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Elftes Kapitel.

Auf den Trümmern des Wohlstandes und auf der Brutstätte des Unheils.

Nachdem die fahrenden Musikanten die wüste Hofstätte verlassen hatten, saß Herr Ulrich noch lange grübelnd vor einem mit Briefschaften und Akten bedeckten Gartentische. Das Haupt hatte er auf den einen Arm gestützt, die Blicke auf die weißgestrichene Tischplatte gesenkt und auf die formlosen Figuren, die unter der mit einer Bleifeder spielenden Hand entstanden. Ein halbes Dutzend Stühle, ein einfacher Spiegel und eine Gartenbank bildeten die übrige Möbeleinrichtung des umfangreichen Gemaches. Schwere Ledertapeten zeugten dafür, daß der dürftigen Einfachheit ein gewisser Glanz voraufgegangen war.

Die tiefe Stille wurde durch den Eintritt der Haushälterin unterbrochen.

»Herr Ulrich,« redete sie den jungen Hausherrn zutraulich an, »Sie sollten hinausgehen ins Freie, in den Sonnenschein, anstatt hier ihren Sorgen nachzuhängen; oder es fällt mir das traurige Los zu, auch Sie, den Letzten der Familie, auf den Kirchhof hinauszubegleiten.«

Ulrich sah empor und lachte spöttisch, daß der alten Frau Tränen in die Augen drangen.

»Wäre es das Schlimmste, was mir begegnen könnte?« fragte er darauf milder: »denn blicke um dich: statt der schwellenden Polster eine Gartenbank; statt der eisernen Rüstungen an den Wänden leere Nägel; statt des heiteren, geräuschvollen Treibens Todesstille im ganzen Hause! Hörtest du, was die armen Leute sangen?

Am liebsten möcht' ich sterben –

»Hätt' ich sie lieber fortgewiesen –« hob Veronika bitter an.

»Um mir diesen bescheidenen Genuß zu rauben?« fiel Ulrich trüb ein.

»Den Sie teuer genug bezahlten,« versetzte Veronika tadelnd, »der dreißigste Teil wäre überflüssig genug gewesen. Zwar gönne ich den armen Menschen die Freude, doch sie sind einmal an eine derartige Freigebigkeit nicht gewöhnt, außerdem müssen wir selbst das Unsrige streng zu Rate halten. Wie weit reichen sonst die paar hundert Taler, die Sie für das alte Eisenzeug lösten?«

Ulrich lachte wiederum, daß es mißtönig in den leeren Räumen widerhallte.

»Dahin ist es also gekommen,« rief er aus, »daß auf der Stätte, auf der einst Tausende in Ausübung der ungebundensten Gastfreundschaft hingegeben wurden, armen Vagabunden kein Wegegeld mehr verabreicht werden darf! Ein herrlicher Abstand! Im vorigen Jahre mit reichem Kredit unter dem italienischen Himmel, und heute in Dürftigkeit und umgeben von den Trümmern zerfallenen Wohlstandes! Doch beunruhige dich nicht, Veronika; auf acht bis neun Monate sind wir durch die gelöste Summe gesichert, und länger dauert es nicht, bis das Gut unter den Hammer gebracht wird.«

»Nun gut, mag das geschehen,« versetzte Veronika aufwallend, »mag das Gut immerhin verloren gehen; Ihre Ehrlichkeit wenigstens wird niemand anzutasten wagen. Weiß doch die ganze Welt, daß weder Nachlässigkeit noch Verschwendung das Unglück Ihres armen Vaters herbeiführten, sondern sein Verkehr mit Männern, die ihm zu hohen Preisen wertlose Schriftstücke verkauften, zu nichts anderem wert, als zum Anheizen der Öfen. O, ich erriet wohl, um was es sich handelte, wenn die Herren aus der Stadt kamen, ein langbärtiger Jude und Schurkengesichter von Christen, und danach Ihr verstorbener Vater wie ein Verzweifelnder umherlief und schließlich seinen Viehstand, sogar die Ernte im voraus verkaufte! Ja, Herr Ulrich, in zwei Jahren Ihrer Abwesenheit hat sich Schreckliches zugetragen. Hätte Ihre Mutter noch gelebt, sie wäre durch solche Erfahrungen sicher unter die Erde gebracht worden. Stieß es doch zuletzt Ihrem Vater selber das Herz ab, als sie kamen, um sich alles dessen zu versichern, was sie fortzuschleppen vermochten. Es wäre doch besser gewesen, Herr Ulrich, wenigstens einen Teil des Ackers bestellen zu lassen.« –

»Womit?« fuhr der junge Mann heftig auf, »womit, nachdem das letzte Rind, das letzte Pferd und der letzte Scheffel Korn gepfändet worden war? Womit, ohne Leute und Ackergerätschaften? Wie die Ratten das einem Untergange geweihte Schiff verlassen, so waren auch die Leute nicht mehr zu halten, nachdem ihnen die Kunde geworden war, daß die Mittel zur Auslohnung versiegten. Und ich verdenke es ihnen nicht; was hätten sie länger hier sollen?«

