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Sechstes Kapitel.

Die Hyänen auf dem Parkettboden.

Allgemeine deutsche Zentrifugalbank für transatlantische Kolonisation! Wie das so ernst und Vertrauen erweckend klingt! Wer diesen glänzenden Titel zum ersten Male hört, der glaubt in einen gefeiten Kreis einzutreten, in dem deutsche Treue und deutsche Bruderliebe unter dem Schutz einer gewaltigen Zentrifugalkraft den Landsleuten auf jener Seite des Ozeans die Hand zur allgemeinen Veredlung des menschlichen Geschlechts bieten!

Und wer wiederum in einer der schönsten Straßen der Hauptstadt diesen prachtvollen Titel in vergoldeten, zwei Fuß hohen Buchstaben zwischen den Fenstern des Erdgeschosses und denen des ersten Stockwerks über ein palaisartiges Gebäude fortreichen sieht, dessen Augen werden nicht minder geblendet. Er kann nicht anders: einem geheimnisvollen Zauber unterworfen, muß er an die beiden kolossalen Schaufenster herantreten, um die lüsternen Blicke an den wirklichen Schätzen zu weiden, die offen vor ihm liegen.

Da stehen Mulden von den verschiedensten Sorten von Goldmünzen, vom Dukaten bis zum achteckigen Fünfzigdollarstück, und Glasschalen mit kalifornischem Goldstaub und australischem Golderz. Als Unterlage dieser Behälter dienen Wertscheine, deren geringster eine Hundertpfundnote ist. Den Hintergrund bilden Landkarten mit neu angelegten Städten, deutlich erkennbar an den roten und blauen Parallelogrammen; wogegen die Seitenwände der tiefen Nischen mit Photographien tapeziert sind, auf denen anmutig von Palmen und Bananenstauden beschattete Häuschen zu sehen sind.

Angesichts so vieler Herrlichkeiten beginnt die Phantasie zu arbeiten: eine Bank, welche über solche kolossale Mittel gebietet, kann nur auf sicheren Grundlagen gegründet sein, nur einer ebenso gewissenhaften wie umsichtigen Verwaltung sich erfreuen. Es entsteht der natürliche Wunsch, in engere Beziehung zu dem glänzenden Unternehmen zu treten. Zunächst von den Aktien ein oder zwei Jahre hindurch die beträchtlichen Dividenden gezogen, um durch den Überschuß, welchen im Vergleich mit anderen sich erbärmlich verzinsenden Unternehmen und Staatspapieren die Zentrifugalbank gewährt, die Überfahrtskosten für Weib und Kind zuvor zu decken, und dann fort aus dem Gewirr und dem Staube der Städte und der engen Straßen! Fort so schnell der Dampf nur zu befördern vermag; hin, wo die Palmen sich in der erquickenden Seebrise wiegen, wo breitblättrige Bananen Schatten spenden, Wasserfälle rauschen und köstliche Südfrüchte im dunklen Laube glühen! Hin, wo die den Aktien beigefügten Landbesitztitel zur Auswahl der lieblichsten Stätte berechtigen, wo Häuser wie Pilze aus der Erde schießen und ein Kind mittels der Gartenharke und einigen Handvoll Getreidekörnern eine lohnendere Ernte erzielt, als in dem kalten Deutschland ein Büdner mit zwei Pferden und einer zahlreichen arbeitsfähigen Familie.

Ach, diese zauberischen Bilder, wie sie an Farbenreichtum gewinnen, wenn man die Menschen aller Stände betrachtet, die fortgesetzt in dem großen Portal ein- und ausgehen! Hinein mit kleinen Taschen voll unsauberen Geldes, heraus mit anständig und geschmackvoll lithographierten Dokumenten. In ihren Herzen wohnt freudige Hoffnung auf hohen Gewinn; in ihren Augen leuchtet Triumph, daß es ihnen im letzten Augenblicke noch gelang, die bereits stark steigenden Aktien zu einem spottbilligen Preise zu erstehen!

Doch auch mißmutige Physiognomien werden sichtbar; Physiognomien, auf welchen der Verdruß ausgeprägt ist, daß man sich in der Angst und um nicht alles zu verlieren durch die sinkenden Kurse zum Verkauf leiten ließ und nun gezwungen ist, dieselben Papiere um so viel teurer zurückzukaufen. Diese Einfältigen! Warum überlegten sie nicht, bevor sie handelten? Aber noch ist es nicht zu spät. Wer indessen die verhältnismäßig günstige Konjunktur sich zunutze machen will, der muß sich beeilen. Denn wenige Tage – die Börsenberichte lassen es deutlich genug durchblicken – und zwei Aktien kosten heute nicht mehr, als vordem eine. Wie dieser Gedanke den Entschluß erleichtert!

