Maurus Jókai
Schwarze Diamanten
Maurus Jókai

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Eva Dirmak.

Herr Kaulman hatte also seine Angelegenheit mit dem Fürsten Waldemar aufs beste geordnet.

Der Fürst ist in der Tat in Eveline vernarrt.

Seitdem er sie in St. Eustache singen hörte, wäre er sogar imstande ihr in eine Wüste zu folgen, in einer Höhle zu wohnen und von Heuschrecken zu leben, wie der heilige Antonius – wenn nur sie dabei der versuchende Geist wäre.

Kaulman hat es bei ihm zu einem vollständigen Erfolg gebracht.

Der Fürst wird sich nicht an die Spitze der Kontermine stellen, er wird die Bondavárer Katastrophe nicht benützen, die Unternehmungen des Hauses Kaulman nicht stürzen.

Im Gegenteil, er wird auf der Wiener Börse die Panik die auf die Nachricht von dem Unfall entstehen muß, zerstreuen und den Kurs der Papiere aufrecht halten. Er verhindert nicht, daß das Kirchenanlehen in Paris und Brüssel aufgelegt werde, und wird sogar auch selbst unter den Zeichnern mit einem möglichst großen Betrag figurieren

Und was kostet dieses alles? Nichts! Ein schönes Wort, von einer schönen Frau gesprochen.

Noch einmal sollen sie ihren Zauber ausüben, diese schwarzen Diamanten, Evelinens schwarze Augen. Dann möge sie der besitzen, der dafür am meisten gegeben hat!

Kaulman wartete lange auf die Rückkunft des Geistlichen, und als es ihm zu lange wurde, entschloß er sich selbst zu seiner Frau zu gehen.

Er fand sie nicht zu Hause. Der Portier sagte, sie sei ins Theater gegangen.

Kaulman hatte vergessen, den Theaterzettel anzusehen; erst jetzt erfuhr er, daß Eveline heute spielte.

Er fuhr zum Opernhause.

Zunächst lief er in die Loge seiner Frau, in der nur die Gesellschafterin war.

Er überschaute von dort den Zuschauerraum. Im Parterre waren Claqueurs genug, und in einer der Proszeniumslogen erblickte er den Fürsten Waldemar.

Ah! der Fürst wußte es besser als er, daß Eveline heute singt.

Dann ging er auf die Bühne; man kannte ihn dort als den Gemahl der Frau und ließ ihn in Evelinens Ankleidezimmer ein.

Eveline war im Kostüm und erwartete ihre Szene.

Als sie Kaulman erblickte, wandte sie sich trotzig ab. Was stört er sie jetzt, da sie in der Ausübung ihres Berufs begriffen ist?

»Ich bin gekommen, um Ihnen guten Abend zu sagen, Madame.«

»Dazu hätten Sie bis morgen früh Zeit gehabt.«

»Was? Mit dem guten Abend! Haha!«

»Nein, mit dem Gruß. Sie wissen, daß ich vor dem Auftreten immer so befangen bin.«

»Ich wollte nicht damit zögern, Ihnen zu sagen, daß die Creme der Gesellschaft sich um Eintrittskarten zu Ihrem wohltätigen Konzert reißt. Haben Sie eine für mich auf die Seite gelegt?«

Herr Felix war lauter Liebe und Freundlichkeit.

»Ich habe keine auf die Seite gelegt.«

»Ah! Und warum nicht!« fragte er mit naivem Klagen.

»Weil aus dem ganzen Konzert nichts wird. Ich habe es aufgegeben.«

Das Gesicht des Herrn Felix zog sich auf einmal in die Länge.

»Wollen Sie nicht so freundlich sein, mir den Grund zu sagen?«

»Nach der Vorstellung. Jetzt kommt meine Szene und ich muß auf die Bühne gehen.«

Hiermit entfernte sie sich aus dem Ankleidezimmer und verbrachte die Zeit bis zu ihrem Auftreten zwischen den Kulissen.

Kaulman nahm eine andre Kulisse in Beschlag, von der aus er sowohl auf seine Frau als auch in die Proszeniumsloge sehen konnte.

Eveline spielte nicht gut und sang nicht gut. Sie hatte Trema. Sie intonierte nicht allein schlecht, sondern ließ auch ganze Noten fallen. Sie war sichtlich befangen.

Aber deshalb applaudierte die gut organisierte Claque doch so stark, daß das Haus erzitterte, und Fürst Waldemar applaudierte in seiner Loge so eifrig, als ob er am besten dafür bezahlt würde.

Nach der Schlußarie aber flogen aus Waldemars Loge zahlreiche Kränze und Buketts vor Evelinens Füße hin.

Eveline hob nichts davon auf und eilte in ihr Ankleidezimmer.

Kaulman ging ihr nach.

»Warum haben Sie nicht einen einzigen von den vielen schönen Kränzen aufgehoben?« fragte er sie.

»Weil ich sie nicht verdiente. Ich fühle es, ich weiß es, daß ich schlecht gesungen habe.«

»Aber wenigstens um des Spenders willen hätten Sie einen seiner Kränze aufheben sollen.«

»So? Sie verlangen das so sehr?'

