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Kapitel 98

Der Pathetikus gibt nun der Wahrheit recht und fängt an nach Jesus zu fragen, und die Selbsterkenntnis dämmert in ihm, und zeigt ihm seine Verderbtheit und seine gänzliche Verworfenheit

Am 5. Juli 1849

1 Der Pathetikus fängt an, sich sehr hinter den Ohren zu kratzen, macht ein verlegenstes Gesicht ums andere, und spricht dann eben auch mit einer sehr verlegenen Stimme: »Ja – hemm – ja – tausend Teufel auf einmal! – hehhh – ja ja – das ist eigentlich eine verfluchte Geschichte, das ist eigentlich zum des Teufelswerden; – ja ja ja ja! da liegt eben der Hund begraben; Nr.1, wäre freilich nicht übel; aber Nr.2! ganz gehorsamster Diener! Da hast du freilich ganz verdammt verzweifelt und vollkommen recht; und mit der Seligkeit hier? – No, Gott steh' uns bei! Da hat es seine ganz verzweifelt geweisten Wege! Hunger, Durst, Ärger von allen Seiten, Schande, vollkommene Aufdeckung aller auf der Welt begangenen Sünden, und das gerade im Angesichte derer, vor denen man so manche saubere Schwachheiten für ewig verdeckt haben möchte! Und man kommt hier aber schon auch zu dem ominösen Behufe mit alle dem Gesindel zusammen, das einen gerade am meisten geniert! Das ist denn ja doch rein zum des Teufelswerden! Ich bin sonst äußerlich doch auf der Welt stets ein geachteter Mann gewesen; denn von meinen geheimen Vergnügungen wußte – außer wenigen sehr vertrauten Personen – keine Seele etwas! Hier müssen aber gerade alle auf einen Haufen zusammen kommen! Jene, bei denen ich in der größten Achtung stand, wie z.B. jener Max Olaf, jener Baron, meine Gottselige, und dergleichen mehr, und daneben aber auch jene männlichen und besonders weiblichen Individuen, mit denen ich leider so manchen lustigen Spaß hatte; mit diesen letzteren kann man sich denn ehrenhalber doch nicht im Angesichte seiner achtbaren Freunde abgeben! Und gerade dieses gemeinste Gesindel wird hier so enorm efront, daß es unsereins Schwachheiten gerade dort ausposaunet, wo man es wahrlich am allerwenigsten ausposaunet haben wollte! Worauf dann die Gesichter der mich stets in größter Achtung haltenden Freunde stets länger und länger werden, und dann mit ihren ellenlangen – Soooooo! – Soooooo! – sich über unsereinen zu erstaunen anfangen! O, das ist dann für unsereinen aber schon ein Vergnügen, (um) das zu missen man recht gerne Berge rufen möchte, daß sie über unsereinen herabfallen sollen! Es stünde unsereinem freilich wohl die Tür offen! aber man kann es denn doch nicht so ganz wagen, da man nicht wissen kann, was alles unsereinem erst dann draußen zustoßen könnte?! – Ja, ja, das ist eine ganz verdammte Geschichte! –

2 Da ich mich aber mit dir denn nun schon so in ein miserables Gespräch eingelassen habe, und du mit mir, so sage mir denn auch gefälligst, was es denn im Grunde mit jenem sein sollenden Heilande Jesus für eine Bewandnis habe? Was ist er für ein Wesen? Ist mit Ihm wohl so ein vernünftiges Wörtlein zu reden? und könnte Er unsereinen ohne weitere Beschämung so ein bißchen auf ein etwas besseres Grasl setzen?! und nota bene, unter uns gesagt, steht er denn wohl irgend in einem besonderen übermenschlichen Verbande mit der großen Gottheit?! Denn, weißt du, das kann ich denn doch nicht annehmen, daß Er etwa gar das, nein, nein, ich kann's eigentlich nicht aussprechen! Ich meine, – du verstehst mich schon, was ich eigentlich meine! – Es hat wohl ehedem der Max Olaf etwas geschwärmt von einer Gottheitsfülle in eben diesem Jesus! aber, welcher vernünftige Geist kann das annehmen?! Sei so gut, lieber Freund, und gebe mir hierin einige besondere Winke!«

