Fritz Müller-Partenkirchen
München
Fritz Müller-Partenkirchen

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Der Schraubstock

Das war zu der Zeit, wo sich in München die ersten Fabriken auftaten. Grün war ihnen ein echter Münchner nicht. Eine Aktiengesellschaft erschien ihm wesenlos und glitschig. Sagt man ohnehin den Münchnern nach, sie stünden aller Arbeit kritisch gegenüber, so wurden sie erst recht nicht warm bei der Arbeit ohne persönliches Verhältnis. Und so einem Aktienmonstrum mit dem kontrollierenden Portier an der schmalen Eingangsschnauze eines auszuwischen, das war ganz lustig, wenn es ging.

Ging's nicht, so ging es eben nicht, und man zog sich mittels eines guten Witzes aus der Patsche. Ob der gut war oder schlecht, hing weniger vom Witz ab, als wie man sich dazu stellte. In München aber stellt man sich zu keinem Witz, sondern man hält sich. Den Bauch vor Lachen nämlich. Man lacht sich bucklig, schief und krumm. Platt lacht man sich nur jenseits des Mains.

Daß ich's also kurz vermelde: Feierabend. Die Fabriksirene tutet. Dick wimmelt's durch das enge Pförtnertor der Kustermannschen Eisenwerke. Der Portier hat seine Augerln – Schweinsäugerln heißt der Münchner solche – überall. Aus kommt ihm nichts. Natürlich, er ist ja aus Norddeutschland, der fade Kerl – sagen die, so er gelegentlich erwischt hat.

Die meisten sind schon ohne Anstand 178 durchgewimmelt. Jetzt kommt einer, der sieht arg vergnügt aus. Sogar trällern tut er. »So lang die grüne Isar . . .« oder so was. O mei', alter Peter, kennst du die norddeutschen Portiers schlecht! Denen fällt doch so was auf. Hättst doch nicht geträllert. Oder mürrisch dreingeschaut, »a rechte Lätschen hingmacht,« wie man hierzulande sagt.

Die fade Lätschen vorne hätte es wieder ausgeglichen, daß es dich hinten fast hinunterzog von irgend einer unsichtbaren Kraft.

»He da, Mann!« schreit der Portier.

Wenn man weltverloren den »alten Peter« pfeift, kann man sich schon »doret« stellen, denkt der Angeschriene. Und pfeifen tut er: ». . . so lang stirbt die Gemüatlichkeit in der Münchner Staadt net aus –«

»He, Sie da – Mann –!«

»– stirbt die Gemüatlichkeit –«

»Können Sie nicht hören!«

»– stirbt die Gemüatlich –«

Armer Teufel, sie ist schon ausgestorben.

»Dunnerkiel, verflucht und zugenäht –«

»Fehlt Eahna was, Herr Nachbar? – oder moanen S' vielleicht mi?«

»Wen denn sonst! Was hängt denn da unter Ihrem Rock vor, he?«

»Han S'?«

»Was unter Ihrem Rock hervorhängt?«

»Unter was für ein' Rock?« erkundigte sich der andre teilnehmend und suchte sich hinauszuschieben.

»Unter Ihrem Rock, zum Donnerwetter!«

»Unter mei'm Rock? Was sollt denn da vorhänga? Nix hängt vor, geanga S' zua, lassen S' mi aus –«

179 »Ich lasse Sie nicht aus – das sieht ja einem Klöppel ähnlich.«

»Klöppi? Was is denn dös? Aha, ein' Schwengel moanen Sie – ja mei', da müssen S' halt deutsch reden.«

»Gewiß, Verehrter, das will ich eben: deutsch mit Ihnen reden!«

»Morgn nacha, gell, heut hab i weni Zeit, wissen S',« und war schon beinahe draußen.

Aber da hatte ihm der Pförtner energisch den Rock hinaufgeschlagen. Ein beiderseits der Hüften festgedrehter Schraubstock von einem halben Zentner mindestens kam zum Vorschein.

»He, was ist denn das – wie!«

»Was denn?« spreizte er die Rockflügel auseinander und schaute unschuldig hinter sich, »ja, was is denn dös – hänga mir die Schlawiner da drinna ein' Schraubstock an – dös is fei' a schlechter G'spaß . . .« 180

 


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