»Ich?«

»Nun ja! Ich glaube, daß Sie mir alle Kränze werfen lassen, die ich bekomme.«

»O nein! Haben Sie es denn nicht gesehen? Sie sind alle aus einer Loge gekommen. Haben Sie den nicht erkannt, der in jener Loge saß?«

»Ich habe nicht hingesehen.«

»Es ist Fürst Waldemar.«

»Ah! Derselbe, der Ihnen so feindlich gegenübersteht, der Sie stürzen will?«

»O, er hat sich bereits bekehrt, er ist ganz umgewandelt, er ist jetzt unser bester Freund.«

»Unser Freund? Wen verstehen Sie unter ›unser‹?«

»Sowohl mich als auch Sie.«

»Ich danke! Ich verzichte auf meinen Teil!«

»Den werden Sie aber schwer absondern können! Denn er ist nun einmal mein guter Freund, und mein Haus steht ihm offen.«

»Aber mein Haus ist ihm verschlossen.«

»So bin ich denn genötigt, Ihnen eine unangenehme Entdeckung zu machen. Sie sind mit Ihrer Rolle fertig, nicht wahr? Sie regt Sie nicht mehr auf ...«

»Sprechen Sie nur,« sagte Eveline, vor dem Spiegel die Schminke von ihrem Gesicht waschend, »ich höre.«

»Sie werden nicht mehr lange ein eignes Haus halten können. Fürst Theobald ist unter Kuratel, und wie Sie mit Ihrem Verstand leicht erraten konnten, hatten Sie Ihr Pariser Hotel seiner freundschaftlichen Fürsorge zu verdanken. Das hört jetzt auf. Mir aber gestatten meine Umstände nicht, für Sie einen besondern Haushalt einzurichten, und so werden wir genötigt sein, gemeinsam zu wohnen, und da tritt natürlich die Notwendigkeit ein, daß diejenigen, die in meinem Salon willkommen sind, auch Ihre Gäste seien.«

Eveline legte ihr königliches Kostüm ab, nahm das Diadem von ihrem Kopf und die strahlenden Armbänder von ihren Armen.

»Und glauben Sie,« sagte sie, ihm nur halb zugewandt, »daß, wenn ich das prächtige Hotel verlassen muß, ich mir nicht in Paris ein Mansardenstübchen nehmen kann, das eine Tür und an der Tür einen Riegel hat, den ich vorschieben kann, wenn was immer für ein Fürst der Welt hinkommt?«

Kaulman ließ es aufs äußerste ankommen. Er zwang sich nicht mehr freundlich zu scheinen.

»Ich mache Sie aufmerksam, Madame, daß es in Frankreich unangenehme Gesetze gibt, welche die Gattin zwingen, bei ihrem legitimen Gatten zu wohnen, mit ihm zu reisen, ihm zu gehorchen.«

Eveline war eben damit beschäftigt, die vergoldeten Sandalen von ihren Füßen abzulösen.

Sie sah Kaulman mit ihren schwarzen durchbohrenden Augen an.

»Ich aber mache Sie aufmerksam, mein Herr, daß es in Frankreich unangenehme Gesetze gibt, nach welchen die nur vor dem Altar und nicht mittels eines Zivilvertrages geschlossene Ehe eines französischen Bürgers null und nichtig ist.«

Kaulman sprang auf, wie von einer Tarantel gestochen.

»Was sagen Sie?«

Eveline zog die vergoldeten Sandalen von ihren Füßen. Und als sie in einem Unterkleide und barfuß dastand, warf sie Kaulman die Sandalen vor die Füße.

»Daß ›dies‹ noch Ihnen gehört; ich aber ›Demoiselle Eva Dirmák‹ gehöre mir selbst an.«

»Wer hat Ihnen das gesagt?« fragte der Bankier, bleich vor Entsetzen.

»Derselbe, der Ihnen den Rat gegeben hat, so mit mir zu verfahren.«

Kaulman stützte sich schwindelnd auf den Tisch.

»Und jetzt,« sagte Eveline, mit der Hand winkend, »wissen Sie, daß dies das Ankleidezimmer des Fräulein Dirmák ist!«

Kaulman ließ sich das nicht zweimal sagen, sondern nahm seinen Hut und lief fort.

Er eilte dann so sehr, daß er gewiß nicht eher Rast hielt, als bis er irgendwo fiel.

Alles war verloren, keine Hilfe mehr möglich.

Es war so, wie der Abt es gesagt hatte.

Gestern war er noch der Herr vieler Millionen. Hundert Millionen wurden ihm angeboten, daß er sie annehme; morgen werden tausend Hände sich ausstrecken, um was sich noch vorfindet in Atome zu zerreißen, für Millionen Groschen zu nehmen.

Er hatte keine andere Wahl, als sich eine Kugel durch den Kopf zu jagen oder in seine Kasse hineinzugreifen, daraus zu entwenden, soviel er eben schnell nehmen konnte und zu entfliehen.

Kaulman wählte das letztere und entfloh.


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