Fritz Müller-Partenkirchen
München
Fritz Müller-Partenkirchen

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Hamm

Es war auf einem norddeutschen Bahnhof. Ein Bayer mit einem schweren Koffer war ausgestiegen und strebte einem andern Zuge zu. Dort verschnaufte er und blickte mißvergnügt auf seinen Koffer. »Wenn ich nur den Malefiz schon droben hätt'!«

Ein engerer Landsmann stieg sofort aus dem Abteil und begann die Ärmel aufzustreifen: »Dös werd'n ma glei' hamm!«

»Hamm?« rief der Schaffner, »dritter Bahnsteig links!«

»Was Hamm? – wie Hamm?« begehrte der Hilfsbereite auf.

»Sie sagten doch soeben, daß Sie nach Hamm –«

»Is mir gar net eing'fall'n – i' fahr' nach Köln.«

»Warum riefen Sie dann Hamm?«

»I hätt Hamm g'rufen! – Landsmann, hab i' Hamm g'sagt?«

»Kei' Idee!«

»I' weiß gar net, was dös is: Hamm! So saudumme Namen gibt's überhaupts bei uns net!«

Der Schaffner wurde ärgerlich. Einen Sachsen, der dabeistand, fragte er: »Sie haben's doch gehört, daß er Hamm –«

»Nadierlich!«

Dem Bayern ward's jetzt klar: Verschwörung.

161 »Ausg'schaamte G'sellschaft!« sagte er, die Arme in die Hüften stemmend.

»Aus– was, aus– was!?« erhitzte sich der Schaffner.

»Ausg'schaamt,« wiederholte der Bayer.

»Reeneweg nich zu kabbieren!« sagte der Sachse.

Der mit dem Koffer war inzwischen eingestiegen. Der Zug pfiff. Der andre Bayer zögerte noch.

»Mann, da rin!« sagte der Schaffner.

»Was sag'n S'!« brauste der andere auf, »was hat er g'sagt? Mandarin hat er g'sagt!«

»Einsteigen sollen Sie, habe ich gesagt.«

»Net wahr is's – Mandarin hamm S' g'sagt! – wenn S' dös nomal sag'n, mei Lieber –!«

Der Zug zog an. Wütend erklomm der Mandarin das Trittbrett. Wütend, wortlos saß er eine Weile neben seinem Landsmann. »Hamm S' scho' so a Gemeinheit derlebt,« schnaufte er ihn endlich an.

Der zuckte mit den Schultern: »Ja mei', in Preißen halt, in Preißen!«

Ich wollte vermitteln: »Es ist ein Mißverständnis, meine Herren –«

Sie sahen mich mißtrauisch an: »Woher san S'?«

»Ich bin ein Münchner.«

Ihre Mienen erhellten sich. Sie wurden zutunlich. »Dös müssen S' selber sag'n, Herr Nachbar, solche ausg'stopfte Angorikatzen wie der Konduktär eine is, hamm mir in Bayern net!«

»Sie haben sich gegenseitig mißverstanden – nämlich was die Aussprache anbetrifft –«

Sie nickten gleichzeitig: »Ja, a Sprach hamm s' da heromm, a Sprach –!«

162 »I taat mi heut no aufhänga mit ara solchenen Sprach,« half der andre nach.

»Nun,« meinte ich lächelnd, »was das Bayerische betrifft –«

Sofort nahmen sie wieder Fechterstellung ein: »Sie, übers Bayrische wenn S' was sag'n, mei Lieber –!«

»Nun ›hamm‹ zum Beispiel –«

»Jetzt fangt der aa mit dem damischen Hamm an!«

»Bitte sehr, angefangen haben Sie!«

»I? mit was?«

»Mit ›Dös wern ma glei hamm‹.«

»Da is do nix dabei.«

»Hamm is dabei, hamm.«

Sie sahen sich an. Sie tippten verstehend auf ihre eignen Stirnen. »Er spinnt halt, er spinnt.«

Der Zug hielt. Es war mein Ziel. Ich versuchte es ein letztes Mal: »Das ganze Mißverständnis kommt daher, daß Sie statt ›haben‹ fälschlich ›hamm‹ –«

»Was fälschlich! – wie fälschlich!« erhob sich drohend der eine.

Der andere krempelte die Ärmel höher: »Wenn der uns beleidigen will – dös werd'n mir glei' hamm!«

Ich war ausgestiegen. »Und überhaupts, Sie sind ja gar kei' Münchner, Sie Schwindler, Sie!« schrie mir der eine mit dem höchsten Trumpf nach.

Das war zu viel, ich drehte mich um. »Wos!« rief ich, »koa Münchner waar i'! Ös Haderlumpen, ös miserablige, ös g'selchte Affen, ös Kameller, ös dreidoppelte –!«

163 Sie strahlten. Sie streiften die Hemdsärmel wieder herab. Sie winkten freudig: »Steig'n S' nur ei', Herr Nachbar – mir verstenga uns – wir g'hör'n scho' z'samm' –«

»Z'samm'?« lachte ich zurück, »z'samm'? – gern könnts mi' hamm! –« Freundlich nickend dampften ihre Gesichter aus der Halle. 164

 


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