Maurus Jókai
Schwarze Diamanten
Maurus Jókai

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Du sublime au ridicule.

Wer die Bedeutung des Spruches: »Vom Erhabenen zum Lächerlichen ist nur ein Schritt« verstehen will, der soll auf der Börse spielen. Dort lernt er den Spruch verstehen. Heute warst du ein kleiner Gott, morgen bist du ein kleiner Hund.

Heute schreien sich sechzig Agenten mit den Namen deiner Unternehmungen rings um den runden Schranken der »corbeille« heiser; heute sehen alle Börsenfürsten, daß du auf dem Parkett bist, und suchen in deinen Mienen zu lesen, ob du guter Laune seist, ob in deinem strahlenden Gesicht nicht ein versteckter Schatten zu entdecken sei. Heute, wenn es ein Uhr schlägt und die Börsenglocke erschallt, drängt sich dir der Schwarm der Kulissiers nach, zeigen die Agenten dir von weitem ihre Notizbücher mit Schlüssen voll bezeichnet. Heute legen die Besucher der Kulisse ihre Notizbücher einer auf den Rücken des andern, um mit Bleistift die Schlüsse auf deine Aktien einzuschreiben. Heute zeigen alle Hände mit den Fingern in der Luft die Pointage, den Zeugen deiner Erhebung. Heute besetzen die Massen, die auf deinen Namen spekulieren, alle Eingänge der Passage de l'Opera. Heute schreien sie wütend in bezug auf deine Papiere: »je prens, je vends!« Man macht darauf Schlüsse »fin courant«, »fin prochain«, »en liquid« Auch außerhalb der Börse, von der das schöne Geschlecht ausgeschlossen ist, werden Geschäfte gemacht. Frauen dürfen nach der gesetzlichen Verordnung auf der Börse keine Geschäfte machen, darum spielen sie außerhalb der Börse; Tausende von geldgierigen Frauenzimmern warten auf den Kommissionär mit dem Notizbuch in der Hand, welcher der »Frauenbörse« durch das Gitter zuruft, wie deine Aktien stehen. Und auf der andern Seite der Allee warten die großen Damen, die sich schämen, nahe zu kommen, sich aber nicht schämen, zu spielen in ihren Equipagen, und stecken den Kopf zum Fenster heraus, um zu erfahren, was sie »an dir« gewonnen haben. Das ist heute.

Morgen bist du nirgends zu finden.

Dein Name wird aus allen Notizbüchern gestrichen. Im Parkett sieht man, daß du nicht daseist, und so weiß jedermann, daß du nicht auf der Welt bist.

Auch die alten Weiber außerhalb des Börsengitters wissen schon, daß du nicht mehr existierst. Du bist niemand, du bist nichts. Du bist eine leere Stelle.

* * *

Die Firma Kaulman strahlte auf dem Gipfelpunkt des Triumphs.

Herr Felix und sein Busenfreund, der Abt, bauten bei Gelegenheit einer Nachmittags-Siesta, in die Rauchwolken des duftigen Latakia eingehüllt, ihre glänzenden Luftschlösser.

»Morgen wird auf der Börse das päpstliche Anlehen auf die ungarischen Kirchengüter aufgelegt,« sagte Felix.

»Morgen bekomme ich aus Wien die Ernennung zum Bischof von Siebenbürgen,« sprach Abt Samuel.

»Die Börsenkönige beteiligen sich an unserem Anlehen mit Millionen.«

»Der Papst hat seinen Segen dazu gegeben, und der Kardinalshut schwebt schon über meinem Haupt.«

»Die legitimistischen Finanznotabilitäten nehmen ein Aergernis daran, daß meine Frau, die meinen Namen trägt, beim Theater ist. Das kann dem heiligen Anlehen schaden.«

