet oder presshaft worden, ist nicht zu schreiben.«‹
Das wären denn einige flüchtige Streiflichter in unsere eigene Hölle einer verwichenen Zeit, gräulich genug, um uns die kokytischen Welten der Heiden nicht mehr so fremdartig wie dem Mephistopheles dämmern zu lassen. Andeutungen höllischer Phänomene aus der Gegenwart aber sind ebensowenig da wie dort verschieden: vergl. das unverblümte Wort im Wahrheitpfade ¹S. 155.
Da werden ihm alsbald die Lippen verzehrt, der Rachen verzehrt, die Kehle verzehrt, der Magen verzehrt, und Gedärm und Eingeweide mitreißend kehrt sie aus dem After hervor. So hat er da schmerzliche, brennende, stechende Gefühle zu empfinden, und nicht eher kann er sterben, bis nicht sein böses Werk erschöpft ist.

»Da fragen ihn denn, ihr Mönche, die höllischen Wächter: ›Lieber Mann, was willst du?‹ Er aber sagt: ›Mich dürstet, o Herr!‹ Da lassen ihm denn, ihr Mönche, die höllischen Wächter mit eisernem Haken den Mund aufsperren, mit feurigem, flammendem, flackerndem, und flüssiges Kupfer durch den Mund hinabgießen, feuriges, flammendes, flackerndes. Da werden ihm alsbald die Lippen verzehrt, der Rachen verzehrt, die Kehle verzehrt, der Magen verzehrt, und Gedärm und Eingeweide mitreißend kehrt es aus dem After hervor. So hat er da schmerzliche, brennende, stechende Gefühle zu empfinden, und nicht eher kann er sterben, bis nicht sein böses Werk erschöpft ist.

»Da lassen ihn denn, ihr Mönche, die höllischen Wächter wiederum in die Erzhölle hinab werfen.

»Vor Zeiten einmal, ihr Mönche, hat der Richter der Schatten innig erwogen: ›Wer da wahrlich Übelthaten in der Welt verübt, wird mit solchen manigfachen Strafen gestraft. O dass ich doch Menschenthum erreichte, und ein Vollendeter in der Welt erschiene, ein Heiliger, vollkommen Erwachter, und ich um Ihn, den Erhabenen, sein könnte: und dass Er, der Erhabene, mir die Satzung darlegte, und ich seine, des Erhabenen, Satzung verstände!‹ – Das aber sag' ich, ihr Mönche, und hab' es nicht etwa von irgend einem Asketen oder Priester reden hören: sondern was ich eben selbst erkannt, selbst gesehn, selbst gefunden habe, das nur sage ich.«

 

Also sprach der Erhabene. Als der Willkommene das gesagt hatte, sprach fernerhin also der Meister:

»Wer Götterboten nicht vernimmt,
Als Mensch die Mahnung nicht gewahrt,
In langen Kummer kehrt er ein
Und leibt und lebt in arger Noth.

»Doch wer die Götterboten hier
Beherzigt hat als guter Mensch,
Der Edle, der die Mahnung merkt,
Der ächten Kunde nie vergisst,

»Anhangen hat als arg erkannt,
Geburten schaffend und den Tod:
Anhangen lässt er, ist erlöst,
Geburt erschöpfend und den Tod.

»Gewiss geworden, sälig so,
Im Leben schon verglommen bald.
Entgangen gänzlich banger Furcht,
Entfahren ist er allem Weh.« Vergl. des Dionysius Überfahrt in das ungeschaffene Leben, bei Eckhart p. 530.
Das schmerzlich bewegte Aufseufzen des Richters der Schatten, am Ende obiger Symphonia horrifica, erinnert im letzten fernen Grunde an das berühmte, von Schopenhauer, I § 57 i. m., interpretierte ῳμωξεν ιδων εις ουρανον ευρυν des unerbittlich vergeltenden Peliden, Mitte der XXI. Ilias. – Cf. noch Lieder der Mönche v. 217/218.


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