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Kapitel 36

Robert fühlt sich verletzt und wird erbost, aber er erwärmt sich dabei, und bittet um Nachlaß von Beichtsachen und um ein »a bisl besseres Sein«

1 Spricht Robert: »Liebster und wertester Freund! So viel ich's merke, da wirst Du so ein wenig anzüglich, und mitunter auch etwas beleidigend! Es ist das wohl so eine Eigenschaft, die nahe allen Lehrern, mögen sie groß oder klein sein, anklebet; denn alle durch die Bank sind bei gewisser Gelegenheit etwas grob, und deuten ihren Zöglingen wenigstens per circumstantias varias ambagesque manchmal so ganz leise an, daß diese dem Geschlechte jener sanften und geduldigen Gattung der Tiere angehören, die mit den großen Weltweisen so manches Ähnliche haben sollen! Wenigstens weiß die Weltgeschichte kein Beispiel aufzuweisen, daß ein solches Tier je irgend ein Lamm zerrissen hätte! Nach Blut also lechzen diese Tiere niemals, wohl aber nach Heu und Stroh! – Diese sehr magere Kost soll zur Bildung des Gehirnes nur einen geringen Beitrag leisten, daher auch sollen diese Tiere durch die Bank im Kopfe verdammt wenig jenes breiartigen weißlichten Stoffes besitzen, an dem der Kopf des Sokrates einen überschwenglichen Reichtum gehabt haben solle?!

2 Und – da Du mir nun denn auch eben nicht gar zu schwer verständlich angedeutet hast, wie es da um mich her, wie an und in mir so – weißt Du, gewisserart – leer ist, wie etwa in dem Haupte des Vierfüßlers, der seinen Lebensäther aus Heu und Stroh beziehet, so kann ich wirklich nicht umhin für die Folge zu bitten, daß Du, so ich schon durchaus ein Esel bin, mir das so ganz deutsch ohne vorhergehende Umschreibung glattweg heraussagest! Denn so Du in mir denn im Ernste nichts findest, das da zu irgend einem weiteren Ausbaue meiner Erkenntnisse taugete, – wenn in mir kein anderer Stoff vorhanden ist, als wie etwa in dem Haupte eines Esels, so sage es mir ohne Vorbehalt heraus, und ich werde mich darob gar nicht kränken; denn wo nichts ist, da ist einmal nichts!

3 Ich sehe es wohl ein, daß der nun von Dir mir übergründlich erläuterte innere Glaube in mir nie zu Hause war, wie ich es Dir schon früher einmal bemerket habe; aber was kann ich denn dafür, so mir bis jetzt die Sache des wahren Glaubens von niemanden ist erläutert worden?! Wäre da an der Stelle des Hegels jemand aufgetreten und hätte mir nach Deiner Art Belehrungen gegeben, da wäre auch ich sicher kein Hegelianer, und noch weniger ein Straußianer geworden, sondern ich stünde gleich einem Paulus vor Dir;

4 aber da das durchaus nicht der Fall war, und meines Wissens wohl niemanden je ein Gedanke durch sein Gehirn gefahren ist, daß der Mensch auch im Herzen, ja am Ende vielleicht gar auch in den Knien und Fersen solle denken können, so mußte ich ja doch dort meine Gedanken fassen und regeln, wohin sie in mir die liebe Mutter Natur beschieden hatte. Auf der Welt dachte ich im Kopfe also: Jedes Glied und jeder Bestandteil des menschlichen Wesens hat seine eigene Bestimmung und zweckdienliche Verrichtung; die Füße können nicht die Hände ersetzen, der Hintere nicht den Kopf, der Inhalt des Magens nicht den des Kopfes, das Ohr nicht den Dienst des Auges, und das Herz nicht den der Zunge; daher dachte ich denn auch nur im Kopfe, und ließ dabei dem Herzen seine Verrichtung ganz unbeirret, und das darum, weil es mir auch nicht einmal in einem Traume eingefallen ist, daß der Mensch auch im Herzen solle denken können! So ich aber darum leer hierher gekommen bin, kann ich etwas darum?

5 Wenn Du nun aber von mir Dinge verlangen möchtest, deren ich auf der Welt wohl niemals habe teilhaftig werden können, so bist Du ja doch offenbar – trotz aller Deiner Weisheit – um 1.000 Male blöder als ich und wirst mir für die Folge wenig oder nichts nützen können!

6 Es ist auch sogar läppisch von Dir, mir hier meine irdische, wahrlich nur seltene Schwelgerei und Venusdienerei vorzurupfen, und sie zugleich als einen Grund anzuführen, dessen wegen ich nun hier also leer, wie Du mich findest, vor Dir mich befinde. Wenn solche Genüsse, die in die Natur des Menschen also geleget sind, wie der Keim in das Samenkorn, vor Dir eine Sünde sind, warum sind sie denn dann in den Menschen geleget worden?