»Nicht einmal der Röchler blieb,« bemerkte Veronika trübselig, »und von ihm, der von Ihrem Vater so viele Wohltaten empfing, wäre wohl Besseres vorauszusetzen gewesen. Er hätte wenigstens Ihre Heimkehr abwarten müssen, um über die Führung der Wirtschaftsbücher Rechenschaft abzulegen.«

»Ich frage wiederum: Was hätte er hier nützen können?«

»Beweisen, daß Ihr Vater sein Vertrauen keinem Unwürdigen schenkte. Ich für meine Person habe ihm nie viel Gutes zugetraut. Er hatte einen bösen Blick und sein Gesicht war gezeichnet, und rotes Haar wächst auf keinem guten Boden. Und dann in den letzten Tagen, als er gemeinschaftlich mit dem verstorbenen Herrn beinahe das ganze Haus umkehrte – er sah aus, wie ein entlarvter Gauner.«

»Was sie suchten, weißt du nicht?«

»Weder das, noch ob sie es fanden.«

»Was sie vermißten, sie werden es gefunden haben; ich entsinne mich wenigstens nicht, daß irgend etwas gefehlt hätte. Es liegt überhaupt kein Grund zum Argwohn gegen Röchler vor; die Bücher waren pünktlich geordnet, und für sein wenig gefälliges Äußere kann er nicht verantwortlich gemacht werden.« Veronika fegte mit ihrer Schürze den Staub von dem Tische. Dann begann sie zaghaft:

»Wenn Sie eine neue Summe aufgenommen hätten, um wenigstens die Ackerbestellung –«

»Du meinst es gut,« fiel Ulrich aber ein, und sich erhebend, begann er auf- und abzuwandeln, »meine Mutter hätte nicht besorgter um mich sein können; allein für solche Dinge besitzest du nicht das richtige Verständnis. Wer möchte mir Geld vorschießen in der sicheren Voraussicht es zu verlieren? Von meiner Seite wäre es sogar eine Art Betrug gewesen, jemanden um ein Darlehn anzusprechen.«

»Da ist der Jude Nathan, der so manchen Vorteil von Ihrem Vater zog. Er war sogar sein Hauptgläubiger, und fällt das Gut wirklich in seine Hände, kann er nur wünschen, daß es nicht gänzlich verwildert. Reich genug ist er auch; das weiß ich; ich entsinne mich, daß Röchler mehrfach nach der Stadt gefahren ist, um große Geldsummen bei ihm zu erheben.«

»Nathan würde mir keinen Pfennig vorstrecken, obwohl er es war, der durch schlaue Manöver meinen Vater um seine ganze Habe und wohl noch mehr brachte,« erklärte Ulrich zähneknirschend. »Und nun gar zur Aufbesserung des Gutes! Begreifst du nicht, daß es gerade in seinem Vorteil liegt, Felder und Gebäude verwüsten zu lassen, damit bei der Subhastation andern Menschen das Bieten verleidet wird und ihm die reiche Beute um ein geringes in den Schoß fällt?«

»Wenn alles verloren ist, was hindert uns, dieser Unglücksstätte den Rücken zu kehren? Ich selbst ziehe zu meinen Kindern, die mich mit offenen Armen empfangen; und Sie finden leicht eine Anstellung, die Ihnen ermöglicht, über kurz oder lang mich wieder in Dienst zu nehmen.«

»Das erstere soll auch geschehen,« entgegnete Ulrich, »aber die Stätte, auf der ich geboren wurde, verlasse ich erst, wenn der Zwang an mich herantritt. Früher zu gehen, würde kein günstiges Licht auf mich werfen. Im übrigen habe ich Weiteres schon eingeleitet, indem ich, den niedrigen Stand der Aktien benutzend, mit der Hälfte des für die Altertümer gelösten Geldes mich an der Allgemeinen deutschen Zentrifugalbank für transatlantische Kolonisation und Missionswesen beteiligte.«

Veronika schlug erschreckt die Hände zusammen.

»Das Unglück Ihres Vaters nahm seinen Anfang, als er mit den sogenannten Aktien zu handeln begann,« rief sie warnend aus.

»Wohl wahr,« erwiderte Ulrich ernst, »ihm standen aber nicht wie mir seine bitteren Erfahrungen schützend zur Seite.«

»So kauften Sie nicht von dem Nathan?«

»Nein, Veronika, der weise Nathan wäre der letzte gewesen, an den ich mich gewandt hätte. Was ich kaufte, erstand ich von dem Direktor der Zentrifugalbank, einem gewissen Nailleka, einer allgemein beliebten und hochgeachteten Persönlichkeit. Mich lockten vorzugsweise die mit den Aktien vereinigten Landbesitztitel, laut deren ich Eigentümer einer meinen Wünschen vollkommen entsprechenden Bodenfläche geworden bin.«

»Wirklichen Ackerlandes?« fragte Veronika mit neuem Erstaunen, »und in welcher Gegend?«

