Maurus Jókai
Schwarze Diamanten
Maurus Jókai

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Höhere Mathematik.

Der Laden der Firma Kaulman befindet sich heute noch an derselben Stelle, wo er vor fünfzig Jahren war. Auch die Ladentür ist noch dieselbe, und wäre es möglich, so wären sogar auch die Scheiben noch dieselben, durch welche der erste Gründer des Hauses im Jahre 1811, wie von einem Observatorium aus, an den Gesichtern der auf der Gasse auf und ab gehenden hohen Offiziere studierte: ob eine Hausse oder Baisse im Anzug sei. Er wußte, welch ein guter Barometer die Straßenphysiognomien und wie viel Prophetisches in den Aeußerungen ist, die man auf der Gasse von den hin und her gehenden Leuten hört. Von überraschten Menschen und in unbefangen fallen gelassenen Worten vernimmt man gewöhnlich die Wahrheit.

Auch das veraltete Schild mit der kaum mehr leserlichen Aufschrift ließen die Erben der Firma unverändert. Ein fahles, altes Schild ist der aristokratische Stolz der Bankiers, eine halbhundertjährige Firma ist das Wappen ihres alten Adels. Zwischen den übrigen glänzenden neuen Firmaaufschriften, luxuriösen Auslagen, klafterhohen Buchstaben, vergoldeten Portalen und sonstigen Dekorationen glänzt diese abgenützte fahle Firmatafel am meisten. Das ist ein feststehendes Haus! Es hat die Wechselfälle von fünfzig Jahren überdauert.

Drin im Wechslerladen stehen auch jetzt noch die Stühle mit dem abgewetzten Lederüberzug, die wurmstichigen schwarz angestrichenen Schreibtische, der hölzerne Gitterverschlag, und innerhalb dieses hölzernen Gitterverschlags sitzt auch jetzt noch der ergraute altmodische Buchhalter mit dem grünen Schirm auf der Stirne und dem Schirtingüberzug auf dem rechten Arm; und dort in dem offnen Wandschrank prangen auch jetzt noch die ordinär eingebundenen Bücher, in deren Ecken auf fünfzig Jahre zurückreichende Jahreszahlen zu lesen sind. Ein wahres Adelswappen!

Die Firma Kaulman treibt auch jetzt noch das alte Lombardgeschäft und steht weit und breit in gutem Ruf.

Vielleicht mit Recht, vielleicht auch nicht.

Der junge Chef des Hauses legt auf das Eskompte- und Lombardgeschäft kein großes Gewicht mehr; er hat höhere Pläne.

Seine Wohnung befindet sich im ersten Stock desselben Hauses, aber da finden wir schon herrschaftlichen Komfort und Luxus.

Sein Arbeitszimmer ist ein Museum und sein Schreibtisch eine ganze Nippesniederlage, vollbeladen mit Majoliken, Bronzen und Antiken. Sein Tintenfaß ist ein Benvenutisches Meisterwerk (wenn es nicht eine galvanoplastische Nachahmung ist), mit blauer und mit roter Tinte, der Federstiel ist ein Agutidorn, die Feder aus Gold mit einer diamantnen Spitze, der Streusand ist Goldstaub, der Sandstreuer ein Löffelchen aus Pfauenstein, der Federhalter ein echter Korallenzweig, der Briefbeschwerer ein Mosaik aus Pompeji, der Lichtschirm echter Bergkristall, der Deckel des Portefeuilles chinesischer Haliotit, das Papiermesser ein türkischer Handschar, das Siegel eine Malachitskulptur, die Papiermappe enthält, resedaduftige, farbige Briefe, durchsichtiges Strohpapier, Belin-, Bristol-, Regal- und Bathpapier; aber nie hat man gesehen, daß jemand an diesem Tische etwas geschrieben hätte.

Die Wissenschaft, mit welcher Herr Felix Kaulman sich befaßt, ist mit keiner Schreiberei verbunden, das ist ein rein geistiges Tun; er arbeitet Tag und Nacht, sogar auch wenn er schläft, aber seine Arbeit läßt auf dem Papier keine Spuren zurück.

