Fritz Müller-Partenkirchen
München
Fritz Müller-Partenkirchen

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Das Nachthemd

Wenn man links der Isar wohnt, und man ist rechts der Isar eingeladen, dreieinhalb Kilometer weit weg, und es ist schon Mitternacht vorbei, und es geht keine Trambahn mehr, und es gießt in Strömen, und der Hausherr sagt:

»Nein, mein lieber Herr Professor, wir lassen Sie nicht fort,« und die Hausfrau setzt hinzu:

»Un–ter kei–nen Um–stän–den, Herr Professor!« und richtet schon, ein Stockwerk höher, das Fremdenzimmer: »So, da sind Sie völlig ungestört,« und der Professor macht noch eine Anstandsfluchtbewegung, und der Hausherr donnert liebevoll:

»Sie würden uns beleidigen, Herr Professor« . . . da würde selbst ein jüngerer als der sechzigjährige Junggeselle Professor Doktor Eurasberger schließlich nachgegeben haben.

Worauf sich Friede auf das gastliche Haus links der Isar niedersenkt und die beiden Ehegatten von ihrem Bett das Licht ausknipsen in dem tröstlichen Bewußtsein: »Wir wissen, was wir einem lieben Gaste schuldig sind,« und einschlafen, tief und fest, während es draußen unentwegt weitergießt – platsch – platsch – platsch . . .

Da – es mochte gegen zwei Uhr nachts sein – läutet's. Erst zaghaft, dann weniger zaghaft, dann normal, dann laut, dann so dringlich, daß davon 159 selbst das beste doppelte Gastgebergewissen erwachen muß. Auf geht das Fenster, und man schaut hinunter.

Steht da vor der Haustür im strömenden Regen, unterm Arm ein Bündel, der Professor Eurasberger: »Ich bitte vielmals um Entschuldigung – (platsch, platsch), – daß ich nochmals störe – (platsch, platsch, platsch) – aber mein – mein Nachthemd hab' ich mir doch noch geholt.« 160

 


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