»In Amerika,« antwortete Ulrich, dann aber der alten Frau in das verstörte Antlitz schauend, fuhr er beruhigend fort: »Ja, drüben in dem schönen, freien Lande, wo schon mancher, den hier das Glück verlassen hatte, sein auskömmliches Brot fand. Doch das ist noch lange hin–jetzt will ich einen Weg durch die Felder machen« und er griff nach seinem Hut, »so wüst sie sind, erleichtern sie mir den Gedanken an eine Trennung von hier.«

Er verließ das Zimmer, und, in die Haustür tretend, sandte er einen trostlosen Blick über die verödete Hofstätte und den wüsten Vorgarten. Plötzlich erschrak er; auf der Steinbank neben der Tür hatte er einen harten Taler entdeckt.

Sinnend betrachtete er das Geldstück, das er kurz zuvor den fahrenden Musikanten hinausgeschickt hatte, und es zu sich steckend, lachte er bitter.

»Wer nichts besitzt, dem ist nichts gegönnt,« sprach er; »sie wissen schwerlich, wo und wie sie ihren Schatz verloren haben. Pah, was kümmern mich diese Landstreicher!« Langsam schritt er über den Hof und weiter hinaus auf die Felder. Herbstblumen wucherten überall; aber gerade diese Blüten zeugten von der gänzlichen Vernachlässigung des Bodens. Keine grünen Herbstsaaten, keine herbstlichen Stoppelfelder! Alles dahin, dahin! Rebhühner lockten in der Ferne; mißtrauisch schlüpfte ein Hase aus seinem Lager. Wie lange war es her, daß Ulrich selber den Freuden der Jagd huldigte? Alles, alles dahin!

Der Westen färbte sich rot; scheidend sandte die Sonne ihre purpurnen Strahlen bis über den Zenit hinaus. Nebel entstiegen der Erde; die Gestirne traten in ihre Rechte ein. Wie in fernen, fernen Wildnissen drang das wolfsähnliche Jauchzen der Schäferhunde von abgelegenen Hürden durch die stille Luft. Ulrich lenkte seine Schritte heimwärts. Keilförmige Züge wanderlustiger Enten zogen mit pfeifendem Flügelschlage über ihn hin. Unwillkürlich blickte er zu ihnen empor: Wer so von dannen ziehen könnte, sprach es in seinem Herzen, oder zu wandern vermöchte, wie jene leichtherzigen Musikanten! Ob ärmlich gekleidet, ob hungernd und von dürftigen Gaben das Leben fristend, ein heiterer Sinn und eine süße Stimme entschädigen für alles –

Am liebsten möcht' ich sterben,
Dann wär's auf einmal still!–

An demselben Sonntag und zu derselben Stunde hatte der weise Nathan sich bereits mit allen in sein Fach einschlagenden Tagesneuigkeiten vertraut gemacht, namentlich eine nicht unerhebliche Anzahl von eingelaufenen Briefen, Berichten und hieroglyphischen Andeutungen durchstudiert, um seine Schlachtenpläne für den folgenden Tag zu entwerfen, und seine Myrmidonen nach bestimmten Prinzipien in Bewegung zu setzen. Er war im Begriff, seiner Schreibmaschine zu klingeln, als vom Flur aus jemand Einlaß begehrte. Mit gewohnter Vorsicht öffnete er, und er erkannte den zweiten Direktor der Allgemeinen deutschen Zentrifugalbank für transatlantische Kolonisation und Missionswesen. Kaum hatte sich die Tür hinter diesem wieder geschlossen, als aus dem Hintergrunde des Flurs jemand geräuschlos neben die Tür hinglitt und, sein Ohr an die deckende Eisenplatte legend, aufmerksam lauschte.

»Sie staunen, mein lieber Herr Nathan, mich bei sich zu sehen,« drang Sparks scharfe Stimme zu Röchler heraus, »allein die Dringlichkeit –« die gepolsterte Tür schob sich in ihre Fugen, und das schärfste Organ hätte keinen Ton mehr zu unterscheiden vermocht.

Röchler aber richtete sich empor. Er war so verstört, daß er alle Vorsicht vergaß und seine Gedanken, wie um sie zu entwirren, in leise Worte kleidete.

»Derselbe Mann,« entwand es sich den zitternden Lippen, »der Mann mit der blauen Brille; o, ich ahnte, daß er sein Äußeres entstellt hatte, als er mich so reich für meine Gefälligkeit lohnte und von der Sängerin wie von einer teuren Verwandten sprach. Dann wieder seine Bekanntschaft mit dem Karussellmann, und jetzt sein Besuch in diesem Hause, und obenein als Bankdirektor. Das Mädchen, das Mädchen! O, ich ahne, 's geht dem Nathan mehr an, als er zugestehen möchte; aber ich bin da – bin da –«

Ein Mann polterte von der Straße auf den Flur. Röchler prallte von der Tür fort; er wie jener scheuten offenbar, sich vor einander zu erkennen zu geben, und durch das Geräusch ihrer Schritte über die gegenseitige Stellung belehrt, wollten sie aneinander vorbeischlüpfen, als der eben Heimgekehrte plötzlich hustete.

