Fritz Müller-Partenkirchen
München
Fritz Müller-Partenkirchen

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Die Empfehlung

Als ich in München ein Zimmer mieten wollte, ein möbliertes, sagte die Frau Mosbacher:

»Also, da wär'n ma also soweit einverstanden miteinander also; mit'm Preis also vor allem, der is Ihna also recht, ham S' also g'sagt, und die Lag' und die Gartenaussicht also, ham S' g'sagt, is Ihna also auch recht, und einziehn, ham S' g'sagt, möchten S' also sofort, weil Ihnen Ihre Sachen also auf'm Bahnhof stehn; jetzt fehlet also nur noch eins, Härr.«

»Was denn?«

»Die Empfehlung also, Härr, die Empfehlung halt.«

»Was, eine Empfehlung verlangen Sie auch?«

»Freilich, Härr, Sie dürfen mir also net bees sein, Härr, aber net wahr, ma muß do wissen, mit wem ma's also z'tun hat, net wahr, Härr, dös werd'n S' do also einsehn, Härr?«

»Eine Empfehlung habe ich bisher beim Zimmermieten noch nie gebraucht, Frau Mosbacher.«

»Ja mei', Härr, Sie ham also gar kei Ahnung, was für Leit heitz'tag auf der Welt umananderlaufen; ma derf ja also scho bereits fast gar niemand mehr trau'n, Härr.«

Ich schwankte – sollte ich wieder gehen? Aber das Zimmer war zu sauber und gemütlich, und die Gartenaussicht kriegte man nicht alle Tage.

188 »Wissen Sie was, Frau Mosbacher,« sagte ich, »ich will Ihnen die Miete im voraus zahlen.«

»Is also scho recht, Härr; aber wie is also nacha mit der Empfehlung, Härr?«

»Aber wozu brauchen Sie denn um's Himmelwillen zum guten Geld auch noch eine Empfehlung?«

»O mei', Härr, Sie ham ja also gar kei Ahnung, wie oft so a alleinstehende Wittfrau ang'schmiert wird heitz'tag.«

»Aber womit denn, Frau Mosbacher, wenn Sie doch Ihr Geld im voraus haben?«

»O mei', Härr, es is ja also net so sehr weg'm Geld.«

»Weswegen denn?«

»O mei', Härr, weg'n der Reputation halt, Härr.«

»Haben Sie denn auch von Ihren früheren Zimmerherren eine Empfehlung verlangt, Frau Mosbacher?«

»Dös is's ja grad also, Härr, daß i dös nie verlangt hab', und, weißt d', hat mei Vetter g'sagt, der wo Bankbuchhalter is, weißt d', hat er also g'sagt, du werst do net so dumm sein, hat er also g'sagt, und werst dei möbliert's Zimmer ohne Empfehlung vermieten, hat er also g'sagt.«

»Ja, sind Sie denn vorher betrogen worden?«

»Nei, dös grad net, aber besser is besser, hat mei Vetter g'sagt, der wo Bankbuchhalter is, Härr.«

»Hm, Frau Mosbacher, da hätte ich auch einen Vetter, der ist Bankdirektor in Berlin; wenn Sie sich bei dem über mich erkundigen wollen? Also,« fügte ich noch angesteckt hinzu.

189 »O mei', in Berlin? Dös hat bei uns herum also gar kein Wert, Härr, – Sie müssen schon also entschuldigen, Härr.«

»Hm, dann hätte ich noch einen andern Vetter, der ist Magistratsrat in Kaiserslautern.«

»In wo?«

»In Kaiserslautern.«

»Da davon hab i also no nie was g'hört, Härr – Sie müssen schon entschuldigen, aber –«

»Aber Kaiserslautern liegt doch in der Rheinpfalz, also auch in Bayern, Frau Mosbacher.«

»Also, Härr, daß Sie dös jetzt net begreifen – in München braucht ma halt a münchnerische Empfehlung, auf die wo ma sich also verlassen kann, Härr.«

Ich sagte nichts. Einen Blick tat ich noch in dem gemütlichen Zimmer herum, durch das offene Fenster in den rauschenden Garten hinaus, nach meinem Hute griff ich, auf der Straße stand ich, und ging und ging und überlegte.

Das Zimmer hätte ich gar zu gerne gehabt. Wenn ich nur jemand Münchnerischen kennte, der mich hätte empfehlen können.

Hm, wenn man niemand kannte, mußte man halt jemand kennen lernen, das war doch äußerst einfach und –

»Hopplahopp, können S' net aufpass'n, Sie rennen ja d' Leit am hellichten Tag übern Haufen, Sie – oder vielleicht net?«

»Entschuldigen Sie vielmals, bitte,« sagte ich und zog den Hut vor einem dicken Droschkenkutscher, der eben vom Droschkenplatz drüben mit einem leeren Maßkrug in die Wirtschaft gegenüber steuerte.

190 »Is scho recht,« sagte der Dicke gutmütig, »'s is ja weiter nix dabei – dös kann ei'm jed'm amal passier'n, oder vielleicht net?«

»Freilich,« sagte ich höflich.

»Jaja,« fuhr er mit einem seltsamen Gedankensprung fort, »jaja, Härr, hoaß is's halt heut, oder vielleicht net?«

»Gewiß,« sagte ich, »sehr heiß sogar.«

»Fahr'n tuan S' ja heut do kaum, Herr, oder vielleicht net?« und er schaute auf seinen Wagen hinüber.

