Robert Kraft
Die Vestalinnen, Band 3
Robert Kraft

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28.

Die Nebenbuhlerinnen.

Miß Sargent, das stille Mädchen mit dem feurigen Herzen, war zur Jagd aufgebrochen. Sie hatte nicht weit vom Lager am Flusse eine stattliche Anzahl von Pelikanen, jener eigentümlichen Vögel mit der Beuteltasche am unteren Schnabel, gesehen und wollte wenigstens einen davon ausgestopft in die Heimat bringen.

Als sie die betreffende Stelle erreichte, sah sie aber zu ihrem Bedauern keinen einzigen dieser seltsamen Vögel, und so weit sie auch den Fluß aufwärts ging, es wollte ihr keiner zu Gesicht kommen.

Schon wollte sie den Rückweg antreten, als sie plötzlich in dem weichen Uferschlamm Spuren wahrnahm, welche sie veranlaßten, mit angehaltenem Atem und heftig klopfendem Herzen stehen zu bleiben, die doppelläufige Büchse schußbereit zu machen und nach allen Seiten vorsichtig umherzuspähen.

Die Spuren rührten von einem Raubtier her, und so wenig Erfahrung Miß Sargent in dieser Hinsicht noch hatte, so sagte sie sich doch, daß diese mächtigen Tatzen nur einem Löwen gehört haben konnten. Er hatte hier seinen Durst gelöscht, war noch einige Schritte am Ufer weitergelaufen und dann wieder ins Gras zurückgekehrt. Sollte das Mädchen wagen, die Spuren allein zu verfolgen?

Man konnte sie deutlich im Grase erkennen, das stark vom Nachttau befeuchtet war; jeder Schritt des schweren Tieres hatte es niedergedrückt, und so lange die Sonne dasselbe nicht trocknete, richtete es sich nicht wieder auf.

Es war eine kühne Idee, die Verfolgung des Löwen allein aufzunehmen, aber bei der Jagd spielt die Ehrsucht eine große Rolle; je größer die Gefahr ist, um so lieber geht der Jäger allein, das heißt, ein wirklicher Jäger, den ein unsagbares Gefühl zum Jagen treibt und zwingt.

Miß Sargent entschloß sich kurz; sie nahm die Doppelbüchse schußbereit in den Arm – das Winchestergewehr hing ihr über der Schulter – und ging vorsichtig den Spuren nach, welche in kleinen Abständen vor ihr herliefen, ein Zeichen, daß der Löwe gemütlich gegangen war.

Dann aber, als das Mädchen etwa eine Viertelstunde vorwärtsgekommen war, änderte sich plötzlich das Aussehen der Spur, das ganze Gras war niedergedrückt; also war der Löwe auf dem Bauche gekrochen und zwar jedenfalls, dachte das Mädchen, weil er sich an eine Beute schleichen wollte.

Es dauerte auch nicht lange, da fand sie dies bestätigt. Der Löwe war gesprungen, und da, wo er den Boden wieder berührt hatte, war das Gras mit Blut getränkt, und eine rote Spur bezeichnete den weiteren Weg, den das Raubtier genommen hatte.

Was für ein Tier es gewesen, welches sich der König der Wälder und Wüsten zum Frühstück auserkoren, wußte die Jägerin nicht, es konnte ebensogut eine Zwergantilope, wie ein Gnu sein, denn der Löwe ist ja fähig, mit einem jungen Rinde im Maul über eine zwei Meter hohe Fenz zu springen, seine Kraft ist schier unglaublich groß.

Miß Sargent brauchte nun nicht mehr so Schritt vor Schritt weiterzubringen, die Verfolgung des Wildes war weniger gefährlich, denn es war anzunehmen, daß der Löwe seine Gegenwart durch das Zerkrachen der Knochen verriet, die er mit den scharfen Zähnen zermalmte, und außerdem stößt dieses Tier, wenn es beim Verzehren seiner Beute ist und ein verdächtiges Geräusch hört, stets ein Brüllen aus, ein warnendes Zeichen, daß es nicht gestört sein will.

Rüstig schritt das mutige Mädchen durch das hohe Gras vorwärts, nur ab und zu blieb es stehen, um zu lauschen. So sehr Miß Sargents Herz auch vor Erregung klopfte, ihre Hand, welche sie manchmal zur Probe ausstreckte, zitterte nicht im geringsten, und so brauchte sie als ausgezeichnete Schützin nicht zu fürchten, daß ihre Kugel das Auge des Löwen verfehlen würde.

Plötzlich zuckte sie zusammen und sank hinter einem Baumstamm auf die Kniee. An ihr Ohr war das Knacken der brechenden Knochen gedrungen, und da sah sie auch schon, wie sich die Spitzen der hohen Grashalme bewegten. Dort mußte der Löwe sich befinden und seine Beute verzehren.

Wie aber sollte sie das Tier zu Gesicht bekommen? Dazu wäre es nötig gewesen, daß sie bis dicht an seinen Platz vordrang, denn das hohe Gras hinderte jede Aussicht.