»Kettenvogt?« flüsterte Röchler geheimnisvoll.

»Ja, der Vogt,« antwortete dieser ebenso leise, jedoch mit drohendem Ausdruck, »und wären Sie's nicht selber, möchte ich die Ketten in Ihren Hals hinabwürgen.«

Gleich darauf befand Röchler sich an seiner Seite, und den willig Folgenden bis in die Haustür ziehend, wo sie sicher waren, von niemand belauscht zu werden, fragte er ängstlich:

»Ist's geglückt?«

»Verdammt!« hieß es brutal zurück, »wenn ich 'ne Hand im Spiele habe, muß alles glücken. Aber hängen will ich, wie 'n Hund, wenn 'ne Silbe über meine Lippen kommt, bevor ich weiß, für wen und für was ich arbeite.«

»Sie wissen, lieber Vogt, wie ich gestellt bin,« erwiderte Röchler, »ich kann mich erst dann erkenntlich zeigen, nachdem mir selbst einmal –«

»Geld verlange ich nicht,« fiel der Kettenvogt ein, »denn so viel wie ich gebrauche, möchten Sie schwerlich in Ihrem ganzen Leben zusammenkratzen. Aber 'nen Blick in des alten Gauners Bude könnten Sie mir immerhin verschaffen. Bin nämlich neugieriger Natur und möchte wissen, wie's bei 'nem Manne aussieht, der Hunderttausende von Talern kommandiert, und dabei schlechter lebt, als 'ne Ratte im Eiskeller.«

Wäre es Tag gewesen, so hätte der Kettenvogt sicher entdeckt, wie bei seinem Ansinnen ein teuflischer Triumph auf Röchlers Antlitz zum Durchbruch gelangte, obwohl er, wie zweifelnd, erwiderte:

»Was ich einmal versprach, halte ich redlich. Sie sollen einen Blick in des alten Mannes Behausung werfen, und müßte ich es mit dem Leben bezahlen. Aber Sie begreifen, 's ist keine Kleinigkeit, bei dem Mißtrauen, mit dem der Herr Nathan mir begegnet. Doch ich wiederhole, einen Blick sollen Sie hineintun, sobald sich die Gelegenheit dazu bietet. Drängen Sie aber nicht, sondern geben Sie mir Aufschluß, wo der alte Kapellmeister und das Mädchen ihr Ende genommen haben.«

»Auf dem Lande,« antwortete der Kettenvogt mürrisch, »bin ihnen nachgegangen, wer weiß wie weit, und es müßte mit dem Teufel zugehen, gelänge es nicht, ihre Spuren von Dorf zu Dorf zu verfolgen; 'n alter Mann mit 'nem Jammerkasten und 'n schwarzlockiges Frauenzimmer mit 'ner Nachtigallenstimme sind zwei leicht kenntliche Gegenstände.«

»Sie wissen, wo das Karussell sich zurzeit befindet?« fragte Röchler gespannt.

»Den Lenkhart begleitete ich selber dahin zurück,« antwortete der Kettenvogt, »und manchen blanken Taler versprach er mir, wenn ich ihm das Mädchen auslieferte.«

»Wohlan, so beeilen Sie sich, zunächst die blanken Taler zu verdienen. Ich selbst verlange von Ihnen nur die Kunde, daß es glückte.«

»Und der Blick in die Bude?«

»Der soll Ihnen werden zu seiner Zeit; aber ich wiederhole ernstlich: drängen Sie nicht. Die Sache ist gefährlich für uns beide.«

Mit kurzem Gruß entfernte sich der Kettenvogt. Röchler blickte ihm nach, bis jener das Ende der nur wenig belebten Gasse erreicht hatte, dann schlich er ins Haus zurück und die Treppe hinauf. –

»Das Schicksal der Zentrifugalbank führt mich hierher,« hatte Spark unterdessen seine Unterhaltung mit Nathan eröffnet. »Wir sind hier ohne Zeugen; nichts hindert uns daher, offen zu Werke zu gehen, das heißt, uns voreinander so zu zeigen, wie wir im Grunde sind. Dies vorausgeschickt, erlaube ich mir die bündige Frage: ein wie langes Leben erkennen Sie der von mir und meinem Freunde Nailleka verwalteten Bank zu?«

»Eine seltsame Frage,« schmunzelte Nathan in seinen Bart hinein, »bin ich gleich der Mann, hin und wieder einzugreifen in anderer Leute Geschäfte und ihnen emporzuhelfen, so kümmert mich doch nicht die Dauer eines Unternehmens. Mag die Zentrifugalbank leben noch viele Jahre, kann sie aber auch zugrunde gehen nach sechs Monaten, je nachdem die Verwaltung gebraucht Augen und Ohren und vor allen Dingen ihren Scharfsinn.«

