Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Kapitel 62

Zusammenkunft mit der losen Wienergesellschaft. Wie der Baum fällt, so bleibt er liegen. Bittere, aber heilsame Kur dieser Wienerfleischhelden; Robert Blums weise Rede wirkt gut, sie folgen ihm in sein Haus

1 Robert Blum: »Sehet einmal zu diesem Fenster hinaus in den herrlichen Garten, der dieses Haus umgibt, weit und breit, und saget mir, was ihr da sehet?«

2 Die drei gehen sogleich ans Fenster und schauen hinaus; aber kaum einen Blick durch dasselbe gemacht, schaudern sie förmlich zurück, und der Jellinek nimmt das Wort und spricht: »Aber Brüder! um Gottes des Herrn Willen, was ist den das? Sind das Menschen, Tiere oder Teufel!? Es scheint alles durch einander gemengt zu sein!? Nein, so was hätte ich in der Nähe dieses Hauses wohl ewig nicht vermutet! Wahrlich, da sieht man ja auf einmal alle Scheußlichkeiten der alten, schmutzigsten heidnischen Mythologie auf einen Haufen beisammen – plastisch und tatsächlich!? Ich bitte dich, lieber Bruder, verschließe doch die Pforte des Hauses fest, und die Türe dieses Zimmers, sonst laufen wir Gefahr, daß diese Bestien zu uns herein dringen, und uns alle beim Butzen und Stängel rein auffressen!«

3 Spricht Blum: »O, fürchtet euch dessen nicht; sie sehen im Grunde nicht gar so abschreckend aus, als wie sie auf den ersten Blick von hier euch vorkommen; daß sie euch aber also abschreckend vorkommen, das rührt daher, weil sie euch noch von Wien aus darum in dem Zornmagen haben, weil sie meinen, ihr hättet sie an den Windischgrätz verraten! Werden sie einmal vom Gegenteile überwiesen sein, so werden sie euch dann auch sogleich etwas menschlicher vorkommen; denn wisset, das sind allerlei Wiener Individuen, die in den ominösen (unheilvollen) Oktobertagen als Kämpfer für die irdische Freiheit gefallen sind, durch die Waffen der kaiserlichen Soldaten, und glauben nun, daß dieser Fall gar nie möglich gewesen wäre, so besonders der Bruder Messenhauser an ihnen nicht einen heimlichen Verräter gemacht hätte! Werden sie aber vom Gegenteile überführt, dann wird auch etwas anderes mit der Hilfe Gottes mit ihnen zu machen sein! Und sollen unter ihnen auch einige sein, die sich nimmer sollen eines Besseren belehren lassen, nun, so wird der Herr schon wissen mit Seiner Macht solche Böcke von den besseren Schafen also abzuscheiden, daß sie weder uns, und ebenso wenig der anderen bessern Herde mehr gefährlich sein können!

4 Daher werden wir denn auch sie herein kommen lassen, und werden sie da nach dem Willen des Herrn in die Arbeit nehmen! Denn da wir doch auch sehr viel Schuld daran waren, daß sie durch unsere Reden und Gesetze dahin gekommen sind, wo sie sich nun elend genug befinden, so ist es nun auch vor allem unsere Pflicht, sie auf einen besseren Weg zu bringen; und so folget mir nun hinaus zu ihnen, im Namen des Herrn.

Am 25. März 1849

5 Blum begibt sich nun in der Mitte des Messenhauser und Becher hinaus in den Garten, allwo sich noch die schon bekannten Wiener befinden, nebst ihren ganz matt gewordenen Konkubinen, und ihren genotgezüchtigten Töchtern; Ich aber folge den drei Vorgängern mit dem Jellinek an Meiner Seite, sobald in den Garten, wo wir die Menge in einem ersichtlich sehr unbehaglichen Zustande antreffen,

6 und Robert Blum sie auch sogleich fragt, wie es ihnen nun ergehe? Da schreien sie nahe alle zugleich auf: »Miserabel, elend und schlecht! Helfet uns oder bringet uns um dieses elende Sauleben; das wird uns eine Leberwurst sein! Ist das nicht rein zum des Teufels werden!? Jetzt stell dir’s vor, was wir hier in diesem dreckigen, nach faulen Pomeranzen riechenden Geisterreiche alles für schöne und merkwürdige Erfahrungen gemacht haben! Es ist wahr, wir haben es mit der Menscherei ein wenig zu arg getrieben; aber wir sind Viecher, und waren nie was anderes, weil wir nie zu etwas besserem sind erzogen worden, woran natürlich nicht wir, sondern unsere weisen und milden Regenten die alleinige Schuld tragen, und so unterhielten wir uns denn auch hier auf jene beliebte Art, gleich dem Vater Adam mit der Eva, wodurch dann der erste Brudermörder Kain, dergleichen es jetzt zu Millionen gibt, das Dasein erhielt; aber nun höre, was an der Sache hier im Geisterreiche ganz besonders und zugleich auch ganz niederträchtig verflucht merkwürdig ist! wir sind dir, was kaum glaublich, hier fast durch die Bank angesteckt worden! oh, das ist ja doch verflucht, hier, im Geisterreiche angesteckt! und das wie!? Hörst Brüderl, das wäre so ein Paradieserl! Wenn's hier nur irgend eine Hilfe gäbe! Aber da ist überall nichts, wo man nur hinschaut! Du siehst also nun, wie es uns geht; daher sei doch so gut und verschaffe uns irgend eine Hilfe oder bringe uns alle um, wenn's dir möglich ist, denn es ist ja doch 10.000 Male besser gar nicht zu sein, als zu sein unter gar so scheußlich bittern und schlechten Umständen!

