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Kapitel 4

Robert Blum richtet einen Notschrei zu Gott. Berufung auf Jesus. Philosophische Phantasierereien. Die Sehnsucht Roberts nach dem Nichtsein

Am 1.Dezember 1848

1 Nach diesen Worten verhält er sich eine ziemlich lange Weile ganz ruhig und still, und reibt sich bloß manchmal die Augen, um einer allfälligen narkotischen Trübung los zu werden; aber da es trotz aller seiner vorgefaßten Geduld und trotz allem Augenreiben denn doch nicht heller werden will, so fängt er an der Wiedergewinnung des Augenlichtes ganz vollkommen zu zweifeln an, und wird darum auch erboster von Augenblick zu Augenblick. Als aber auch trotz seines stets größeren Erbostwerdens das Licht sich bei ihm nicht einstellen will, so ruft Robert Blum gar stark:

2 »Was ist denn mit mir geschehen?! – Was ist das für ein verfluchter Zustand?! – Gibt es denn keinen Gott mehr? – Einen Gott, der mächtig wäre – und gerechter als die von Seiner Gnaden Machthaber der Erde und ihre blauen und goldbortierten Helfers Helfer?!

3 Gott! – so Du irgend einer bist, recke aus deinen Arm, und sühne mich, der ich die gute Sache deiner Menschen, deiner Kinder zu jenem erhabenen Ziele führen wollte, das einst schon der erhabene unverstandene Völkerlehrer Jesus erreichen wollte; aber von gemeinen Häschern aufgegriffen, und aus Dank für seine großen Mühen und Opfer zum Besten der gesamten Menschheit – an den Pfahl der damaligen größten Schmach der Menschheit gehängt wurde!

4 Wie er, bin auch ich ein Sohn von Dir und aus Dir, so Du einer bist?! – Bist Du aber nicht und nirgends, außer im Bewußtsein der Menschen selbst, ist Deine Kraft nur jene, deren sich der Mensch bewußt ist, – dann freilich rede ich nur leere und fruchtlose Worte, und bin um mein ganzes Wesen für ewig betrogen, und das auf das Schändlichste! Warum aber mußte ich ein lebendes, meiner selbst bewußtes Wesen werden? Warum mußte irgend eine im endlosen Raume sich selbst ergriffene plumpe Idee in mir zum klarsten Ausdrucke des sich erfassenden Seins werden? – Ward ich denn eine Realität voll des hellsten Sichselbstbewußtseins etwa darum, um von einer andern füsiliert (standrechtlich erschießen von Soldaten) zu werden? – Verfluchter Zufall, der mich je in ein so elendstes Dasein versetzete! – Wenn es Teufel gäbe, arg und böse über jede menschliche Vorstellungskraft, so sollen sie doch jede wie immer Namen habende Kraft, die mich werden machte, für ewig zerstören! – –

5 O Menschen! o Menschen! – ihr betrogenen, armen Menschen, höret auf – euch fortzupflanzen! – Setzet nicht mehr lebende Wesen an eure Stelle zur Qual in die verfluchte Welt! – – Menschen, die ihr nun noch lebet, ermordet eure Kinder und euch, auf daß die verfluchte Erde leer werde von Menschen! – – O – erwürget ihr Machthaber alle, alle Menschen, und teilet dann die verfluchte Erde unter euch, auf daß ihr dann an ihr allein zur Genüge haben sollet! – – Aber umsonst, – umsonst ist mein Eifer; ein ewiger Sklave! – – Was kann ein Tropfen gegen des wogenden Meeres Allgewalt?! – Darum verstumme du eitle Sprache meiner Zunge; nur ihr Hände versuchet diesem elendsten Dasein ein Ende zu machen!« –

6 Nach diesen Worten macht er an sich Erdroßelungsversuche. – Er macht einige recht tüchtige Eingriffe in seine Kehle, aber natürlich ohne alle Wirkung; denn er greift sich gewisserart alle Male durch und durch, ohne nur eine auch nur allerleiseste Spur von irgend einer Erstickung zu verspüren! – Das macht unseren Mann stutzen, und er wird über diesen seinen Zustand stets begriffsverwirrter. Da es aber mit dem Erdroßeln gar nicht geht, da beschließt er anzufangen sich schnurgerade vorwärts zu bewegen; – denn, spricht er bei sich ganz erbost: – »finsterer und grundloser, als es hier ist, kann es wohl im ganzen endlosen Raume nirgends mehr sein; daher habe ich auch keinen Abgrund, und noch weniger irgend ein geheimes Gericht mehr zu befürchten; darum also nur vorwärts! – Vielleicht komme ich doch irgendwo zu einem Lichtschimmer oder zu einem erwünschten vollkommenen Tode?! –

7 O wie glücklich muß der Zustand eines vollkommenen Todes sein? – Wie glücklich muß ich gewesen sein, als ich nicht war, als ich kein Dasein fühlte, und kein freies Bewußtsein mein Wesen trügte?! – O, wenn ich doch nur wieder vollends vernichtet werden könnte! – Aber sei es nun, wie es werden will; so mir nur ein künftig möglich werdendes Nichtsein ein Gewinn ist, der vollkommene Tod ein Labsal, so gibt es auch nichts mehr, wovor ich mich fürchten solle, darum also nur vorwärts!«


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