»Sie belieben zu scherzen,« versetzte Spark lachend. »Sie wissen so genau wie ich selber, daß die Existenz der Zentrifugalbank nach Tagen, höchstens nach Wochen zählt. Ich aber weiß ebensogut wie der weise Nathan, daß andere Unternehmen seiner Nachhilfe bedürfen, daß ihm für diese Nachhilfe erhebliche Summen geboten wurden, er also in der Lage ist, seine Opposition gegen die Zentrifugalbank zu einem guten Geschäfte zu machen. Erstaunen Sie nicht, versuchen Sie auch nicht, zu leugnen. Sie handeln wie ein kluger Geschäftsmann, und das umfaßt alles. Mir, als den Mitdirektor, kann dagegen nicht gleichgültig sein, wie lange die Geschichte dauert. Sie werden daher die Güte haben, mir genau anzugeben, mit welchem Tage Sie Ihre Operationen gegen die Zentrifugalbank zu eröffnen gedenken. Den Anfang machen selbstverständlich unverbürgte Gerüchte, um Ihren eigenen Rücken und den Ihrer Hilfsarbeiter zu decken.«

Nathan, betroffen über des anderen Sicherheit, fragte jetzt lauernd:

»Sie haben sich überworfen mit dem Herrn Nailleka?«

»Weder mit Nailleka, noch mit sonst jemand in der Welt.«

»So möchten Sie vor dem Zusammenbrechen der stolzen Firma ins Trockne führen ihr Schäflein und in Sicherheit bringen die eigene Person?«

»Aufrichtigkeit erleichtert jedes Geschäft, Herr Nathan. Wie mein Freund Nailleka zuverlässig als reicher Mann sich unter den Trümmern hervorarbeitet, möchte ich selbst wenigstens nicht als Bettler meine Wege ziehen. Es wäre ein schlechter Dank für meine Mühewaltung.«

»Wie kann ich verhandeln mit einem Direktor, ohne zugleich zu vernehmen das Urteil des andern?« versetzte Nathan zweifelnd; »außerdem bin ich verpflichtet dem Herrn Nailleka zu Dank, so er mich hat verdienen lassen manches, was bildet eine Stütze meines Lebensabends.«

»Eine zarte Andeutung, daß eine angemessene Entschädigung Sie gesprächiger und willfähriger machen würde?« lachte Spark. »Doch Sie täuschen sich; nicht einen Pfennig verwende ich zu solchen Zwecken; trotzdem leisten Sie schließlich mit Vergnügen mir jeden gewünschten kleinen Dienst. Denn hören Sie,« fuhr er fort, sichtbar ergötzt über die ängstliche Spannung, die Nathan vergeblich zu verheimlichen suchte. »Fremd kann Ihnen unmöglich sein, daß ich weit in der Welt herumkam und reiche Erfahrungen auf allen Gebieten sammelte, viele Menschen kennen lernte, gute und schlechte, einfältige und gescheite, glückliche und unglückliche. So traf ich eines Tages – sechzehn Jahre mögen es her sein – mit jungen Leuten zusammen, die meine besondere Teilnahme wachriefen. Leider befand ich mich damals in der Lage, eine Reise unternehmen zu müssen, die mich viele Jahre hindurch im Auslande fesselte. Die Bekanntschaft erreichte daher ein jähes Ende, um so bedauernswerter für beide Teile, als ich Verpflichtungen übernommen hatte, die zu erfüllen mir jedenfalls eine große Freude gewesen wäre und nebenbei einen kleinen Vorteil gesichert hätte.«

Hier schwieg Spark ein Weilchen, mit heimlichem Triumph den weisen Nathan beobachtend, der zusammengekrümmt vor ihm saß und mit einem Antlitz, aus dem der letzte Blutstropfen gewichen zu sein schien, vor sich niederstarrte.

»Soll ich fortfahren, Herr Nathan?« fragte er mit erheuchelter freundlicher Teilnahme.

Nathan schrak empor. Seine tiefliegenden Augen funkelten, während die auf seinen Knien ruhenden Hände, wie jemand würgend, sich in den Schafspelz einkrallten.

»Soll mich doch nicht kümmern, ob Sie fortfahren oder nicht,« antwortete er mit unsicherer Stimme, »noch weniger kümmern mich Ihre Bekanntschaften. Können sie doch nicht stehen in Beziehung zu Geschäftssachen, und außer Geschäften gibt es nichts in der Welt, das möchte mich veranlassen, zu vergeuden eine einzige Minute.«

»Wir wollen sehen,« nahm Spark alsbald seine Mitteilungen wieder auf. »Mit unsäglicher Mühe gelang es mir nach meiner Heimkehr, die Spuren jener armen Leute wieder aufzufinden. Leider führten diese Spuren auch an Gräber –« hier seufzte Nathan tief, als sei eine drückende Last von seiner Seele genommen worden, und selbstbewußter richtete er sich empor –, »ja, an Gräber,« wiederholte Spark unterdessen mit einem höhnischen Lächeln, »nur eine einzige schwache Spur lief von dort aus weiter abwärts, und auch dieser folgte ich aufmerksam, bis sie mich endlich gestern abend in dieses Haus führte –«

»In mein Haus?« schrie Nathan auf, und er streckte die hageren Hände aus, wie um sie in Sparks Kehle einzukrallen, »in dieses Haus? Es ist eine Lüge! Nichts gibt es in der Welt, das ein Recht besäße, mir zu nahen –« die Sprache versagte ihm, indem er Sparks spöttisches, zuversichtliches Lächeln beobachtete.

