Robert Kraft
Die Vestalinnen, Band 3
Robert Kraft

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32.

Das Medaillon.

Der letzte Abend in Afrika war gekommen, und wie es die Besatzungen des ›Amor‹ und der ›Vesta‹ gewöhnlich zu tun pflegten, wenn sie ein Land verließen, so sollte auch diesmal der Abschied durch ein Fest gefeiert werden, zu welchem jeder geladen wurde, der die Damen und Herren unterstützt oder sonstwie Teilnahme für sie gezeigt hatte.

Als der Ort des Festes war die Faktorei von Mister Selby auserkoren worden, der bereitwilligst Hof, Garten und Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt hatte, umsomehr, als, wie er selbst lachend erklärte, doch er den grüßten Nutzen von dem Besuche hatte. In Mgwana gab es weder ein Hotel, noch größere Kaufmannsläden. In afrikanischen Städten werden beide meist nur durch Faktoreien vertreten, und so mußte Mister Selby auch den Wein, das Flaschenbier und sämtliche Delikatess liefern, die er vorrätig hatte. Ein mit Geldmitteln gut versehener Afrikareisender kann mitten im schwarzen Erdteil also ebensogut Steinpilze, Spargel, Kompot, junges Gemüse aller Art und so weiter essen, wie im feinsten Hotel Europas, das heißt, wenn ihm die Pagazis mit den Sachen nicht weglaufen, oder wenn es einem Negerhäuptling nicht beliebt, diese köstlichen Gerichte für sich zu beanspruchen.

Niemand war bei dein Feste vergessen worden, der bei der Expedition geholfen oder sich daran beteiligt hatte. Den fünfzig Pagazis war der Hof eingeräumt worden, und dort feierten sie unter der Aufsicht von Goliath und David den Abschied der Musungus, aber die beiden Führer brauchten heute die Rhinozerospeitsche nicht anzuwenden, denn die Neger ließen sich nicht lange nötigen, die Unmenge von gebratenen Schafen, Ziegen und Kälbern, von Pembe und Wein zu vertilgen. Um die Verdauung zu fördern, oder vielmehr, um sich wieder neuen Hunger zu machen, wurde von Zeit zu Zeit gesungen und getanzt, wozu die schwarzen Dorfschönen herangezogen wurden.

Fast ebenso laut und fröhlich, wenn auch etwas sittsamer und weniger gierig, ging es in den Gemächern der Villa und besonders im anschließenden Garten zu.

Hier hatten sich die Vestalinnen, die Herren des ›Amor‹ und die Beamten versammelt, um die morgende Abfahrt der beiden Schiffe würdig vorzubereiten. Kapitän Hoffmann hatte sich mit seinen Steuerleuten und Ingenieur Anders ebenfalls eingefunden, und spät des Nachts erschien auch Yamyhla nebst einigen befreundeten Amazonen auf schaumbedeckten Pferden.

Berittene Boten hatten schon Tage zuvor diese kriegerischen Weiber eingeladen.

Es wurde lebhaft bedauert, daß Marquis Chaushilm an dem Feste nicht teilnehmen konnte, aber immerhin war man doch schon vergnügt darüber, daß jede Lebensgefahr für ihn vorüber war, und auf der See, in frischer Salzluft, würde er sich nach Aussage eines Arztes sehr schnell erholen.

Ueber Hope und Hannes zu sprechen, war streng verboten worden. Die Mißstimmung, welche die Flucht der beiden jungen Leute erzeugt hatte, war vorüber. Kapitän Staunton hatte gesagt, er wolle sein möglichstes tun, um die beiden heißblütigen, unbedachtsamen Leutchen an einer Heirat zu hindern, und so galt die Sache, vorläufig wenigstens, für erledigt. Zur Benutzung während der Abendstunden war für die Beamten im Garten eine Kegelbahn errichtet worden, und jetzt belustigte sich eine Gesellschaft von Herren und Damen damit, beim Scheine von Laternen die Kugeln zu werfen. Die Herren hatten es sich bequem gemacht, ihre Oberröcke ausgezogen und kegelten in Hemdsärmeln. Sie hatten sich den Damen gegenüber schon oft in anderer Toilette gezeigt, durch zwingende Not veranlaßt, warum sollten sie es jetzt nicht auch einmal tun, wo es galt, die Damen zu überwerfen, und außerdem ist das Ablegen des Oberrockes in England sehr gebräuchlich, selbst in Damengesellschaft tut man es nach erhaltener Erlaubnis.

