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Kapitel 138

Der Graf und der Franziskaner sprechen über die erneut gehörten Stimmen. Der Vorschlag zum Herrn zu gehen, wird angenommen, doch der Graf zögert noch anstandshalber. Eine Magyarenrede mit einem guten Schluß, endlich auf zu Jesus! Das Erdendasein als Vorbereitungsschule für das ewige Leben. Ein aufrichtiges Gebet

Am 8. November 1849

1 Die draußen befindlichen etlichen dreißig vernehmen abermals dies Gespräch, und diesmal sogar der Graf Bathianyi ganz deutlich sozusagen von Wort zu Wort.

2 Er erstaunt sich sehr darüber, und spricht zum Franziskaner: »Freund, haben sie die sehr tröstlichen Worte vernommen? Wie es mir vorkommt, so haben weder sie, noch ich recht; und die ganze Sache scheint sich ganz anders gestalten zu wollen. Zwar war die Stimme, die wir zuerst vernommen haben, etwas rauh und voll Ungeduld, und hätte mich beinahe recht tief zu beleidigen angefangen; aber darauf erhob sich eine andere überaus sanfte wahre Engelsstimme, und floß wie ein herrlichster Balsam über meine gedrückte Brust. Ja, Freund, so lasse ich mir den Herrn Jesus schon gefallen; aber wie du Ihn mir mit höchst mangelhaften Umrissen vorgezeichnet hast, so hätte ich Ihn wahrlich nie brauchen können.«

3 Spricht der Franziskaner: »Mein lieber Herr Graf, haben sie denn das nie gehört, daß der ein Schelm und ein Hauptlump ist, der mehr gibt, als er hat? Meine Meinung war wenigstens ehrlich, wenn auch manchmal etwas roh und grob. Das sehen aber der Herr Graf selbst, daß es hier für uns alle gleich finster ist, und es ist daher auch nicht sehr zu verwundern, daß unsere hell sein sollenden Kontroversen eben nicht zu hell ausfallen können. Ich hatte aber im Grunde dennoch sehr recht, so ich sie stets zur Annahme der angebotenen Hilfe von Seite des Herrn Jesus Christus zu bewegen trachtete. – Der Herr Graf aber waren dabei steinfest für die Nichtannahme dieser angebotenen Hilfe gestimmt, außer höchstens unter allerlei gegenüber der Gottheit wahrlich im hohen Grade lächerlich ärgerlichen Bedingungen. Nun aber haben sie es mit eigenen Ohren gehört, und so meine ich denn nun auch, daß sie von nun an weiter keine Anstände mehr finden und haben, und machen werden.

4 Daß ich Christum, den ewigen Sohn des Allerhöchsten, – nicht so kenne, wie Ihn Seine Engel kennen, das wird etwa doch so hübsch leicht, und sogar ohne Mathematik zu begreifen sein; aber das wußte ich doch, trotzdem ich ein Franziskaner war, daß der gute Herr Jesus nicht gar so tyrannisch unerbittlich ist, als wie Ihn der heilige Ignatius von Loyola dargestellt hat. Denn ich habe den Vers stets vor Augen gehabt, wo der Herr Jesus einmal sprach: Kommet alle zu Mir her, die ihr mühselig und sehr beladen seid; Ich werde euch alle erquicken! Leider haben die römischen Priester das auf den löblichen Beichtstuhl hingewiesen, an dessen Stufen der Herr Jesus ausschließlich allein nur die Mühseligen und Beladenen annehme und erquicke. Aber diese beicht-stuhlische Erquickung hat schon manchen Schwachen zur Verzweiflung gebracht, und manche um alle ihre notwendige Habe, Ruhe und Leben; Zustände, die wahrlich sehr wenig Erquickliches aufzuweisen haben. Aber in diesem echt römischen Sinne habe ich's nie genommen, sondern wie ich es mir dachte, daß es ein überaus guter Mensch sicher anders tun möchte mit den Beladenen und Mühseligen, als die heilige römische alleinseligmachende Kirche, die nach der stundenlangen Verdammung der armen Ketzer zur ewigen Pein in der Hölle sich das Mittagsmahl ebensogut und ganz harmlos schmecken ließ und noch läßt, als wenn gar nichts vorgefallen wäre, und dabei noch die Keckheit hat, sich eine liebevollste Mutter zu nennen. Und so meine ich denn nun, wie ich auch ehedem meinte: Mühselig und beladen wären wir schon so hübsch, wie etwa der gewiß im höchsten Grade gedrückte Mittelpunkt der Erde.

