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Kapitel 119

Der Herr als Seelenheiland bei Bardo. Bardos rechte Selbsterkenntnis, er demütigt und versöhnt sich mit Niklas, der ihm brüderlich entgegenkommt; dessen gute Rede von den Führungen Gottes

Am 5. September 1849

1 Die beiden, Bruno und Niklas, bewegen sich nun sogleich zum Robert hin, der sie überaus freundlich aufnimmt. Ich aber sage zum Bardo, der Mich noch nicht sieht: »Tue dich auf, du Finsterling, und gebe Mir Antwort, und zeige Mir deines Hochmutes Grund!«

2 Bardo erschrickt gewaltig, als er Mich sogleich erkennend vor sich stehen erblickt! – Er versucht zu reden, aber die Zunge versagt ihm den Dienst, und so stammelt er bloß so hin und wieder, als wie einer, den in den größten Spekulationssorgen der Schlaf übermannt. Er meint in seinem zitternden Herzen aber nun nichts anderes, als daß Ich ihn schon im nächsten Augenblicke zur Hölle verdammen werde.

3 Aber Ich sage zu ihm: »Blinder, wie eitel doch ist deine Furcht! Wann kam Ich denn zu denen, die verdammt durch sich selbst, um sie noch mehr zu verdammen. Ich komme, so Ich komme, zu helfen, aber nicht zu richten und zu verdammen. – Ich sehe aber in dir eine starke Krankheit, und die heißet Hochmut, und darüber sollst du Mir, der Ich dir helfen will, eine genügende Auskunft geben, nicht um Mich etwa über dich in Kenntnis zu setzen; denn Mir sind alle Dinge von Ewigkeit her wohl bekannt; sondern damit du selbst dich deiner Bürde entledigest vor Mir.

4 Sieh, als dein Freund Niklas euch allen vorbitten, und dadurch einen Bittleiter machen wollte, da wolltest du nicht mithalten, sondern – du wolltest ganz für dich allein bitten; – und du batest auch, aber wie und um was? Für dich selbst wolltest du gerade nicht viel, dafür aber desto mehr Demütigung für alle, die dich je beleidigt haben, und am allermeisten für den Niklas, der sich für's erste vor dir beim Bruno hingestellet hatte, und streitig gemacht deine Volksvertreterschaft, da du doch der erste warest, der mit dem Bruno im Namen der ganzen Gesellschaft Worte zu tauschen begann, und für's zweite, darum er es am Ende sogar gewagt hatte, dir – freilich auf eine nicht feine Art – einige sehr bedeutende Wahrheiten ins Gesicht zu sagen!

5 Bedenke nun aber auch, ob das wohl recht ist, so du dem, der dir dein bester Freund ist, eine große Demütigung an den Hals wünschest, weil er als Freund es gewagt hatte, dir ganz gebührendermaßen die Wahrheit zu sagen?! Solltest du dem nicht vielmehr nur das aller Beste wünschen, der dir als ein wahrer Freund die Wahrheit sagt, und dich dadurch von der verderblichen Stufe des Hochmutes und der Selbstsucht zurückzieht, als daß du ihm ein stark demütigendes Gericht über den Hals wünschest?!

6 Meinst du denn, hier im Reiche der ewigen unverhülltesten Wahrheit geht es auch so zu, wie auf der Erde, wo die Blinden nur die Schmeichler und die Feigen und feilen Lobhudler als ihre Freunde halten und ehren; jene aber, die ihnen die Wahrheit sagen, als ihre ärgsten Feinde verabscheuen und verfolgen, – gleich wie es die Juden an Mir taten, der Ich auch (so) keck genug war, ihnen die nackte Wahrheit unter die Augen und Nase zu reiben!

7 O Mein lieber Bardo, hier ist es ganz anders! Hier gilt nur die nackte Wahrheit ganz allein, und die mit ihr gepaarte reine Liebe; alles andere ist ein Greuel vor Mir, und muß von diesem Meinem Reiche ewig ferne bleiben! Nun weißt du aber auch aus Meinem höchst eigenen göttlichen Munde, wie sich hier die Sachen der gegenseitigen Freundschaft verhalten; darum bekenne nun aus dir selbst, daß du an dem Niklas im hohen Grade Unrecht geübet hast, und gehe hin und vergleiche dich mit ihm; alsdann komme wieder hierher, und Ich werde dir zukommen lassen, was recht ist, und was dir gebühret!«

8 Als Bardo solche gewichtigste Worte aus Meinem Munde vernimmt, da fängt er an in sich zu gehen, und sagt bei sich im Herzen: »Ja, ja, der Herr, der Allmächtige hat es gesprochen! Wer kann sich wider Seine Weisheit und Allmacht auflehnen? Es ist schon also, und ewig recht! Der Mensch ist ein Feind der Wahrheit, besonders wo sie ihm zu nahe tritt; aber er tut ihr groß Unrecht, zumal so er bedenkt, daß sein Leben nicht nur bis zum Rande des Grabes, sondern endlos weit über dasselbe hinausreicht und zwar lediglich in der Wahrheit und Liebe bedingt! – Der Herr Selbst hat es mir gezeigt, und hat mich tiefst belehrt; – und so will ich denn auch, wie schwer es mir auch immer ankommen solle, tun, wie es der Herr will! – Mut und Entschlossenheit gehört zu allen großen Dingen, und so will ich denn auch mutig und entschlossen hin zum Freunde Niklas gehen, ihm alles bekennen, und ihn dann um seine Freundschaft demutsvoll bitten! – Ja, so sei es!« Darauf begibt er sich sogleich hin zum Niklas, um seinem guten Vorhaben nachzukommen.