3 Spricht Robert: »Mein lieber Freund Pathetikus! Da kann ich dir vorderhand nichts anderes sagen, als: Gehe hin und überzeuge dich selbst!« –

4 Spricht Pathetikus: »Ja, ja, das wäre schon alles recht; aber bedenke du mein Ehrgefühl, und die ganze andere, mir gerade in dieser leidigen Situation, äußerst fatale Gesellschaft! Besonders die nun freilich ganz verzweifelt schön gewordene Lerchenfelderin, und mein Weib, mein irdischer Bursche Franz, der Max Olaf und die verzweifelte allergröbste Mariandel, und so noch einige! Dann ditto von Adam abwärts bis zum Paulus die historisch merkwürdigste Geistergesellschaft! No, die würden unsereinen doch sicher mit den sonderbarsten Augen ansehen! – Mit Ihm zu reden würde ich mir gerade nichts daraus machen; – aber das andere Völkl! Du verzweifelte Geschichte! No, das würde seiner Zunge einen so schönen freien Lauf lassen, daß unsereiner darob vollends vor Schande und Ärger zerplatzen müßte!«

5 Spricht Robert: »Ja, lieber Freund! auf eine ganz radikale Demütigung mußt du dich schon in einem jeden Falle gefaßt machen! Denn ohne diese dürfte es wohl mit dir ewig nimmer besser (werden), sondern nur schlimmer von Weile zu Weile zu stehen kommen! Mache dir den Mut, und lasse aus dir machen, was sie alle wollen; ja gebe du selbst alle deine Schwächen dem Herrn Jesus kund, und fasse Glauben an Ihn, und eine rechte Liebe zu Ihm, so dürfte es geschehen, daß Er dir so manches nachsehen möchte! Aber je mehr du selbst von deiner Ehrsamkeit halten wirst, desto ärger wirst du nur zu früh vor allen, samt allen deinen dir gleich ehrsamen Freunden, auf das allerweidlichste beschämt werden! Denn so gut sonst der wirkliche Gott und Herr Jesus-Jehova-Zebaoth ist gegen die, welche sich eines reuigen Herzens Ihm nahen; eben so furchtbar unerbitterlich strenge ist Er aber auch gegen jene, die Seine Güte, Langmut, Geduld und Liebe auf eine zu lange und schmähliche Probe setzen! –

6 Noch ist Er gut, und wartet auf dich! Aber diese Seine Geduld dürfte von keiner langen Dauer mehr sein. Ist Seine Geduld aber über jemanden zu Ende, dann kommt der alte biblische Mahnspruch und Lehrspruch in die Anwendung, wo es heißt: Erschrecklich ist es in die Hände des lebendigen Gottes zu gelangen !!! – Darum Freund! ich sage es dir ganz unverholen, für dich ist keine Zeit mehr zu verlieren! – Denn Hurer und Ehebrecher werden in das Reich Gottes nicht eingehen! Groß ist Seine Güte, und übergroß Seine Gnade und Erbarmung; aber im Gerichte schonet Er kein Leben; da ist Er unerbittlich! Wen Seine Zuchtrute trifft, den verwundet Er auf das Schrecklichste für ewig! Daher bedenke wohl, wie du nun vor Ihm, dem allein Allmächtigen stehest, und was du zu tun hast! Denn nach mir wird kein Bote mehr an dich abgesandt werden!«

7 Spricht Pathetikus: »No, no, gar so arg wird es ja etwa dennoch nicht sein, vorausgesetzt, daß man auch hier von irgend einer Humanität etwas kennt!? Aber so hier dein Gott Jesus, Seine Apostel, und du samt ihnen noch unerbittlicher als die heidnischen Minos, Aeakus und Radamantus sein solltet, da freilich wäre es hier mit allem Spaße im Ernste vollends zu Ende, und man müßte sich dann am Ende dennoch allem fügen, was ihr wolltet!? – Eine freilich ganz verzweifelte Geschichte (ist) das! Aber, was kann ein Einzelner gegen eine allgemeine zusammengreifende Macht!? – Also, meinst du denn wohl im Ernste, daß ich hin zu Ihm, d.h. zu deinem sein sollenden Gott Jesus gehen solle?« –

