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Kapitel 38

Robert Blum wundert sich, daß er nicht genug gedemütigt sei? Roberts Liebebitte an Jesus ihn ja nicht zu verlassen und sein Versprechen alles zu tun

Am 30. Januar 1849

1 Spricht Robert: »Freund! deine Worte sind wohl voll Ernstes, und Du scheinst es mit mir ganz ernstlich nehmen zu wollen, wofür ich Dir nur aus allen meinen Lebenskräften dankbar sein muß; aber wie Du mich als noch viel zu wenig gedemütigt ansehen kannst, das ist mir völlig unbegreiflich! Bin ich denn, schon von meiner elenden Geburt angefangen, nicht durch alle möglichen allerwidrigsten Erfahrungen ohnehin bis auf den letzten Blutstropfen gedemütigt worden?

2 Als ich mich trotz allen Hemmnissen mit der Zeit aus meinem angeborenen Staube denn doch ein wenig nur zusammenraffte, da brachen Unruhen in meinem Staate aus, und siehe, ich dämpfte sie durch meinen sicher redlichsten Willen und Verstand, ohne mich darauf dafür vom Staate erhöhen und verehren zu lassen! Als darauf sozusagen ganz Europa rebellisch ward, da wurde ich als ein Deputierter meines Staates nach Frankfurt abgesendet, und vertrat dort meinen Staat nach meiner möglichst besten Ansicht und Kenntnis, geleitet von einem mir bewußten guten Willen; denn wahrlich, es war nie nur im entferntesten Sinne meine Absicht gewesen, jemanden zu schaden, sondern allein nur zu nützen, d.h. freilich nur in der Art, als wie ich es für die Völker nach meiner damaligen Überzeugung als nützlich erachtete; ob es ihnen aber wirklich zum Nutzen geworden wäre, so für sie meine Projekte realisiert worden wären, das ist freilich eine andere Frage; aber ich konnte damalen dennoch unmöglich anders reden und handeln, als wie ich es redlichster Maßen mit meinem Wissen und Gewissen für billig, gut und recht fand! Und ich meine, daß eine jede Rede und Handlung, die einem ganz redlichen Gemüte entstammt, vor Gott und vor aller Welt als redlich anerkannt werden muß! Denn ich glaube, daß Gott auch nur auf die Redlichkeit des Willens, und nicht auf den Erfolg sieht, der ohnehin allezeit in der Hand der rein göttlichen Macht liegt?!

3 Als in Österreich die wütendsten Unruhen ausbrachen, da dachte ich daran, wie es mir in meinem Staate gelungen ist, einen Volksaufstand gegenüber dem Könige zu dämpfen, und dachte danach auch, daß mir so etwas auch in Österreich gelingen dürfte?! Ich faßte den Entschluß, dahin zu eilen;

4 als ich aber allda ankam, fand ich die Sachen bei weitem anders stehen, als wie ich sie mir in Frankfurt vorstellte. Das Volk war bedrückt und klagte laut über die Wortbrüchigkeit seines Regenten; die schwärzeste und geldsüchtigste Reaktion war allen Dynasten, und allen Aristokraten, Kaufleuten und Gold- und Silberjuden ohne Brillen von der Nase herab abzulesen, das arme Volk wurde nur Luder und Kanaillie benannt und gescholten, und jeder, der mit dem armen über alle Maßen geistig und körperlich bedrückten Volke hielt, und ihm mit Gut, Blut, Rat und Tat helfen wollte, wurde als ein Volksaufwiegler und Meuterer aufgegriffen, und wie bekannt, ohne Gnade und Pardon um's irdische Leben gebracht, welche Ehre auch mir allerschnödest widerfuhr, was aber doch niemand für eine Ehre halten wird?! Denn so man als ein sonst aller besseren und gebildeten Welt achtbarer und angesehener Mann, wie ein gemeinster Verbrecher vor den Augen gar vieler Menschen auf den Richtplatz hinausgeschleppt, und dort wie eine gemeinste Bestie erschossen wird, so glaube ich doch damit zur Genüge für jede Ehre, die einem je irgendwo zuteil geworden ist, gedemütigt worden zu sein?! –

5 Oder ist dir das auch noch zu wenig Demut? Solle ich wohl noch, oder kann ich wohl noch mehr gedemütigt werden?! Ich finde besonders in dieser meiner Lage, daß so was geradewegs unmöglich ist; denn weniger zu sein, und elender zu sein, als ich es nun bin, wird wohl kaum irgendwo ein Wesen sein!

6 Nichts habe ich, als Dich, meinen allergeliebtesten Freund ganz allein; Du bist mir alles, mein Trost, mein größter Reichtum, meine einzige Entschädigung für alle meine irdischen Leiden und großen Demütigungen! Und Du – statt mich zu trösten, erweckest durch Deine weisheitsvollen Reden in mir auch noch eine Menge neuer qualvoller Bedenklichkeiten, die mein großes Elend nur vermehren, nie aber verringern können! – O sieh, Du mein geliebtester Freund, das ist etwas hart von dir!

7 Es mag wohl sein, daß Du mit mir alles dessen ungeachtet die besten Absichten hast; und so es mir möglich ist, das zu tun, was Du mir ratest, so kann das auch leichtlich mein größtes und ewiges Glück sein; aber nur das Einzige bedenke dabei, daß ich ein elendstes, und über alle menschliche Begriffe unglückliches Wesen bin, das allerwahrst von allem, was das Gemüt aufrichtet und aufrichten könnte, vollends blank und leer ist, sonst wirst Du Deine sonst allerweisesten Lehren wenigstens also stellen, daß sie mich nicht allzusehr erschrecken und beängstigen möchten!

8 Ich will mich fürderhin auch gar nicht mehr auch nur mit dem schwächsten Gedanken loben; alle meine Handlungen sollen für ewig mit dem unvertilgbarsten Stempel der vollsten Schlechtigkeit und Verächtlichkeit gebrandmarkt werden und bleiben; gerne will ich vor Dir, so Du es verlangst, das letzte und wertloseste Wesen der ganzen Unendlichkeit sein!

9 Aber nur verlasse Du mich nicht! und mache mich dadurch nicht gar zu unendlich elend! Drohe mir ja nicht mehr mit Deiner Entfernung, sondern stärke mich mit der Versicherung, daß Du mich ewig nie verlassen werdest, so gebe ich Dir die allergetreueste Versicherung, daß ich alles tun werde, was Du nur immer von mir verlangst!

10 Habe ich auf der Welt je und wie immer gesündigt, so züchtige mich dafür, und demütige mich, so tief es nur immer möglich ist, und ich werde nie aufhören, Dich zu lieben; aber nur vom Verlassen rede nichts mehr; denn das wäre das Schrecklichste, was Du mir nur immer antun möchtest!«


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