7 Man sagt doch von einem Löwen, daß er kein Mückenfänger ist; denn das Bewußtsein seiner großen Kraft sagt ihm: Meister, es ist nicht löblich, dich mit solchen Kleinigkeiten abzugeben! – So Du aber nicht nur einer der größten Weisen bist, die die Erde je getragen hat, sondern sogar die große, allmächtige Gottheit Selbst, wie Du mir im Verlaufe unseres diesfälligen Beisammenseins schon einige Male eben nicht zu undeutlich hast zu verstehen gegeben, da ist es mir wahrlich unbegreiflich, wie Du solcher Kleinigkeiten gedenken magst, die ich als ein bloßer Mensch, selbst zur Zeit kaum eines näheren Denkens würdigte, so ich mich auf Augenblicke in ihrem leidigen Genusse befand?!

8 Der Mensch ist seinem Leibe nach ein Tier, und hat da auch leider tierische Bedürfnisse, deren Befriedigung ihm elend genug die leidige Natur mit einer eisernen Hand diktiert; findet er in sich einen unwiderstehlichen Drang, gegen den alle geistigen Vorstellungen nichts auszurichten vermögen, so ist es ja des Geistes, der im Fleisch wohnet, unerläßliche Pflicht, dem Fleische seinen Naturdrang befriedigen zu lassen, um sich dann in der eigenen rein geistigen Sphäre wieder freier bewegen zu können!

9 Wenn der Geist also dem Muß in seinem Fleische, und zwar in dessen Drangperioden nachkommt; wenn er den Kot durch den Darmkanal von sich treibt, wenn er den Leib urinieren läßt, wenn er Speise und Trank zu sich nimmt, wie sie dem Fleische schmecken, wenn er ferners den lästigen Geschlechtstrieb, so dieser sein Opfer verlangt, auch nach Möglichkeit befriedigt, um dadurch wieder einige Stunden Ruhe vor ihm zu haben; sage – kann das wohl je als eine Sünde deklariert werden?! und ganz besonders hier, wo wir beide hoffentlich für ewig von solcher groben Naturlapalie verschont bleiben; denn ohne Fleisch werden wir im Dienste des Fleisches wohl sicher ein ganz verdammt schlechtes Gesicht machen!? Reden wir daher von was anderem, und lassen all' die vergangenen Naturfetzen das und dort sein, was und wo sie sind!

10 Reden wir z.B. einmal etwas vom gestirnten Himmel! Das wird mich mehr erbauen, als die Aufwärmung meiner weiland – Naturfetzerei! –

11 Schau, Du mein liebster und höchst wertester Freund und Gott, und alles, was Du mir gegenüber nur immer sein willst! Ich kann mich zwar über mein gegenwärtiges Befinden gar nicht beklagen; denn ich bin weder durstig noch hungrig; mein ganzes Wesen plaget kein Schmerz, und an Deiner Gesellschaft habe ich für die Ewigkeit genug; aber – so wir zu unseren gegenseitigen Belehrungsdebatten nur ein ums kennen besseres Plätzchen irgendwo ausfindig machen könnten, so wäre das wirklich gar nicht übel! Denn hier sieht es schon ein für alle Male etwas zu luftig, ja man könnte sagen, zu nichtsisch aus! Außer diesen Putterbergleins, auf denen wir nun schon eine geraume Zeit beisammenstehen, ist nirgends etwas von irgend einer Wesenheit zu entdecken. Wenn wir nur irgendwo so ein Rasenplätzchen mit etwa einem ganz schlichten Landhüttchen entdecken könnten, und dasselbe für bleibend in den Besitz nehmen, so könnten wir daselbst unsere für mich wenigsten äußerst interessanten Debatten mit vielmehr Animo (Gemütlichkeit) vornehmen und durchführen!?

12 Besonders interessant wären da Worte von großer Bedeutung über die Sonnen und verschiedenen anderen Weltkörper zu wechseln!? Aber nur nichts mehr von den – Gott Lob weiland – irdischen Lebensverhältnissen! Denn diese könnten mich mit größtem Hasse und Widerwillen erfüllen, so zwar, daß ich am Ende sogar mit Dir ganz und gar über nichts mehr zu reden imstande wäre! Wenn es Dir alsonach möglich wäre, für uns beide ein solches Plätzchen ausfindig zu machen, da sei von mir über alle Maßen gebeten – dafür Deine Sorge und Weisheit in die gehörige Tätigkeit zu versetzen!«


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