Zwei Glastüren mit doppelten Flügeln führen in das Kontor!

Nicht elende, von der Zeit geschwärzte eichene Tische, wie in den alten Bankhäusern, deren Chefs schon vor hundert und mehr Jahren auf denselben elenden Brettern ihre Millionen zählten, bilden die Ausstattung, sondern hell polierte, kostbare Platten, des goldenen Fortschritts würdig. Nicht ernste, wortkarge Gestalten, die die eintreffenden Kunden bedienen, sondern junges, leichtes Blut, gewandt und beweglich in seinem Verkehr und bereit, enthusiastisch jedem Rat zu erteilen, der sich eines solchen bedürftig zeigt. Der Glücklichste und Zufriedenste aber in dieser zahlreichen Gesellschaft ist der männlich gebaute Gerhard, das erkennt jeder auf den ersten Blick und gewinnt daher auch vorzugsweise zu ihm Vertrauen.

Etwa vier Fuß höher als die Halle liegt das Privatkontor des Herrn Bankdirektors. Eine Glaswand trennt es von dem Hauptgeschäftsraume. Die Tür steht beständig offen, damit er sein blühendes Reich mit frohlockenden Blicken zu übersehen vermag. Aber auch den in die Halle Eintretenden kommt die Glaswand zustatten, indem es ihnen vergönnt ist, sich an dem Anblick des stattlichen Herrn Bankdirektors zu werden und über den Gleichmut zu staunen, mit dem er Tausende und Hunderttausende von Talern ihre Besitzer wechseln sieht, und über die Grazie, mit der er zuweilen an ein Blumenbukett riecht, gerade als hätten unter der weißen Weste in der breiten Brust neben dem Spekulationsgefühl die Unschuld eines tändelnden Kindes und die Poesie einer von süßen Liebesgeheimnissen bewegten Jungfrau gewohnt. Ach, was wären die elegant eingerichteten Räumlichkeiten gewesen, hätte ihnen dieser bezaubernde Zentralpunkt gefehlt!

Der Herr Bankdirektor selber befand sich um diese Zeit im ersten Stockwerk im Kreise seiner glücklichen Familie. Er war eben von einer kurzen Spazierfahrt heimgekehrt und sprühte förmlich vor guter Laune. Seinen beiden halberwachsenen Töchtern mit den tief ausgeschnittenen Kleidern und den schleifengeschmückten, sorgfältig gekräuselten Löwenmähnen hatte er zärtlich die Wangen geklopft. Waren sie doch das getreue Ebenbild der Frau Bankdirektor, die ihnen gegenüber in Samt und Seide auf einer schwellenden Ottomane lagerte, das schwammige Antlitz auf die eine dichtberingte, schwammige Hand stützte und gelegentlich einen müden Blick auf zwei vor ihr auf dem Tische liegende Bücher warf. Heines Buch der Lieder war das eine, ein französisches Konversationsbüchlein das andere.

Wo waren jene Zeiten, in denen die Frau Bankdirektor noch im baumwollenen Kleidchen als »schöne Klotilde« mit ihrem naivsten Lächeln durstigen Gästen die übermütig verlangten Getränke darreichte? Doch der Herr Bankdirektor liebte sie deshalb nicht weniger; im Gegenteil, er küßte sie zärtlich auf die recht ansehnlichen Lippen, wofür er durch die treffende Bemerkung: Je suis très fatiguée! belohnt wurde.

Er wollte ihr die volle Wange streichen, allein sie wehrte ihm lächelnd: der zart aufgetragene Mehlpuder vertrug solche Zärtlichkeit nicht.

Doch ehe der Herr Bankdirektor scherzhaft entgegnen konnte, meldete sein Diener einen Fremden, der den gnädigen Herrn dringend zu sprechen wünschte.

»Er sieht nach gar nichts aus,« erlaubte sich der Mensch die bescheidene Bemerkung, »wahrscheinlich eine Bettelei.«

»Auch in einem Bettler muß man das Ebenbild Gottes ehren,« meinte Nailleka salbungsvoll – er dachte an eine Botschaft des weisen Nathan – »führe ihn also herein und sorge, daß ich ungestört bleibe.«

Der Diener entfernte sich.