Aber nein, es gab ein anderes Mittel. Der Baum, hinter den sie sich duckte, teilte sich dicht am Boden in mehrere Stämme, und einer davon war ganz schräg gewachsen, so daß sie auf dem über einen halben Meter im Durchmesser haltenden Stamme sicher, wie auf einem Brette, emporsteigen konnte, fast ohne die Hände dabei zu gebrauchen.

Schnell entschlossen lehnte sie das Winchestergewehr, als ganz nutzlos, an den Stamm und begann die Reise in die grünen Zweige des Baumes. Kaum befand sie sich über dem Grase, so konnte sie schon den Löwen sehen. Es war ein großes, erwachsenes Männchen m prachtvoller Mähne. Es lag langgestreckt auf seiner Beute, einer gehörnten Antilope, und riß aus dem aufgeschlitzten Leibe derselben große Fleischstücken heraus, die er langsam, als wolle er rechten Genuß dabei haben,, verschlang, die starken Rippenknochen dabei wie Eierschalen zermalmend.

Er kehrte dem Mädchen den Rücken zu und war so in sein Mahl vertieft, daß er das leichte Geräusch, welches Miß Sargent beim Ersteigen des Baumes nicht vermeiden konnte, gar nicht bemerkt hatte.

Jetzt saß sie oben in den Zweigen, ohne eine Gelegenheit zum Schießen zu bekommen, denn der Löwe mußte ihr wenigstens die Seite zukehren.

Doch dem war leicht abzuhelfen.

»Halloh, alter Kater, sieh einmal hierher!« rief plötzlich eine helle Stimme, und schneller konnte nicht der Blitz sein, als sich der Löwe mit einem Satze herumdrehte, ein furchtbares Geheul ausstieß, auf der zerfleischten Antilope stehend, das blutige Maul halb geöffnet, die eine Tatze etwas erhoben, mit glühenden Augen in die Zweige des Baumes starrte, welche den Störer verbargen.

Nur einen Augenblick aber stand er so da. Kaum war das Gebrüll verstummt, als ein Knall ertönte, ein Schmerzensgeheul, das in ein Todesröcheln überging, ward hörbar, und leblos rollte der Löwe über die Antilope hinweg auf den Boden – die sichere Kugel hatte ihren Weg durch das rechte Auge in das Gehirn gefunden.

Hochaufatmend stand Miß Sargent neben dem von ihrer Hand gefällten Löwen. Sie hatte den König der Wildnis besiegt; sie durfte stolz darauf sein, denn sie hatte ihr Leben eingesetzt, um ihm das seine zu nehmen, und sie fühlte, wie dieser Stolz ihr das Herz zum Springen schwellte.

Aber nun galt es schnell zurückzueilen und Neger herbeizurufen, welche das Tier ins Lager schafften. Sie hing sich das Winchestergewehr über die Schulter und machte sich auf den Rückweg, den Spuren nachgehend.

Die Sonne war unterdessen gestiegen, und wenn sie auch das dichte Laubgewölbe nur an wenigen Stellen zu durchdringen vermochte, so erwärmte sie doch schnell die Luft im Walde, und die Folge davon war, daß der Tau rasch trocknete und sich somit das niedergelegte Gras wieder aufrichtete.

Immer schwerer wurde es der Jägerin, die Spuren zu erkennen, ihr Auge war ja nicht so geübt, jedem niedergedrückten Grashalm anzusehen, ob er von dem Tritt des Löwen oder vom eigenen Gewicht am Boden lag, und so kam es, daß ihre anfängliche Eile bald nachlassen mußte.

Den Kopf vornübergeneigt, den Oberkörper gebeugt, so schritt sie vorwärts, sorgsam achtend, daß sie die Spur ja nicht verlor, denn Miß Sargent mußte sich gestehen, daß sie sich nicht getraute den Weg zum Lager ohne Hilfe der Spur wiederzufinden, es sei denn durch Zufall. Einen Kompaß hatte sie nicht bei sich, und sich nach der Sonne zu richten, war zwar sehr einfach für den, der darin bewandert ist, aber fast unmöglich für jemanden, der in der Stadt aufgezogen wurde, weil jede Steigung der Sonne eine Veränderung der Richtung bedeutet.

Aber sie mußte ja an den Fluß kommen!

Richtig, der Fluß! Miß Sargent blieb plötzlich stehen, richtete sich auf und sah nach der Uhr. Was war denn das? Nun befand sie sich bereits wieder über eine Stunde auf dem Wege und hatte den Fluß noch nicht erreicht, während sie vorhin doch höchstens eine halbe Stunde gebraucht hatte. War denn das auch wirklich die Löwenspur? Ja und nein, eine Spur mochte es wohl sein, wenn sie auch kaum noch die Abdrücke wahrnehmen konnte, ob aber gerade die des Löwen, das war sehr zweifelhaft, sogar unmöglich, sonst hätte sie unbedingt auf den Fluß stoßen müssen.

