Maurus Jókai
Schwarze Diamanten
Maurus Jókai

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Nein! – Eveline!

Es war die höchste Zeit, daß Iwan zu seinem Steinkohlenbergwerk heimkehrte.

Während er in Pest Dummheiten machte, geschahen im Bondatale große Dinge.

Nicht weit von seiner Fabrikskolonie entstanden riesige neue Gebäude mit zauberhafter Schnelligkeit, wie es bei solchen Bauwerken zu geschehen pflegt, bei welchen man nicht danach fragt, wieviel etwas kostet, sondern nur, wann etwas fertig wird, sei es um welchen Preis immer.

Die Aktien waren noch gar nicht emittiert, und das Konsortium hatte im Interesse des Unternehmens schon eine Million verbaut.

Ueberall herrschte fieberhafte Eile; hier arbeitet eine Dampfziegelmaschine, dort werden auf die sich erhebenden Mauern die Baumaterialien mittels einer Drahtbahn befördert; hoch aufgeworfene Hügel zeugen von den bereits ausgeführten Erdarbeiten; die Schlote rauchen bereits, die Dächer werden schon gedeckt. Eine ganze Gasse wird da gebaut! eine neue Stadt!

Herr Rauné hatte Iwan von diesen Neubauten gar nichts geschrieben.

Auch noch anderes hatte Herr Rauné dem Abwesenden verschwiegen und zwar, daß in dem Bergwerk ein dritter zerstörender Geist aufgetaucht sei, der mit dem »schlagenden Wetter« und dem »bösen Wetter« an Schädlichkeit wetteifert, der »Streik«.

Ein Teil der Arbeiter will in dem neuen Kohlenbergwerk, das »die Herrenkolonie« heißt, Arbeit nehmen. Dort verspricht man ihnen um die Hälfte mehr Arbeitslohn, als Iwan zahlt.

Ja sogar auch Herr Rauné hat gekündigt und erklärt, daß er die Direktorstelle, die ihm bei der Aktiengesellschaft angeboten wird, viel vorteilhafter finde.

Natürlich war er es selbst, der unter Iwans Arbeitern die tüchtigsten ausgesucht und sie mit dem Versprechen eines hohen Arbeitslohnes in den Dienst der Aktiengesellschaft gelockt hatte.

Jetzt sah Iwan ein, welche Torheit er beging, als er den durch seinen lieben Freund hergebrachten Direktor für sein Bergwerk aufnahm.

So ist der Gelehrte!

Er forscht, was für Tiere vor Hunderttausenden von Jahren zur Zeit der Steinkohlenformation gelebt haben; aber darauf verfällt er nicht, daß es nicht gut sein wird, einen Konkurrenten in die Nähe seiner Steinkohlen kommen zu lassen.

Als sein lieber Freund Felix sagte, daß er zur Ausbeutung des Steinkohlenlagers der benachbarten Herrschaft eine Aktiengesellschaft bilden würde, wäre es selbst dem einfältigsten Pächter eingefallen ihm zu sagen, daß er Herrn Rauné nur gleich wieder mitnehmen solle und hinzuzufügen: »Freund, ich kann dich keinen Augenblick länger hier dulden.«

Hatte er doch seinen Feind in seine Geschäftsgeheimnisse eingeweiht!

Er machte auch wirklich die Erfahrung, daß jener nicht im geringsten Anstand nahm, diese Geheimnisse aufs beste auszubeuten.