Wenn er sich unterhält, wenn er tanzt, schwelgt, reitet, reist, den Hof macht, so glaubt man stets, daß er diesen Beschäftigungen ganz hingegeben sei, er arbeitet aber dabei immer; er hat sich ein bestimmtes Ziel vorgesetzt, mit dem unterhält er sich, für dieses schwärmt er, dem macht er den Hof, dem tanzt, reitet, reist er entgegen, und niemals verliert er es aus dem Auge.

Er setzt nicht Federn, sondern Menschen in Bewegung.

Einige Tage nach dem denkwürdigen Auszug aus dem Bondavárer Schlosse sehen wir Herrn Felix auf einen Doppelbalsak hingestreckt, auf dessen einer Kopferhöhung die Stirne des Abtes Samuel leuchtet. Die beiden Herren sind in einem vertraulichen Gespräch begriffen, das, wie es scheint, schon vor unserer Hierherkunft begonnen wurde.

In prächtigem Sevresporzellan dampft duftiger Mokka, dessen Aroma sich mit dem Rauch des kostbaren Latakia vereinigt, welchen der Herr Abt aus einem mit Türkis ausgelegten Tschibuk, Felix aber aus einer dünnen Zigarette raucht.

»Nun, dein Vertrag mit der Gräfin ist, wie du es wünschtest, auf zweiunddreißig Jahre geschlossen. Hier ist er, er ist in aller Ordnung unterschrieben. Jetzt aber möchte ich wissen, welchen Nutzen das dir und deinem Konsortium gewährt. Es genügt nicht, wenn bloß die Gräfin und nicht auch der Fürst den Vertrag unterschreibt. Denn die Gräfin kann über die Bondavárer Herrschaft nur auf Lebenszeit verfügen; sowie sie stirbt, geht die Herrschaft in den Besitz des Fürsten oder seiner Enkelin über, und dann verliert euer Vertrag seine Kraft.«

»Das weiß ich,« sagte Felix, die Asche von seiner Zigarette abstreifend. »Allein ebendeshalb werden wir dafür Sorge tragen, daß die Gräfin lange lebe und erst rechte Lust zum Leben bekomme. O, glaube mir, wenn so eine alte Jungfer Lust bekommt lange zu leben und sie auch Geld genug dazu hat, so kann sie schrecklich lange leben. Außerdem bin ich nicht so unvorsichtig wie du denkst. Ich kenne das Testament des verstorbenen Fürsten; es enthält die Klausel, daß, wenn Gräfin Theudelinde einmal mit Tod abgeht, ihr Bruder oder dessen Erben verpflichtet sind, den etwaigen Legataren, Pächtern oder Gläubigern der verewigten Gräfin alle auf dem Territorium der Bondavárer Herrschaft errichteten Bauten zu ersetzen. Der gute Fürst dachte bei dieser Klausel daran, daß seine fromme Tochter im Gebiet der Herrschaft einmal eine Kirche oder ein Kloster erbauen lassen kann, und dafür sollen die Erben eine Ablösung geben und niemandem etwas schuldig bleiben. Aber daran hat der Fürst nicht gedacht, daß jemand auf Grund der erwähnten Klausel im Bereich der Bondavárer Herrschaft eine Fabrik, eine Raffinerie errichten oder ein Bergwerk eröffnen könnte; und wenn ich in der Bondavárer Herrschaft einmal zwei Millionen investiere, so werden die Erben niemals imstande sein, die Ablösungssumme aufzubringen.«

»Ausgenommen, es kommt ihnen ein anderes Konsortium zu Hilfe.«

»Das geht nicht so leicht. Das könnte nur ein Konsortium tun, welches sämtliche materielle Angelegenheiten der Bondavárer Familie zu regeln unternehmen würde, und dazu gehört sehr viel – viel Verstand, viel Geld und viel Verwegenheit, beides zu riskieren. Uebrigens sehe ich weiter und habe die Hände noch nicht in den Schoß gelegt. Ich habe nicht all mein Geld auf eine ›Dame‹ gesetzt.«

»Richtig! was hast du denn mit der kleinen wilden Katze gemacht, die du aus der Bondavárer Kohlenmistgrube entführt hast?«

»Ich habe sie vorläufig zur Erziehung in Madame Risans Institut gegeben; sie soll sich bilden, denn sie hat schöne Fähigkeiten, ist aber ganz dumm. Sie hat eine prächtige Stimme, kann aber nicht singen, ein ausdrucksvolles Gesicht, weiß sich aber nicht zu bewegen; sie ist lauter Gefühl und spricht außer ihrer Muttersprache keine andere.«

»Willst du sie für die Bühne ausbilden?«

»Vor allem das.«

»Und dann?«

»Will ich sie heiraten.«

Der Geistliche erhob ein helles Gelächter.