Es war tatsächlich nicht die Löwenspur, sondern eine andere, welche diese gekreuzt hatte, und der sie versehentlich gefolgt war. Miß Sargent war nicht das Mädchen, das sich lange trüben Gedanken hingab; sie überlegte sich, wo sich ungefähr der Fluß befinden müsse, und nahm dann ungesäumt diese Richtung auf.

Aber ach! Sie hatte fast die entgegengesetzte gewählt, und wenn sie es auch nicht gleich merkte, nach Verlauf von einer Stunde mußte sie sich doch gestehen, daß sie sich verlaufen hatte; sie änderte daher die Richtung nochmals, immer in der Hoffnung, das Lager zufällig zu erreichen, und tat somit das Törichtste, was, ein Verirrter tun kann, was er aber in den meisten Fällen macht.

Als die Sonne ihren höchsten Standpunkt erreicht hatte und somit für einige Stunden überhaupt keinen Anhalt mehr gab, nach dem man sich hätte richten können, befand sich Miß Sargent noch immer auf ihrer Irrwanderung, hatte das Lager auch noch nicht erreicht, als die Sonne sich wieder dem Horizont zuneigte, und machte sich keine Hoffnungen mehr, dasselbe noch an demselben Abend zu erreichen.

Da fiel ihr etwas ein, an das sie bisher noch gar nicht gedacht hatte. Sie war schon mehrere Male genötigt worden, über kleine Bäche zu springen, und es war sicher anzunehmen, daß alle diese Bäche in ein Hauptgewässer, wahrscheinlich sogar in den Fluß eilten, an welchem das Lager stand.

Folgte sie einem solchen Bach stromabwärts, so mußte sie wenigstens auf Menschen stoßen, vielleicht sogar auf das Lager. Morgen wollte sie den Versuch machen, heute war es zu spät.

Sie zündete sich ein großes Feuer an, trockenes Holz war genügend vorhanden, und legte sich sorglos zum Schlafen ins weiche Gras nieder. Ihre Lage war durchaus nicht schlimm; Munition hatte sie wenigstens für hundert Schuß, und in diesem wild- und wasserreichen Walde brauchte sie weder Hunger noch Durst zu leiden. In wenigen Minuten war sie entschlummert und schlief trotz des Geheuls der Schakale und Hyänen, welche, allen Behauptungen zum Trotz, den Menschen nie angreifen, ununterbrochen bis zum Morgen.

Beim ersten Sonnenstrahl erhob sie sich, schüttelte den Tau von den Kleidern und begab sich wieder auf den Weg.

Bald hatte sie einen Bach erreicht, und nach kurzer Rast, während welcher sie sich einen erlegten Wasservogel gebraten, machte sie sich auf, dem Bach stromabwärts zu folgen.

Wieder war sie einige Stunden marschiert, niemals sich von dem Gewässer trennend, und wenn es auch noch so große Biegungen machte, als sie plötzlich, nicht mehr weit entfernt von sich, etwas erblickte, was sie zum Nachdenken bewog, ehe sie sich selbst dem betreffenden Objekt näherte.

Was da vor ihr lag, war eine Hütte, einfach aus Zweigen und Schilf, welches am Bache wuchs, hergestellt, wie sie die Neger errichten, wenn sie auf Jagdausflügen längere Zeit an einer Stelle verweilen.

Miß Sargent hoffte einen Menschen hier zu treffen und beschloß, die Hütte aufzusuchen. Es konnten ja höchstens zwei oder drei hier wohnen, und Miß Sargent hätte mit ihrem Winchestergewehre ein ganzes Dutzend Schwarze nicht zu fürchten brauchen.

Langsam schritt das Mädchen längs des Baches auf die Hütte zu, welche den Eingang auf der anderen Seite hatte. Beim Näherkommen erkannte sie, daß die Hütte doch nicht so leicht hergestellt war, wie es die Neger gewöhnlich zu tun Pflegen; junge, armdicke Baumstämme waren dicht nebeneinander in den Boden gerammt, und wäre dieser Aufbau nicht mit Zweigen zugedeckt gewesen, so hätte er eher den Eindruck eines Blockhauses gemacht, als den einer Jagdhütte. Die Ritzen zwischen den einzelnen Stämmchen waren sorgfältig mit Binsen zugestopft.

Schon hatte das Mädchen die Hütte fast erreicht, als es plötzlich erschrocken seinen Schritt hemmte, und doch hätte das, was ihr Ohr erreichte, sie vor Freude aufschreien lassen sollen. Aber war es denn möglich? Ja, die Worte, welche aus dieser Hütte drangen, waren englisch, es war keine Täuschung, und, heiliger Gott, was war denn das? Wurde da nicht mit schwacher Stimme ihr Vorname gerufen?