Als Iwan von dem drohenden Uebel Kenntnis hatte, rief er seine Arbeiter zusammen und sagte ihnen: »Kameraden! Hier ist eine große Unternehmung, die euch soviel Arbeitslohn verspricht, wie sie ohne Verlust gar nicht geben kann. In meinem Bergwerk hatte ich bisher Gewinn, ich biete euch daher außer eurem bisherigen Arbeitslohn für die Zukunft auch einen Anteil am Gewinn. Von nun an teilen wir miteinander, was wir erwerben. Zu Ende des Jahres lege ich euch meine Rechnungen vor. Eine von euch gewählte Kommission wird sie prüfen, und jeder bekommt nach dem Verhältnis seines Lohnes und seiner geleisteten Arbeit seine Tantieme. Wenn ihr einwilligt, so setzen wir die Arbeit fort. Wenn ihr es jedoch für besser findet, wegen des hohen Taglohnes zu dem Aktienbergwerk hinüberzugehen, so werde ich mich nicht in der Konkurrenz mit einer über viele Millionen verfügenden Gesellschaft zugrunde richten, sondern ich verkaufe der Gesellschaft mein Bergwerk und dann könnt ihr dessen gewiß sein, daß, sobald die beiden Bergwerke in einer Hand sind, der Arbeitslohn wieder herabgemindert wird. Denjenigen, welche treu bei mir aushalten, biete ich den Vertrag auf Lebenszeit an. Der Gewinn dieses Bergwerks wird, solange ich der Eigentümer bin, zwischen den Arbeitern und dem Eigentümer stets geteilt werden.«

Diesen Antrag verstanden viele, und die Aktiengesellschaft konnte ihn nicht nachahmen. Mehr als die Hälfte der Arbeiter schloß mit Iwan den Vertrag, bei ihm zu bleiben und seine Kolonie nicht zu verlassen. Eine große Schar jedoch, durch gemietete Wühler aufgehetzt, ging zu der Herrenkolonie über.

Die Treugebliebenen hatten dann von den Abgefallenen viel Aergernisse auszustehen. Von nun an verging kein Sonntag ohne Schlägerei zwischen den Arbeitern der beiden Bergwerke.

Bald darauf erfuhr Iwan, daß sein mächtiger Nebenbuhler bereits ein Gegenmittel gegen seinen Schachzug gefunden habe.

Seine Kunden, welchen er Kohle, Roh- und Stangeneisen zu liefern pflegte, benachrichtigten ihn einer nach dem andern, daß die Bondavárer Aktiengesellschaft ihnen dieselben Erzeugnisse um fünfzig Prozent billiger anbietet; sie könnten daher in Zukunft auch bei ihm nur um denselben Preis einkaufen.

Um fünfzig Prozent höherer Arbeitslohn und um fünfzig Prozent geringere Preise für die hergestellten Erzeugnisse – das ist soviel wie umsonst arbeiten.

Rauné hatte Iwans Geschäftsverbindungen in seiner Hand; er konnte zu dessen Ruin tun, was ihm beliebte.

Iwan verlor auch hierauf noch nicht den Mut. Er schrieb allen seinen bisherigen Geschäftsfreunden, daß er weder die Kohle noch das Eisen auch nur um einen halben Heller billiger geben werde, und wenn ihm auch alles auf dem Hals bleiben sollte.

Die Folge hiervon war, daß all seine Kohle und sein Eisen in den Magazinen sich anhäufte und kaum ein einziger Wagen auf der Bondataler schwarzen Straße zu sehen war. Grube und Hütte arbeiteten bloß für sich selbst.

Das war dann für die treu gebliebenen Arbeiter eine sehr schlechte Aussicht. Ihre im benachbarten Bergwerk beschäftigten Kameraden verhöhnten sie deshalb genug. Wo wird der Gewinn sein? Sie werden die Eisenstangen und die Kohlen unter sich verteilen können.

Iwan beruhigte sie. Zu Ende des Jahres werde alles zu guten Preisen abgehen. Verschleudern dürfe man nichts. Wenn das andre Gewerk dies tut, so möge es das immerhin tun; er macht es nicht nach.

Als die großartigen Bauwerke der Fabrikskolonie fertig waren, veranstaltete die Direktion zur Einweihung des Unternehmens ein glänzendes Fest.

Aus der fernen Stadt Wien kamen die Hauptaktionäre, die Verwaltungsräte und Präsidenten zu dieser Eröffnungsfeier herab.

Das riesige Magazin der Fabrikskolonie wurde zu einem großartigen Speisesaal dekoriert, die Fenster wurden mit Festons umwunden, die Nebentische für die Arbeiter und der Haupttisch für die vornehmen Gäste gedeckt.

