Maurus Jókai
Schwarze Diamanten
Maurus Jókai

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Wie Iwan trauert.

Es sind also beide, die vornehme Dame und das niedrig geborene Mädchen, dorthin gegangen, wo niemand mehr schön und niemand mehr schuldbeladen ist.

Die eine ward durch die Kohle, die andre durch Feuer dem Leben entrissen. Zwei rächende Geister das! – Weil Iwan sie besiegt, weil er sie in seinen Dienst gezwungen, haben sie die zwei Frauen getötet, an die er auf dieser Welt noch ein Anrecht hatte.

Er hatte das Recht, mit Bitterkeit an sie zu denken.

Jetzt ist er auch dieser qualvollen Wonne beraubt.

Denn die schöne Frau, die dich betrogen hat und jetzt einem andern lebt, ist trotzdem noch die deine.

Die schöne Frau, die dich geliebt hat, die gestorben ist und die du begraben hast – auch sie ist die deine.

Aber von der schönen Frau, die einem andern sich ergeben hat und einem andern gestorben ist, von der ist dir nichts geblieben. Die ist für dich nicht gewesen!

Iwan fühlte, daß er jetzt in der Welt allein stehe.

Und er hätte seinen ganzen Ruhm hingegeben, wenn er eine von beiden hätte retten können.

Er betrauerte sie – nicht in Kleidern, nicht mit einem an den Hut gehefteten Zeichen. Denn was ist das?

Der Europäer trauert in Schwarz, der Chinese in Gelb, der Muselman in Grün, das alte klassische Zeitalter in Weiß, die alten Ungarn in Violett, die Juden in zerrissenen Kleidern, der Philosoph im Herzen.

Die Trauer des Weisen besteht nicht darin, daß er sie andern mitteilt. Im Gegenteil, er gibt den andern seine Freuden.

In den Hütten des Bondatales wurde der Wohlstand heimisch. An der Stelle der Wildnis entstand eine fröhliche Bevölkerung.

In den verwahrlosten Geistern bürgerte sich Aufklärung ein. Reinheit der Sitten, Charakterfestigkeit begannen populär zu werden.

Iwan schickte auf seine Kosten junge Leute in ausländische Fabriken, damit sie sich dort ausbildeten.

Er ließ aus der Schweiz Holzschnitzer, aus Brüssel Spitzenklöpplerinnen kommen, damit sie die Kinder und Frauen der Gegend in jenen Arbeiten unterwiesen, durch welche die Leute eine unterhaltende Beschäftigung und zugleich Broterwerb hätten. Und ein Volk, in dem groß und klein arbeitet, aus Notwendigkeit und zur Unterhaltung arbeitet – ein Volk, das die Arbeit als Genuß und nicht als harten Zwang gewohnt wird, ein solches Volk veredelt sich.

Iwan sorgte für die Schulen, er emanzipierte die Volkserzieher vom Elend der Volkstyrannei, ermunterte die Schuljugend mit Stipendien, versah die Erwachsenen mit nützlichen Büchern. In jeder Gemeinde gründete er eine Bibliothek, einen Leseverein.

Er gewöhnte das Volk, die Heller, die es entbehren konnte, zusammenzusparen. Er machte es mit der wohltätigen Idee der wechselseitigen Hilfe bekannt. Er gründete im Bondatal eine Sparkasse und eine Krankenpflegeanstalt.

Sein eignes Bergwerk aber gestaltete er ganz zu einer Musterarbeiterkolonie um.

Die Arbeiter waren darin zugleich die Herren und teilten den Ertrag mit dem Eigentümer.

Wer in diese Kolonie aufgenommen werden wollte, mußte eine große Kritik bestehen und ein Probejahr aushalten – gleichviel, ob es ein Mann oder ein Weib war.

Und diese Prüfung war nicht leicht – besonders für junge Mädchen.

Nicht unter den Augen der Mutter, nicht im Kloster, nicht in der Pensionsanstalt war ein junges Mädchen so gut behütet, mit solcher Aufmerksamkeit verfolgt, wie im Bondavárer Bergwerk. Jedes Wort, jeder Schritt von ihr wurde ihr angerechnet.

Und wer die Prüfung nicht bestand, wer im Probejahr durchfiel, der wurde nicht verstoßen, nicht beschämt. Man sagte ihm: »Geh ins Aktienbergwerk. Dort bekommst du mehr Bezahlung!«

Der betreffende Arbeiter glaubte, dies sei eine Beförderung, nicht eine Degradation.

Im andern Bergwerk sind die Sitten freier, ist das Gesetz nicht so streng.

Wer aber alle Prüfungen des Probejahres rechtschaffen bestand, wurde unter die Arbeiter der Kolonie aufgenommen und erhielt Anteil am Gewinn.

Außerdem war ein Tugendpreis ausgesetzt, welcher der sittlichsten und fleißigsten unter den jungen unverheirateten Arbeiterinnen an dem Jahrestag erteilt werden sollte, an dem Iwan den Grubenbrand gelöscht hatte.

Iwan spendete zu diesem Zweck fünfzig Dukaten, und die Arbeiter versprachen dazu ihrerseits ein prächtiges Brautgeschenk.

Es wurde niemandem vorher gesagt, daß die Gewinnende einen solchen Lohn zu erwarten habe. Dieser mußte unbewußt gewonnen werden. Das Ganze war ein Geheimnis der Alten.

Die Uebergabe des Tugendpreises wurde mit keiner feierlichen Zeremonie verbunden; sie sollte an einem Arbeitstage vor sich gehen, wenn alle Arbeiter noch Haue und Schaufel in Händen haben, damit jedermann sehe, daß nicht das schöne Gesicht, sondern das gute Herz und die fleißige Hand belohnt wird.

Welche Freude wird das Volk an diesem Tage haben!

So trauerte Iwan


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