Fritz Müller-Partenkirchen
Kramer & Friemann
Fritz Müller-Partenkirchen

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Der Familienrat

Heute war Familienrat.

Der letzte Familienrat ist lange her. Das war, als Vater starb. Da war ich noch ganz klein und habe nichts verstanden. Ich weiß nur dunkel, daß es immer wieder schrill geläutet hat, und ein Onkel nach dem andern hat den Schnee vom Schirm geschüttelt und in die roten Hände geblasen und gesagt: »Traurige Sache, sehr traurige Sache.« Dann haben sie mich ins Kinderzimmer gesteckt. »Da spiel'!« haben sie gesagt. Aber es war nichts zum Spielen da, weil ich den Kasperl mit der Tschinell'n im Wohnzimmer am hinteren Sofafuß festgebunden hatte, und die Eisenbahn war im Papierkorb dort zum Ausruhn. Also hab' ich nur ganz leise gesagt: »Ich habe nichts zum Spielen.« – »Traurige Sache, sehr traurige Sache«, haben sie gesagt. Aber ich glaube, sie haben mich gar nicht gehört, weil es wieder geläutet hat, und die Tanten sind mit Geschrei hereingekommen und haben die Mutter immer wieder umarmt, von links und von rechts, und haben den Schnee von ihren Hüten in Mutters Hals hineingeschüttet. Und ich weiß noch, daß mich dabei gefroren hat. –

Wenn nur der Gustl dagewesen wäre. Dann hätte ich mit dem spielen können. Aber den hatten sie zum Onkel Frank gesteckt, damit es keinen Krach im Kinderzimmer gäbe während des Familienrats, und weil Onkel Frank doch nicht zum Familienrat kommt, sondern gesagt hat: »Mit die Familienrät' da balst mir net gehst!« Heute weiß ich natürlich, daß dieser Satz falsch war, erstens grammatikalisch, weil nach »mit« der dritte Fall gehört und »balst« gar keine richtige Konjunktion ist. zweitens stilistisch, weil der Satz unvollständig ist. Das hat der Onkel Paul dem Onkel Frank auch damals gesagt. Ich weiß noch gut, wie sich der Onkel Frank dumm gestellt hat: »Wie müßte er denn richtig heißen, mein Satz?« Da hat der Onkel Paul auf einmal ausgeschaut wie 6 hinterm Katheder und hat an der Brille gerückt und gesagt: »Wenn du mir mit den Familienräten nicht gehen würdest, so – –« »Halt«, hat Onkel Frank gesagt, »einen Augenblick, ich muß es mir notieren.« Da hat natürlich der Onkel Paul doch gemerkt, daß Onkel Frank ein Fopper war. Und er hat durch ein Rundschreiben an alle Onkel und Tanten mitgeteilt, daß künftige Familientage zwischen ihm und diesem Malermenschen zu wählen hätten. Worauf Onkel Frank mitteilte, daß er sich aufhängen würde, aber erst später. Vorher müßte er noch einen Familientag malen. Er hat ihn auch gemalt. Ich habe ihn erst hinter dem zweiten Familientag sehen dürfen. Aber da sehe ich, daß ich den ersten noch nicht fertig habe.

Ich bin also allein im Kinderzimmer gesessen. Es war sehr langweilig. Da habe ich mit einem genagelten Schuh gegen das Nachtgeschirr geklopft, erst langsam, dann schneller. Es war mir, als wenn es eine Schiffsglocke wäre. Ich bin auch eingestiegen und habe eine weite Reise übers gelbe Meer gemacht. Aber noch ehe ich Anker werfen konnte, hat Onkel Paul vom Beratungszimmer den Kopf hereingesteckt und gesagt, ein solcher Spektakel sei unerhört bei einem Familienrat, und es sei traurig, sehr traurig. Danach ist es noch langweiliger geworden, und ich habe beschlossen, Gustls Bettstatt auseinanderzunehmen, weil ich noch nie ein zerlegtes Bett gesehen hatte. Zuerst ging alles gut. Ich habe mich gewundert, daß ein Bett, in dem man so viel wunderbare Sachen träumt, nur aus zwei Brettern links und rechts und einem Kopf- und Fußteil besteht, außer einem Strohsack. Aber dann dachte ich, vielleicht ist im Strohsack das Geheimnis. Ein Schlitz war schon drin. Also bin ich hineingekrochen. Das war gar nicht leicht. Aber es ist doch gegangen. Es war wunderbar drin. Das Stroh hat geheimnisvoll geknistert. Goldig hat ein wenig Sonne geflammt. Der Staub hat hin- und hergeglitzert. Es war wie ein ganzes Bündel Geschichten, die durcheinandergeschüttelt werden und man weiß nimmer, was zu was gehört. Aber auf einmal habe ich so stark niesen müssen, wovon die Bettstattbretter umgefallen sind. Das hat einen so wunderbaren Spektakel gegeben, daß ich mich schon darauf freute, 7 wenn jetzt Onkel Pauls Brille wieder durch die Türe fahren würde, um mir mitzuteilen, daß es traurig sei, sehr traurig.