Die Partie, welche zu Gunsten der Herren ausfiel, neigte sich dem Ende zu. Einige der letzteren brauchten schon nicht mehr zu werfen. Da kam ein Neger gelaufen, der mit bei der Expedition gewesen war, fragte nach Mister Davids und überreichte ihm ein kleines Billet.

John Davids las es, steckte es in die Westentasche, nahm seinen Rock vom Nagel, zog ihn an und verließ die Gesellschaft.

Gleich darauf tat Lord Harrlington seinen letzten Wurf, und, vom Spiel erhitzt, zog auch er seinen Rock an und entfernte sich, um durch Spazierengehen im Garten sich abzukühlen.

Dieser war mit Palmen und anderen exotischen Gewächsen bepflanzt; aber diesem Teile schloß sich ein anderer an, welcher das Aussehen eines Waldes hatte oder wirklich ein solcher war, nur daß das Unterholz abgeschlagen und dadurch ein wohlgepflegter Park entstanden war.

Hierher lenkte Harrlington seine Schritte.

Träumerisch wandelte er in dieser Säulenhalle von alten Stämmen, er achtete nicht, wie es sonst sein für Naturschönheit empfängliches Gemüt tat, auf die Leuchtkäfer, die durch die Blätter huschten, gegen die Bäume stießen und wie feurige Funken zu Boden fielen, dann im Grase weiterkriechend, auf das monotone und doch so melodische Zirpen der Heimchen, von denen Afrika ganz andere Arten aufzuweisen hat als Europa; er achtete auch nicht auf das fröhliche Lachen und Scherzen, welches zu ihm Herüberdrang, sondern sein Ohr hatte nur Aufmerksamkeit für den traurigen, klagenden Ruf eines Nachtvogels, denn dieser paßte zu den Gedanken, die ihn durchwühlten.

Ach, wo waren sein Uebermut, seine Lebenslust geblieben? Mit welchen Hoffnungen hatte er diese Weltreise angetreten, wie unaussprechlich hatte er sich gefreut, als ihm damals Ellen erlaubte, ihr nachzusegeln, als sie ihm in Konstantinopel so warm die Hand gedrückt, sich bei ihm herzlich bedankt hatte!

Und nun? Vorbei, vielleicht für immer!

War er daran schuld? Nein, er hatte sich wohl einmal schwach gefühlt; aber dafür war er ein Mensch, er hatte die Schwäche überwunden, bereut und sie durch sein ferneres Handeln wieder gut zu machen gesucht. Wenn sie ihm nur einmal, einmal eine Unterredung gewähren wollte, dann würde alles wieder gut werden! Ja, er durfte den Mut nicht verlieren. Er war ein Mann, fühlte sich frei von jeder Schuld, und noch hatte er Aussicht, Ellen zu gewinnen. Warum auch nicht? Er liebte sie mit aller Kraft seiner Seele, sie hatte ihn auch geliebt, und wer wußte, vielleicht liebte sie ihn noch jetzt, sie zeigte dies nur nicht, weil sie sich einst hintergangen glaubte – sie hatte ihr Unrecht eingesehen, schämte sich aber, sich ihm wieder zu nähern – des Weibes Herz ist ja unberechenbar.

Plötzlich sah Lord Harrlington das liebliche Spiel der Leuchtkäfer. Sein Ohr hörte wieder das fröhliche Lärmen seiner Freunde, und sein Herz begann sich auch plötzlich mit Lebenslust und Hoffnung zu füllen.

Da huschte hinter einem Baume plötzlich eine Weiße Gestalt hervor, auf den einsamen Spaziergänger zu. »Endlich,« flüsterte eine Stimme, »ich fürchtete schon, Sie hätten das Billet nicht erhalten, Mister Davids. Es hat doch niemand etwas davon erfahren?«

Wie erstarrt stand Lord Harrlington da, er fühlte, wie eine eiskalte Hand in sein Herz griff und das wieder tötete, was nach langem Winterschlaf die ersten Keime zu treiben begann.

»Sie sind im Irrtum, Miß Petersen,« sagte er kalt, »ich bin nicht Mister Davids.«

»Entschuldigen Sie, Lord Harrlington, ich habe Sie verkannt,« klang es ruhig dem Abgehenden nach.