»Du kannst dich ja leicht von ihr trennen.«

»Das ist nicht mehr nötig. Morgen kläre ich sie über ihre Lage auf.«

»Man sagt, daß Fürst Waldemar in Paris angekommen sei.«

»Es heißt, daß er der schönen Frau nachgereist ist.«

»Wie, wenn er unsere Finanzoperation stören will?«

»Das ist er nicht mehr imstande. Seit er beim Bondavárer Aktienunternehmen und bei der Eisenbahn eine so empfindliche Niederlage erlitten hat, wird die Kontermine auf lange Zeit sich ruhig verhalten.«

»Ist er also nur wegen Evelinens in Paris?«

»Er ist in sie ganz vernarrt. Man sagt, wenn Eveline reist, so ist er überall hinter ihr drein, und wo Eveline in einem Gasthaus abgestiegen ist, besticht Waldemar die Zimmerkellner, um sich in dasselbe Bett legen zu können, aus dem sie aufgestanden ist, und den Badediener, damit er in derselben Wanne, in demselben Wasser baden könne, das früher Evelinens Glieder umspült hat.«

»Ein wunderlicher Kauz! Die Frau aber kann ihn nicht ausstehen.«

»Das ist ihr Schaden.«

»Fürst Theobald wird es schwerlich lange mehr machen.«

»Nach meinem Versuch, seine Finanzverhältnisse zu ordnen, hält er es kaum noch zwei Jahre aus, ohne Konkurs anzusagen.«

»Wenn nicht schon früher der neue Schwiegersohn über ihn die Kuratel verhängen läßt.«

»Es war schon die Rede davon, als wir von Wien fortgingen.«

»Wird das auf die Bondavárer Angelegenheit keine Rückwirkung ausüben?«

»Durchaus nicht. Das für seine Aktien kreditierte Kapital ist gerade auf die Bondavárer Besitzung intabuliert, die unbelastet ist. O! das Bondavárer Unternehmen ist auf Diamantfelsen gebaut.«

Aus dem Telegraphenamt wurden den beiden Herren Depeschen gebracht. Die Nachrichten, die der Herr Abt von seinen Wiener Berichterstattern erhielt, waren an Kaulman adressiert.

»Lupus in fabula!« sagte Kaulman, nachdem er die erste Depesche geöffnet hatte, dieselbe dem Herrn Abt hinreichend.

Der Abt las: »Gegen Fürst Theobald ist gerichtlich die Kuratel angeordnet worden.«

»Arme Eveline! Sie muß es am meisten büßen!« sagte Felix mit zynischem Humor.

Auch der Geistliche öffnete eine an ihn gerichtete Depesche und las sie rasch.

»Und das muß ich büßen!«

Er reichte die Depesche Felix hin.

Dieser las: »Die Minister haben alle abgedankt. Der Kaiser hat die Demission angenommen! Das System wird geändert!«

Adieu Bischofsmütze, adieu Kardinalshut, adieu Samtfauteuil im Herrenhause!

Beim Oeffnen der dritten Depesche steckten sie die Köpfe zusammen, um sie beide auf einmal zu lesen.

In dieser stand geschrieben: »Die Bondavárer Grube ist explodiert, das ganze Bergwerk brennt!«

»Das ist ein Schlag für uns beide!« sagte Felix und ließ das Telegramm aus der Hand fallen.

Die drei Depeschen waren wie drei Blitzschläge gekommen.

Der letzte war der schwerste.

Wenn Fürst Waldemar das erfährt, so explodieren auf einmal alle Gänge der Kontermine.

Etwas mußte zur Beseitigung der Gefahr geschehen, aber rasch.

Was?

Wenn man nur bis zur Ausschreibung des Kirchenanlehens Zeit gewinnt, so kommen solche Kleinigkeiten, wie das Bondataler Unternehmen, gar nicht in Betracht.

Aber wie bringt man den Gegner zum Schweigen?

Es wurde beschlossen, daß der Geistliche noch heute mit Eveline und Kaulman mit Fürst Waldemar sprechen soll.

... Wie sind die strahlenden Gesichter finster geworden!

Und jetzt hängt die ganze Glorie der Männer an einem Seidenfaden, am Lächeln einer Frau.


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