Fritz Müller-Partenkirchen
München
Fritz Müller-Partenkirchen

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Lieber Fritz Müller!

Das sieht Dir ähnlich, Dir Schalk: so zur Welt zu kommen, daß Dein 50. Geburtstag ausgerechnet auf den Faschingsdienstag fällt. Da tust Du Dir leicht. Während andere, die in die Lage kommen, an ihrem 50. Wiegentage Gegenstand öffentlicher Beachtung und gemeinschaftlicher Betrachtung zu sein, eine gewichtige Festtagsmiene aufsetzen und eine ihrem Alter und dem Anlaß entsprechende gespreizte Würde heraushängen müssen, hast Du das alles nicht nötig – heute, am Faschingsdienstag. Du umgibst Dich einfach mit Dir gewohntem Handwerkszeug: dem bunten Konfetti Deines treffsicheren Witzes, dem lauttönenden Schlagzeug Deines wirksamen Spottes, und kommen die Gratulanten aufmarschiert, um ihre mehr oder minder gutgelernten Glückwunschreden aus dem Stegreif zu halten, dann können sie Dir »nix anhaben«, da Du ja sofort mit Deinem Handwerkszeug dazwischen fahren und dem Spießrutenlaufen ein fröhliches Ende bereiten kannst. Du Schlaucherl!

6 Aber – ätschebätsch – mir kannst Du nicht dazwischen fahren, wenn ich mir nun das Vergnügen mache, mir auszumalen, wie all die Münchner Gestalten, die Du in zahlreichen »Geschichten« ins Leben gerufen, sich zusammenfinden, um heute Dir in Gemeinschaft auf die Bude zu rücken. An der Spitze: »die Theres«, die Dir im Namen vieler in schlichten Worten dankt für Dein großes Verständnis für die Alltagskleinarbeit und für die edle Herzensgüte, mit der Du sie alle betreust, die Mühseligen und Beladenen. Dann »der Mann mit dem Glasauge« als Vertreter der »Schlitzöhrigen«. Hält Dir die Schnupftabaksdos'n hin, blinzelt Dich verständnisinnig an und meint treuherzig und bieder: »Na, Herr Müller, Sie verstenga's! Von Eahna kann ma no was lernen.« Und dann der Dienstmann »Gleiham« mit einer Maß Bier, die er Dir im Auftrag der Innung kredenzt. Da wagst Du wohl doch nicht, Dich als Antialkoholiker zu bekennen, markierst einen Schluck und forderst ihn auf, den Krug auf Dein Wohl zu leeren. »Dös wer'n ma glei ham.« Mit einem Höllenlärm stürzen sodann die »Landsbergerstraßler« herbei, verkünden, daß sie Dir zu Ehren heute noch die ganze Nachbarschaft verhauen müssen, und werden abgelöst von einer Schar Handelsschüler, die Dir berichten, daß das »Tellurium« noch immer streike, daß Deinetwegen heut unterrichtsfrei sei, die deshalb dreimal »Hurra« brüllen und Dir aufrichtig wünschen, recht bald wieder und noch recht oft den 50. Geburtstag feiern zu können. Und hinterher Lehrer und Lehrerinnen, Professoren und sonstige Beamte 7 und Leidtragende, die zumeist mit süßsaurer oder mit sauersüßer Miene ihr Interesse bekunden, und endlich einige Vertreter, nein, Repräsentanten des »Kolonial«warengroßhandels, die dem Kenner und Künder ihrer Tüchtigkeit ihre Dankbarkeit bezeugen. Und ganz zuletzt in hellen Haufen die Abgesandten Deiner gewaltigen Leserschar, als deren Sprecher ich mir das Wort erbitte: Lieber Fritz Müller! Tausende und Abertausende von deutschen Männern und Frauen sagen herzlichen Dank Dir für die vielen genußreichen Stunden, die Dein Sinnen und Schaffen ihnen bescheret. Was tut wohler in Zeiten, wie wir sie erleben, als ein gesundes, befreiendes Lachen? Was trägt mehr bei zum dringend nötigen Neuaufbau des Menschen, seines Denkens und Empfindens, als das Wort des Weisen und Wissenden, der Hohen und Niederungen der menschlichen Seele kennt, sie zu formen und zu gestalten vermag, der erdgewachsen auf festem Boden steht und den Blick in unendliche Weiten zu richten weiß, der die Menschen kennt und Optimist geblieben ist? Wir alle wünschen zum heutigen Tage, daß es Dir noch recht lange beschieden sei, zu singen und sagen von unseren Nöten und Sorgen, Freuden und Leiden, unseren Fähigkeiten und unseren Eitelkeiten. Wandere Du weiter aufrecht und offenen Blickes dahin; laß Dich nicht etikettieren und abstempeln als »Dichter des Kaufmannslebens«, sondern bleib' Du, der Du bisher schon gewesen: der Dichter des Menschlichen und des Allzumenschlichen. »Jetzt grad extra.«

So ungefähr würde ich zu Dir sprechen, wenn Du nicht Konfetti und Schlagzeug neben Dir 8 liegen hättest . . . Zum Glück sind meine Reden nicht so schwach, daß sie – gehalten werden müssen. – Aber da er Dir's nicht sagen konnte, schreibt Dir's

Dein Dich verehrender

Prof. Dr. Rindskopf.    

München, Faschingsdienstag 1925.

 


 


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