Als die Tür sich wieder öffnete, trat ein Mann herein, den jemals gesehen zu haben, er sich nicht entsann. Der Fremde trug einen bis unters Kinn zugeknöpften, fadenscheinigen Rock und schiefgetretene Stiefel. Außerdem fiel an ihm die militärische Haltung, ein stachelfuchsiger Vollbart und eine fast bis zur Undurchsichtigkeit dunkelblaue Brille auf.

»Womit kann ich dienen?« fragte Nailleka, nachdem jener die Tür hinter sich geschlossen hatte.

Dieser betrachtete ihn lächelnd.

»Erkennst du mich wirklich nicht?« fragte er endlich spöttisch.

Nailleka erbleichte, sich aber sammelnd, antwortete er stolz: »Ich habe nicht die Ehre.«

Der Fremde aber legte seine Brille ab und fuhr in demselben höhnischen Tone fort: »Und doch gab es eine Zeit, in der ein gewisser Nailleka willig die Gelder verprassen half, die sein Busenfreund und Kollege mittels kleiner Fälschungen erworben hatte.«

Nailleka schwankte nach dem Sofa hin, und sich schwer darauf niederwerfend, starrte er entsetzt vor sich nieder, während der Fremde gleichmütig einen Polsterstuhl heranzog und ihm gegenüber Platz nahm.

Nach einer längeren Pause blickte Nailleka wieder empor und gerade in die Augen seines früheren Genossen.

»Spark,« hob er an.

Dieser verneigte sich höflich.

»Sehr dankbar, daß du dich meiner dennoch entsinnst,« bemerkte er spöttelnd, »aber wie könnte es anders sein, nachdem wir Jahre hindurch in demselben Kontor beschäftigt gewesen waren?«

»Du bist zurückgekehrt, um meine Tasche in Anspruch zu nehmen,« hob Nailleka wiederum an, »und ich bin gern bereit, dir ein namhaftes Reisegeld zu gewähren, wenn du dich verpflichtest, mich fernerhin nie mehr zu stören.«

»Hilfe gebrauche ich in der Tat,« gab Spark zu, »allein keine Hilfe, wie du sie dir denkst. Doch überzeuge dich,« und er legte mehrere Aktien der Zentrifugalbank neben sich auf den Tisch. »Meine Wünsche und Forderungen bewegen sich auf einem anderen Felde. Bevor ich indessen mit solchen vortrete, erlaube ich mir, dir meine letzten Erfahrungen zu schildern. Du magst daraus dann gleich ersehen, wie Fähigkeiten, begründet auf reiche Welterfahrungen, am rechten Orte von unschätzbarem Werte sein können. Erinnerlich ist dir, daß ich vor ungefähr zwanzig Jahren davonging, um nicht wegen mehrerer unangenehmen Zwischenfälle zur Verantwortung gezogen zu werden. Du selbst –«

»Laß jene Zeiten ruhen,« fiel Nailleka ein.

»Im Gegenteil,« nahm Spark schnell wieder das Wort, »niemand hört uns, und für meinen Zweck ist es sogar unabweislich, gerade jene Zeiten uns noch einmal recht genau zu vergegenwärtigen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß ohne deinen gütigen Beistand die Fälschungen mir schwerlich gelungen wären. Die Entdeckung konnte indessen nicht ausbleiben, und da du dich gerade mit Heiratsgedanken trugst, ich selber aber der schönen Rosamunde –«

»Meine Frau heißt Clotilde,« unterbrach Nailleka ihn wieder hastig und mit sichtbarer Verwirrung.

»Ich weiß, ich weiß,« beruhigte Spark grinsend, »ich hatte sogar mehrfach die Ehre, deine Gemahlin aus der Ferne in ihrer Kalesche zu bewundern. Das hindert indessen nicht, daß damals die schöne Rosamunde als deine Auserkorene galt und ich, aus besonderer Freundschaft für sie, und das ihr lächelnde eheliche Glück berücksichtigend, mich leichter dazu entschloß, alle Vorwürfe auf mich allein zu nehmen und zu verschwinden. Gelang es später der runden Clotilde, die ja in einem ähnlichen Geschäft wirkte, die arme Rosamunde aus deinem Herzen zu verdrängen, so ist das eine Sache für sich.«

»Ich dachte nie ernstlich daran, Rosamunde zu heiraten,« warf Nailleka mürrisch ein.