Im vorhinein war es schon verbreitet worden, daß auch der Fürst selbst herabkommen werde. Ihn hatte das Konsortium zum Ehrenpräsidenten des Unternehmens gewählt. Die Fürsten verstehen sich bekanntlich am allerbesten auf industrielle Unternehmungen, und besonders besitzt Fürst Theobald ein ausgezeichnet großes Talent zu spekulieren und zu rechnen. Er allein hat um eine Million Aktien gezeichnet. Diese Million hat ihm Kaulman dargeliehen, diese Million wurde auf die Bondavárer Herrschaft intabuliert. Die Million existierte natürlich nirgends.

Der Eröffnungsfeier ging eine kirchliche Zeremonie voraus, bei welcher, wie lange vorher ausposaunt worden war, der berühmte Abt Samuel die heilige Messe zelebrierte. So ziemt es sich auch. Denn vor Gästen von so hohem Range kann doch nicht ein so gutmütiger, einfältiger Landpfarrer, wie der hochwürdige Herr Mahók, pontifizieren.

Die Gäste kamen aus dem Bondavárer Kastell, wo sie am vorausgegangenen Tage abgestiegen waren, in lauter prachtvollen Kutschen zur Kirche gefahren. Der mit dem Wappen geschmückte Batard des Fürsten kommt zuerst. Hinten stehen zwei Lakaien in goldstrotzenden Kleidern, vorn auf dem Bock sitzt der Kutscher mit einer weißen Perücke und einem dreieckigen Hut. Die Lakaien beeilen sich den Wagenschlag zu öffnen. Und aus der Equipage steigt zunächst ein feiner alter Herr mit silberweißem Haar, glattrasiertem, sanftem, freundlichem Gesicht und vornehmer Miene, und ebenderselbe Herr reicht seine Hand einer in Samt und Spitzen prachtvoll gekleideten Dame, welcher er mit dem Ausdruck der vertraulichsten Freundlichkeit aus der Equipage und auf die Erde herabsteigen hilft.

Beim Herabsteigen sieht man die hellvioletten Atlasstiefletten und die glänzenden seidenen Strümpfe der Dame.

»Was das für eine hohe Herrschaft sein muß!« spricht unter sich die gaffende Menge, die vor der Kirche umhersteht und, die Hüte in der Hand, die Herrschaften erwartet.

Nur eine Gestalt in einem grobtuchenen Rock ruft beim Anblick der stattlichen Dame: »Evila!«

Es ist dies Peter Saffran!

Die Dame hörte den Ausruf des Staunens und wandte lächelnd ihr Gesicht nach der betreffenden Seite: »Nein! – Evelina!«

Und hiermit schwebte sie mit vornehmer Grazie über die Stufen der Kirche.

Eveline war von der Eitelkeit hierher geführt worden.

Sie wollte ihre seidenen Strümpfe den Leuten zeigen, die sie in Holzschuhen und barfuß gesehen hatten.

Es war die Eitelkeit der Bauerndirne.

Nicht Hochmut, nur Eitelkeit. Sie wollte nicht hochmütig herabsehen auf ihre einstigen Genossen, sie wollte ihnen Gutes tun, Geld unter sie verteilen, sie zu Dank, zu Hochachtung verpflichten; und besonders denjenigen, die ihr gut gewesen waren, wollte sie zeigen, daß sie jetzt, wo sie zu solcher Herrlichkeit gelangt war, die Dankbarkeit gegen sie nicht vergessen habe; sie wünschte sie glücklich zu machen.

Eveline hatte sich schon im voraus auf das Zusammentreffen mit ihrem einstigen Bräutigam gefreut. Der hat sich wahrscheinlich schon längst getröstet; vielleicht ist er auch schon verheiratet. Ein kleines Geldgeschenk wird ihn sehr glücklich machen.

Auch darauf hatte sie gerechnet, daß sie Iwan begegnen werde. Auch dem wird sie beweisen, mit welchem Dankgefühl sie sich seiner erinnert, und wieviel Macht sie habe, ihre Dankbarkeit mit Taten zu beweisen. Ihm kann sie zwar keine Geschenke geben, aber sie kann ihn in Kenntnis setzen, welche Gefahr seinem kleinen Gewerk von seiten des Konsortiums drohe, und sie kann sich anheischig machen, ihren entscheidenden Einfluß bei der Gesellschaft zu Iwans Gunsten geltend zu machen, falls er sich mit dem riesigen Gegner ausgleichen wollte, der ihn zu erdrücken beabsichtigt.