»Ihr Bäume, zersplittert und stürzt über mich! Fort, fort, nur fort aus ihrer Nähe!«

Wie ein Wahnsinniger stürzte Lord Harrlington davon, wie ein Feuermeer glühten die Glühwürmer vor ihm, wie Posaunenschall drang ihm das Zirpen der Heimchen ins Ohr, und jener Jubel dort war das Hohngelächter der Hölle. Harrlington preßte beide Hände gegen den Kopf, der ihm zu springen drohte; es flimmerte ihm vor den Augen, er sah nichts mehr, er fiel, raffte sich wieder auf, rannte gegen einen Baumstamm und blieb endlich erschöpft auf einer kleinen Waldblöße liegen.

Nach und nach kam er wieder zu sich, er fühlte, daß er jetzt eben dem Wahnsinn nahe gewesen war. Wäre dies doch geschehen, denn in dem sich aufhellenden Gehirn tauchten Gedanken auf, die ihn abermals an den Rand des Wahnsinns brachten.

»Ellen! Ellen!« Das war sein einziger Gedanke.

»Habe ich das um dich verdient, Ellen, daß du mich beiseite wirfst, um einen anderen vorzuziehen?«

Gern wäre er wieder aufgesprungen, aber die Glieder versagten ihm den Dienst, er war wie gelähmt. Und das war ein Glück, er konnte nicht mehr den Schmerz durch wahnsinniges Rennen im finsteren Walde dämpfen; ein Tränenstrom brach aus seinen Augen und erleichterte ihm das Herz. »Ellen,« schluchzte er. »Also so weit sind wir gekommen! Das ist das Ziel, das ich auf dieser Reise erreicht habe! Ist es denn nur möglich? Aengstigt mich nicht ein furchtbarer Traum? Nein, ich bin in Afrika, im Garten der Faktorei, dort, dort stand Ellen und erwartete einen anderen, begrüßte mich mit fröhlicher Stimme als diesen. »Endlich« rief sie, »ja endlich, endlich!«

»Und das ist meine Ellen, der ich Jahr und Tag nachgefolgt bin, die ich gehütet habe wie meinen Augapfel, der zuliebe ich mir das Fleisch Stück für Stück mit glühenden Zangen vom Körper reißen lassen will, ehe ihr nur ein Haar gekrümmt wird; das ist jene Ellen, für die ich Tag und Nacht gesorgt habe, an welcher alle meine Gedanken hängen! Ist es nur möglich?«

Vor seinen Augen tauchte sie auf, die schlanke, prächtige Gestalt mit den junonischen Schultern, dem herrlichen Nacken, dem kleinen, stolz getragenen Kopf, den kalten und doch so tiefblickenden Augen, in denen ein Meer von Glück und Wonne liegen konnte, wenn sie lachte.

Er hatte ja eine Photographie Ellens bei sich, jene, welche ein Straßenräuber in Konstantinopel verloren. Sie hatte ihm dieselbe geschenkt; kein anderer konnte sich rühmen, ihr Bildnis zu besitzen, er hatte es wie einen Talisman auf dem Herzen getragen.

Ach, das war noch eine glückliche Zeit gewesen!

Langsam griff der auf der Waldlichtung im Mondenschein liegende, weinende und schluchzende Mann in die Brusttasche, um die Photographie hervorzuziehen.

Da – was war das, – da zuckte plötzlich seine Hand zurück, als wäre in seiner Brust eine Schlange gewesen und hätte ihn in die Hand gebissen. Doch schnell griff er abermals hinein, und diesmal brachte seine Hand ein kleines Medaillon an einer goldenen Kette zum Vorschein.

Wie kam dieser Gegenstand in seine Tasche? Harrlington brauchte nicht lange nachzusinnen, bald hatte er die Lösung gefunden.

Richtig, er hatte schon öfters bemerkt, daß John Davids um seinen Hals eine goldene Kette trug, man sah sie manchmal blitzen, wenn er sich bückte. Einige behaupteten, an dieser trüge er das, was ihn so ernst und tiefsinnig stimme.

Vorhin sah nun Harrlington beim Kegelspiel, wie Davids nach einem Wurfe plötzlich mit der Hand an den Hals griff, sich umdrehte und etwas von der Brust zog.

Niemand sollte es sehen, aber zufällig hatte es Harrlington doch wahrgenommen.

Dann ging Davids dahin, wo sein Rock hing und steckte etwas in die Seitentasche; es war das Medaillon mit der gesprungenen Kette gewesen.

Nun entsann sich Harrlington, daß Davids ganz genau denselben Ueberrock trug, wie er selbst, und so hatte er also das Medaillon versehentlich in Harrlingtons Rock gesteckt. Dann hatte Davids den seinen angezogen, ohne den Irrtum gemerkt zu haben.

