Maurus Jókai
Schwarze Diamanten
Maurus Jókai

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Apotheose.

Der Preis des Kampfes: Vermögen, Ruf und allgemeine Achtung war errungen.

Der dankbare Ruf vergötterte den Menschen.

Und geschah es nicht mit Recht?

Der einen ungeheuren Schatz gerettet hat, der Tausenden, einem Land, der Industrie, der ganzen Menschheit gehört; der ein verheerendes Unglück überwältigt hat, das eine ganze Gegend mit einer neuen plutonischen Formation bedrohte; der Tausenden von an den Bettelstab gekommenen Menschen das verlorene Brot wiedergegeben, die Tränen von Waisen und Witwen getrocknet hat, kann er sich nicht als Gott fühlen?

Es ist etwas daran, daß der winzige Bewohner dieses Mohnkorns von einer Erdkugel sich den Glauben bildete, daß der ganze Himmel, die Sonnen, die Milchstraßen, die Nebelflecke sich alle um seinen verschwindend kleinen Stern drehen.

Wenn die anderen Sterne Bewohner haben, und ich glaube, daß sie solche haben, und wenn diese Instrumente besitzen, um den Stern, den wir unsere Erde nennen, näher besichtigen zu können, und ich glaube, daß sie solche Instrumente besitzen: so müssen sie, von Bewunderung erfüllt, die Veränderungen unserer Erde aufzeichnen.

Seitdem die letzte Formation die grünen Inseln vom blauen Meeresgrunde weggewischt hat und die bunten Weltteile aus dem Ozean emportauchten, wieviel neue Schöpfungen entstanden seitdem, deren Urheber der Mensch ist.

Bläuliche Sumpfflecke verschwinden von der Oberfläche der Erde, und ihre Stelle nehmen Felder mit goldenen Aehren ein.

Diese Sümpfe hat der Mensch ausgetrocknet.

Inmitten weißer Wüsten entstehen grüne Punkte, die eine geradlinige Reihe bilden.

Es sind artesische Brunnen, welche der Mensch gebohrt hat, so dem knirschenden Sande eine blühende Flur abzwingend.

In Schlangenlinien sich hinwindende Flüsse strömen in gerader Linie hin in Strombetten, welche ihnen durch Menschenhand gegraben wurden.

Eine Erdzunge trennt zwei Meere, plötzlich berühren sich die beiden Meere, durch Menschenhand miteinander verbunden.

Auf dem Meere gleiten kolossale Segler nach allen Richtungen hin und her; auch diese sind keine von Gottes Hand geschaffene Ungeheuer, sondern von Menschen herrührende schwimmende Riesen

An der Stelle dunkelgrüner Urwälder entsteht ein bunter Teppich.

Dort hat Menschenhand die Wildnis ausgerottet und die Stelle derselben mit gelb, blau, rot blühenden Pflanzen besetzt.

Lange, gerade Linien durchschneiden von einer Meeresküste zur andern das Land, und darüber gleiten ungeheure Schlangen mit weithin sichtbarer Schnelligkeit hin.

Es sind Eisenbahnen und Dampftrains, die der Menschengeist zustande gebracht hat.

Und nachts (oder was ist den benachbarten Sternen die Nacht der Erde?), also wenn die Erde ihnen näher kommt, sobald der Halbmond seine unbeleuchtete Seite den Sternen zuwendet, strahlen da und dort ausgestreut, glänzende Punkte.

Es sind die Städte, die der Mensch, der gern sieht, glänzend beleuchtet.

Ist nun diese Welt nicht schöner, als die Welt der Mammuts gewesen ist?

Kann das Geschlecht der Zwerge nicht stolz über den Gebeinen der Riesen wandeln?

Wenn die benachbarten Sterne dies sehen, so können sie davon bewundernd Zeugnis ablegen.