Jedem wollte sie etwas Gutes tun, damit die Leute dann sagen: »Wie weit hat sie es gebracht! Aber sie hat ein gutes Herz! Sie erkennt ihre armen Freunde auch jetzt!«

Die Eitelkeit des Wohltuns hatte sie hierher geführt.

Sie hatte es auch schön eingerichtet, daß sie mit Berend zusammenkommen könne. Die Notabilitäten, die Grundbesitzer der Gegend wurden im Namen des Fürsten zur Eröffnungsfeier und zum Bankett geladen. Eine solche Einladung kann man unmöglich zurückweisen. Freilich hatte Abt Samuel, als Eveline darauf anspielte, ob er nicht Berend als seinen gelehrten Kollegen besuchen und ihn vielleicht zum Bankett mitbringen werde, darauf geantwortet, er würde nicht für alle Schätze der Welt an Iwan Berend die Aufforderung richten, mit ihm in den Salon der hohen Herrschaften von Bondavár zu kommen. Er wußte, warum er das sagte.

Als Peter Saffran der vor ihm vorbeihuschenden Erscheinung nachstaunte, klopfte ihm jemand von hinten auf die Schulter. Es war Felix Kaulman.

Peters Gesicht erblaßte beim Anblick dieser Gestalt im ersten Augenblick vor Schreck, und dann vor Wut.

Felix aber lächelte mit der Überlegenheit der Vornehmen auf ihn herab, wie auf einen, mit dem er durch die Erinnerung an einen Kapitalspaß in Verbindung stand.

»Guten Tag, Bursche! Komm auch du hinauf zum Essen!«

Peter Saffran staunte über die an ihm vorüberschreitenden Herrschaften, und als alle in die Kirche hineingegangen waren, ging auch er ihnen nach.

In der Kirche kniete er im dunkelsten Winkel vor einem Heiligenbild nieder, und die gefalteten Hände auf die Wand gestützt und sein Gesicht auf die Arme legend, tat er ein Gelübde, ein schreckliches, schweres Gelübde. Die ihn sahen, glaubten, daß er seine Sünden bereue und inbrünstig bete. Dann erhob er sich, wartete nicht mehr auf das Ende der glänzenden Zeremonie und eilte zur Kirche hinaus, einen wilden Blick hinter sich werfend, ob nicht die heiligen Bilder mit dem Finger auf ihn zeigend, ihm nachrufen: »Fangt ihn! bindet ihn!«

Nach der heiligen Zeremonie ging die vornehme Gesellschaft fort, um die Fabrikskolonie zu besichtigen. Bei dem mit Tannenreisig umwundenen Triumphbogen empfing eine Deputation der Arbeiter die Herrschaften, und der Sprecher hätte eine zierliche Rede gehalten, wenn er nicht stecken geblieben wäre. Aber die Rednerin einer Gruppe weiß gekleideter Mädchen war so glücklich das einstudierte Gedicht ohne Stocken herzusagen, und ein kleines Mädchen überreichte Evelinen einen prächtigen Blumenstrauß.

Eveline küßte das Kind und fragte es: »Kleine Marie, kennst du mich noch?«

Das kleine Mädchen erkannte sie nicht! Es wagte nicht einmal Eveline anzuschauen, so schön war diese.

Die Gebäude der Kolonie, die Fabriken, die Essen, das Hammerwerk, den Destillierofen zeigte Herr Rauné den Herrschaften, welche dann tüchtig ermüdet in das zu einem Speisesaal umgestaltete Magazin kamen und hier von zwei Zigeunerbanden empfangen wurden, natürlich mit dem »Rákóczymarsch«.

Zu diesem Fest kamen Geladene und Ungeladene: Herren, Bauern, Geistliche und Zigeuner.

Aber Iwan, ihren einstigen Herrn, fand Eveline unter den Angekommenen nicht.

Nicht einmal ein Entschuldigungsschreiben hatte er geschickt. Er hat wieder sein schwarzes Hemd an, er kann nicht Komplimente vorlügen, wo er das Gegenteil denkt. Er ist ein grober Mensch.

Aber er hat vielleicht Ursache dazu?