»Was erregt Sie in so hohem Grade,« fragte dieser boshaft freundlich, »wenn niemand mehr lebt, der berechtigt wäre, seine Hand auf jenes eiserne Spinde zu legen – ei, welch schönes, wohlgetroffenes Porträt da oben –, warum wollen Sie mir nicht erlauben, meine lustige Erzählung zu beendigen?«

»Weiter, weiter,« lispelte Nathan, »Sie sind ein kluger Mann und gewandt im Erfinden von Geschichten. Meinen Sie aber zu überlisten den Nathan, so leben der Herr Direktor in einer schrecklichen Geistesbefangenheit.«

»In der Tat, ich schmeichle mir, ein Mann zu sein, der die Gelegenheit beim Schopf zu fassen weiß,« fuhr Spark mit einer leichten Verbeugung fort, »und denjenigen möchte ich sehen, der besser versteht, längst verschollene Ereignisse aus dem Moder der Vergessenheit hervorzuscharren und als Mittel zu benutzen, daß er sich des weisen Nathan Freundschaft erwerbe. Hahaha! mein guter Herr Nathan, weshalb schauen Sie so starr? Fürchten Sie etwa, ich wäre töricht genug, Ihre Freundschaft zurückzuweisen? O, Sie verkennen mich – ein vorzügliches Porträt da drüben – sprechend ähnlich, bei Gott! Von wem kauften Sie es? Vielleicht überlassen Sie es mir –«

Er wollte sich erheben und näher an das Bild treten, als Nathan die Hand auf seinen Arm legte.

»Sie wünschen zu wissen den Zeitpunkt, bis zu dem die Zentrifugalbank wird beschließen ihre kurze Lebensbahn,« hob er an, als hätten Sparks bisherige Mitteilungen den leeren Wänden gegolten; »auf Tag und Stunde dies vorherzubestimmen, ist selbst für 'nen Geschäftsmann von meinen Erfahrungen keine leichte Aufgabe. Alles hängt wesentlich davon ab, wie lange bei den Aktionären gute Hoffnungen die Befürchtungen überwiegen. Ihre Bank wird also sterben eines sicheren und nicht übereilten Todes, es sei denn – und seine Blicke bohrten sich mit der Schärfe eines Dolches in Sparks Augen –, es sei denn, einer der Herren Direktoren zöge vor, um die Sache zu einem schnellen, für den Kompagnon nicht ungünstigen Abschluß zu bringen, eines Tages plötzlich mit einer Summe Geldes zu verschwinden, die ihm sicherte in fernen Landen ein behagliches Auskommen.«

Spark versuchte, den spähenden Blick auszuhalten, allein es gelang ihm nicht. Das Bewußtsein durchschaut zu werden, raubte ihm vorübergehend die bisher bewahrte Ruhe. Einige Sekunden sah er vor sich nieder; gerade so lange, wie er Zeit gebrauchte, zu erwägen, daß sein eigener Einfluß auf Nathan diesen hinderte, Verrat an ihm zu begehen; dann blickte er wieder lächelnd empor.

»Sagte ich nicht,« hob er erzwungen sorglos an, »Sie würden schließlich gern bereit sein, meine bescheidenen Wünsche freundlichst zu berücksichtigen? Gut, gut; wir sind einig, weitere Spitzfindigkeiten wären also überflüssig. Ich erwarte nur noch von Ihrer Güte, daß Sie mir drei Tage vor dem Zusammenbruch einen Wink erteilen.«

»Zuversichtlich, wenn's steht in meinen Kräften,« antwortete Nathan wie geistesabwesend.

»Nun gut – es bleibt also bei der Verabredung: drei Tage vor Toresschluß?« fügte Spark hinzu.

»Drei Tage vor Toresschluß, das heißt, bis der Sturm losbricht, der im Gefolge haben muß die Unverkäuflichkeit der Aktien,« bestätigte Nathan, »so lange aber muß alles gehen seinen Gang.«

Noch ein paar Worte des Abschiedes, und Spark ging. Nathan aber, sich kaum allein wissend, verfiel in eine an Raserei grenzende Wut. Sein Haar zerraufend und mit beiden Händen die Brust schlagend, eilte er hin und her. Seine Augen glühten, seine Lippen bebten, indem immer neue Flüche und Verwünschungen sich ihnen entwanden.