Leise schlich sich Miß Sargent näher und lauschte. In der Hütte sprach wirklich ein Mann mit schwacher, leiser, aber hastiger Stimme; die Worte wurden unzusammenhängend hervorgestoßen, nach jedem Satze trat eine Pause ein. Es war wirklich so, der Mann sprach mit einer Frau, welche auch den Vornamen Maud hatte, ebenso wie Miß Sargent. Aber hatten denn diese Worte eigentlich einen Sinn?

»Maud,« flüsterte die Stimme drinnen, »Maud, kommst du endlich – ich warte schon lange auf dich – kennst du mich denn nicht mehr – weißt du noch, wie wir zusammen am Bache saßen – wo die Forellen sprangen – die Sonne spiegelte sich im Wasser – die Blätter rauschten über uns. – Ach, Maud,« der Mann stöhnte tief auf, »kennst du mich nicht mehr?« Seine flüsternde Stimme verwandelte sich plötzlich in ein gellendes Schreien: »Nein, ich kenne dich nicht mehr – – geh' weg, du Ungeheuer, du bist ja ganz schwarz – deine Augen funkeln wie Kohlen – fort, fort, du Ungeheuer, du erdrückst mich – du tötest mich – ich kann den Druck nicht aushalten – dein Atem verbrennt mich – Wasser, Wasser, bringe mich ans Wasser – dann kannst du mich töten – aber erst Wasser!«

Wachte oder träumte das Mädchen denn? Sie wollte schon um die Hütte gehen und den Eingang suchen, denn so viel war ihr jetzt klar, der Mann drinnen, jedenfalls ein Engländer, war krank und verlangte von dem Wesen, das bei ihm war, Wasser. Aber noch einmal blieb sie wie gebannt stehen und lauschte.

»Maud, töte das Pferd nicht!« klang es drinnen weiter. »Ich kann nicht mehr gehen – aber wenn ich sterben muß – bring' mich ans Wasser – Wasser!«

Mit ein Paar Schritten stand Miß Sargent in der kleinen Tür und überflog mit einem Blick das Innere der Hütte. Da lag auf einem Lager von Binsen eine Männergestalt und schaute das Mädchen mit gläsernen Augen an. Sonst war niemand in der Hütte.

Entsetzt tat Miß Sargent einen Schritt zurück, trat aber im nächsten Augenblick wieder an das Lager des Mannes heran. Er trug die Jagdkleidung der englischen Herren und – war es denn möglich – dieses eingefallene Gesicht, dem der Tod schon den Stempel aufgedrückt zu haben schien, diese gläsernen Augen mit den blauen Ringen, tief in den Höhlen liegend, gehörten sie wirklich Marquis Chaushilm?

Ja, es war kein Zweifel. Miß Sargent stand an dem Lager des Verschwundenen, wahrscheinlich an seinem Sterbelager.

Der Marquis hatte sich etwas aufgerichtet.

»Fort, fort, Kasegora,« schrie er mit lauter Stimme, »fort, du schwarzes Ungetüm, du willst mich töten – verdursten lassen – du hast mich verlassen – aber gib mir einen Tropfen Wasser – nur einen einzigen – und ich will sterben!«

Dem Mädchen traten die Tränen in die Augen. Das war Marquis Chaushilm, den sie vor einigen Tagen noch als einen gesunden Menschen, in der vollen Blüte seiner Manneskraft gesehen hatte, strotzend vor Lebenslust und Lebensmut, und jetzt – dem Tode nahe.

Aber jetzt war keine Zeit zum Trauern oder zum Grübeln, auf welche Weise der Herzog hierhergekommen, wo Kasegora, die ihn entführte, verschwunden sei! Rasch nahm das Mädchen eine neben dem Lager stehende Kürbisflasche und eilte nach dem Bache. Während sie Wasser schöpfte, beschäftigten sich ihre Gedanken nur damit, wie sie den unglücklichen Chaushilm vom Tode retten oder doch wenigstens nach dem Lager bringen könne, denn er war jedenfalls vom Fieber ergriffen worden, von dem furchtbaren Mukunguru der Neger, und Chinin war das einzige Mittel, welches half. Hier in dieser Wildnis wäre er gestorben, und wenn ihn zwanzig Aerzte umstanden hätten, ohne daß ihm Chinin verabreicht wurde.

Aber wie ihr auch blitzschnell die Gedanken durch den Kopf schossen, keiner war darunter, der ihr einen Ausweg gezeigt hätte, wie sie den Marquis nach dem Lager bringen könnte. Sie konnte ihn nicht tragen, und wenn sie es vermocht hätte, sie wußte den Weg nicht, er starb unterwegs in ihren Armen.

Kasegora allein konnte helfen.

Mit langen Zügen schlürfte der Durstige den kühlenden Inhalt der Flasche hinunter, mit seiner fleischlosen Hand dabei die, welche das Gefäß hielt, umklammernd, und das Mädchen wurde von tiefem Mitleid ergriffen, als es mit der anderen Hand den Puls, der vom heftigsten Fieber gejagt wurde, fühlte. Sie konnte nicht anders, sie mußte die abgemagerte Hand, welche nur noch aus Haut und Knochen bestand, liebkosend streicheln, und sie konnte den Lauf der Tränen nicht hemmen, wenn sie in dieses fahle Gesicht blickte, um welches wirr die Haare hingen.