»Lache nicht, denn das ist mein ernster Entschluß.«

»Gut, so will ich ernst darüber sprechen. Zunächst begreife ich nicht, wozu du heiraten willst. Und wenn du mir das schon erklären kannst, so begreife ich dann noch nicht, wozu du deine Zukünftige in das Institut der Madame Risan gibst, wo man einen ausgezeichneten Nachwuchs für die Vorstadttheater, aber keine bescheidene Hausfrauen für Männer erzieht, die ihre Stirn glatt erhalten wollen.«

»Das ist meine Sorge!« polterte Felix hochmütig; »das verstehst du nicht, das ist höhere Mathematik, nichts für einen Pfaffen. Ich brauche eine gesetzlich angetraute Frau, und zwar gerade eine solche, die ihre Studien im Institut der Madame Risan gemacht hat. Was mit meiner Stirne geschieht, ist Sache meines Hutes. Aber jetzt will ich dich etwas fragen, was du in der Tat besser weißt als ich, denn das ist schon Sache der Geistlichen. Ich will das Mädchen heiraten und will, daß sie meine gesetzlich angetraute, an mich gebundene Frau sei, der ich befehlen kann. Dabei will ich die Sache so einrichten, daß ich nicht an sie gebunden sei, daß sie mir nicht befehlen könne. Kurz, solange ich es will, soll sie meine Gattin sein, und wenn ich nicht mehr will, soll sie es nicht mehr sein. Darin gib mir Rat. Du kennst allerlei Kniffe, durch welche Ehen plötzlich aufgelöst werden können; ich meine nicht einen Scheidungsprozeß. Ein solcher Prozeß bringt viel Schaden, ist mit großen Kosten verbunden, und wenn sich die eine Partei entetiert und maliziös sein will, so kommt man nicht einmal zum Ziel. Du sollst mir ein anderes Mittel sagen, das rasch, sicher und unfehlbar hilft.«

»O ich weiß ein solches Mittel, aber nur eins,« sprach Samuel; »du läßt dich hier in Wien nach dem Brauch der Kirche trauen, mit wem du willst. Wenn du dann wünschest, daß diese Ehe keine Ehe sein soll, so gibst du dein Wiener Bankhaus auf und ziehst in dein Pariser Haus. Deine Firma besteht dort, schon dein Vater war ein französischer Bürger, und auch du bist es. Hältst du es einmal für zweckmäßig, dich von deiner Ehegattin zu befreien, so machst du sie einfach mit dem Umstand bekannt, daß vor dem französischen Gesetz keine Ehe giltig ist, die nicht vor der Zivilbehörde geschlossen wurde. Vor kurzem erst ist der Prozeß einer französischen gräflichen Familie in diesem Sinne entschieden worden; die aus einer in Spanien vor dem Altar geschlossenen Ehe entstammenden Söhne verloren das väterliche Erbe, weil ihr Vater es versäumt hatte, mit seiner Gattin in Frankreich sich auch im Zivilwege trauen zu lassen. Das französische Gesetz erklärt deine Gattin als Mädchen, dich als Garçon, und ihr könnt auseinandergehen.«

Felix erhob sich von seinem Sitz und küßte den Herrn Abt zärtlich auf die Stirn.

»Ich danke dir.«

Der gute Rat war auch in der Tat einen Kuß wert.

»Ich bin dir wirklich zu großem Dank verpflichtet; und wenn nicht das Andenken an unsere Jugendfreundschaft mir zuflüsterte, daß das, was ich dir schulde, Liebe ist, so müßte ich fühlen, daß ich dir mit einer unbezahlbaren Schuld verpflichtet bin.«

»Auch ich vergesse nicht, was ich dem Hause deines Vaters zu verdanken habe. Ich war ein armer slowakischer Student, als dein Vater mich aufnahm; so wurde ich dein Erzieher, und in dieser Stellung konnte ich meine Studien fortsetzen. Das habe auch ich nicht vergessen. Sprechen wir also nicht mehr von den Verpflichtungen der Vergangenheit.«