Daß es hat kommen müssen so weit, zischte er, indem er vor dem Porträt stehen blieb und beide Fäuste nach ihm emporreckend, fremde Menschen müssen mir zutragen die Kunde! Bis unter mein Dach verfolgt er die Spuren, und gestern Abend erst. Gott meiner Väter! Und ich hörte ihre Stimme, eine Stimme aus dem Grabe, so mich mahnet, nicht einschlafen zu lassen den Haß, der hat Wurzel geschlagen in meiner Brust, hat vergiftet mein Blut! So aber meint jemand die Hand zu legen auf das Geld, das ich anhäufte während eines langen Lebens, will ich doch lieber alles verwandeln vor meinem Ende in elendes Papier, um es brennen zu sehen im Ofen, anstatt daß fremde Menschen sich wälzen wollüstig auf meinem Eigentum und verlachen den weisen Nathan und nennen ihn den einfältigen Nathan, der darbte für Andersgläubige und fuhr zur Grube selber wie ein schlechter Hund! Aber noch lebe ich, noch liegt es in meiner Macht, zu hemmen das Bäumlein, auf daß es nicht wachse bis in die Wolken hinein, sondern verkrüppele zum Giftstrauch, dessen Berührung ist schmachvoll und der wert ist, ausgerottet zu werden und vertilgt von der Erde!

Trotz seiner heftigen Erregung öffnete er mit äußerster Vorsicht das Geldspinde, und ebenso vorsichtig verschloß er es wieder, nachdem er mehrere Papiere herausgenommen hatte. Dann riß er an der Klingelschnur, und einige Minuten später stand die sich unterwürfig windende Schreibmaschine vor ihm. Er hatte sich unterdessen so weit gesammelt, daß er mit ruhiger Überlegung zu sprechen vermochte.

»Röchler,« hob er an, indem er auf die Papiere wies, die er eben hervorgesucht hatte und die nunmehr auf seinem Schreibtisch lagen, »Sie werden kennen jene Effekten?« dabei schien in seinen Augen die Zauberkraft eines Schlangenblicks zu ruhen.

Röchler erbleichte; seine hageren Glieder schlotterten, während seine Augen sich verglasten.

»Herr Nathan,« stammelte er entsetzt, »Sie versprachen mir –«

»Ich versprach, daß ich wollte Sie schonen, wofern Sie mir dienten getreulich,« fiel Nathan kaltblütig ein.

»Und treu gedient habe ich Ihnen,« stöhnte Röchler, »und nicht das geringste habe ich mir gegen Sie zuschulden kommen lassen.«

»Was ich sehr genau weiß; doch das genügt nicht; ich muß mich halten versichert, daß auch in der Zukunft ich mag bauen auf Ihre Gewissenhaftigkeit. Denn wer einmal bestahl und hinterging seinen Herrn, der verdient kein Vertrauen –«

»Sie selber ermunterten mich –«

»Ich habe gesagt: Röchler, so Ihnen fällt in die Hände dieses und jenes beim Kramen unter den Papieren des alten Ulrich, so nehmen Sie Abschrift für mich, und ich will's Ihnen reichlich vergüten, da ich nicht gern belästige den kränklichen guten alten Herrn selber.«

»Sie wünschten,« rief Röchler mit dem Mute der Verzweiflung aus, »Sie wünschten zwei Dokumente zu besitzen, laut deren Sie in Pfand genommen hatten altertümliche Geschmeide und Pretiosen im Werte von viertausend Talern, auf die Sie gezahlt hatten nur den vierten Teil dieser Summe –«

»Richtig, vollkommen richtig,« bemerkte Nathan, mit unerschütterlicher Ruhe einfallend, »allein wenn Sie mich mißverstanden, ist's nicht meine Schuld. Wollte ich sie wirklich an mich bringen, brauchte ich nur hinzugeben dreitausend Taler. Sie aber kamen mir zuvor, indem Sie mißbrauchten das Vertrauen Ihres gütigen Brotherrn und ihm entwendeten Papiere, die waren wert dreitausend Taler unter Brüdern. Sie waren geworden Dieb, und meine Pflicht wäre es gewesen, Sie zu überantworten dem Zuchthause. Aber Sie lagen vor mir auf den Knien und ich empfand Mitleid, hoffte sogar, Sie zu bessern, und nahm Sie in meine Dienste, als ich suchte gerade einen zuverlässigen Sekretär. Denn der alte Ulrich war tot und gebrauchte das Geld nicht mehr, und da ich selber nicht besudele meine Hände mit übel erworbenem Reichtum, so liegen Geschmeide und Dokumente tot unter Verschluß. Und wenn ich sie nicht zurückgebe ihrem rechtmäßigen Besitzer und erhalte dafür meine tausend Taler, so geschieht's Ihretwegen, weil ich nicht will bringen ein junges Blut vor die Geschworenen. Ich kann leichter verlieren tausend Taler, als Sie zehn Jahre Ihres Lebens im feuchten Kerker. So viel von dieser mißlichen Angelegenheit. Ich erwähne dies, um Sie daran zu erinnern, daß der kleinste Verstoß gegen meine Befehle mich versetzt in die Notwendigkeit, mich Ihrer zu entledigen, Sie zu überliefern den Händen der Gerichtsbarkeit. Haben Sie mich genau verstanden?«

Röchler, das Bild eines bösen Gewissens, vermochte nur, sich zustimmend zu verneigen.