Was hatten wenige Tage aus diesem Jüngling gemacht! Die Weltreise hatte ihm den Tod gebracht.»Jung, reich, schön, der Erbe eines berühmten Namens, mußte er hier in der Wildnis sterben, und niemand kam an sein Grab, um ihn zu betrauern. Nur Schakale heulten darum her, und Hyänen stießen wie zum Spott ihr heiseres Lachen aus.

Aber nein, was sollten diese Visionen bedeuten, noch lebte er ja – weg mit solchen Gedanken! Miß Sargent hatte für Marquis Chaushilm nie eine besondere Teilnahme gehegt, wie überhaupt keine der Damen, denn er war als ein etwas flatterhafter Charakter bekannt, aber zugleich auch als ein sehr gutmütiger und als Freund sehr zuverlässiger Mensch, allgemein beliebt, unter den Herren sowohl, als den Damen, aber zur Liebe für diesen Mann hatte sich wohl keine so leicht aufschwingen können.

Doch die eigentliche Natur der Frauen ist ja Teilnahme, diese ist bei ihnen viel vollkommener entwickelt als bei den Männern, sie liegt im tiefsten Inneren ihres Wesens. Selbst mehr zum Leiden, als zum Handeln geboren, müssen sie auch fremden Schmerz eher lindern, als der unempfindsamere Mann, und das Leben lehrt, wie bei ihnen die Erregung des Mitleids auch andere Seiten in ihrem Herzen anzuschlagen und zum Klingen zu bringen weiß.

So war es kein Wunder, daß Miß Sargent beim Anblick dieses sich im Fieberdelirium windenden Mannes, den sie in seiner Gesundheit nicht beachtete, neben dem Mitleid plötzlich ein Gefühl in ihrem Herzen spürte, welches sie sich nicht zu erklären wußte, aber es sagte ihr, daß sie gern ihr Leben hingeben würde, könne sie das seine dadurch retten.

Der Kranke hatte die Flasche geleert, ohne nach mehr Wasser zu verlangen, und von der Anstrengung des Aufrichtens und Trinkens erschöpft, sank er auf sein Lager zurück, ohne die Hand des Mädchens dabei freizugeben. Leise versuchte Miß Sargent sich von dem festen Griff zu befreien, aber so zart sie es auch tat, der mit geschlossenen Augen Daliegende merkte es, er richtete sich mit einem Ruck wieder auf und umklammerte die pflegende Hand noch fester.

»Bleib hier, Maud, bleib hier!« flüsterte er, und auf den eingefallenen Wangen entstanden plötzlich rote Flecke. »Gehe nicht von mir, schütze mich vor ihr – sie will mich töten – sie saugt mein Blut aus – da, da ist sie,« schrie er gell auf und umschlang mit beiden Armen die Kniee des Mädchens, »schütze mich vor ihr, rette mich! Siehst du sie dort nicht?«

Miß Sargent glaubte, er spräche im Delirium, aber sie wandte doch den Kopf, und da sah sie wirklich in der Tür eine schwarze Frauengestalt stehen – Kasegora, die mit unheilvoll drohenden Äugen das weiße Mädchen beobachtete und jedenfalls schon lange eingetreten war.

»Bleibe bei mir, Maud,« phantasierte der Fieberkranke weiter, »sie will mich töten.«

Er umschlang mit seinen kraftlosen Armen das Mädchen noch enger, und als ob sie plötzlich die Pflicht fühlte, daß sie ihn gegen die Negerin schützen müsse, legte auch sie die Arme um seinen Hals und drückte ihn an sich, die Augen fest auf Kasegora gerichtet.

Langsam kam diese näher, schleuderte die Gazelle, welche sie auf den Schultern getragen hatte, in die Ecke und trat nun, in der einen Hand die Lanze, auf dem Rücken Bogen und Köcher, dicht vor das weiße Mädchen hin, dieses mit glühenden Augen anschauend.

Immer drohender zogen sich die schöngeschwungenen Augenbrauen der Amazone zusammen, aber Miß Sargent fürchtete sich nicht im geringsten. Fest blickte sie der Zürnenden ins Antlitz und hielt den wimmernden Chaushilm schützend umschlungen.

Die Negerin sagte etwas, was das Mädchen nicht verstand, wohl aber verstand es die Handbewegung nach der Tür: sie sollte die Hütte verlassen. Ein stummes Kopfschütteln war die einzige Antwort, die Maud gab.