Aber da kam Mutter ganz still herein und hatte Augen, die waren vom Familienrat verweint. »Mutter«, habe ich geschrien, »haben sie dir etwas getan?« – »Nein«, hat sie gesagt, »es handelt sich um Onkel Adams Hypothek, die er auf Vaters Tod gekündigt hat, und von der es fraglich ist, ob Onkel Paul sie übernehmen kann. Aber das wirst du doch noch nicht verstehen. Daß ein braver Bub jedoch jetzt still sein muß, um der Mutter nicht noch Extrakummer zu machen, nicht wahr, Fritzl, das verstehst du?« Mäuschenstill hahe ich dann die Bettstatt wieder zusammengefügt. Wie ein angemalter Türke habe ich mich mit untergeschlagenen Beinen an die Türe gelehnt und darüber nachgedacht, was eine Hypothek ist. Was gutes sicher nicht, da Mutter weinte und da es von Onkel Adam kam. Der war nämlich so ein Süßer. Wenn man von dem käme, sagte Onkel Frank, so pappe alles, die Hände, die Augenlider, die Hose und die Gurgel. Da sei ihm der Onkel Paul doch lieber. Wenn der spräche, habe man höchstens das Gefühl, als wenn man harte Semmeln zwischen den Backenzähnen zermahlen müsse. Das sei wenigstens doch reinlich. Aber damit war noch nicht erklärt, was so eine Hypothek im Grunde war. Ich dachte so scharf nach als möglich. Davon wurde ich müde und schlief ein, mit dem Kopf an der Türe des Familienrats. Im Schlaf kam es mir vor, eine Hypothek müsse eine pappige aber bittere Marmelade sein, die über eine harte Semmel herunterrann und immerzu auf den Anzug tropfe. Zwischenhinein wachte ich wieder auf einen Nicker auf. Dann hörte ich es dumpf durch die Türe murmeln. Und nach einem langen Murmeln kam immer ein ganz kurzes Schluchzen. Das konnte aber auch vom Rascheln meiner Eisenbahn im Papierkorb kommen. Oder von der Tante Mathilde, obgleich die sonst immer fröhlich war. Ganz klar habe ich mir das Schluchzen nicht gemacht. Denn hätte ich sicher gewußt, daß es von der Mutter käme, hätte ich ja meinen Säbel umgürten und meinen Helm aufsetzen müssen und die Türe des Familienrats aufreißen, wild hineinstürzen müssen: »Her mit dem miserabligen Familienrat, daß ich ihn derstich!« Aber dazu war ich plötzlich zu müde, viel zu müde.

8 Als ich spät in meinem Bette aufgewacht bin, war der Familienrat vorbei. Die Wohnung war leer. Mutter war zu Onkel Frank hinüber, um Gustl zu holen. Ich bin im Hemd ins Wohnzimmer gegangen. Da war eine dickmuffige Luft. Ich suchte meine Spielsachen zusammen. Auf meiner Eisenbahn im Papierkorb hatten sie Zigarettenasche abgeklopft. Ganz verschmiert war die grüne Lokomotive. Mein Kasperl war noch am hinteren Sofafuß angebunden. Aber sein gutes, lachendes Gesicht war zertreten. Der Familienrat war darauf herumgetrampelt.

Das war der erste Familienrat. Den hatte ich hinter der Türe erlebt. Heute, beim zweiten Familienrat, durfte ich mit hinein. Denn ich hatte mein Einjährigenzeugnis in der Tasche. Und es war zwölf Jahre später, zwölf zersorgte Witwenjahre meiner Mutter, und dann, es sollte über mich beraten werden.