»Gut. Auch die Zukunft wird uns beisammen finden. Jetzt bitte ich dich, als Bevollmächtigter der Gräfin die nötigen Schriften zu übernehmen. Da ist der Vertrag. Hier ist die Kaution in Staatspapieren. Hier ist die Anweisung auf den Pachtschilling für das erste halbe Jahr. Und hier eine Anweisung im Betrag von vierzigtausend Gulden an meinen Kassierer.«

»Für wen?«

Felix drückte dem Herrn Abt die Anweisung mit freundlichem Augenzwinkern in die Hand und flüsterte: »Für den glücklichen Vermittler.«

Der Geistliche schüttelte verwundert den Kopf.

»Du willst mir ein Geschenk machen?«

»Verstehe mich recht. Das gebe nicht ich. Das gehört zu den Auslagen des Konsortiums, die bei jedem Unternehmen unter dem Titel: ›Gründungskosten‹ vorkommen.«

Felix zündete sich hierauf eine neue Zigarette an und sah durch die Flamme des Zündhölzchens mit schlauem Selbstvertrauen auf seinen Freund hin.

Abt Samuel verzog den Mund zu einem Lächeln des Bedauerns, zerriß langsam die Anweisung auf vierzigtausend Gulden in vier Stücke und klopfte dann dem Bankier mit ruhiger Überlegenheit auf die Schulter.

»Lieber Freund! ich hatte die ganze Bondavárer Herrschaft in der Hand, und wenn ich gewollt hätte, so wäre sie jetzt mein. Ich machte damit dasselbe, was ich jetzt mit diesem Papier tue. – Hiermit warf der Geistliche die Papierstücke weg. – Erkenne mich doch endlich! Ich bin kein Bettelmönch, sondern Prätendent! Ich will keine Grundherrschaft, sondern ein Reich erwerben.«

Der kühne Blick, mit welchem der Abt den Bankier hierbei ansah, machte diesen so verblüfft, daß er die Zigarre aus dem Mund legte. – »Das ist ja ein gar großes Wort!«

»Setze dich jetzt und höre, was ich mit dir vorhabe,« sprach der Geistliche, legte die Hände auf den Rücken und ging, während er sprach, im Zimmer auf und ab, von Zeit zu Zeit vor seinem Bewunderer stehen bleibend.

»Die ganze Welt kreißt jetzt und gebiert fortwährend Mäuse, weil die Löwen sich nicht entschließen zur Welt zu kommen. Ueberall herrscht ein Chaos – in den Finanzen, in der Diplomatie, in der Kirche, und jedes Chaos hilft das andere noch mehr verwirren. Ein einziger Mensch, der klar sieht, könnte sich dieses ganzen Tohuwabohus bemeistern. Wer dies benützen könnte! Narren mit gestickten Röcken sind es, denen die Leitung der Welt anvertraut ist! Da haben wir ein Land, dessen Leiter nicht wissen, was sie damit anfangen sollen. Man ruft es, es kommt aber nicht, man möchte es zwingen, wagt es aber nicht, man bedrückt es und fürchtet es zugleich, und dieses Land weiß nicht einmal selbst, was es morgen beginnen wird, ob es sich ergeben, unterhandeln, zahlen oder zu den Waffen greifen soll, mit welchem seiner Feinde es sich alliieren, gegen welchen es zu Felde ziehen, ob es noch warten oder seine Stellung aufgeben, ob es in Gelächter oder in Flüche ausbrechen soll! Dann hat dieses Land ein Element, welches zwischen den kämpfenden Parteien steht, den Klerus; und in diesem Lande besitzt die Kirche noch ein großes Vermögen.«

Felix zog die Stirne zusammen, denn er sah noch immer nicht, wie dies alles zusammenhängen sollte.

»Was glaubst du, mein Sohn,« sprach der Geistliche plötzlich vor ihm stehen bleibend, »worauf könnte der Mann zählen, der zuerst einzelne Gegenden, dann einzelne Klassen dieses Landes für die unausführbare Staatsidee gewinnen würde? Glaubst du nicht, daß das Zustandekommen deiner Bondataler Eisenbahn nichts so sehr befördern würde, als eine untertänige Deputation von Landleuten und Geistlichen, welche mit einem Gelöbnis der Treue zum Minister ginge? Eine Hand wäscht die andere. Die der Staatsidee sich anschließende Bevölkerung jener Gegenden muß belohnt werden. Begreifst du, welchen Nutzen du davon hast?«

»Ich beginne es zu ahnen.«

»Und was glaubst du, welche Stellung würde sich der Mann erwerben, der den Bauernrock auch aus diesem Lande in die Gesetzgebung, und die Infula auch dieses Landes in das Herrenhaus brächte?«

Felix schlug erstaunt die Hände zusammen. Das war seine Antwort.