Jetzt hielt Harrlington den Gegenstand in der Hand, welches die Ursache des geheimen Leidens John Davids enthalten sollte. Harrlington lächelte, besaß er nicht auch ein Herzleiden? Aber das konnte nicht in ein Medaillon gefaßt werden.

Mein Gott, Davids!

Jetzt zuckte es Harrlington erst wieder durch das Gehirn, daß es ja dieser Mann war, den Ellen ...

Wie durch eine geheimnisvolle Kraft getrieben, mußte Harrlington die goldene Kapsel öffnen. Einmal, zweimal glitten die zitternden Finger ab, dann aber knackte es, der Deckel öffnete sich, und der bleiche Mond beleuchtete das Bild – Ellens.

Noch bleicher als das Mondlicht wurde Harrlingtons Antlitz. Mit entgeistertem Auge starrte er in die lieblichen Züge, die ihn aus einem zierlichen, in Oel gemalten Miniaturbild entgegenlächelten. So hatte sie gelächelt, als sie dem Besitzer des Medaillons das kleine Bild gegeben hatte.

Plötzlich umnachtete sich wieder das Auge des Lords, und wie Posaunenschall schmetterte ihm Miß Morgans Stimme die Worte ins Ohr: »Er ist ein Mann, welcher keine Leidenschaft kennt, alles an ihm ist Ruhe, Kälte und Ueberlegung, und so liebt er auch das Mädchen, welches die gleichen Eigenschaften besitzt. Er beobachtet nur, hat er aber gefunden, daß das Mädchen seiner Wahl für ihn geeignet ist, so geht er direkt auf sein Ziel los, besiegt alle Schwierigkeiten, alle Hemmnisse und ruht nicht eher, als bis er es erreicht hat. So unschuldig Mister Davids auch scheinen mag, er ist ein für Frauen ganz gefährlicher Charakter. – Beobachten Sie ihn, und vor allen Dingen beobachten Sie Miß Petersen selbst!«

Da löste sich von einem Baum ein dunkler Schatten los und kam mit elastischen Schritten über die Lichtung gegangen. Lord Harrlington sprang auf und stand mit einem Satze vor dem Manne, mit dem er sich eben in Gedanken beschäftigt hatte, vor John Davids.

»Lord,« sagte Davids leise und hastig, »ich habe Sie belauscht, Sie irren sich, ich ...«

»Schweigen Sie,« herrschte Harrlington ihn an, »kennen Sie dies Medaillon hier?«

Damit hielt er ihm die Kette vor die Augen. Davids änderte plötzlich sein Benehmen, er richtete seine Gestalt hoch auf, und seine Stimme klang ruhig und kalt, als er antwortete:

»Es ist das meine.«

»Wie kommen Sie zu dem Bilde?«

»Darüber bin ich Ihnen keine Rechenschaft schuldig!«

Harrlington knirschte die Zähne aufeinander.

»Was hatten Sie vorhin mit Miß Petersen zu tun?« stieß er mit finsterer Stimme hervor.

»Ich finde Ihre Frage sehr sonderbar, Lord, doch will ich keine Beleidigung darin sehen.« Mit zuckender Hand fuhr Harrlington in die Tasche, Daids sah einen Gegenstand in seiner Hand blinken und sprang auf Harrlington zu, ihm in den Arm fallend.

»Beherrschen Sie sich Lord,« raunte er ihm zu, »ich beschwöre Sie! Begehen Sie keine Torheiten, es liegt ein Irrtum vor.«

Aber mit eiserner Kraft befreite sich Harrlington aus der Umfassung und packte Davids.

»Schurke, verräterischer Schuft!« zischte Harrlington, während beide mit der Kraft der Verzweiflung Brust an Brust rangen. »Gib mir Ellen wieder, du hast mir sie geraubt. Du oder ich, einer von uns muß bleiben.«

Ein Schuß krachte, Harrlingtons Arme fielen schlaff herab, er taumelte einige Schritte zurück und sank dann zu Boden. Zwischen beiden lag ein noch rauchender Revolver.

Im nächsten Augenblicke kniete Davids neben den mit geschlossenen Augen im Grase Liegenden.