»Gut,« fuhr Nathan in beinahe zärtlichem Tone fort, »und ich mag darauf bauen, daß Sie sich wert zeigen meiner Güte und Nachsicht, und führen aus gewissenhaft meine Aufträge?«

Röchler legte tiefaufatmend die Hand aufs Herz.

»Dann nichts mehr davon,« versetzte Nathan, »die gefährlichen Pfandscheine in die Brusttasche seines Pelzes schiebend, »und nun zur Sache: Haben Sie gehandelt nach meinen gestrigen Anordnungen? Haben Sie aufgespürt das Geschöpf mit der Stimme, vergleichbar dem Ton einer silbernen Glocke?«

»Ich entdeckte sie, oder vielmehr die Stätte, auf der sie übernachtete seit Wochen.«

»Seit Wochen in meinem Hause und unter dem Dache, unter dem meine Väter patriarchalisch studierten die Weisheitssprüche des Talmud,« rief Nathan leidenschaftlich aus, »seit Wochen, und das erfahre ich erst heute?«

»Bisher hatte ich keinen Auftrag, nach dem Mädchen zu forschen,« entschuldigte der Schreiber ehrerbietig.

»Bei wem fand es sein Unterkommen?«

»Beim alten Schwärmer.«

»Dem verdorbenen Schauspieler,« schrie Nathan gellend, »bei ihm, den ich dulde seit Jahren gegen eine geringe Miete? Er hat gewagt, aufzunehmen jemand, so mich stört und raubt mir die letzte Ruhe, und obenein ohne zu zahlen einen erhöhten Mietzins? Er muß fort, hinaus aus meinem Hause, und mit ihm diejenige, die – die mich stört durch ihren Gesang.«

»Sie sind bereits fort,« versetzte Röchler geheimnisvoll, »heute in aller Frühe, zwei Stunden vor Tage begaben sie sich auf den Weg. Sie waren zu einer Reise gerüstet und sind bis jetzt nicht heimgekehrt.«

»Wohin wandten sie sich,« fragte Nathan heftig, »warum fragten Sie nicht? Warum folgten Sie ihnen nicht?«

»Ich folgte ihnen,« erwiderte Röchler eifrig, »bis in die Vorstadt hinaus folgte ich ihnen, und so lange bis der anbrechende Tag Vorsicht gebot.«

»Sie glauben, daß sie nicht zurückkehren?«

»Schwerlich in den nächsten Tagen. Für spätere Zeiten bürge ich nicht.«

Nathan wandelte einige Male grübelnd aus und ab, dann blieb er plötzlich vor dem unterwürfig zusammenschauernden Röchler stehen.

»Das der alte Schauspieler ohne vorhergegangene Kündigung seine Heimstätte aufgibt, ist wenig wahrscheinlich,« hob er an, »dann aber sind nur drei Fälle möglich: entweder er hat untergebracht die Sängerin an einem Orte, von dem sie findet den Weg nicht mehr hierher, und alles ist gut, oder sie weilt an einem Orte, von dem aus sie besucht den alten Mann und mein Haus, was ich nimmermehr dulde der Störung halber, oder sie zieht wieder ein mit ihm, mir zum Trotz und zum Ärger, was ebenfalls hintertrieben werden muß, und das soll Ihre Aufgabe sein, für deren glückliche Lösung ich mich erkenntlich zeigen werde zu seiner Zeit. Gebrauchen Sie also Ihre Sinne, aber handeln Sie nicht eigenmächtig – der Leute wegen. Sobald Sie in Erfahrung gebracht haben, wo weilt die Sängerin, geben Sie mir Nachricht, damit ich mich zuvor entscheide über das Weitere. Denn ich hasse alle jungen Mädchen, so da herumlaufen und prangen mit ihren Stimmen. Sind sie doch elende Landstreicherdirnen, vor denen nicht sicher ist das Geringste, das bleibt unverschlossen –« er erbleichte über die eigenen Worte; dann aber bemächtigte sich seiner neue Wut – »ja, Diebe, Landstreicher sind sie, Menschen, von denen ich wünsche, daß sie nicht leben, daß sie modern in ihren Gräbern, auf daß sie nicht weiter belästigen ehrliche Menschen. Sie dagegen sind ein brauchbarer, ein gewissenhafter Diener, –« und zärtlich klang seine Stimme, indem er Röchler auf die Schulter klopfte und ihn dabei der Tür zudrängte, »Sie sind ein Mann, den ich bedenken werde in meinem Testament. Denn ich weiß, Sie finden Mittel auszuführen meine Aufträge. Und nun gehen Sie, handeln Sie, wie's die Ehre Ihnen eingibt; schlafen Sie aus gehörig, und bedenken Sie, daß ich's Ihnen lohnen werde in meinem Testament.«

Mit den letzten Worten schob er den Schreiber auf den Flur hinaus. – –


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