Da ergriff die Schwarze plötzlich ihre Hand und riß sie so heftig von Chaushilm fort, daß dieser loslassen mußte, aber noch gelang es ihm, ihre andere Hand zu erfassen, und er bemühte sich unter Stöhnen und Jammern, sie wieder zurückzuziehen, und da auch Miß Sargent alle Kräfte anstrengte, so mußte die Negerin nachgeben. Der Kranke sank wieder zurück, aber im nächsten Moment sprang die Schwarze wie eine Tigerin auf das Mädchen zu und suchte es an der Hüfte zu umschlingen, um es aus der Hütte zu schleppen, aber sie traf auf energischen Widerstand. Miß Sargent befreite sich selbst von dem Kranken und stieß beide Hände vor die Brust der Amazone, so daß diese zurücktaumelte.

Dann hatten sich beide gepackt und rangen miteinander, Weib gegen Weib, Brust an Brust. Jede suchte die andere vom Krankenlager weg und zur Hütte hinauszudrängen. Lange konnte der Kampf nicht dauern, denn er war ungleich. Wie eiserne Zangen preßten der Schwarzen Arme den Leib des Mädchens zusammen, sie umschlang es mit einem Arme, faßte mit der freien Hand an die Kehle der Gegnerin, schnürte sie zusammen und bog den Kopf des Mädchens hintenüber.

Miß Sargent röchelte, sie sah vor sich das triumphierende, höhnisch lachende Gesicht der schwarzen Gegnerin, die sonst schönen Züge durch Leidenschaft entstellt. Sie konnte nicht mehr Gebrauch von ihrem Revolver machen, denn ihre Arme lagen fest an den Körper gepreßt, sie war unfähig, sich zu bewegen.

Schon fühlte das weiße Mädchen den Erstickungstod eintreten, als der würgende Griff nachließ. Sie war frei, und diejenige, welche sie eben noch zu töten versucht hatte, stand einem Manne gegenüber, der die Hütte betreten wollte.

Es war ein Neger oder Mulatte, ein Löwenfell hing ihm über den Nacken und ließ die schmutzig-rote Hautfarbe des ganzen Körpers sehen – es war der rote Löwe, allen an der Nordwestküste wohnenden Negern wohlbekannt.

Der nur mit einer Keule bewaffnete Häuptling sprach zu Kasegora, erst nach dem weißen Mädchen, dann nach Chaushilm deutend. Kasegora antwortete mit einigen drohenden Worten, plötzlich hielt sie die vorher entfallene Lanze hoch in der Hand, aber ebenso schnell war der rote Löwe hinter einen schützenden Baumstamm getreten, von wo aus ein höhnisches Lachen erschallte. »Was wollte er?« fragte Miß Sargent.

Kafegora warf ihr einen Blick zu, begab sich dann zu Chaushilm, hob ihn auf und legte ihn so, daß er von der Tür aus nicht mehr gesehen werden konnte. Als sie damit fertig war, näherte sich der Hütte ein anderer Mann, der in der Hand einen grünen Zweig, das Zeichen des Friedens, schwang. In ziemlich weiter Ferne blieb er stehen und hob die Hand zum Zeichen auf, daß er zu sprechen wünsche. Sonst war niemand weiter zu sehen, auch der rote Löwe hielt sich noch versteckt.

Ehe Kasegora in die Tür trat, stellte sie den Bogen so an die Wand, daß er ihr zur Hand war. Dann trat sie an die Tür und hörte den Neger an, der ihr in langer Rede etwas auseinandersetzte, worauf die Amazone immer nur ein einziges Wort erwiderte und manchmal ein spöttisches Lachen hören ließ.

Der Mann hatte ausgesprochen. Noch einmal sagte er etwas in drohendem Tone, ebenso antwortete Kasegora, aber kürzer, der Mann lachte laut und höhnisch auf, aber in diesem Augenblick hielt die Amazone den Bogen in der Hand, die Sehne gespannt, ein Pfeil schnellte ab, und mit durchschossenem Herzen fiel der Mann, der das Friedenszeichen getragen hatte, lautlos zu Boden.

Ein hundertstimmiges Wutgeschrei erschallte bei diesem Friedensbruch hinter den Bäumen. Ueberall stiegen Rauchwölkchen auf, und mit dem Donner der Salve schlugen die Kugeln hageldicht in die Hütte.

Kasegora hatte sich sofort nach Absendung des Pfeiles hinter die Tür geworfen, instinktiv hatte Miß Sargent ebenso gehandelt, und nur diesem Umstände hatten sie zu danken, daß sie nicht von Kugeln getroffen wurden. Die Hütte war aus frischen Baumstämmen zusammengesetzt, welche von den aus schlechten Gewehren abgeschossenen Kugeln nicht durchbohrt werden konnten.

Hastig rief die Dahomeh dem weißen Mädchen etwas zu, und es war fast, als ob diese in dem Augenblick der Gefahr deren Sprache plötzlich verstände. Schnell riß sie aus einer Spalte die Binsen heraus, so daß ein Loch gleich einer Schießscharte entstand, und steckte das Winchestergewehr hindurch, eben als der ganze Wald von Wilden zu wimmeln begann, welche hinter Baumstämmen hervorsprangen und nun mit gellendem Geschrei auf die Hütte zustürzten, Gewehre, Lanzen, Keulen und Speere schwingend.