»Lord,« flüsterte er hastig und schüttelte ihn an der Schulter, »kommen Sie zu sich. Ich erkläre Ihnen, wie ich zu dem Bilde gekommen bin – es liegt ein furchtbarer Irrtum vor – beim allmächtigen Gott, ich schwöre Ihnen, ich bin Ellen mit keinem Worte zu nahe getreten – sie liebt mich nicht – wir lieben uns nicht – ich will Ihnen etwas sagen, was Sie mit Jubel erfüllen wird – Ellen liebt Sie, mehr denn je – James, ermannen Sie sich – lassen Sie uns Freunde sein – einen treueren als mich finden Sie nicht.«

»Halloh, was ist los, was gibt's hier?« ließen sich da Stimmen vernehmen, und aus dem Walde traten zwei Gestalten.

John Davids war schnell aufgestanden.

»Sir Williams, Sir Hendricks,« rief er leise, »gut, daß Sie kommen.«

»Wie?« rief Williams, den Revolver am Boden erblickend. »Sie haben sich wohl duelliert? Lord Harrlington!« rief er erstaunt.

»Nicht so laut,« warnte Davids, »wir haben uns nicht duelliert. Lord Harrlington zeigte mir seinen Revolver, eine Patrone war stecken geblieben, ich nahm ihn, und während ich ihn untersuchte, wurde Harrlington plötzlich unwohl, fiel zu Boden, stieß mich, und der Schuß ging los. Das ist alles.« Williams warf dem Sprecher einen seltsamen Blick zu, dann beschäftigte er sich mit dem bewußtlosen Lord, ebenso wie Hendricks.

»Ist er verwundet?« fragte er leise.

»Nein, nein, nur bewußtlos, er hat eine starke Nervenerschütterung gehabt. Bitte bringen Sie ihn an Bord!«

Lord Harrlington kam schnell wieder zum Bewußtsein, er stand auf und blickte verstört um sich.

»Ist Ihnen besser, Lord?« fragte Davids, ruhig auf ihn zutretend.

»Ja. Begleiten Sie mich an Bord, Sir Hendricks,« murmelte er.

»All right, stützen Sie sich auf mich,« sagte dieser und bot ihm seinen Arm.

Obgleich die beiden Zuletztgekommenen nicht wußten, was eigentlich vorgefallen war, stellte doch keiner eine Frage.

Schwer lehnte sich Harrlington auf den Arm seines Freundes und ging einige Schritte. Dann blieb er plötzlich stehen und wandte sich um.

»Davids,« sagte er leise.

Sofort kam der Gerufene auf ihn zu, ergriff die dargebotene Hand und schüttelte sie herzlich.

»Sie haben verstanden, was ich vorhin zu Ihnen sagte?« fragte er.

Lord Harrlington nickte nur.

»So gehen Sie an Bord und erholen Sie sich, Sie haben schwer gelitten. Ich bleibe hier, gesprochen wird nichts darüber.«

Harrlington raffte sich auf und entfernte sich dann mit Hendricks.

»Ist er nicht verwundet worden?« fragte Williams, als beide verschwunden warm.

»Nein,« antwortete Davids, streifte den linken Rockärmel zurück und hielt den entblößten Arm Williams hin. »Bitte verbinden Sie mir den Arm!« Wortlos nahm Williams sein Taschentuch und legte den Verband an.

Dann bückte sich Davids, hob vom Boden den Revolver und eine Kette auf, steckte beides zu sich und sagte dann zu seinem Freunde:

»Kommen Sie, Sir Williams, wir wollen die Gesellschaft aufsuchen. Ich erkläre Ihnen später alles, wenn Zeit dazu ist.«

»Ich hätte nicht geglaubt, daß Lord Harrlington eine so schwache Natur hat,« meinte Charles kopfschüttelnd.

»Eine schwache Natur hat er, sagen Sie? Ich glaube, nur wenige hätten das aushalten können, was er ausgehalten hat, ohne wahnsinnig zu werden. Ich hätte es nicht ertragen können.«

Eben hatten die beiden die Gesellschaft erreicht, als einige Böllerschüsse ertönten, und es plötzlich von allen Seiten zu prasseln und zu zischen begann. Ueberall fuhren Raketen in die Höhe, auf dem Waldboden, im Garten, auf dem Hofe sprangen feurige Frösche herum, an den Bäumen drehten sich Feuerräder, und die Nacht wurde von bengalischen Flammen erleuchtet.

Die Neger gebärdeten sich wie unsinnig, fast rannten sie sich selbst die Köpfe ein, dann warfen sie sich auf den Boden und heulten vor Entsetzen.

»Wer hat das Feuerwerk arrangiert?« wurde die Frage laut.

»Mister Davids und ich,« entgegnete Ellen fröhlich, »wir haben vereint daran gearbeitet. Ich wollte nur einmal die entsetzten Gesichter der dummen Neger da bei sehen.«


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