Fritz Müller-Partenkirchen
München
Fritz Müller-Partenkirchen

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Der Mann mit dem Glasauge

Der Mathias Bucherer von der Ledererstraße 7, zur Zeit: Sechste Reihe, dritter Tisch rechts, hinter der Säule, neben der Kathi ihrem fliegenden Biffeh – blies Trübsal: »Jesses, an den nächsten Winter wenn ich denk –«

»Denk halt an den Sommer,« sagte die Kathi.

»Bäzerl, da friert's mich nächsten Winter nur noch mehr.«

»Kaufst dir halt Kohl'n.«

»Doppelt's Bäzerl, wenn's doch keine Kohl'n gibt!«

»Dann halt Holz.«

»Dreidoppelt's Bäzerl, mit was denn, wenn kein Diri-Dari da ist!«

»Hm, Hias, ich hab da g'hört, der Forstenrieder Park soll zwölftausend Tagwerk groß sein, verstehst?«

»Ja, aber der Jagdg'hilf?«

»Mußt halt schau'n, daß d' besser schaust, wenn er schaut, daß –«

»Nix is's mit'm Schau'n, grad um'kehrt muß man's machen.«

»Um'kehrt?«

»Nicht schau'n muß ich, wie einer, der ein Glasaug' –«

»Aber Hiasl, wenn d' doch gar kein Glasaug hast!«

151 »Macht nix – macht man ein's – schau, Bäzerl, schau.«

Kathi war starr. Der Hiasl auch. Nämlich sein eines Aug'. Das stand auf einmal fest, bocksteif fest, während das andre listig blinzelnd umeinanderkugelte.

»Aber Hias, ich fürcht' mich fast, wie kannst denn so was –?«

»Hab'n wir schon als kleine Bub'n eing'übt hinterm Glockenbach – morgen früh kommt meine erste Holzfuhr – servus, Kathl.«

Mit einem vergnügt-beweglichen Auge und einem starrwehmütigen Kunstauge verließ er das Lokal.

Am nächsten Abend war er wieder da, händereibend: »Gut is's 'gangen, Bäzerl. Erst überhaupt kein Grüner weit und breit. Dann, wie ich mit dem vollen Holzkarren abfahr, steht er da: »Was hab'n S' denn da?« – »Wenn ich ›Makkaroni‹ saget, glaubet'n Sie's ja doch nicht,« sag ich. – »Wenn Sie mir so kommen,« sagt er, »komm ich Ihnen so,« und zieht sein Notizbüchl aus der Tasch'n. Ich nicht faul, stell' mein Aug' auf Glas und schau' ihn pfeilgrad an: »So, so?« sag' ich, »'n Kopf hat man vier Jährl'n hinhalten dürfen draußen –«

»Aber Hias, du bist doch nie im Krieg –«

»Zilenzium! Das ist ja grad der Witz. »'s Aug' hat's halt derwuschen, wie Sie seh'n, Herr Jagdg'hilf,« sag ich. – »Hm, also, ich will nix g'seh'n hab'n – schau, daß d' in Schwung kommst mit dei'm Karren!« – So Kathi, schenk' mir eine zweite Maß ein, damit die zweite Holzfuhr grad so 'rauskommt aus 'm Forstenrieder, nächste Woch . . .«

152 Die Woche kommt und wieder sitzt er neben der Kathi ihrem fliegenden Biffeh. Tut aber erst mit Schweigen groß, bis sie's nimmer aushalten kann: »Nun, Hias, was ist?«

»Was wird sein? Nix hat's ihm g'schadt, dem Forstenrieder Park. Das ist grad, als wenn den Elefant der Floh sticht –«

»Zwei Flöh, Hias?«

»Ja, aber beinah' wär der zweite wegg'fangt word'n. Wie ich auflad', steht er also wieder da, der Grüne. Daß er mich nicht mehr kennt hat, hab' ich gleich g'merkt. – »Zu was brauchen Sie das Holz, he?« sagte er. –»Zu was werd' ich das Holz brauchen?« sag ich, »G'wehrkolb'n muß ich machen für den nächsten Weltkrieg, weil der letzt' verlor'n ist, wenigstens was meine Aug'n angeht, Herr Jagdg'hilf.« – »Ah,« sagt er und blinzelt auf mein Glasaug', »Sie sind der, der in der letzten Woch' – aber sag'n S' amal, mir ist grad so, als wenn's damals das andre Aug' g'wes'n wär', das wo –.« – »Sie werd'n schon erlaub'n müssen,« sag ich, »daß ich mein Glasaug' leider besser kennen muß, als wie einer, der nicht wie ich vier Jahr im Krieg –«.

»Schon recht,« sagt er, »schau, daß d' in Schwung kimmst mit dei'm Karr'n!« – Ja, Kathl, wunderschönes Holz ist's g'wesen, und wenn's das drittemal grad so 'nausgeht, bin ich fein heraus und kann der Winter mir am Buckel 'naufsteig'n, prost, Kathl, prost –.«

»Hias, wenn dir aber was passiert –.«

»Geh, Bäzerl, alle guten Dinge sind drei, und was kann überhaupt ei'm passier'n, der wo ein Glasaug . . .«

153 Aber sie bekam es doch mit der Angst um ihren Hias. Und weil sie grade frei am nächsten Holztag hatte, ging sie ihm bis zum Parkeingang entgegen. Aha, da kam er schon zurück mit einer Riesenfuhre. –

»Hias, wie ist's 'gangen?«

»Knapp, Kathl, knapp, 's Gedächtnis laßt halt aus –.«

»Dafür wird dein Holz immer mehr,« lachte sie.

»Nix zum Lachen,« schaute er sich um, »wenn er nur nicht nachkommt.« – »Wer?«

»Der Grüne, der natürlich wieder da war, wie ich aufg'lad'n g'habt hab'. Es müssen schon grausam viel Leut' mit Holzkarr'n da verkehr'n, weil er mich wieder nicht kennt hat. »Was machen Sie mit dem Holz da?« sagt er. – »Was wer' ich machen?« sag' ich, »Zahnstocher mach' ich draus und Federhalter,« und hab' ihn wieder pfeilgrad anschau'n woll'n. Ist mir aber siedig eing'fall'n: Jesses, war's das rechte oder linke, links oder rechts, rechts oder links. – »Ah,« sagt er, »Sie sind der mit dem Glasaug', gell? – Ja, was ist denn das? Jetzt hab'n S' ja gleich zwei Glasaug'n, während ich das letztemal nur eines g'seh'n hab' –«

»Freilich,« sag ich, so kriegsgrantig wie möglich, »und 's vorletztemal hab'n S' nur das andre g'seh'n – Sie tun sich überhaupt leicht, Herr Jagdg'hilf, aber ich, der auf ei'm nix siecht – der Deixel soll Verduhn hol'n! – und auf dem andern auch nix – der Ganggerl soll die Russen braten! –.« – »Schon recht,« sagt er voller Mitleid, »schon recht, schau, daß d' halt in Schwung kommst mit dei'm Karr'n –!«

154 »Halt!« schrie da eine atemlose Stimme über'm Parkzaun, »ein Betrüger sind Sie – jetzt hab' ich Sie erwischt, denn wenn Sie zwei Glasaug'n hab'n, wie hätten Sie denn da in unserm Park –«

»Hanswurscht!« sagt der Hias, »in euerm Park hab' ich schon so oft Holz aufg'laden, daß ich mich als Blinder auskenn' – und heraußen wer' ich g'führt – komm, Kathl, stell dich vorn hin an mein' Karr'n, hü, Kathl, hüüü . . .« 155

 


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