5 Und so meine ich, hätten wir auch wohl Grund, in die schwerste Masse uns zu dem liebreichsten Herrn Jesus hinzubegeben, und Ihn um die verheißene und nota bene bereits angebotene Erquickung anzuflehen. Ich bin ganz bereit, den Anfang zu machen. Wer mir folgen will, der nehme seine Sinne zusammen, und tue das, was ich nun unwiderruflich tun werde.«

6 Spricht der Graf: »Aber so warten sie doch ein wenig! Vielleicht kommen uns noch so einige Winke von irgend einem unsichtbaren Munde, wie wir die Sache anzustellen haben. Denn man kann denn doch bei dem allerhöchsten Herrn nicht gleich mit der ganzen Türe ins Haus fallen. Sie sind wirklich ein Ehrenmann, und in ihrer Art recht hellen Verstandes, trotz der uns umgebenden Finsternis; aber den Fehler haben sie dennoch, daß sie diese höchst sonderbar mystischen Lebensverhältnisse dieser Welt, die schon gar keiner Welt mehr gleich sieht, mit zu natürlichen Augen betrachten, und hier ganz so handeln wollen, als wenn sie auf der Erde im Hause ihrer Eltern sich befinden möchten. Bedenken sie doch, wo wir sind. Wissen sie denn, was hier ober uns und unter uns sich befindet? Daher heißt es hier sich eher genauest informieren lassen, bevor man auch den besten Schritt irgend wohin wagt.

7 Ich bin nun keineswegs mehr gegen die Annahme der angebotenen Hilfe. Ja ich freue mich sogar kindlichst darauf, wann wir dieselbe geziemendst und sichern Schrittes werden ansuchen und annehmen können. Ja ich sage ihnen noch mehr, mein höchster Wunsch geht nun dahin, Christus, den Herrn von Ewigkeit, zu ersehen, und in der höchsten Liebe Ihm zu den Füßen zu fallen, und so möglich da aus Liebe zu sterben! Aber, Freund, sogleich mit der Türe ins Haus zu fallen, oder sogleich die ganze Hand herreißen, so einem ganz mystisch der kleine Finger gezeigt wird, das geht nicht.

8 Die Artigkeit, als ein schönes Aushängeschild eines guten, dankbaren und demütigen Herzens, wird auf der Erde von jedermann gerne gesehen, und die vorlaute Dreistigkeit gar sehr mißachtet. Sollten wir denn nun hier im Reiche des eigentlichen Lebens annehmen, daß man hier wie ein Gassenbube unartig sein müsse, um bei dem höchsten Herrn der Unendlichkeit etwas durchzusetzen. Daher, mein lieber Freund, nur ein wenig mehr moderato et piano, etwas mehr »Eile mit Weile!« So wird sich meiner Meinung nach schon alles machen.« –

9 Spricht der Franziskaner: »No ja, no ja, in dem Sinne sollen ja auch sie einmal nicht Unrecht haben! Vor Gott müssen wir freilich mit der höchsten Artigkeit und in tiefster Achtung hintreten, wenn auch schon anfangs bloß nur im Herzen. Und so warten wir denn noch ein wenig. Vielleicht hören wir noch einmal etwas Tröstliches.« –

10 Auf diese Worte des Franziskaners wird die ganze Gesellschaft ganz lautlos, und horcht, ob sie nicht irgend etwas Tröstliches vernehme. Aber es kommt von keiner Seite her ein Wort.