Sechzehnmal entfuhr der Mündung ein Feuerstrahl, ebensoviele Neger machten einen Luftsprung und blieben als Leichen im Grase liegen; vier Pfeile wurden von Kasegoras Bogen abgeschleudert, und ebensoviele Herzen wurden durchbohrt – und der Wald, noch eben dicht bevölkert, war mit einem Male wie ausgestorben. Die überlebenden Angreifer standen mit entsetzten Gesichtern hinter den Bäumen und erwarteten, daß diese feuerspeiende Hütte noch weiter Tod und Verderben unter sie sende. Zwei Weiber und zwanzig Tote – das war zu viel für diese abergläubischen Wilden.

Ohne Zaudern warf Miß Sargent der Amazone, welche auf der anderen Seite der Tür stand, die Doppelbüchse nebst Munition zu, sie zum Gebrauche derselben auffordernd. Die beiden Nebenbuhlerinnen, welche eben noch mit Aufgebot aller Kräfte um den Besitz des Kranken gerungen und gegenseitig sich das Leben zu nehmen gesucht hatten, waren mit einem Male Kampfgenossen geworden. Galt es doch, sich und den, für den die eine Liebe, die andere vorläufig ein noch unbestimmtes Gefühl hatte, gegen einen hundertfachen Feind zu verteidigen.

Marquis Chaushilm lag unbeweglich mit geschlossenen Augen da, er wußte wahrscheinlich nicht, welch heißer Kampf um ihn her entbrannte. Er lag vor den Kugeln geschützt.

Die Amazone fing das zugeworfene Gewehr auf, betrachtete die Konstruktion und die Patronen und nickte befriedigt mit dem Kopfe. Sie stellte eine Schießscharte her, lud die Büchse und schob die Mündung derselben durch das Loch.

Noch einmal wurden die Neger durch eine lange Rede des roten Löwen zum Sturm auf die Hütte angefeuert. Man hörte seine Stimme hinter einem Baume schallen und wie die Gewehre wieder geladen wurden, dann stieß der Häuptling das Schlachtgeheul aus. Aus wenigstens zweihundert Kehlen fand es Beantwortung, und ebensoviele Gestalten stürzten hinter den Bäumen vor und rannten der Hütte zu, unterwegs ihre Büchsen abschießend.

Abermals feuerte Miß Sargent; aber sie wartete diesmal, bis ihre schwarze Waffengefährtin wieder geladen hatte, ehe sie das Magazin ihres Gewehres erschöpfte, und die Amazone hatte dieses Manöver sofort verstanden, sie sparte ihre Schüsse auf, bis das weiße Mädchen laden mußte.

Schuß krachte auf Schuß. Jede Kugel warf einen Neger zu Boden, aber dieselben ließen nicht im Sturme nach, denn der rote Löwe stand hinter der Linie und trieb die Zurückweichenden wieder unbarmherzig vorwärts. Gern hätte ihn Miß Sargent mit einer Kugel bedacht, aber sie mußte erst die nächsten niederschießen, denn höchstens noch eine Minute konnte es dauern, dann hatten die Wilden die Hütte erreicht.

Sie hatte noch ihren Revolver bei sich, mit diesem wollte sie erst noch sechs Angreifer zu Boden werfen, dann begann der Kampf mit dem Messer, und wenn Zeit dazu war, so konnte sie auch den Revolver wieder laden. Die Amazone eignete sich besser zum Nahkampf, das ahnte sie. Dieselbe würde Schwert und Lanze ordentlich zu gebrauchen wissen, aber der Masse mußte auch sie bald erliegen.

Da hatte der erste Neger die Tür erreicht. Miß Sargent riß den Revolver heraus; aber schon sank der Mann mit der Lanze der Amazone in der Brust nieder, ihm folgte ein zweiter, ein dritter, dann schwang die Amazone das Schwert durch die Luft, sich vor die Tür stellend, und hinter ihr sandte das weiße Mädchen ihre Revolverkugeln in die Reihen der vor ihr Stehenden, mit denen die Amazone focht.

Es war ein Glück, daß die Neger vorher die Gewehre abgeschossen hatten, aber doch fiel noch ein Schuß, und mit diesem zugleich stürzte die Amazone unter die Feinde und wütete wie der Tod, der seine Sense schwingt. Ohne sich zu besinnen, sprang ihr Miß Sargent nach, sie wollte ihre Gefährtin nicht verlassen. In der einen Hand das Messer, in der anderen den Revolver, hielt sie sich zur Seite der Amazone.

Jetzt waren beide dicht umringt, von allen Seiten bedrohte sie der Tod durch Lanzen, Speer und Keule, als plötzlich Pferdehufe den Boden erschütterten. Wohl hundert Reiter jagten zwischen den Bäumen heran, und Kasegoras Schlachtgeheul fand hundertstimmigen Widerhall – die Amazonen kamen ihrer Vorkämpferin zu Hilfe.

