Fritz Müller-Partenkirchen
München
Fritz Müller-Partenkirchen

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Meine Hand, meine Frau und die Dienstmädchen

Heute ist der 23. Mai. Am 15. April haben wir geheiratet, am 30. April unser neues Heim bezogen, und am 1. Mai hat meine junge Frau das erste Dienstmädchen engagiert. Bei dem Engagementsabschluß war ich nicht zugegen. Erst nachher wurde ich zugezogen. Meine Frau kam nämlich in mein Arbeitszimmer und sagte:

»Fritz, ich habe die Marie engagiert. Komm heraus.«

»Ja,« sagte ich, »aber was soll ich noch?«

»Nun es gehört sich doch, daß du ihr die Hand gibst.«

Da ging ich hinaus und gab der Marie die Hand.

Am 5. Mai ging die Marie wieder fort. Infolge gütlicher Vereinbarung mit meiner Frau. Meine Frau streitet nämlich nicht gern. Sie kam in mein Zimmer und sagte:

»Fritz, komm heraus.«

»Was soll ich?«

»Die Marie geht fort, gib ihr die Hand.«

»Ja, warum denn?«

»Ach Fritz, weißt du, damit man in Frieden auseinanderkommt.«

Da ging ich hinaus und gab der Marie die Hand.

100 Am gleichen Tage, gegen Abend, kam das neue Dienstmädchen. Cenzi hieß sie. Ich machte selbst die Türe auf.

»Sie wünschen?« sagte ich.

»Ich g'hör daher,« sagte sie.

Darauf gab ich ihr die Hand. Meine Frau sah es und war sehr zufrieden mit mir.

»Siehst du,« sagte sie, »das macht gleich einen guten Eindruck auf die Mädchen. Da bleiben sie.«

Am 10. Mai war es wieder vorbei. Es gab ein ganzes Bündel von Gründen dafür, warum die Cenzi wieder ging. Sie weinte in der Küche.

»Fritz,« sagte meine Frau, »geh in die Küche und gib ihr noch die Hand.«

Da ging ich in die Küche und gab der Cenzi die Hand.

Am 11. Mai trat die Johanna ein. Sie war sehr resolut und hatte eine Riesenhand. Es war schon mehr eine Tatze. Ich sah unschlüssig zwischen meiner Frau und der Tatze hin und her.

»Na,« sagte meine Frau ermunternd.

Da gab ich auch der Johanna die Hand. Ich habe es einen und einen halben Tag lang gespürt.

Dann brach eine Schonzeit an für meine Hand, die bis gestern gedauert hat. Gestern am 22. Mai erklärte mir meine Frau, die Johanna müßte unbedingt fort. Sie sei zu herrisch. Sie, meine kleine Frau, getraue sich schon gar nicht mehr in die Küche.

»Hm,« sagte ich und meine Hand zuckte, »in Gottes Namen, dann kündige ihr halt.«

»Ich?« sagte meine Frau, »das geht doch dich an.«

»Mich?«

101 »Ja, wen denn sonst? Du bist doch der Herr im Hause, nicht?«

»Gewiß, gewiß,« sagte ich, »aber . . .«

»Na, du wirst doch keine Angst haben.«

»Nein, das nicht, aber . . .«

»Na also, geh hinaus. Ich räume inzwischen deinen Schreibtisch hier auf.« Der Schreibtisch war schon aufgeräumt. Aber es kann nie schaden, wenn ein Schreibtisch zweimal aufgeräumt wird.

Also ging ich hinaus. Ganz allein hinaus und gab der Johanna die Hand. Es war sehr schmerzhaft, und die Johanna sah mich erstaunt an. Dann ging ich wieder in mein Zimmer. Dort hatte meine Frau das Tintenfaß umgeworfen. Sie schien sehr aufgeregt.

»Nun?« sagte sie, »was hat sie gesagt?«

»Gesagt? Nichts.«

»Das wundert mich aber.«

Gegen Abend sagte meine Frau:

»Denke dir, Fritz, sie macht noch gar keine Anstalten. Noch nicht einmal ihren Koffer hat sie gepackt.«

»Wer?«

»Die Johanna, natürlich.«

»Nun,« sagte ich, »merkwürdig, sehr merkwürdig.«

»Du hast ihr doch gesagt, daß sie gleich gehen kann, nicht?«

»Ich habe ihr die Hand gegeben,« sagte ich. »Wie immer,« fügte ich hinzu. »Vielleicht hat sie es nicht ganz verstanden?«

Darauf sagte meine Frau ganz unvermittelt: »Fritz, du bist ein . . .« Hier verwendete sie ein Wort, das sie vor der Ehe nie gebraucht hatte.

102 »Bitte,« sagte ich, »ich habe noch nie anders gekündigt hier, als indem ich die Hand gab.«

Darauf schoß meine Frau in die Küche, und es war ein großer Skandal.

Heute ist die Luise bei uns eingetreten. Meine Frau ist nicht in mein Zimmer gekommen, um es mir zu sagen, und ich habe der Luise nicht die Hand geben müssen.

Ich glaube, daß ich es künftig überhaupt nicht mehr tun muß. 103

 


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