»So war das Ganze nur ein Manöver, um mich zu beseitigen? Ei, sehr hübsch ausgedacht und noch besser ausgeführt! Doch das kommt heute nicht mehr zur Geltung. Ich war also der steckbrieflich verfolgte Fälscher und entkam, wogegen der Herr Prokurist Nailleka, der erste Entdecker des leichtsinnigen Jugendstreiches seines Freundes, seine Stellung und das in ihn gesetzte Vertrauen noch befestigte. Mühsam habe ich mich seitdem durchs Leben geschlagen, während du auf den Stufen des Schwindels und durch die Gesetze gleichsam privilegierter Fälschungen den Gipfel deiner jetzigen Größe erstiegst –« Nailleka fuhr auf.

»Erhitze dich nicht,« bemerkte Spark kaltblütig, »ich weiß genau, was ich spreche, denn ich treffe nicht eben erst vom Ausland ein, sondern halte mich bereits seit sechs Monaten in dieser Stadt auf. Schon einmal vor vierzehn, fünfzehn Jahren versuchte ich, wieder in Verbindung mit dir zu treten – warst damals noch kleiner Bankier –, allein ich kam nicht weit. Von einem fernen Landstädtchen aus, in dem ich mehrere Wochen weilte, erstreckten sich meine Forschungen bis hierher, mußte mich aber schleunigst wieder nach Amerika zurückbegeben. Neue Mühen, neue Entbehrungen, bis endlich der Bürgerkrieg mir Gelegenheit bot, meine Zeit zu verwerten. Nach beendigtem Kriege verfiel ich wieder in mein unstetes Vagabundenleben; einen Staat nach dem andern durchwanderte ich und schließlich erreichte ich auch die mit deinem Bankinstitut vereinigten Kolonien, hahaha! Der Zufall führte mich dorthin, und als ich deinen Namen dort mit nicht besonderer Hochachtung nennen Hörle, geriet ich auf den kühnen Gedanken, unsere alte Freundschaft zu erneuern.«

Bei dieser Nachricht bedeckte Leichenfarbe des Bankdirektors Antlitz.

»In den Kolonien?« fragte er stotternd.

»In den Kolonien, sogar in Nailleka, Clotildenstadt und wie die jungen Ansiedlungen sonst noch deiner Familie zu Ehren genannt sein mögen. Doch weiter: Seit einem halben Jahre befinde ich mich also in deiner Nähe, allein ich lebte sehr zurückgezogen, um mich erst mit den hiesigen Verhältnissen vertraut zu machen. Deiner Person und der von dir gegründeten Zentrifugalbank wendete ich natürlich meine Hauptaufmerksamkeit zu. Ich war sogar kühn genug, mich mit einigen Aktien an dem Unternehmen zu beteiligen, also auf dem Wege der Praxis mich von deren Wert zu überzeugen. Hahaha! Ein prachtvolles Unternehmen! Und dann die famosen Landbesitztitel! Jedoch, was tut's?

Die Welt will einmal betrogen sein, und was könnte ich besseres tun, als so lange mit zu betrügen, bis alles zusammenbricht und die gefallenen Opfer aus eigener bitterer Erfahrung lernen, was sie einsichtsvolleren Männern, jenen ernsten, wortkargen Vorstehern makelloser Firmen, nicht glauben wollten.«

Nailleka, anfänglich wie betäubt, hatte allmählich seine Besonnenheit zurückgewonnen. Ein Lächeln der Überlegenheit schwebte aus seinen Zügen, und in dem Bewußtsein, keinen wirklichen Verräter vor sich zu sehen, fragte er ruhig:

»Nennst du mein Unternehmen unsicherer als alle anderen?«

»Wenigstens ebenso miserabel wie die meisten,« lachte Spark, »denn für wen wird überhaupt gegründet? Zunächst für die Eigentümer dieser oder jener industriellen Anstalt, oder dieses oder jenes Winkelbankgeschäftes, denen der zehnfache Wert für ihr Besitztum und Anrecht zufällt. In zweiter Reihe für den Erfinder der Idee, der nicht nur von dem Verkäufer seine Prozente zieht, sondern auch als Direktor mit einem Gehalt eintritt, um das ihn ein Staatsminister beneiden möchte. In dritter Reihe endlich für den Verwaltungsrat und einen Rechtsgelehrten zur Lösung heikeliger Fragen und gewandter Auslegung der Paragraphen im Strafgesetzbuch. Dann kommen das Kontorpersonal, die entsprechenden Lieferanten und der Aufsichtsrat an die Reihe; sind auch diese mit guten Honoraren und annehmbaren Remunerationen bedacht worden, und es bleibt noch etwas übrig, so wird das großmütig in Form von Dividenden an die geduldigen Aktionäre verteilt. Viel fällt allerdings für diese nicht ab, es sei denn, die Klugheit geböte – um das Emporblühen des Unternehmens durch die Tat zu beweisen, – im ersten Jahr auf das Kapital zurückzugreifen oder neue Aktien auszugeben, um von dem dadurch gelösten Gelde die hochgespannten Hoffnungen der Aktionäre glänzend zu befriedigen. Bleiben aber die Zinsen und Dividenden einmal ganz aus, nun, dann mögen sie sich mit dem Bewußtsein trösten, ihr Kapital zum Unterhalt und zum Vergnügen eines stattlichen Korps von Müßiggängern und Schwindlern hingegeben zu haben. Freilich, deine Aktionäre genießen den Vorteil der verbrieften Anrechte an paradiesische Landstriche! Die Glücklichen! Ihnen bleibt wenigstens das Mittel des Auswanderns; ihnen wird sogar freundschaftlich auf den Weg geholfen. Fein ausgedacht, in der Tat sehr fein; und hohen Gewinn muß das Unternehmen abwerfen, und dennoch ließe sich mehr, weit mehr daraus machen.«

Nailleka, der wiederum dasaß wie ein Schulknabe vor seinem tadelnden Lehrer, sah überrascht empor.

»Ich verstehe dich nicht,« bemerkte er mürrisch.

»Nicht?« fragte Spark geringschätzig, »verdammt! dann bist du weniger einsichtsvoll, als ich bisher glaubte. Die Sache ist doch sehr einfach: der Einfluß der Klerisei muß uns dienstbar gemacht werden.«

Ein Lächeln der Überlegenheit spielte auf Naillekas Gentlemanzügen.

»Ist alles längst vorgesehen!« rief Nailleka mitleidig aus, ich könnte dir Quittungen von Seelsorgern aller Konfessionen zeigen, durch die der Empfang der pro Auswanderungskopf bestimmten Prämie dokumentiert wird –«

»Spielerei,« fiel Spark erhaben ein, »die paar Menschen, die von den Agenten für die früheren Sklavenbesitzer angeworben werden, geben nicht den Ausschlag. Nein, nein, die Sache muß anders angefangen, sie muß des hemmenden Einflusses der Geheimniskrämerei enthoben werden. Schreibe also hinter unsere stolze Bankfirma das einzige Wort »Missionswesen« und du wirst staunen, welchen Anklang, und mehr noch, welche Unterstützung dein Unternehmen in allen Kreisen findet, und welche Summen durch den Verkauf von Aktien für das fromme Werk dir zufließen. Nicht nur Pfaffen werden zugunsten der Zentrifugalbank tätig sein, sondern auch Weiber, versimpelte Junker, Stellenjäger, kurz, alle jene Individuen, die das Augenverdrehen als Sport ausüben und auszuüben verstehen.«

Nailleka blickte grübelnd vor sich nieder. Die umfassende Sachkenntnis des früheren Genossen flößte ihm offenbar Achtung ein.

»Und wie lange kann solch Parforce-Treiben dauern?« fragte er plötzlich aufschauend.

»Mindestens so lange, bis die Villa deiner Frau nicht nur fertig, sondern auch fürstlich eingerichtet ist,« versetzte Spark; »ha, schon wieder deine Verwunderung meines Vertrautseins mit allen Verhältnissen! Und dabei besitze ich doch nur meine gesunden Sinne! Zu der Villa gehört mindestens eine halbe Million, die deiner besseren Hälfte später erleichtert, den bankerotten Herrn Gemahl bei sich aufzunehmen.«

– »Der größeren Hälfte der Aktionäre bleibt freilich nur die Wahl, auf Grund ihres Kupons nach dem südlichen Nordamerika überzusiedeln und sich mit den Alligators um ein Stückchen Sumpfboden zu schlagen, groß genug, ihren siechen Körper zur letzten Rast aufzunehmen, oder die Reihen der entartetsten Proletarier verstärken zu helfen. Jedenfalls haben die unglücklichen Opfer den süßen Trost, daß es dem Herrn Bankdirektor, der von seiner reichen Frau ernährt werden muß, nicht besser als ihnen erging, und sogar Verwaltungsrat und Kontorpersonal außer Brot gerieten.«

»Und du?« fragte Nailleka.

