Maurus Jókai
Schwarze Diamanten
Maurus Jókai

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Wo der Diamant nicht angreift.

Was Se. Exzellenz mit der schönen Frau bei dieser von ihr gewünschten Zusammenkunft besprochen – können wir nicht authentisch sagen, weil wir keinen Stenographen dabei hatten.

Gewiß hat er ihr künstlerisches Talent gelobt und ihr seine hohe Protektion versprochen; und da auf der Welt nichts umsonst ist und der Fürst Se. Exzellenz in gewisser Beziehung als einen großen Schelm erklärte, so hat er wahrscheinlich auf den Lohn angespielt, den er für seine Protektion erwartet.

Hierauf wollte Eveline als kluge Frau gewisse Errungenschaften erst schwarz auf weiß sehen und zog aus ihrer Schublade die gewisse Schrift heraus.

Von dieser gewissen Schrift glaubte Se. Exzellenz wahrscheinlich, daß es ein Gesuch um ein Engagement bei der Oper sei und möglich, daß er mit heiterem Lächeln sagte, ihr Engagement sei soviel als gewiß.

Mehr als wahrscheinlich aber ist es, daß er, als er dann in die Schrift hineinblickte, sein erhabenes Gesicht sogleich in amtliche Falten zog, da in der Schrift nicht vom Theater, sondern von der Bondataler Eisenbahnkonzession die Rede war; – daß Se. Exzellenz sich sodann erhob und, nachdem die Lust, der schönen Frau den Hof zu machen, ihm verleidet war, ihr von unüberwindlichen Hindernissen zu sprechen anfing, von großem Widerstand im Reichsrat, von noch größerem Widerstand im Herrenhaus, wo Fürst Sondershain Himmel und Erde gegen die Bewilligung der Bondavárer Eisenbahn in Bewegung setzt, von politischen Bedingungen, von den Schwierigkeiten des Geldmarktes, von der Ueberbürdung des Staates, von strategischen Gesichtspunkten, von Terrainschwierigkeiten und mehr dergleichen Dingen, wegen deren es unmöglich oder wenigstens für jetzt nicht möglich sei, die Bondataler Eisenbahn mit staatlicher Zinsengarantie zu bewilligen.

Daß Se. Exzellenz dann seinen Hut nahm und die schöne Frau verließ, das ist Tatsache.

Und psychologisch denkbar ist es, daß er, indem er mit verdrießlicher Miene die Treppe hinabging, bei sich sagte: »Hätte ich gewußt, daß nicht die Theaterprinzessin, sondern die Gemahlin des Bankiers mit mir sprechen will, so wäre ich gewiß nicht hergekommen!«

Historisches Faktum aber ist es, daß er, als er sich in den Fiaker setzte, den Schlag so heftig schloß, daß die Glasscheibe davon in Trümmer ging.

* * *

Im Palais des Fürsten Theobald wurde indes eine Verwaltungsratssitzung abgehalten. Es handelte sich um die Anordnung der dritten Ratenzahlung – die kritischste Operation, die am Geldbeutel des Publikums vorgenommen wird.

Hierzu hätte man die Bondataler Eisenbahn sehr nötig gehabt.

Kaulman hegte die Zuversicht, daß die Konzession binnen zwei Wochen unausbleiblich erfolgen werde. Die Bondataler Deputation hatte eine sehr günstige Sensation erregt.

Außerdem genoß das Konsortium die Protektion einer sehr einflußreichen Person, die bei den Exzellenzen alles durchzusetzen vermag, selbst die Eisenbahn.

Das feine aristokratische Gesicht des Präsidenten verriet mit keinem Zug, daß er diese Person kenne.

Kaulman konnte von Eveline die verdammte Naivität gar nicht voraussetzen, daß sie dem Fürsten, der ihr ein Palais hält, jeden nennen werde, den sie während seiner Abwesenheit durch das kleine Tor dieses Palais bei sich einläßt.

So etwas ist gewiß ein Unikum, wenn es vorkommt. Und gerade Kaulman passiert es.

Während der Sitzung brachte man Kaulman einen Brief.

Felix erkannte an der Aufschrift Evelinens Hand.

Rasch erbrach er den Brief und dann legte er ihn mit verdrießlicher Miene auf den Tisch.

Er machte ein Gesicht wie einer, der Essig getrunken hat und es verbergen will.

»Was ist das?« fragte Fürst Theobald, das Schriftstück eigenmächtig an sich nehmend.

Es war dies das nicht unterfertigt zurückgelangte Dokument.

Kaulman warf zornig seine Feder auf das Papier.