8 Spricht Robert: »Ganz gewiß! Denn sonst bist du ohne alle weitere Hilfe und Rettung verloren!« –

9 Spricht der Pathetikus: »O du verzweifelte Geschichte! no, no, no, no! – o verteufelt, verflucht! – Das wird nun eine Hetze werden, gegen die ein römisches Fegefeuer einer armen Seele eine pure Lumperei ist! –

10 Meine Emma! auweh, meine Mariandl !! noch mehr Auweh; – Max Olaf !!! auweh, auweh, auweh; – Mein Franz !!! auweh, auweh, auweh, auweh! – der Kerl ist nur gar zu sehr in alle meine irdischen Lumpereien eingeweiht! Dann die Eltern meiner Emma! – no, no, no, – die werden mir mit ihren Augen sicher die ausgezeichnetste Verehrung zollen, die ich aber im Grunde leider wohl auch verdiene; denn gegen die Emma habe ich schändlich gehandelt! Alles Geld war von ihr; ich ein armer Bauernsohn, war ihretwegen, und eigentlich durch sie nahe ganz allein ein reicher Kavalier geworden, und ich dankte ihr dafür mit der schmutzigsten Untreue von der Welt; sie liebte mich zum Rasendwerden, und fütterte mich mit allem, was sie nur meinen Augen ansehen konnte, – und ich liebte dafür aus lauter Dankbarkeit – gegen mein reines bestes Weib – die gemeinsten Huren, und vergeudete Tausende mit ihnen auf die wahrlich schmählichste Weise!

11 Nein, nein, Freund! ich kann denn doch nicht hin! Denn nun fange ich erst einzusehen an, daß ich im vollsten Ernste ein überaus grobes und eigentlich dummgrauslichs Luder von einem Sünder bin! Nun ist alles eins schon, Jesus hin oder her, Gott oder nicht Gott; aber ich bin wirklich ein grauslichs Mistvieh vor allen Menschen; und es wäre wirklich ein Aberwitz, so ich als ein Schweinehund mich zu jener herrlichsten Gesellschaft hinwagen solle! Ich begreife es wohl zwar noch selbst nicht, wie es nur so kommen mag, daß ich nun auf einmal mein vollstes grauslichs Unrecht sonnenklar einzusehen anfange!? – Aber, es ist richtig so, wie ich es nun einsehe! –

12 O du meine arme Emma, was warst du mir? Selbst in deinem gerechten Zorne noch ein reiner Engel! und was war ich dir?! – Ein schmutzigster Sauteufel, ohne Liebe, ohne Dankbarkeit, ohne alle Achtung sogar! – Nein, nein, Freund! je mehr ich nun darüber nachdenke, desto klarer stellt es sich heraus, daß ich bis zu diesem Augenblick ein allergemeinster sauteuflischer Lump war, und eigentlich noch bin! und kann mich jener Gesellschaft unmöglich nahen! Nun zwar wohl nicht mehr des Ehrgefühls halber, aber desto mehr der schreiendsten Gerechtigkeit wegen. Nein, so ein liebes Weib hatte ich, und konnte an den gemeinsten Huren mein Vergnügen finden!? O du, von aller Gottheit verfluchtes Saufleisch du, – nun eine Speise der stinkendsten Würmer, – um dich in deinen Bocksgelüsten zu befriedigen, konnte ich einen Engel fliehen, und allen Sauteufeln nachrennen!? Nein, diese Erkenntnis muß mich nun notwendig umbringen!

13 O Menschen, Menschen! die ihr meines Gelichters seid! Lasset ab von eurer großen bösen Sauteufelei! ihr werdet bald mir gleich vor euren Richtern stehen; diese werden euch eurer eigenes Herz öffnen, und dieses wird euch verdammen; kein Gott wird euch richten, sondern euer eigenes Herz wird euch richten und verdammen, und das mit Recht; denn ihr selbst habt durch eure Sauteufeleien euch dazu qualifiziert! Lasset daher nach in eurer großen Verblendung, sonst seid ihr verloren durch euch selbst! – Bruder, gehe von mir, denn ich bin ein zu grober Sünder! Heiße mich in die Schweine fahren!« – –


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