Wenn man im voraus auf die Haut des Bären trinkt, so soll der Bär wenigstens das Recht haben, beim Gelage nicht zugegen zu sein.

Aber Peter Saffran war da.

Es traf ihn sogar die Auszeichnung, daß er am Tisch der Arbeiter den ersten Platz erhielt. War er doch ein Gast unter ihnen. Mehr kamen nicht aus dem Bondataler Bergwerk, bloß er.

Das Bankett dauerte bis zum späten Abend. Herren und Arbeiter waren sehr lustig.

Gegen Ende des Banketts ließ Felix den Peter Saffran herbeirufen.

Er stellte ihn dem Fürsten vor.

»Das ist der wackere Arbeiter, von dem ich Ew. Exzellenz gesagt habe.«

Saffran fühlte, daß ihm das Blut ins Gesicht schoß und bis zu den Schläfen drang.

»Nun, Bursche, geht es dir gut, seit wir uns nicht gesehen haben?« sprach Felix. »Fürchtest du dich noch so stark vor dem Doktor? Na, da gebe ich dir ein kleines Pflaster. Heile dich damit von dem ausgestandenen Schrecken.« Und hiermit nahm er aus seiner Brieftasche einen neuen Hunderter und drückte ihn Peter in die Hand. »Nicht mir, sondern der gnädigen Frau mußt du die Hand küssen.«

Peter Saffran gehorchte und küßte Evelinen die Hand, oder vielmehr deren schönen zart violetten Handschuh.

Was für ein guter, gehorsamer Junge aus dem Menschenfresser geworden ist.

»Die gnädige Frau will dir wohl,« fuhr Felix fort. »Auf ihre Fürsprache hat Se. Exzellenz, der gnädige Fürst, anzuordnen geruht, daß wir dich bei der Aktienkolonie als Grubenaufseher mit tausend Gulden jährlichem Gehalt anstellen. Was sagst du dazu, Bursche?«

Was hätte er sagen sollen? Er küßte auch dem gnädigen Fürsten die Hand.

»Na! und jetzt leere mit mir ein Glas!« sprach Herr Kaulman, mit erhabener Herablassung für Peter Saffran einen Kelch mit schäumendem Champagner vollschenkend, »unser gnädigster Präsident, Se. Durchlaucht der Fürst soll leben!«

»Und es lebe die schönste Frau!« fügte der Fürst galant hinzu, bevor der Tusch schrillte, und dann stießen alle vier miteinander an: Peter Saffran, der Fürst, der Bankier und die schöne Frau.

Das Arbeitervolk war von dieser Szene bezaubert. So überaus große Herrschaften stoßen mit einem gemeinen Arbeiter an. Diese lieben das Volk wahrhaft.

Peter Saffran dachte darüber nach, welcher von den beiden Herren, deren einer rechts, der andere links neben der schönen Dame saß, ihr Mann sei, und was dann der andre ihr sein möge.

Er leerte den Becher, aber auch von dem erfuhr er nicht, was er so gern gewußt hätte.

Den Schluß des Festes bildete ein großartiges Feuerwerk. Die goldenen Funken der explodierenden Raketen schwebten über Iwans Bergwerk hin.

Am andern Tage kam Peter Saffran zu Iwan und meldete, daß er bei dem herrschaftlichen Gewerk eingetreten sei.

Iwan sagte bitter: »Auch du? – Nun so geh!«

Saffran war noch bleicher als sonst. Er hatte erwartet, daß Iwan ihm Vorwürfe machen werde, und nachdem er sich in dieser Erwartung getäuscht sah, brach aus ihm hervor, was ihm schon lange das Herz bedrückte.

»Warum haben Sie damals den Menschen Doktor genannt?«

»Weil er es ist, er ist Doktor der Philosophie.«

Saffran erhob drohend seinen Finger.

»Darum war es doch unrecht, daß Sie ihn damals Doktor anriefen.«

Hiermit wandte er sich um und ging ohne Gruß fort.

Iwans Seelenstärke hatte eine harte Probe zu bestehen.

