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Kapitel 8

Fortsetzung des sonderbaren Selbstgespräches. Robert Blum sehnt sich nach dem Tod. Bewußtsein des Lebens, neue Racheregungen, Lob des Deutschtums, etwas vom Vergeben, und damit Erleichterung, seine Gedanken wenden sich zu Jesus und dabei blitzt es erneut

Am 10. Dezember 1848

1 Robert Blum: »Oder, – sonderbarer Einfall, – sage noch einmal oder, oder, oder, und noch einmal oder – – sollen – etwa – diese – zwei Blitze – bloß in meiner Phantasie vorgekommen sein, und zeigen sie vielleicht an, daß es mit mir in diesem Nichts nun bald völlig zu Ende sein werde?! – Ja, ja, es kann auch so was sein; denn da ich nun dies armselige Leben so ein wenig hab' lieb zu gewinnen anfangen, da wird es sicher bald gar sein mit ihm!? Das ist ja schon eine gar uralte Weisheitsregel, daß derjenige sein Leben am leichtesten, am ehesten verliert, der es liebt; – man rufe nur den Tod, und wünsche ihn sehnlichst, da kommt er sicher nicht; fürchtet man sich aber vor ihm, und wünschet es von ganzem Herzen, daß er noch sehr lange ausbleiben möchte, da kommt er aber auch sicher am ehesten! – Daher muß ich schon wieder nach dem völligen Tode zu seufzen und meine baldigste und vollste Vernichtung aus allen meinen noch vorhandenen Kräften zu wünschen und zu begehren anfangen, so darf ich vollends sicher sein, daß mich der wahre Tod noch nicht gar zu bald beim Kragen haben wird!

2 Wahrlich, das ist ein recht guter alter Spruch! – »Wer das Leben liebt, der wird es verlieren; wer aber sein Leben verachtet, der wird es erhalten!« – Bei mir ist das nun schon einmal der Fall; denn nur aus der allermännlichsten Lebensverachtung habe ich, aus Liebe zu allen meinen deutschen Brüdern, mich in die größten Gefahren begeben; wurde da von blinden Häschern aufgegriffen und höchst wahrscheinlich am Ende denn doch durch Pulver und Blei hierher befördert!? – Windischgrätz meinte sicher, daß er mich hingerichtet hat!? – Aber – ich lebe; ich Robertus Blum lebe, lebe dir zum Gerichte, dir und deiner Dynastie zum Untergange! –

3 Freilich bin ich jetzt noch ohnmächtig; aber es sagt mir ein inneres Gefühl: Robert, du wirst bald stark und mächtig werden, zu sühnen dein ehrlich und deutsches Blut an diesen gemeinsten Mördern und Henkern! – Ja, ja, ja, Robert, du wirst wieder stark, sehr stark wirst du! Als du lebtest auf der Erde tückischem Boden, da warst du nur einfach in dir selbst zu Hause; nun aber lebest du in Millionen Herzen deiner Brüder, und lebest in dir selbst auch noch in der Wirklichkeit! Daher zage nicht, Robert! du wirst noch sehr stark und mächtig werden! –

4 Freilich wäre es besser, wenn ich schon jetzt stark wäre, wo noch mein Zorndurst und Rachedurst in der vollsten Glut sich befindet; denn jetzt könnte ich wohl mit der größten Kälte für jedes Härchen meines Hauptes 10.000 Jahre meine Mörder auf das allerfurchtbarst Schrecklichste martern sehen; aber so sich etwa nach und nach in dieser Nacht mein Zorn und meine Rache legen sollen, und ich darauf erst erstarken solle, da bleibe ich schon lieber in meiner gegenwärtigen Schwäche stecken und will an meiner Statt das Fatum walten lassen. – –

5 Es ist überhaupt merkwürdig, daß ich nun meinen doch allergerechtesten Zorn und mein Rachegefühl nicht halten kann! – Es umwandelt sich machmal ganz in eine Art von großmütiger Vergebung, was mich sehr ärgert, da mein Gefühl einen solchen Charakter annimmt. Aber im Grunde, wenn ich so die Sache recht fasse, ist das denn doch eigentlich wieder deutsch, ja echt deutsch ist das; denn nur dem Deutschen ist es eigen, ja dem großen Deutschen nur! – Nur der Deutsche kann vergeben! – und das ist auch eine große und herrliche Tugend, die den edelsten Seelen nur eigen ist; und das sind deutsche Seelen, große deutsche Seelen!

6 Wer kann zu seinem Mörder sagen: »Freud! du hast Übles an mir getan; aber ich vergebe es dir vom Grunde meines Lebens!« – Das kann nur ein Deutscher; das kann Robert! – Ja, Robert kann es nicht nur, – er tut es auch! – Bruder Alfred, der du mich hast schändlich ermorden lassen, ich vergebe es dir, und will an dir ewig keine Rache nehmen, und könnte ich sie auch tausendfach! Ja, höre es ganz Deutschland! Der Robert, euer einziger Robert, hat seinem, und also auch deinem Feinde Alfred die Untat vergeben! –

7 Ach, nun ist's mir auf einmal leichter! – Hm, ja, ich bewundere nun selbst meine Größe, und das ist ein großes Labsal für mich; zwar sagt die Mythe das wohl von dem großen Völkerlehrer, der auch am Kreuze seinen Feinden alle ihre Untat vergab; aber es war in ihm sicher auch eine echt deutsche Seele zu Hause, sonst wäre er solcher Charaktergröße wohl kaum fähig gewesen; denn den Orientalen ist so eine Großmut wohl nie eigen gewesen! Ja, ja, der große Lehrer Jesus – war auch ein Deutscher!« –

8 Bei Nennung des Namens Jesus fährt wieder ein mächtigster Blitz vom Aufgange bis zum Niedergange und läßt nach dem Untergange einen leuchtenden, bleibenden Schimmer eines eigens graulichen Leuchtens zurück, was unseren Robert sehr befremdet, und er nun schon wieder mit seiner früheren Gewittererwartung sozusagen ganz breit geschlagen ist.


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