»Unsere Eisenbahn hat wieder der Teufel geholt!«

Aber der Fürst sagte für sich: Doch die Frau ist wieder gerettet.

Dann sich zu Kaulman hinbeugend, legte er ihm die Hand auf die Schulter und flüsterte ihm zu: »Man gibt sie nicht für ein Paar schöne Augen, lieber Freund!«

Spitzhase war der Schriftführer in der Sitzung.

Nach dieser Szene schrieb er etwas auf ein kleines Stückchen Papier und reichte es Kaulman hin.

Kaulman las es, zerriß es und zuckte die Achsel.

»Das weiß ich auch ohne den Rat des Narren.«

Die heutige Verwaltungsratssitzung ging in sehr übler Stimmung auseinander. –

Die Ausstattungskosten der Komödie mit der Bondataler Deputation hatte zweitausend Gulden gekostet, ohne Nutzen zu bringen.

Man mußte nach dem letzten Mittel greifen.

* * *

Herr Csanta hatte sich fest vorgenommen, die dritte Rate nicht einzuzahlen. Er wird alle seine Aktien um jeden Preis auf den Markt werfen.

Am Tage der Ausschreibung erhielt er indes von Spitzhase einen Brief, folgenden Inhalts: »Mein Herr! Morgen reist Herr Kaulman zu Ihnen, um Ihnen alle Ihre Aktien mit 45 fl. Aufgeld abzukaufen. Seien Sie auf Ihrer Hut. Ich kann Ihnen bestimmt sagen, daß die Regierung die Konzession der Bondataler Eisenbahn bereits unterzeichnet hat, und sobald diese zustande kommt, werden die Aktien abermals um 20 Prozent steigen.«

Herr Csanta glaubte an Spitzhase wie an ein Orakel.

Er täuschte sich auch nicht in diesem Glauben.

Nach der Ausschreibung der dritten Ratenzahlung, als der Kurs der Aktien bereits ein wenig matt war, erschien Kaulman wirklich bei Herrn Csanta und bot ihm 45 fl. Aufgeld auf seine Aktien an.

Er gab sie ihm nicht, er war standhaft.

Lieber wälzte er sein letztes Fäßchen Silber aus seinem Keller und brachte es nach Wien, als daß er sich von einer einzigen Aktie trennte.

Er wurde dafür auch belohnt.

Zwei Tage nach der Einzahlung las er in den Blättern, wie großartig die Bondataler Eisenbahn im Reichsrat und im Herrenhause votiert wurde.

Se. Exzellenz der maßgebende Staatsmann selbst plädierte für die Sache im Abgeordneten- und im Herrenhause und bewies sonnenklar, daß die politischen Zwecke, die gegenwärtige günstige Disposition des Geldmarktes, die volkswirtschaftlichen Interessen des Staates, die strategischen Gesichtspunkte und die günstigen Terrainverhältnisse die Staatsgarantie der Bondataler Eisenbahn empfehlen, und in beiden Häusern ging dieselbe mit unbedeutender Opposition durch. Fürst Waldemar lärmte dagegen, aber niemand hörte auf ihn.

* * *

Das Rechnungsrevisionskomitee der Bondataler Aktiengesellschaft fand bei Gelegenheit der nächsten Revision unter den Ausgaben den Posten: Gründungskosten 40000 Gulden.

»Was ist das?« riefen sie einstimmig.

Kaulman flüsterte dem Obmann etwas ins Ohr. Dieser flüsterte es weiter. Hierauf zog jeder den Kopf zwischen die Schultern und sagte, daß es gut sei.

Die Bondavárer Aktien stiegen nach der Konzessionierung der Eisenbahn auf 70 fl. über Pari. Herr Csanta trank Punsch vor Freude!

* * *

Eveline traf später einmal im Vorzimmer der Garderobe des Treumantheaters mit Sr. Exzellenz zusammen.

Se. Exzellenz hielt es für angemessen, die tatsächlich bewiesene Protektion bei der Petentin geltend zu machen.

»Nun, meine Liebe, ich habe die Bondavárer Eisenbahn erwirkt, nicht wahr?«

Eveline verneigte sich tief. Sie war gerade im Kostüme der Herzogin von Gerolstein.

»Ich bin Ew. Exzellenz ewig zu Dank verpflichtet. Nächstens schicke ich Ihnen dafür vierzigtausend Küsse.«

Bei dem Wort »vierzigtausend« hob Se. Exzellenz betroffen seine Nase in die Höhe und machte der Herzogin von Gerolstein nicht mehr den Hof. Aber auch Eveline konnte sicher sein, daß sie, wie schön sie auch immer singen möge, beim Hofoperntheater kein Anstellungsdekret bekommen werde.


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