Onkel Adam war schon eine Viertelstunde früher gekommen. Er sagte zu Mutter dasselbe wie vor zwölf Jahren: »Es ist traurig, sehr traurig.« Nämlich, mein Rektor sei bei ihm gewesen, sagte er. Es wäre traurig, daß man den Rektor gerade auf ihn gehetzt habe. Warum nicht auf den Onkel Paul? Aber er kenne sich schon aus. Irgendein Schuft habe herumgesprochen, er sei reich und müsse mich studieren lassen. Aber der Reichtum sei eine Verleumdung. Es wäre schauderhaft, wie billig er sein Oelgeschäft verschleudern habe müssen damals. Was dagegen der neue Besitzer dran verdiene, der Schuft, das sei zum Grausen. Freilich, klagen helfe nichts. Man müsse sich halt durchschlagen bei den teuren Zeiten. Da käme nun dieser Rektor und sage, es sei eine Sünde, wenn der Junge nicht studieren dürfe. Sünde hin und Sünde her, ob der Onkel Adam etwa alle Sünden auszurotten verpflichtet wäre?

Nein, sagte Tante Mathilde, die ganz sacht hereingekommen war, nicht alle Sünden, nur eine einzige, eine Adamssünde, den Geiz. Dazu lachte sie. Tante Mathilde lachte gerne. Sogar über die heiligsten Familiensachen. Das war immer herzerfrischend. Aber Onkel Adam tat, als sei sie gar nicht da. Nur zu meiner Mutter sagte er, es sei traurig, sehr traurig, daß man im Familienrat beleidigt würde von Leuten, die er 9 nie für voll genommen habe. Darauf lachte Tante Mathilde wieder: Ob sie sagen solle, um wieviel Onkel Adam sein Oelgeschäft verkauft habe. Sie wisse es nämlich von dem neuen Besitzer. Der jammere, daß er hereingelegt worden sei. Und es seien hundertdreiundneunzigtausend Mark gewesen.

»Ja, aber in Ostbahnaktien!« schrie Onkel Adam.

Ja, die jetzt doppelt so hoch im Kurse stünden, lachte Tante Mathilde.

»Ha, was versteht ein Frauenzimmer denn von einem Kurs!« schrie Onkel Adam, »und überhaupt, es ist traurig, sehr traurig, und ich verzichte auf den ganzen sauberen Familienrat!« Er war so außer sich, daß er ganz komisch ausschaute, weil doch sein Gesicht sonst immer aufs Oelige eingestellt war.

Aber da kam Onkel Paul herein und sagte, auch bei ihm wäre der Rektor gewesen, und ich müßte natürlich fortstudieren, mit einem solchen Zeugnis. Onkel Adam hatte schon wieder das Oelige und rieb die Hände: »Verehrter Schwager, man studiert mit Geld und nicht mit Zeugnissen. Aber auch die Zeugnisse sind kein Hindernis, wenn du so freundlich sein wirst, für das Geld aufzukommen.«

»Ich?« sagte Onkel Paul betroffen, »ich muß mal studieren, ob ich einen Beitrag –«

»Dummes Zeug«, sagte jemand an der Tür, »wenn man von einem knappen Oberlehrergehalt die Mutter und die Schwester miternährt, so hat das Studieren keinen Zweck.« Es war Onkel Frank, der Maler.

»Ei, ei«, sagte Onkel Adam händereibend, »haben sie dich also auch zum Familienrat eingeladen.«

»Keine Idee. Ich habe nur einen gemalt. Schon vor vielen Jahren. Der ist nicht ganz fertig geworden. Ich muß noch einige Lichter aufsetzen. Deshalb bin ich hergekommen.«

Aber da ging wieder die Tür auf. Sie fuhren einen Rollstuhl herein. Darinnen saß Onkel Cäsar. Er war schlohweiß. Da wurden alle still. Onkel Cäsar war das Oberhaupt. Familiengötze, sagte Onkel Frank. Das war nicht schön. Denn Onkel Cäsar muß früher ein großer Mann gewesen sein. 10 Er soll in jungen Jahren eine Partei gegründet haben. Anno achtundvierzig sollen sie ihn beinahe geköpft haben, weil er als Student gesungen hat:

»Arischtokrate,
Die werre gebrate,
Ferschte und Pfaffe,
Die werre gehenkt!«

und noch später hat er eine Zeitung geleitet, worin man lesen konnte, die neue Zeit müsse sich durchsetzen und wenn man bis an die Knöchel in Fürstenblut waten müsse. Er soll's dann etwas billiger gemacht haben. Aber von dem Blut war ihm doch einiges in den Augen geblieben. Onkel Frank sagte, statt der Knöchel habe es die Augen getroffen, weil er später im rechten Augenblick politisch Kopf gestanden hätte. Aber Onkel Frank spottete über alles. Auch über sich selber.

Alle begrüßten den Onkel Cäsar sehr laut und sehr ehrfurchtsvoll. Sogar Onkel Frank verbeugte sich ein wenig. Nur unsere alte Kathi, die ihn hereingerollt hatte, sagte: »Laßt doch den alten Mann in Ruhe, ihr seht doch, daß er schlafen will.« Wirklich fielen ihm die roten Augen zu. Aber sie fanden die Kathi roh und jagten sie hinaus.

»Fangen wir an« sagte Onkel Paul und blätterte in seinem Zensurbüchlein.

»Es geht nicht«, sagte Mutter schüchtern, »es fehlt noch die Schossefine, die nähme es übel.« Die Schossefine war auch eine Tante oder eine Base. Niemand wußte die Verwandtschaft recht. Aber fragen wollte auch niemand. Sicher war nur eines, sie nahm alles übel. Wohin sie ging, immer ging ein Dunst von Uebelnehmen mit. »Wo ist Tante Schossefine?« fragte einst jemand. »Sie sitzt draußen auf dem Balkon und nimmt übel« sagte Onkel Frank. Sie nähme alles übel, sagt Onkel Frank, auch Katzen, Fliegen, Wind und Wetter. Einen verschwundenen Knopf nahm sie wochenlang übel. Man hätte ruhig ohne sie beginnen können. Uebel nahm sie, ob sie da war oder nicht.

»Onkel Cäsar soll entscheiden« hieß es. Alle sahen auf ihn. Von der Seite war sein Gesicht noch immer wie sein Name. Aber von vorne war es milde auseinandergelaufen. In den 11 roten Augen glänzte manchmal noch ein Feuerfünkchen. Aber meistens schlief es. Die Wahrheit war, der Berühmte war kindisch geworden. Bei seinem hohen Alter hatte er ein Recht dazu. Aber sie ließen es ihm nicht. Sie plagten ihn mit großen Tönen.

»Lieber Großonkel«, sagte Onkel Paul mit einer Verbeugung vor dem Rollstuhl, »wenn wir dich bitten dürften zu entscheiden?«

»Ja ja», ächzte es schläfrig im Lehnstuhl, »wenn ich nur – wenn ich nur –« Das andere schien er zu vergessen.

»Ganz meine Meinung«, fiel Onkel Adam verbindlich ein, »fangen wir also an.«

»So?« kam es spitzig von der Türe, »so? ohne mich?« Es war die Schossefine. Sogleich war das Zimmer dick voll Uebelnehmigkeiten. Sie wurden ängstlich. Aber dann redeten sie sich auf Onkel Cäsar aus. Da verstummte ihre Spitzigkeit. Jemanden etwas übel nehmen, der einst fast geköpft worden wäre, getraute sie sich nicht.

Dann wurde mein Zeugnis vorgelesen. Darauf ein Brief vom Rektor. Dann wurde ich gelobt. Jeder strich mir übern Kopf. Jeder sagte: »Es ist brav, mein Sohn, sehr brav.« Es klang genau wie: »Es ist traurig, sehr traurig.« Nur Onkel Cäsar hub wieder an: »Wenn ich nur – wenn ich nur nicht – nur nicht –.« Den Rest vergaß er wieder.

Dann wurde vom Studium überhaupt gesprochen. Geschichten von armen Jungen wurden erzählt, die Minister wurden. »Denk' mal Bub, Minister!« sagte Onkel Paul. Sie sahen mich zärtlich an. Ich fühlte in mir den Cäsarenneffen. Onkel Paul räusperte sich: »Sein Handelsprofessor sagt, das meiste Zeug hätte er zur Volkswirtschaft.«

»Also Kaufmann«, sagte Onkel Adam erleichtert.

