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Hauptmann Ägidius von Drofta war heute von der Hochzeitsreise zurückgekehrt und hatte wieder das Präsidium der Offiziersaspirantenmesse in der Albrechtskaserne übernommen, wo er – der Anstandswauwau – uns das Benehmen bei Tisch zu lehren hatte. Von seinem Sitz aus beehrte er jeden mit einer Begrüßung. »Ah, der Kisch ist auch da«, wandte er sich an mich, »der Herr Schriftsteller!« – »Jeder hat eben seinen Beruf«, bemerkte ich mit dem für Subalterne vorgeschriebenen geschmeichelten Lächeln. – »Na, dös is a feiner Beruf, überhaupt die ganze moderne Literatur is eine Sauerei, weiter is es ja nix – nein, lieber Kisch, i laß mich von kaa'm net blöd machen und sag alles, wie's is!« – »Was hat Herrn Hauptmann denn die moderne Literatur getan?« – »Was sie mir getan hat, die moderne Literatur? Dös kann ich erzählen, wenn's euch interessiert!«
Gewiß interessierte uns das, selbstverständlich, Herr Hauptmann.
»Also, da werd ich euch die Chose auseinanderexplizieren. Ich hab doch in Klagenfurt geheiratet vorige Woch'n und hab in Wien zweite Nächtigungsstation gemacht. Da sagt mir meine Frau, sie möcht einmal ins Burgtheater gehn. I kenn ja das Burgtheater genau, am Franzensring is es, ein tadelloses Gebäude, das muß i schon sagen, aber i wär doch lieber ins Theater an der Wien gangen, unter uns g'sagt. Na, aber meine Frau hat sich das amal in Kopf g'setzt, sie war zum erstenmal in Wien und hat schon sehr viel vom Burgtheater g'hört g'habt, da kann man ihr dös net abschlagen, am zweiten Tag nach der Hochzeit – die Frau hat sich ganz brav g'halten die zwei Tag – ganz unter uns g'sprochen, meine Herren. Na, alstern, geh m'r's an, ins Burgtheater. Sie haben ›Monna Vanna‹ g'spült, von dem Fürsten Metternich . . .«
»Von Maeterlinck ist es, Herr Hauptmann . . .«
»Ja, Metterlink oder so was heißt der Kerl, ich hab's ja g'wußt – kennst du vielleicht das Stück?«
»Jawohl, Herr Hauptmann.«
»Und was sagst du dazu?«
»Das ist doch ein schönes Drama, Herr Hauptmann.«
»A schönes Drama? A schöne Schweinerei is das, weiter nichts – i laß mich doch nicht blöd machen, i hab doch mein eigenes Urteil. Ich werd euch die Handlung erzählen, damit ihr selbst sagen könnt . . . Also, Turin wird belagert, is total zerniert, und der Festungskommandant, Collona heißt er, schickt seinen Vater hinaus als Parlamentär – einen Zivilisten, bitte!, Blödsinn Numero eins – zum Belagerungskommandanten, dem Prinzivalli, daß der die Stadt nicht in Brand stecken soll. Also da geht der triefäugige Gaukler, der Sonnenthal – du entschuldigst schon, Kisch . . .« (Hauptmann von Drofta hatte nämlich »Saujud« sagen wollen, das Wort im letzten Augenblick durch »Gaukler« ersetzt, entschuldigte sich aber dennoch), ». . . er geht also hinauf zu dem Belagerungskommandanten, und die verhandeln da, bis es herauskommt, was der Schweinkerl, der Prinzivalli, eigentlich haben will: Er fliegt auf die Frau von dem Stationskommandanten, die kennt er nämlich von früher, hat sie aber noch nicht g'habt und fuchst sich darüber. Drum erklärt er sich bereit, die Stadt zu schonen, wann dös Weibsbild zu ihm raufkommt, nur mit einem Mantel bekleidet, das heißt bei mir – nackicht, net? Dös is der Blödsinn Numero zwei, denn so ein geiler Hund gehört vors Kriegsgericht, dös weiß er selber ganz gut! Also, was soll ich euch sagen, da geht die Hohenfels, so eine Schlampen, hinaus zum Gegner, nur mit dem Mantel bekleidet – bitte, ich betone, ich war mit meiner Frau da! –, und da schmusen sie ein blödsinniges Gelatsch, und zum Schluß entläßt er sie unberührt. Unberührt! Dös kann mir der Herr Metterlink net aufbinden, ich laß mich doch nicht blöd machen, ich kenn das Lagerleben – drei Jahr' war ich beim detaschierten Bataillon in Bosnisch-Raca und weiß, wie's zugeht in der Kantonierung! Unberührt! Dös is a hirnverbrannter Stiefel! Er entlaßt sie nicht unberührt, im Ernstfall petschiert er sie grün und blau, darauf geb ich mein Offiziersehrenwort. Ist vielleicht jemand von euch anderer Meinung?«
Niemand von uns war anderer Meinung.
»Dös is eine ganz gewöhnliche Sauerei«, brummte Hauptmann von Drofta, »die ganze moderne Literatur, und ein Mordsschwindel dazu! I laß mir doch nicht von einem Herrn Metterlink erzählen, wie's im Lagerleben zugeht, i war drei Jahr' beim detaschierten Baon in Bosnisch-Raca!«