7 Apro pos noch was; sage uns auch, wer deine Begleiter sind? Den einen kennen wir schon; das ist der sogenannte eigentliche Hausherr dieses Hauses, ein recht rarer Mann Gottes! Aber die anderen drei kennen wir nicht, geh' und sag' uns, wer sie sind?«

8 Spricht Blum: »Meine armen kranken Freunde, seid ihr denn gar so blind, daß ihr den Messenhauser, Becher und Jellinek nicht mehr erkennen möget?« –

9 Schreien mehrere: "Potz tausend und fix Laudon! was! die drei Hauptlumpen sind das! Na, hätt' mer uns a eher den Tod eingebildet, als daß wir besonders den Hauptspitzbuben Messenhauser nochmal zu Gesicht kriegen werd'n! Aber sein Glück, daß wir nun alle so miserabel san! Sonst hätten wir ihm hier wohl einen ganz kuriosen Dank für sein Oberkommando in Wien zukommen lassen! Aber weil wir für eine handfeste Dankbezeugung zu schwach sein, so kann er sich unterdessen bloß mit dem vertrösten, daß wir ihn allesamt für einen recht ausgepickten Lumpen und Spitzbuben ansehen, und in der Wahrheit anerkennen, und wünschen ihm, was er sich selbst sicher gar nicht wünscht! – Also – Messenhauser, Becher und Jellinek; na, so kommt da aber alles G'sindl zusammen! wirklich a schön's Paradieserl das!«

10 Spricht Blum: »Saget ihr mir, geschieht es euch nun leichter, daß ihr diese meine Freunde also beschimpfet habt?« Sagen die Männer: »Na, das just am End nicht; aber wir haben's ihnen ja sagen müssen, weil sie es wirklich verdient haben! Du weißt es ja selbst, wie und warum?!«

11 Spricht Blum: »Höret, lassen wir das nun gut sein, was vorüber ist, das ist vorüber! Keiner aus uns allen, mit Ausnahme meines früheren Freundes, der nun mit Jellinek sich bespricht, kann von sich sagen und behaupten, daß er nie gefehlet habe! Ich glaube vielmehr, daß wohl ein jeder aus uns die Skala aller Todsünden nicht einmal, sondern zu sehr öfteren Malen durchgemacht hat, nur mit dem Unterschiede, daß einer bald in der einen, und ein anderer in einer anderen Todsünde als exzellent sich erwiesen hatte; und es wäre sehr dumm von mir, so ich nun diese drei von euch Beschuldigten als unschuldig vor euch hinstellen wollte; sie haben ihre gehörige Portion Sünden begangen, aber wir haben es unsererseits auch durchaus nicht gespart. Wer aus uns vor Gottes Richterstuhle eigentlich für die Hölle reifer wäre, das dürfte dem ewigen Meister des Lebens wohl nicht viel Kopfzerbrechens und Nachdenkens kosten! Aber da meine ich, da wir schon alle durch die Bank vor Gott kaum das wert sind, als wie hoch uns der gute – Fürst Windischgrätz in dem Stadtgraben und in der Au – taxiert hat, so sollen wir uns gegenseitig hier wohl gar nicht mehr anschuldigen und anklagen, sondern uns die Hände unter der allgemeinsten gegenseitigen Amnestie reichen, uns gegenseitig alles vergeben, und also hier in diesem neuen Reiche und Leben auch eine neue Kolonie aus lauter Freunden und Brüdern gründen; und ich meine, daß uns das in der Folge viel bessere Früchte tragen wird, als so wir uns auch hier noch richten wollten, wo ohnehin ein jeder aus uns ein ganz gehörig vollgemessenes Maß des Gerichtes auf seinen Schultern zu tragen hat!? – Was meinet ihr da, wie gefällt euch dieser mein sicher bestgemeinter Antrag?!«

12 Schreien alle: »Ja, ja, du hast vollkommen recht, und dein Antrag gefällt uns außerordentlich wohl; aber nur die Gesundheit, die Gesundheit tut uns vor allem not; denn du weißt, daß ein leidender Mensch oder Geist nicht leicht zu einem gesunden Beschlusse kommen kann, und a Weaner schon gar nicht! Denn ein kranker Weaner ist für die Sau zu schlecht!«

13 Spricht Blum: »No, no, lasset das nur gut sein; erhebet euch! und kommet alle zu mir ins Haus! Dort werden sich schon Mittel finden – euch wieder gesund zu machen. Denn da draußen habe ich weder einen Arzt, noch eine Apotheke; denn hier ist fürs äußerliche mit keinem Arzte was zu machen, weil hier alle Übel von Innen aus geheilt werden müssen, so es einem Kranken geholfen werden solle, und dazu ist es auch nötig, daß ihr euch in einem Hause befindet, und hier zwar in diesem meinem Hause, das mit allem möglichen reichlichst eingerichtet, und bestens versehen ist! – Erhebet euch daher nur, und folget mir!«

14 Auf diese Worte Robert Blums erheben sich alle, auch die weiblichen Wesen, und hatschen, so gut es nur immer geht, uns nach ins Haus, und zwar in das schon bekannte Zimmer, das da groß genug ist, um viele tausend Gäste aufzunehmen.


 << zurück weiter >>