»Diese Frage ist zeitgemäß,« antwortete Spark mit einem billigen Kopfnicken, »denn sie beweist, daß du mich bereits als zu dir gehörig betrachtest. Nun ja, ich werde nicht leer ausgehen. Hindert mich doch nichts, kurz vor Sinken des Schiffes in deinem Auftrage mit ausreichenden Mitteln die Kolonien zu bereisen und unterwegs spurlos zu verschwinden. Bis dahin aber – ich erwog alles reiflich – werde ich mich als besoldeter Vizedirektor eifrigst an der Verwaltung der Allgemeinen Zentrifugalbank für transatlantische Kolonisation und Missionswesen beteiligen.«

Nailleka fuhr betroffen zurück.

»Das wird nicht gehen,« stotterte er –

»Es wird gehen, mehr noch: es muß gehen,« unterbrach ihn Spark lachend, »bedenke wohl: entweder ich bin für dich, oder gegen dich. Was das gegen dich bedeutet, brauche ich nicht näher zu erörtern; bin ich dagegen für dich, so muß das Geschäft einen ganz anderen Aufschwung nehmen, muß die Presse anders wirken, muß der weise Nathan anders in Bewegung gesetzt werden, und wird er störrisch, wohlan, ich kenne ein mir durch Zufall in die Hände gespieltes Geheimmittel, ihn geschmeidig zu machen. Hinunter und hinauf muß der Kurs unserer Aktien fliegen, wie das Quecksilber im Barometer beim Herannahen eines Gewitters. Nicht zu Atem dürfen die Leute kommen. Angst und Hoffnung muß sie jagen, und wenn das Gebäude schließlich zusammenkracht – nun als bedachtsamer Hausvater wirst du für gute, einflußreiche Namen als Deckung gesorgt haben. Zum Schluß ordnest du selber die mißliche Angelegenheit, rettest mit dem entsprechenden Pomp einige Prozente für die einfältigen Opfer, und hängen will ich, wenn deine Bewerbung um 'nen ›Kommerzienrat‹, wohl gar 'nen ›Geheimen‹, unberücksichtigt bleibt!«

»Also Vizedirektor?« fragte Nailleka, schlau verheimlichend, in wie hohem Grade er die umfassende Geschäftskenntnis des früheren Genossen bewunderte; »hm, wenn du erkannt würdest? Es leben noch Menschen, mit denen du früher verkehrtest.«

Spark lachte spöttisch.

»Nur zwei Tage, um Wohnung und Äußeres zu wechseln,« rief er aus, »und sogar deine Clotilde erkennt mich nicht wieder, wenn ich ihr vorgestellt werde! Zwanzig Jahre ist eine lange Zeit, und auch deine Frau wird schwerlich die leichtfüßige Hebe von früher geblieben sein.

Also zwei Tage gebrauche ich und einige Geldmittel. Für letzteres ist leicht gesorgt, indem du mir diese Aktien zum vollen Nennwert abkaufst. Fünfhundert Taler sind's; für meine ersten Bedürfnisse gerade ausreichend. Und nun den besiegelnden Handschlag, und übermorgen nachmittag habe ich die Ehre, dir meine Aufwartung zu machen, um in deinem Kontor als Vizedirektor vorgestellt und offiziell eingeführt zu werden. Auf einen geeigneten Namen besinne ich mich bis dahin. Den Verwaltungsrat von der Notwendigkeit eines zweiten Direktors zu überzeugen, kann uns bei einem solennen Frühstück nicht schwer werden.«

Zögernd legte Nailleka seine Hand in die des früheren Genossen. Noch im letzten Augenblick sann er auf Mittel, sich der gefährlichen Kompagnonschaft zu entziehen, allein vergeblich; und als er endlich ging, hatte Nailleka keinen heißeren Wunsch, als daß sein künftiger Mitarbeiter unterwegs von irgendeinem unvorsichtigen Dachziegel erschlagen würde! –


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