»Nein,« sagte ich belustigt, »ich bin ohnehingrad abg'fahrn.«

»Was san S'? Abg'fahrn san S'? Genga S' zua, fahr'n S' ab.«

»Nein wirklich,« sagte ich mit erwachender Redseligkeit, »ein Zimmer hab' ich mieten wollen, und dabei bin ich abg'fahr'n – so sagt man doch hier, wenn man was nicht kriegt, nicht wahr?«

»Ja, warum denn, Herr?« sagte der Dicke und verteilte seine Aufmerksamkeit zwischen mir und dem leeren Innern des Maßkrugs.

Und dann erzählte ich ihm die Geschichte von der fehlenden Münchnerischen Reputation und Empfehlung. Dabei hatte er immer wieder aufmerksam in den leeren Maßkrug geschaut und zwischen meine Sätze. »O mei', o mei' – i sag's halt – oder vielleicht net?« eingeflochten.

»O mei',« sagte er schließlich und zwinkerte mit den Augen »wenn's weiter nix is, Härr – dös wer'n ma glei ham, wenn S' m'r a Maß zahlet'n oder zwoa, weil's halt gar a so hoaß is, oder vielleicht net?«

»Gern, aber die Empfehlung?«

192 »Z'erscht zahl'n, Härr, nacha kimmt's, oder vielleicht net?«

Ich überlegte. Sollte ich? Aber der sah so zuversichtlich und grundehrlich aus – also gab ich die Nickel für zwei Liter hin.

»Sodala, Härr – Xaverl, sei so guat und paß daweil so lang auf den Maßkrug auf und auf mei' Roß – i bin glei wieder da.«

Und sein Kollege Xaverl kam herüber, nahm den Maßkrug in Empfang und brummte was.

»Sodala, Härr, also da drüben, ham S' g'sagt, wohnt s', oder vielleicht net – und Mosbacher hoaßt s', ham S' g'sagt, oder vielleicht net?«

Und schon stiegen wir die Treppe hinauf zu der Frau Mosbacher. Oben angekommen, läutete der Droschkenkutscher sehr energisch. Zuerst dachte ich, er und die Frau Mosbacher, das seien zwei gute Bekannte. Aber als die Frau Mosbacher die Türe öffnete und zu ihm sagte: »Was läut'n S' denn jetzt also so damisch, Härr!« sah ich, daß dem nicht so war, wenigstens nicht von seiten der Frau Mosbacher.

»Warum i so damisch läut?« gab er zurück, »ja derf ma denn bei Ihna net amal läut'n, wenn man in einer Angelegenheit zu Ihnen kommt (das sagte er plötzlich ganz hochdeutsch), oder vielleicht net?«

»Jaso,« sagte die Frau Mosbacher, und hatte mich jetzt auch wiedererkannt, »also was is denn nacha also?«

»Indem, daß Sie also von dem Härrn da eine Empfehlung ham woll'n, eine Empfehlung von München, wie er g'sagt hat, und indem mir dieser Härr durchaus bekannt is –«

193 »Soso, also?« sagte die Frau Mosbacher.

»– oder glauben S' vielleicht, der Härr zahlt mir immer umasonst mei' Bier, ha, oder vielleicht net?«

›Immer,‹ hatte er gesagt.

»Also Sie können also den Härrn da also empfehlen?« lenkte Frau Mosbacher ein.

»Aber natürli, mit Leib und Seel; gratulier'n derfen S' Eahna, daß S' überhaupt an solchen Härrn kriagn, an solchenen braven, oder vielleicht net?«

»Jaja, is scho recht, aber Sie san mir halt also selber net recht bekannt,« sagte die Frau Mosbacher, noch ein wenig zweifelnd.

»Was, net bekannt bin i Eahna? Dös is ja do zum Lacha – wo S' alle Tag viermal vorbeikomma bei mei'm Standplatz, mit Ihrem Millihaferl oder Ihrem Marktkorb oder Ihrem Wasweißino, oder vielleicht net?«

»Aha, da san Sie also der, der wo –«

»Natürlich bin i der, oder vielleicht net?« wandte er sich mit seiner rhetorischen Frage wieder an mich.

Ich beteuerte es mit heftigen Kopfnicken.

Eine Weile schaute uns die Frau Mosbacher noch an. Dann sagte sie:

»Also, nacha is's scho recht, wenn Sie ihn also empfehl'n können.«

»Ja, meinen Sie vielleicht, Frau Mosbacher, ich empfehlet Ihnen an Härrn, den wo ich Ihnen net empfehl'n könnt?«

»Also nacha is's scho recht,« wiederholte sie begütigend, »wiss'n S', man kann ja heutz'tag 194 gar net vorsichtig gnua sein mit dene Leit.« Und dann zu mir:

»Sie bleib'n also glei da, Härr, also!«

»Natürli, oder vielleicht net?« sagte der Droschkenkutscher väterlich und behaglich. Auf einmal aber muß ihm sein leerer Maßkrug eingefallen sein. Denn merkwürdig eilig sagte er:

»Ich empfehl' mich also beieinand',« und trappte geschwind die Treppe hinunter.

»Also, nacha komma S' nur herein, Härr,« sagte die Frau Mosbacher mütterlich, »und hoffentlich werd's Ihnen also bei mir g'fall'n, also . . .« 195

 


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