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Kapitel 64

Robert Blum belehrt den Pathetikus. Derbes Zwiegespräch in der Wiener Mundart zwischen der Barikadenheldin (Lerchenfelderin) und dem Pathetikus

1 Der Pathetikus verläßt nun die Heldin, und begibt sich zum Robert Blum hin, und zeigt ihm ehrerbietigst an, was für zotige Wesen hier in der Geisterwelt sein erhabenstes Haus verunreinigen! Er möchte solche Wesen doch irgendwo anders hinbescheiden! –

2 Spricht Blum: »Mein schätzbarer Freund, das geht hier wohl durchaus nicht an! Sehen sie, wir wollten auf der Erde ja nichts anderes erreichen, als die volle Gleichheit unter den Menschen, und ihre vollste Gleichberechtigung in jeder Hinsicht und Beziehung! Was aber jedoch auf der Erde nicht zu erreichen war, bietet sich nun uns allen im vollsten Maße dar; und das ist ein wahres Geschenk, von Seite des allerhöchsten Beherrschers aller Himmel und aller Welten! Wollen sie nun unter der allerfreiesten Konstitution (Satzung), die uns hier Gott Selbst gibt, aber wahrhaft glücklich sein, so überschätzen sie nie ihren Menschenwert, und denken sie ja gewissenhaft, daß alle Menschen beiderlei Geschlechtes, die sie hier sehen, den ganz gleichen Gott zu ihrem Schöpfer und Vater haben, so werden sie diese Menschen dann wahrhaft lieben, und werden dafür wieder eine rechte Liebe finden, die hier allein das Glück aller bewirkt, so werden sie in der Folge nimmer, wie auf der Welt, zu Ehrenrichtern ihre Zuflucht zu nehmen brauchen, um vor den Beleidigern gerechtfertigt zu werden; sondern ihr eigenes Herz wird ihnen die allerbeste und allergültigste Rechtfertigung in den Herzen ihrer Brüder und Schwestern verschaffen! Übrigens haben sie sich darum gar nicht zu sorgen, ob mein Haus durch diese armen Wesen verunreinigt werde oder nicht; denn dafür ist schon gesorgt! Übrigens muß ich Ihnen offen bekennen, daß mir jene mundgeläufige Heldin lieber ist als sie; die ist, wie sie ist, eine Wienerin, und hat dabei ein gutes Herz; sie aber sind ein sogenannter Kaiserlich Königlich pensonierter Bomben- und Kartätschenphilosoph, der sich noch hier per sie titulieren läßt, ohne zu bedenken, daß wir hier alle Brüder und Schwestern sind! – Sagen sie selbst, wer mir hier teurer sein solle, sie oder jene Wienerin, in ihrer vollen Echtheit?!«-

3 Der Pathetikus verneigt sich vor dem Robert Blum, und spricht: »Wenn man hier eine solche Sprache gegen Ehrenmänner führt, da bitte ich, mir erlauben zu wollen, daß ich mich wieder hinaus in die Freie begeben darf; denn hier stinkt es vor Gemeinheit und Gesindel!«

4 Spricht Blum: »Mein Freund, in diesem Hause befindet sich niergends ein Kerker, noch irgend eine Fessel, außer die der Liebe; wollen sie sich diese nicht gefallen lassen, so können sie eben so frei wieder hinausgehen, als sie hereingekommen sind! – Nur das muß ich ihnen leider hinzu bemerken, daß es ihnen dann ein wenig schwer werden dürfte, so sie doch etwa wieder einen Appetit bekämen, herein in dies Haus der Liebe gehen zu wollen! Denn es könnte sehr leicht sein, daß sie dies Haus sobald aus dem Gesichte verlören, als sie den ersten Schritt in die äußere Freie täten! Sie wissen nun, woran sie sind, und was sie rechtens zu tun haben; aber sie sind frei, und können tun, was sie wollen!«

5 Der Pathetikus stutz nun, und weiß nicht, was er tun solle? – Aber unsere Heldin kommt schnell herzu, und spricht: »Gängens, gängens, und bleibens do, und sans nur neit gar so hopertaschi! Schans, i bin scho lang wieder gaonz guat! Mi hat holt a a bißel verdrossen, daß sei ehenter den lieben Herrgott goar alli Gnad und Barmherzigkeit hobn abspreche wölln, und do hob i ihne holt so meine Manung gsogt, woar aber gaonz gutherzi dabei; aber sei hätten mi gleich gfraßn vor Zorn, waons ihne war mögli gwest! Nocher sans mi a no klagen gangen, und hätte mi gerne gstrafft gsehen; aber der Herr Blum is holt a bißerl gscheider als wir zwa, und so habn's holt nix ausgricht, und verdießt's ihner hietzt! Aber lassens die Verdrießlichkeit; sans wieder guat, und bleibes do; nocher wird scho alls wieder guat werdn. Wir san ja lauter fehlerhaftige Menschen, und mieße deswegn holt mitanaond a bißl a Geduld hobn; wos war denn dos, waon mir als Geister hier a noch hopertaschi warn! Gängens nur wieder zu uns her; der alte Franz, der lang enker Stiefelputzer war, wird ihne schun wieder den Kopf zurecht bringen. No, sans no harb auf mi?« –

6 Spricht der Pathetikus: »Nein, böse gerade bin ich nicht auf dich; denn wahrlich, das würde mir zu keiner Ehre gereichen, auf dich böse zu sein, weil du gegen mich denn doch sozusagen nichts bist! Aber in eurer Mitte, wo die größte Gemeinheit herrscht, kann ich mich auch nicht mehr begeben; sondern ich werde mich hier im Kreise der Honoratioren aufhalten, und so gehe sie zurück!« – Spricht die Heldin: »Aber gebns ocht, daß den Honoratioren neben ihnen nit übel wird, sei eingebildeter Tapschädl sei; was glaubn's denn, was sei etwa da san?! I bin wuhl a recht lustiges Weaner Madl; aber schleacht bin i grod neit. Waon i aber für sei'n z'schlecht bin, da such's ihne holt a beßri aus! Dort stangetn glei a poar Dutzend; gehns hin, und probirns holt ehner Glück! Dei werde ihne schun soge, wie viel's etwa wert san!« –

7 Die Heldin begibt sich wieder in die Mitte der ihrigen; der Pathetikus aber rümpft seine Nase, und macht, als so er auf die mundläufige Heldin gar nicht geachtet hätte. –


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