Noch ehe Miß Sargent erkannt hatte, daß dicht hinter den Amazonen ihre Freundinnen und die englischen Herren folgten, waren von ersteren die Feinde auseinandergejagt. Sie warfen die Waffen weg und suchten sich durch Flucht zu retten und zu ihren entfernt stehenden Pferden zu kommen, aber es war vergebens. Wie Wetterstrahlen sausten die krummen Schwerter der schwarzen Weiber durch die Luft, zuckten die Lanzenspitzen, und das Wehegeheul der Getroffenen vermischte sich mit dem Schlachtruf der Amazonen.

Nach wenigen Augenblicken war der Boden mit Leichen bedeckt. Verwundete gab es nicht, nur einem einzigen wäre es fast gelungen, die Pferde zu erreichen, dem roten Löwen, aber kurz vorher holte ihn Kasegora ein; der Häuptling schwang die Keule, doch ein Dolchstoß warf ihn ins Gras.

Langsam kehrte Kasegora nach der Hütte zurück, aus welcher Chaushilm bereits herausgetragen worden war. Die Damen und Herren umstanden ihn.

»Mukunguru,« sagte Yamyhla bedauernd, »er hat das Fieber, es wird ihn töten.«

»Hat einer der Herren Chinin bei sich?« rief Lord Harrlington. »Das ist das einzige, was ihn retten kann.«

Niemand hatte daran gedacht, diese wichtige Medizin mitzunehmen, mit Ausnahme von John Davids, welcher ja schon in Afrika gewesen war und dieses kostbare, nicht zu ersetzende Mittel gegen Fieber stets bei sich führte.

Schnell wurde das weiße Pulver, in Wasser gelöst, dem Kranken zu trinken gegeben. Wenn das Fieber noch nicht so weit vorgeschritten, daß sich das Blut zu zersetzen begann, so war bei sorgsamer Pflege Rettung noch möglich, erklärte John Davids, er wolle den Kranken nach besten Kräften behandeln.

In kurzen Worten teilte Miß Sargent ihren Freunden das Vorgefallene mit, konnte aber natürlich nicht erklären, warum sich Chaushilm und Kasegora ohne Pferde hier befanden, und so wandten sich jetzt aller Augen letzterer zu, auf welche Yamyhla bereits lebhaft einsprach.

»Wird sie den Marquis gutwillig seinen Freunden überlassen?« fragte Miß Thomson leise.

»Sie muß,« entgegnete Ellen bestimmt. »Gibt sie nicht gutwillig nach, so wird sie dazu gezwungen, es geht nicht anders. Aber Yamyhla erzählt ihr erst von ihrer Erhebung zur Anführerin, es wundert mich aber sehr, daß Kasegora nicht mehr Freude zeigt, ihre Freundin wiederzusehen, ein schwaches Lächeln, das ist alles. Sehen Sie, jetzt spricht Yamyhla zu ihr von Chaushilm, sie deutet auf den Kranken – Kasegora nickt beistimmend mit dem Kopfe.«

Yamyhla sprach wirklich mit Kasegora über Chaushilm, denn sie deutete auf diesen, und Kasegoras eben noch glückliches Lächeln verschwand Plötzlich, ihre Züge nahmen einen traurigen Ausdruck an. Sie heftete ihre Augen erst auf Miß Sargent, die neben Chaushilm stand, dann auf diesen selbst, mit einem unsagbar schmerzvollen Blick. Langsam nahm sie die Lanze von der Schulter und stützte sich darauf, und als Yamyhla endlich schwieg und sie fragend anschaute, da rannen aus ihren Augen langsam zwei schwere Tropfen, vielleicht die einzigen, welche je ihre Wangen benetzten.

Fast wie beistimmend senkte sie den Kopf, aber auch den Oberkörper bog sie vor, ein Zittern durchlief die kräftige Gestalt – und lautlos stürzte Kasegora zu Boden, die Wimpern mit Tränen befeuchtet.

Sofort kniete Yamyhla neben ihr nieder, und wie von einer Ahnung erfüllt, schlug sie das lederne Gewand zurück, welches Kasegora quer über der Brust trug. Die Ahnung der Amazone fand sich bestätigt; der Lederstreifen harte das Blut bisher zurückgehalten, jetzt quoll es in dunklen Strömen aus der Brust.

Yamyhla legte die Hand aufs Herz Kasegoras und stand dann auf.

»Tot,« murmelte sie dumpf. »Eine Amazone stirbt im Stehen.«

Auch John Davids kniete neben ihr und untersuchte sie.

»Sie ist tot« sagte er. »Mich wundert, daß sie noch so lange gelebt hat. Eine Kugel hat die Lunge getroffen, dieselbe ist schon ganz mit Blut angefüllt.«


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