Aber gewiß sieht es derjenige, der es geschaffen hat, der mit einer Hand von der Erde eine schöne Welt weggewischt hat, in der die Steinkohle in Gestalt hoher Bäume grünte und der Urelefant als König herrschte – der aber mit der andern Hand eine neue Tafel darüber breitete und diese mit einem nackt zur Welt kommenden Geschlecht bevölkerte, dem er nichts als das Gebot gab: »Bisher habe ich geschaffen, jetzt schaffe du weiter!«

Und der Mensch setzt das Werk Gottes fort! Das ist sein Lohn.

Und dabei bleibt er Mensch.

Das ist sein Trost.

Denn Gott sein, das ist ein frostiger Gedanke.

Leben, und dazu nicht die Wärme des Blutes fühlen!

Das wußten auch schon die Götter des klassischen Zeitalters, und so oft sie es tun konnten, stiegen sie vom Olymp herab, um mit menschlichem Herzen zu fühlen. .

Auch der Gott des Alten Testaments nahm im Neuen Testament die fühlende Gestalt des Menschen an.

Der Geist kann sich keinen Gott ohne menschliches Gesicht, ohne menschliche Leidenschaften vorstellen. Selbst die Sonnenanbeter malen die Sonne mit Händen und Füßen und lassen sie so am Himmel wandeln.

Die Götter suchen die Anthropomorphose; wozu suchen dann die Menschen die Apotheose?

Was finden sie Gutes daran?

Was hat einer davon, wenn man ihm sagt: »Liebe die ganze Welt, aber du sollst darin niemanden haben, den du allein liebest!«

»Tue Tausenden wohl, aber laß dir am Ruhm genügen, höre, wie dich jedermann preist, empfange die Kränze, mit denen man deinen Triumphwagen überschüttet, sei reich; aber es soll kein lächelndes Gesicht geben, das sich mit dir zu Tische setzt, höre keine plaudernde Kinderstimme, die dich um etwas bittet und dich begrüßt, du sollst von keiner lieben Hand ein Veilchen annehmen, um es im Knopfloch zu tragen.«

»Kränze von der ganzen Welt, um darunter zu ersticken, aber keine einzige Blume von irgendeiner einzelnen Person!«

»Tausende sollen dir Küsse zuwerfen, aber keine Lippe soll dich je wirklich mit einem Kuß berühren!«

»Wandle im Goldregen, der auf dich herabfällt, aber niemand soll erfahren, wie du nach einem Almosen schmachtest, nach dem Almosen der Liebe – der Liebe, die der im Staub wandelnde Mensch hat, die du aber nicht hast. Er geht von seiner Festtagsfreude zu Fuß nach Hause und trägt sein schläfrig gewordenes kleines Kind auf den Armen, während du in deiner Kutsche an ihm vorüberfährst; er grüßt dich demütig, weil du ein großer Mann bist, und du erwiderst seinen Gruß herablassend, weil du vornehm bist – dabei aber beneidest du ihn, doch er beneidet dich nicht!«

* * *

Auf Iwan regnete es nach dem bewundernswerten Erfolg von allen Seiten Auszeichnungen.

Von der Regierung bekam er ein ewiges Privilegium auf das Geheimnis seines Löschmittels. Von der Aktiengesellschaft erhielt er eine reiche Remuneration. Monstredeputationen nötigten ihm die Stelle des Direktors auf, ausländische und inländische gelehrte Gesellschaften diesseits und jenseits des Ozeans wählten ihn zu ihrem Mitglied. Alle illustrierten Blätter der gesamten Zeitungswelt veröffentlichten sein Bildnis und seine Biographie. In allen Dörfern des Bondatales schlossen ihn die einfachen Leute in ihre Gebete ein, und als der erste Train auf der zu neuem Leben gediehenen Bondavárer Eisenbahn dahinbrauste, wurde derselbe von einer Lokomotive gezogen, die den Namen »Berend« führte.

Nur Gott bewahrte ihn davor, daß er nicht auch einen Orden erhielt.


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