Fritz Müller-Partenkirchen
Kramer & Friemann
Fritz Müller-Partenkirchen

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So tun, als ob

Bei Kramer & Friemann war wieder der Massenversand der Preislisten fällig. Das war unsre Lehrlingsarbeit. Den Fakturisten gaben sie uns drein.

Erster Tag – so so lala. Zweiter Tag: »Jungens«, sagte Dollmann väterlich und schlau, »kegelt euch doch nicht die Schreibgelenke aus«. Dritter Tag: »Na Kinder, mal so tun, als ob, genügt ja auch; wir stellen eine Wache aus.« – Vierter Tag: »Habt ja keine Schneid' – was liegt an ein paar Gläsern Franziskaner hintenrum – der Oberalte ist im Bad, und wenn der Alte kommen sollte, haben wir den Warnungspfiff von –«

»Huiii!« pfiff es warnend aus dem Winkel, wo sie den Volontär Sturmbrenner als Wachtposten aufgestellt hatten.

Die »Franziskaner« verschwanden an den Pulten. Papiere raschelten, Rücken bogen sich und die Federn schrieben rasend. Der Arbeitsraum war fieberhaft erfüllt von »tun als ob«. Prokurist Mathis mußte seine Freude haben, wie er durch die Reihen schritt. Durch die Ellenbogen sahen wir sein Gesicht. Es schmunzelte. Er verschwand.

»Franziskaner vor!« kommandierte Dollmann überlegen, »er hat's gefressen. Ist auch nicht gescheiter als die andern. He, uns zu erwischen, muß schon einer früher aufstehn . . .«

Wir fühlten uns. Nur einer murrte: Täuschung mache keine Freude. Wir täten ja, als wenn der Alte unser Feind sei –

»Ist er auch!« schrie Dollmann, »er will uns »machen«, wir aber »machen« ihn.«

Das sei dummes Zeug, er und wir wollten ganz dasselbe: ordentliche Arbeit, ohne welche keiner leben könne –

»Predigt!« diktierte Dollmann. »Pfarrer Renner steigt in seinen »Franziskaner« und nimmt zur weiteren Strafe Sturmbrenners Arbeit.«

Beifall. Achtungsschlucke. Viel Gemütlichkeit und wenig Arbeit. »Wenn wir uns Mühe geben, reicht die eine Arbeitshälfte noch fünf Tage«, teilte Dollmann mit.

Trotz aller Gummizüge waren wir am vierten fertig. Wir 56 schickten zum Alten: Wir seien mit der einen Arbeitshälfte beinah fertig.

Hm, das sei wohl Spaß? Nach seiner Rechnung hätten wir noch Arbeit für drei Tage.

»Nein, ist der Alte dumm – Kinder, nichts zu tun – nicht eine Bohne – ich beantrage Anerkennungsschlücke für die Schlauheit unseres Prokuristen . . .«

Die Schlücke rannen. Die Fidelität nahm zu. »Huiii!« der Pfiff der Wache. Papiere raschelten, Rücken bogen sich und Federn schrieben rasend. »Tun als ob« regierte fieberhaft im Arbeitsraum.

»Was jetzt, Kinder –«

»Huiii!« der Pfiff. Prokurist Mathis querte wieder in der andern Richtung. Papiere raschelten, Rücken bogen sich und Federn schrieben rasend.

»Ich halte es nicht mehr aus«, sagte einer.

»Ich auch nicht«, stimmte ihm ein anderer zu.

»Huiii!« der Pfiff. Papiere raschelten, Rücken bogen sich und Federn schrieben rasend – nichts.

»Der Teufel soll das »als ob« holen, Dollmann!«

»Ja, Arbeit möcht' ich endlich!«

»Ja, ja, ordentliche Arbeit, und der Renner hat schon Recht –«

»Huiii!« der Pfiff. Die Papiere raschelten verzweifelt, ächzend bogen sich die Rücken, hoffnungslose Federn schrieben fieberhaft.

»Ich geh' kaput!«

»Ich bin zerfetzt!«

»Wenn er noch mal durchkommt, bei Gott, ich werd' –«

»Huiii!« der Pfiff. Kein Papier mehr, welches rascheln hätte können, arme Federn, ärmre Rücken bogen sich gegen »tun, als ob!«

»Herr Mathis, bitte –«

»Keine Zeit!«

»Herr Mathis, wir haben wirklich –«

»Morgen, morgen!«

»Herr Mathis, nein wir müssen heute Arbeit haben oder –«

57 Herr Mathis stand im Gehen still. Herr Mathis hatte plötzlich Zeit. Herr Mathis lächelte: »Oder?«

»Herr Mathis«, stammelte einer, »wir sind – Herr Mathis, wir haben –«

»– eure »Franziskaner« im Pult, ich weiß – was noch?«

»Herr Mathis, wir – wir werden –«

»– die zweite Hälfte Arbeit in der halben Zeit vollenden, wie die erste, nicht wahr – gut, unter der Bedingung gebe ich sie 'raus – kommt mit!«

 


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