Seine besten Leute verließen ihn. Mächtige, kolossale Kapitalien stürzten über seine Hütte her, um sie wegzufegen; alle seine Geschäftsfreunde verließen ihn. Es gehörte ein starkes Herz dazu, daß er nicht aus dem kleinen, rußgeschwärzten Hause floh und sein unfruchtbar gewordenes Unternehmen seinen triumphierenden Gegnern überließ.

Aber mitten in dieser großen Niederlage blieb ihm ein wahrer, unwandelbar guter Freund, der ihn nicht in Verzweiflung geraten ließ: das Einmaleins.

Dieser Freund sagte ihm, was das sei, was er vor sich sah.

»Ist dies ein Verein von Industriellen?« – Nein, ein Verein von Börsenspekulanten.

»Beschäftigen sich diese mit Volkswirtschaft?« – Nein, sie spielen ein Hasardspiel.

»Ist dies eine Fabrikskolonie?« – Nein, ein Turm zu Babel.

Zweimal zwei ist vier und ewig nur vier.

Und wenn alle Kaiser der Welt in Patenten und Ukasen dekretieren, daß zweimal zwei von nun an fünf sein soll, und wenn alle Päpste in Bullen anordnen, zu glauben, daß zweimal zwei fünf sei, und wenn alle Finanzkönige zweimal zwei als fünf berechnen, so bleibt es doch ewig vier.

Dieses großartige Aktienunternehmen will gegen diese unerschütterliche Wahrheit arbeiten. Die Gesellschaft baut, schafft an, gründet, schließt Verträge, kauft und verkauft mit der leichtfertigsten Verschwendung – alles gegen das Einmaleins. Dieses Unternehmen hat nicht den Zweck, für künftigen Nutzen zu arbeiten, sondern für den momentanen Erfolg

»Ich werde diese Unsterblichen überleben!«

* * *

Am Schluß des Jahres wartete der Gesellschaft noch eine Ueberraschung.

Die Bondavárer Aktien begannen schon zwischen 35 und 40 fl. Aufgeld festzustehen, obgleich der Termin zur Einzahlung der zweiten Rate näher kam.

In solcher Zeit pflegen alle jungen Papiere zurückzugehen.

Herr Csanta dachte eben daran, daß jetzt die beste Zeit wäre, seine Aktien an den Mann zu bringen und das Silber wieder zurückzuschaffen.

Indes bekam er gerade damals von Spitzhase eine geheime Botschaft, er möge sich hüten etwas zu verkaufen. Heute habe die Direktion die Bilanz der verflossenen zwei Monate zusammengestellt und in der nächsten Generalversammlung werde sie die Aktionäre damit überraschen, daß sie 20 Prozent Dividende verteilen wird, worauf die Aktien gleich wieder steigen werden. Er möge sich dieses Geheimnis zunutze machen.

Und in der Tat erlebte die Geschäftswelt diese Ueberraschung. Von den ersten zwei Monaten der Tätigkeit der Bondavárer Fabrikskolonie wurde ein so glänzender Gewinn ausgewiesen, daß außer den Verwaltungstantiemen auf jede einzelne Aktie eine Dividende von 6 fl. entfiel, was für die eingezahlten 35 Prozent und für zwei Monate ein unerhörter Gewinn ist.

Iwan brach in ein schallendes Gelächter aus, als er dies las.

Er wußte am besten, mit was für einem Gewinn diese Fabrikskolonie arbeitet. Aber es ist ja leicht, das Inventar so zusammenzustellen, daß der in der Kasse befindliche Betrag als reiner Gewinn figurieren könne. Was verstehen die vielen einfältigen Aktionäre davon. Die Mitglieder des Verwaltungsrats verstehen es schon, sie wissen ja, was sie tun. Sie haben ihren Nutzen schon vorweg sich verschafft, das Publikum mag weinen.

Auf dem Felde der Börse ist ja kein Standrecht publiziert.

Herr Csanta verkaufte also seine Aktien nicht, zahlte auch die zweite Rate in Silber ein, freute sich über den Gewinn und segnete Spitzhase, der ihn verhindert hatte seine Papiere zu 35 zu verkaufen, die nach einer Woche auf 45 stiegen.

Iwan aber sah dem höllischen Schwindel mit ruhigem Gemüt zu: »Wie lange wird der Spaß noch dauern?«


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