9 Niklas aber kommt ihm nun schon umgekleidet entgegen, umarmt ihn, und spricht: »Freund! – auf der Erde benötigen die Blinden auch der Tat; denn sie sehen nicht des Willens ernste Kraft. – Hier aber, wo man mit starkgeöffneten Augen den vollen Ernst des Willens gar wohl erschauet, fragt man nicht nach der dem Willen folgen sollenden Tat, sondern allein nach dem Ernste des Willens; ist dieser in der Ordnung, dann ist auch alles in der Ordnung! Hier ist nur der Wille unser, alle Tat aber ist des Herrn! –

10 Und siehe, so sind wir nun die besten und intimsten Freunde für ewig, und alle unsere früheren irdischen Differenzen haben für ewig aufgehört! – Den Freund Bruno aber wollen wir auch allezeit recht von ganzem Herzen hochachten und lieben als einen allerwärmsten Freund; denn seinem Mute und seiner großen Geduld haben wir alle hier die volle Rettung vom Untergange zu danken! – Natürlich, wie es sich von selbst versteht, der unendlichen Güte, Milde und unbegreiflichen Herablassung des Herrn – aber alles! Denn Er war, ist und bleibet ewig der Hauptgrund und Urgrund alles Heils! Also haben wir auch noch mehrere hier uns vorangehende Freunde lobend anzuerkennen; denn sie waren uns ein starker Magnet, die uns schon auf der Erde sehr angezogen haben, und sind auch hier die handgreifliche Veranlassung gewesen, daß wir durch sie dies unser Heil in ihrer Wohnung gefunden haben!

11 Dem Herrn Vater Jesus aber sei alle Ehre, Dank und Anbetung und Liebe dafür, daß Er unsere Wege so gezeichnet, und unsere Schritte so geleitet hat, daß wir trotz aller unserer bösen Ohnmacht, und wider allen unsern Glauben nun am Ende unserer lange andauernden Blindheit dennoch dahin gelangen mußten, wohin wir nach Seiner Ordnung zu gelangen hatten!

12 Wahrlich, Seine Ratschlüsse sind unerforschlich, und unergründlich Seine Wege! – Es geht mit dem Menschen nicht anders dem Anscheine nach – als einem Schiffe, das oft ohne Segel und Ruder von den Winden auf dem Meere wie zufällig hin- und hergetrieben wird; wer sollte dabei denken und sagen: Siehe, dies Fahrzeug, aller seiner leitenden Organe ledig, wird dennoch nach einem besten Plane geleitet! – Aber man bedenkt nicht, daß auch die Winde des Herrn sind, und Er allein ihnen die Richtung und Kraft erteilt; das Schiff kommt endlich dennoch an ein sicheres Ufer, als hätte es der erfahrenste Steuermann geleitet; und sieh, das ist ein Werk des Herrn, Dem allein darum alle Ehre und aller Preis gebühret für ewig!

13 Also hat aber der Herr auch unsere Wege also geleitet, daß am Ende wir durch unsere wahrlich groben Sünden den Weg zu Ihm nehmen mußten! O wie endlos gut und weise muß Er sein, und wie unermeßlich liebegewaltig! Kurz, nun sind wir für ewig gerettet; – daher seien wir auch voll des besten Mutes, und voll der innigsten Liebe zu Ihm, dem Retter aller unserer Retter!«

14 Nach diesen Worten umarmen sich die beiden mit unsterblichen Armen, darauf den Bruno, dann den Dismas, der sich auch zu ihnen hinbegab, und den Max Olaf, der den Dismas zurecht brachte, hauptsächlich aber den Robert, der zur endlichen Wiederbringung des Dismas kräftigst gewirket hatte.

15 Nach dieser Szene begibt sich Niklas mit Bardo zu Mir, und spricht: »Herr! wir beide stehen wie ein Herz vor Dir; vergebe auch Du uns, wie wir uns gegenseitig alles für ewig vergeben haben! – Auf daß wir Dich dann wie aus einem Herzen über alles lieben könnten!« –

16 Rede Ich: »Wenn ihr miteinander gleich seid, dann ist auch alles gleich und eben vor Mir! Eure Schuldtafel ist vernichtet! – Gehet aber nun mit Robert und all den anderen Freunden hin zu dem großen Goldschrank; dort werdet ihr für diese tausend Armen eine rechte Menge Kleider finden; nehmet sie, und teilet sie an die noch Armen aus, denn sie sehen noch sehr nackt aus; dann aber kommet, auf daß Ich euch segnen und weiter führen kann, im Reiche des Lichtes! Also sei es!«


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