Fritz Müller-Partenkirchen
Kramer & Friemann
Fritz Müller-Partenkirchen

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Französisch

Eines Tages lag in der Einlaufmappe von Kramer & Friemann ein Brief, der fing mit »Messieurs« an. Also französisch. Also verständlich für alle Leute, die auf Bildung hielten. Frage irgendeinen, ob er nicht auf Bildung hält. Die Mappe ging durch alle Hände. Jeder machte sein Zeichen auf den Brief aus Frankreich. »Kenntnis genommen F.« – »Gelesen B.«

Als Lehrling kriegte ich die Mappe nicht. Heute hieß es: »Na, gebt sie auch dem Lehrling. Es ist was drin, das kann er übersetzen. Nicht als verständen wir nicht selbst französisch. Aber immerhin, er mag sich üben.«

Die Uebung ergab: Eine Firma aus Marseille hatte von unserem Kaffeeröstpatent gehört. Ob uns einer ihrer Angestellten dieserhalb besuchen dürfe?

Da es eine Uebersetzung zu meiner Uebung war, behielt ich sie für mich. Da kam ich aber schön an. Auf der Stelle soll ich sie in Umlauf setzen, hieß es. Also ging auch sie rundum. »Kenntnis genommen F.« – Gelesen B.« – »Sieh einer an, aus Frankreich«, ging es flüsternd durchs Kontor. »Haben Sie die Güte dem Manne zu schreiben, daß er uns willkommen sei,« sagte Herr Kramer zum Prokuristen. – »Schreiben Sie dem Manne, daß er kommen möchte«, sagte der Prokurist zum Korrespondenzvorstand. – »Der Mann soll kommen«, sagte der Korrespondenzvorstand zum Korrespondenten. – »Her mit dem Menschen!« sagte der Korrespondent zu mir und schmiß mir meine Uebersetzung zu. 58 »Entschuldigung, Herr Schneider«, sagte ich, »ich habe noch nie korrespondiert.«

»Na, dann jetzt, zur Uebung – hopp!«

Also schrieb ich, maßen letzter Weisung: »Monsieur, Venez!«

Der Korrespondent Schneider legte die beiden verlorenen Wörtchen auf dem großen Briefbogen seinem Vorstand vor. Der pfiff auf französisch durch die Zähne: 'n bißchen wenig, lieber Schneider, könnte man nicht etwas mehr –? Der liebe Schneider pfiff es deutsch zu mir herüber: »Ich bitte mir 'n Brief aus, einen höflichen, nicht 'n Telegramm!« Also schrieb ich höflich: »Monsieur, Venez, s'il vous plait«.

Die Zeit verging. Auf einmal wird gemeldet: »Im Wartezimmer steht ein Herr, der schicke diese Karte.« Auf der Karte stand: Emile Dufay, Représentant de Gigandet & Cie., Marseille.

Da kam er auch schon in Herrn Kramers Privatkontor eingetänzelt und begann, unendlich plätschernd, unsern Prinzipal französisch zuzudecken. Luftschnappend gibt ihn der mit einer französischen Handbewegung an den Prokuristen ab. Jetzt stürzt über den der Strom französischer Beredsamkeit. Herr Mathis lächelt. Er entdeckt im Wasserfall von Zeit zu Zeit ein Wort, das von einer fernen Schulzeit herübergrüßt. »Oui«, sagt dann Herr Mathis höflich, »oui«. Nach dem dritten Dutzend »oui« gibt er den Herrn Dufay ab: »Herr Frommholz, meines Wissens führten Sie den Briefwechsel – darf ich bitten.«

Nun ging der Katarakt auf den Korrespondenzvorstand nieder. Er war nach fünf Minuten »alle« und jappte: »Es muß ein Irrtum sein, Sie schrieben doch den Brief, Herr Schneider – darf ich bitten.« Herr Dufay ritt die vierte Offensive. Wieder siegreich. Der arme Schneider verschanzte sich, wütend lächelnd, zwar bis an die Zähne. Aber er wurde französisch zerklopft, zersägt, zerschnitten, bis er verzweifelt zu mir herüberschielte: »Hm, den Vertreter des Welthauses Gigandet & Cie., Marseille, dem Lehrling von Kramer & Friemann überlassen?«

Ich bereitete mich triumphierend vor mit »Monsieur«, und »Il m'est un grand plaisir, Monsieur« und »J'ai l'honneur, Monsieur« und »Voulez-vous aller avec moi dans le Hofbräuhaus, Monsieur?« als wir den Torwart Pleiner hinten sagen hörten: »Ich versteh' die Leut' nicht, daß sie sich so plagen mit dem Kasperl, wo er mit dem Kutscher ganz nett deutsch daherg'red't hat.«

Deutsch? Ha, Verwandlung auf der Bühne! Von allen Seiten kam es auf Herrn Dufay von Gigandet & Cie., Marseille, zugeströmt – Prinzipal und Prokurist und Vorstand – »Ah, Sie sprechen deutsch – famos, famos – na, da woll'n wir denn einmal . . .«

Er hat leugnen wollen, der Herr Dufay. Es half ihm nichts. Die Gegenoffensiven wurden eingeleitet, deutsche Gegenoffensiven. Und ich kann heute noch bezeugen, daß die nicht von schlechten Eltern waren. Plätschernd, strömend, kataraktig, sündflutartig sind sie über ihn hereingebrochen. Tapfer hat er sich gewehrt mit »Ja« und »Sehr angenehm« und »Ganz meinerseits« und »Es ist mir ein Vergnügen« und »Nach Ihnen, wenn ich bitten darf, nach Ihnen!« Aber dann hat ihn eine Abordnung mit ins Hofbräuhaus genommen. Und da hat er dann die Waffen gestreckt. Bedingungslos.

 


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