»Nein, den volkswirtschaftlichen Doktor.«

»Na, der kostet nicht schlecht Geld!«

»Endlich bei der Sache«, brummte Onkel Frank, »das Lange und Kurze von der ganzen Bafelei, verehrte Herrschaften: Wer zahlt's?«

»Wie roh«, sagte Tante Schossefine und nahm übel.

»Wenn ich nur – wenn ich nur nicht – wenn ich nur nicht immer –«, lallte Onkel Cäsar.

12 Aber den Vorsitz hatte Onkel Frank an sich gerissen: »Die Sache ist sehr einfach«, sagte er, »meine Bilder sind noch nicht soweit, daß sie jemanden studieren lassen können. Vetter Paul kommt auch nicht in Betracht. Base Mathild' hat nur eine knappe Rente. Auch von den beleidigten Leberwürsten der Schossefine kann er nicht studieren. Onkel Cäsar hat wohl Ruhm, doch keinen Mammon angehäuft. Bleibt nur –«

»Hem«, hustete Onkel Adam, »bei diesen knappen Zeiten –«

Aber Onkel Frank ließ nicht locker: »Willst du ihn studieren lassen oder nicht?«

»Wovon? Ich bitte euch, wovon?« jammerte Onkel Adam.

»Von deinen Oelrückständen, edler Adam«, sagte Onkel Frank.

»Ich muß doch darauf aufmerksam machen«, sagte Onkel Paul, »daß bei dieser Verhandlungsweise der Junge keine hohe Meinung vom Familienrat –«

»Bleibt nur Onkel Adam«, sagte Onkel Frank vergnügt.

»Ich bin der gleichen Meinung«, sagte Tante Mathilde, »wer noch?«

»Ich . . . ich . . . ich . . . das heißt, es kommt auf Onkel Cäsar an.«

»Wenn ich nur – wenn ich nur nicht – wenn ich nur nicht immer so viel – so viel –«, lallte Onkel Cäsar.

»Alle haben sich geäußert«, faßte Onkel Frank zusammen, »bis auf Vetter Adam.«

»– und die Mutter«, sagte der geschwind, »wenn ich mich recht erinnere, war da außer ihrer Witwenrente noch eine Lebensversicherung.«

»Die ist aufgebraucht«, sagte Mutter ruhig, »fünf Buben großgezogen – alle was gelernt – vier davon in Stellung.«

»Aller Ehren wert; gewiß, gewiß, aber vielleicht wäre noch genug fürs Studium da, wenn man ein wenig knapper –«

Mutter hatte plötzlich einen roten Kopf. Ich dachte, jetzt wird Onkel Frank dreinschlagen. Der aber strichelte im Skizzenbuch und hatte keine Ohren.

Dafür stand unsere Kathi aus der Ofenecke auf, wo sie Kohlen nachschob und schlenkerte die Arme gegen Onkel 13 Adam: »Ein wenig knapper, sagen Sie? Ich hole jetzt im zwölften Jahre Pferdefleisch.« Draußen war sie. Drinnen war eine große Stille. Nur das Papier in Onkel Franks Skizzenbuch knisterte. Und ich hatte einen strengen Geschmack im Mund. Denn das mit dem Pferdefleisch hatte ich nicht gewußt.

Onkel Adam erholte sich am raschesten: »Dann ist es freilich nötig –«

»– daß du einspringst nicht wahr?« sagte Tante Mathilde froh.

»– daß der Junge bald verdient und Kaufmann wird. Ich werde ihn bei Kramer & Friemann unterbringen.«

»Ich könnte von meiner Rente doch etwas abstibitzen«, sagte Tante Mathilde, »wenn auch andere helfen würden, um –«

»Ich auch«, sagte Onkel Paul, »aber ob es reichen wird –«

Das Skizzenbuch klappte zu. »Bub«, sagte Onkel Frank, »tu doch auch das Maul auf: Willst du studieren oder Kaufmann werden?«

»Ich will Kaufmann werden«, sagte ich fest.

»Wenn ich doch nicht immer so viel – so viel bieseln müßte!« jammerte es im Fahrstuhl.

 


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