11 Nach einer ziemlichen Weile erfolglosen Harrens tritt einer aus der Gesellschaft vor den Grafen hin, und spricht: »Freund, ich war, was mein allzeitiges irdisches Benehmen und Handeln überklar zeigte, stets ein Magyar mit Leib und Seele, und fürchtete weder Tod noch Teufel. Mein ganzes Leben war von der Zehenspitze bis zum Scheitel meines Hauptes dem schweren Dienste des Ungarntums geweiht. Du selbst mußt mir das Zeugnis geben, daß ich stets ein glühender Ungar war, und kein Gott hätte mich zu was anderem bewegen können, als was ich für ein Heil unseres Vaterlandes erkannte. Aber mein und unser aller Erkenntnis war ein Hirngespinst; denn was wir auch taten in der fixen Idee, daß es dem Vaterlande frommen werde, das taten wir, wohlverstanden (!) ohne Gott. Wohl sprachen wir Gebete vor des Volkes Ohren, um es zu berücken; aber wo war da unser Herz, wo unser Glaube, wo die wahre Liebe – zu Gott und zum Volke.

12 Wir wußten, daß wir schwach sind, und es allein mit unseren Gegnern nicht aufnehmen können; wir täuschten aber unseren Feind mit einer blinden nur in den Journalen (auf dem Papier) existierenden großen Macht, und harreten dabei auf eine Hilfe von außen her. Aber diese kam nicht, und wir mußten uns gefallen lassen, daß zufolge unserer illusiven Großtuerei unser Gegner in der Meinung, er habe es wirklich mit einer Halbenmillion von den tapfersten magyarischen Kriegern zu tun, die Hilfe Rußlands ansuchte, und auch bekam; und wir waren dann genötigt, uns wie ein berauschter Esel im volksbelustigenden Zwinger im Angesichte eines freigelassenen Tigers zu gebärden, um doch noch einige Zeit den Völkern Europas zu zeigen, als ob wir Gott weiß was für verborgene unüberwindliche Kräfte besessen hätten. Am Ende aber mußte es denn doch offenbar werden, wie wir bestellet waren, und das Facit war, daß wir unserem Volke durch unsere Hitze nicht nur nichts genützet haben, sondern uns bloß nur gestellet zwischen die Scylla und Charybdis, und unsere goldenen Hoffnungen gemacht zu leeren Träumen.

13 Daraus aber folgere ich nun, daß wir uns hier auch nicht auf ein erwarten fremder Hilfe verlassen, und uns auch nicht mehr Kraft und Geduld zugestehen wollen, als wir sie in der Wahrheit besitzen; die Hilfe ist uns bedingungsweise zugesagt worden, so wie uns gleich anfangs unseres unglücklichen Aufstandes von Seite des Wiener Ministeriums auch annehmbare Bedingungen gemacht worden sind. Wir aber nahmen sie nicht an, außer nur unter von uns gestellten Bedingungen, die das Wiener Ministerium nicht annehmen konnte oder wollte; und wir kamen bald darauf zwischen zwei Stühlen am Boden zu sitzen. Und gerade so kann es uns auch hier ergehen, so wir unter allerlei scheinbar rechtlichen Vorwänden suchen, die Annahme der bedingten Hilfe hinauszuschieben. In dem wunderbar klingenden Antrage hieß es: Wendet euch an den Herrn Jesus, und es wird euch geholfen werden; dawider und dafür habe ich nun schon bis zum wahren Ekel zwischen dir und dem Pater Franziskaner eine mir lästige Menge Worte versplittern gehört; um wie viel besser ist es darum nun mit uns? Noch stehen wir am alten Flecke; darum kein Zaudern mehr! Sondern handeln! Nach der gegebenen Bedingung; sonst gehe ich auf und davon, und werde für mich ganz allein handeln.«

14 Spricht der Graf: »Mein lieber Freund, du bist nun ja über alle Salamander schwarzgelb. Das ist hier ja ganz entsetzlich merkwürdig, daß in dieser über alle Begriffe chimärenhaften Geisterwelt alle Radikalen ganz verteufelt schwargelb werden. Am Ende ist die Gottheit denn doch auch so ganz con amore schwargelb.«