Der Geistliche ging wieder auf und ab, dann sagte er, die Lippen zusammenpressend: »Der Primas ist ein alter Mann.«

Felix lehnte sich ganz zurück auf den Balsak, wie um so in liegender Stellung zu sehen, was er sitzend nicht sehen konnte.

»Der Papst ist noch älter,« murmelte der Geistliche.

Der Bankier blickte jetzt mit noch größerem Staunen auf den Abt Samuel.

Dieser aber brach auf einmal leidenschaftlich aus.

»Zwerge stehen am Steuerruder, mein Sohn, Zwerge, und diese glauben, daß sie dem Sturm widerstehen werden können. Und was für armselige Mittel wenden sie an! Die Kirche droht zusammenzustürzen, und sie glauben sie mit alten wurmstichigen Stützen aufrecht erhalten zu können. Die letzte Stunde schlägt, und sie glauben das Ende mit epileptischen Flüchen aufhalten zu können. Höre, was ich dir sage! Alle Anstrengungen des italienischen Klerus sind nur ein Armutszeugnis. Mit Pfennigen hält er den Stuhl des heiligen Petrus aufrecht, während er Milliarden in der Hand hatte, die er sich wieder entschlüpfen ließ. Nur in Ungarn gibt es noch Kirchenvermögen. Ich weiß gut, daß der Minister in seiner Schublade einen Gesetzentwurf bereit liegen hat, durch den dasselbe zugunsten des Staats säkularisiert werden soll. Es bedarf nur eines kleinen Vorwandes, damit Wien mit dem ungarischen Klerus in Streit geraten könne. Wien wird dabei auf dem liberalen Standpunkt kämpfen, und den Gegnern bleibt die Antipathie der Welt. Es gehört nicht viel dazu. Das Defizit wächst, die Regierung ist in der Klemme. Nur ein wenig Opposition im Reichsrat, welche das Budget beschneidet oder ein kleiner Krieg – der Staatsschatz ist leer, ein Anlehen ist nicht mehr zu bekommen – und ›wenn der Teufel hungrig ist, so frißt er Fliegen‹. Wie aber, wenn ihnen jemand zuvorkommt! Der Stuhl des heiligen Petrus ist in Gefahr. Die ungarische Kirche hat ein großes Vermögen, und auch das ist gefährdet. Wenn nun jemand eine rettende Idee zur Ausführung brächte! – Stellen wir uns über die Bewegung! Seien wir patriotischer als die Táblabirós, loyaler als die Minister, liberaler als die Revolutionäre: retten wir das ungarische Kirchenvermögen vor der Regierung und damit die Kirche vor der Revolution! Bringen wir auf den Weltmarkt ein riesiges Anlehen von hundert Millionen auf die ungarischen Kirchengüter zur Rettung des Thrones St. Petri zustande! Was glaubst du, könnte der Mann werden, der das zustande brächte?«

»Alles!« stammelte Felix, entzückt von diesem Phantasma, und küßte seinem lieben Freunde die Hand.

»Zu diesem großen Werke habe ich dich ausersehen,« sprach der Geistliche und ließ sich die Hand küssen, »dein Bondavárer Unternehmen ist nötig, damit du dir mit einem glücklichen Coup einen Weltruf erwerbest, damit man dich mit den Stroußbergs, den Pereiras, vielleicht auch mit den Rotschilds zusammen nenne. Das ist der Grund, weshalb ich dich dabei unterstütze. Wenn du dann einmal fest stehst, dann werde ich dir sagen: Jetzt leihe mir deine Schultern, daß ich darauf emporklimme!«

Felix versank nach dieser Offenbarung in schwärmerische Träumereien. Schon glänzte vor seinen Augen das reiche Anlehen, und im Glanz desselben die hoch thronende Gestalt seines lieben Freundes.


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