15 Fällt ihm der andere ganz erregt in die Rede: »Eh, leck' du mich, mit deinem dummen schwarzgelben Sarkasmus! Sage mir in Gottes Namen, was hast denn du (!) gewonnen mit deiner antischwarzgelben Völkerbeglückung? Daß wir beide, und vielleicht noch einige Dutzend unsertwegen aufgehängt wurden, das ist unser ganzer radikaler Gewinn; und es muß unser höchst antischwarzgelbes Benehmen denn doch auch der lieben Gottheit nicht sehr anständig gewesen sein, ansonst wir nach unserer Justifizierung doch sicher nicht in einen solch jammervollen Zustand wären versetzet worden.

16 Siehe, Freund, obschon wir uns in einer nimmer heller werdenwollenden Finsternis befinden, so wird es mir aber im Herzen doch stets klarer, und ich sehe es ganz hell ein, daß der Mensch nicht für die Erde, auf der er nur ein Vorbereitungsleben durchzumachen hat, das sozusagen – nur von heute bis morgen währet, sondern für eine reine ewig dauernde Geisterwelt erschaffen ist, in der sich möglicherweise wohl gar leicht die höchste Seligkeit beurkunden kann.

17 Wären wir lieber der österreichischen schwarzgelben Oberleitung und Regierung treu, gehorsam und untertänig geblieben, und hätten uns so manchen Druck gefallen lassen, besonders – so er zum allgemeinen Besten berechnet war, da stünde es nun besser um uns. Da wir aber der sicher von Gott oder doch wenigstens durch Seine Zulassung gestellten Regierung ungehorsam geworden sind, und haben selbst Regenten werden wollen, so haben wir aber nun auch den Lohn dafür, der nach meinem Ermessen für unsere irdischen Handlungen ganz vollkommen konvenabel (passend) ist. Mache es durch deinen allerradikalsten Sinn besser, so du es kannst. Aber ich meine, daß dir das noch viel schlechter gelingen dürfte, als das: dir die ungarische Reichskrone auf dein Haupt hinauf zu setzen. Wo sind alle die berauschten Eljen's, die dir und deinem Rivalen Kossuth dargebracht wurden millionenfach. Siehe, es ist alles stumm, nicht einmal eine lästige Gelse (Stechmücke) summst dir etwas ins Ohr. Ich bitte dich, höre doch einmal auf dumm zu sein! Es ist ja übergenug, daß wir auf der Erde die größten Meisterstücke der menschlichen Dummheit an das helle Tageslicht befördert haben; sollen wir hier davon nicht etwa auch noch einen ewigen Gebrauch machen? Nein, hörst du, davon schaffe ich wahrlich nichts! Lieber für ewig ein ganz gemeinster Einwohner irgend eines schwarzgelben Himmels sein, als in dieser Hölle, sonst dieser Ort wohl nichts ist (?!), einen allerradikalsten König abzugeben.

18 Ich aber binde mich nun wohl nimmer an irgend eine Farbe, außer an die des Gehorsams und der wahren Demut. Und so rufe ich nun zuerst laut aus:

19 »Du allererhabenster, gerechtester und liebevollster Herr und Gott Jesus, Der Du auch mich mit Deinem heiligsten Blute am Kreuze erlöset hast, hilf mir! und womöglich uns allen aus dieser allerlichtlosesten Bedrängnis. Höre nimmer auf das dümmste herschsüchtigste Eselsgeplärr eines ungarischen hochadligen Demokraten, bei dem trotz seines vorgeschützten Demokratismus das gemeine Volk dennoch Kanaille hieß; sondern höre auch auf uns anderen armen Teufel, und helfe uns allen nach Deiner Gnade und Barmherzigkeit aus diesem großen Jammer, der nun schon wohl einige Tausende von Erdjahren andauerte!«


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