Maurus Jókai
Schwarze Diamanten
Maurus Jókai

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Der Sklave der schwarzen Diamanten.

Wir sagen damit nichts Neues, wenn wir erklären, daß wir unter den »schwarzen Diamanten« die Steinkohlen verstehen.

Der Diamant ist nichts anderes als Kohlenstoff; auch die Steinkohle ist es, nur daß jener durchsichtig und dieser schwarz ist.

Und dennoch ist jener der Dämon, diese der Engel.

Mehr als Engel – ein Demiurg! Der vermittelnde Geist, dem der Herr aufgetragen hat, die großen Gedanken der Schöpfung auszuführen.

Die Steinkohle bewegt die Welt. Der Geist des schnellen Fortschritts kommt von ihr; Eisenbahnen, Dampfschiffe entlehnen von ihr ihre Wunderkraft; jede Maschine, die gestaltet, schafft, lebt durch die Steinkohle; diese macht die immer mehr erkaltende Erde bewohnbar; sie gibt den großen Städten ihren nächtlichen Glanz; sie ist der Schatz der Länder, die letzte Gabe, welche die Erde der verschwenderischen Menschheit schenkt.

Darum nennt man die Steinkohlen »schwarze Diamanten.«

Iwan Berend hatte die Steinkohlengrube noch von seinem Vater geerbt, der darin ohne Hilfe einer Aktiengesellschaft oder eines Konsortiums zu schürfen begonnen hatte.

Es war ein stilles Geschäft. Die nahen Hämmer und das Publikum einiger Provinzstädte konsumierten die jährliche Produktion um den gewöhnlichen Preis. Dem Unternehmen eine größere Ausdehnung zu geben, war nicht angezeigt, nachdem das Bergwerk sowohl von der Hauptstadt als auch von Dampfschiffen und Eisenbahnen zu entfernt war und daher auf keinen großartigen Konsum rechnen konnte.

Auch so trug es jährlich im Durchschnitt zehntausend Gulden ein. Ein hübsches Einkommen für einen Menschen, der alle für sein Geschäft erforderlichen Schritte selbst macht. Wir wissen indes wohl, daß er, wenn er das alles anderen überließe, vor allem zehntausend Gulden für die Direktion zahlen müßte, und außerdem noch jährlich zehntausend Gulden an »Verlusten« einbüßen würde. Wer so etwas schon versucht hat, der weiß, daß es so ist.

Nun aber sieht der Eigentümer selbst nach allem, auch versteht er seine Sache gründlich und hat auch Lust zum Geschäft. Drei Dinge, die man »Glück« nennt, wenn sie beisammen gefunden werden.

Sie sind aber nicht »Glück«, sondern »Selbsthilfe«.

Iwan Berend ist selbst alles, was er für sein Geschäft zu sein braucht.

Wenn er die Türe jenes kleinen Hauses, welches ihm zur Wohnung dient, hinter sich geschlossen hat, so erwartet ihn weder Weib noch Kind, weder ein Diener, noch auch nur ein Hund. Er ist allein.

Er bedient sich selbst. Er ist ein großer Herr! Er braucht niemand.

Zu seinem Haushalt bedarf er keines Gesindes. Er ißt dort, wo seine Taglöhner essen, und dieselben Speisen, die ihnen aufgetischt werden. Das Essen hält er für die unnützeste Zeitvergeudung, aber deshalb ißt er doch viel, denn seine starke Körperkonstitution und die schweren Tagesmühen erfordern die entsprechende Nahrung; doch ist er nicht wählerisch in den Speisen, auch verbringt er dabei nicht viel Zeit. Er wirft die in dem Dorfwirtshaus bereiteten Speisen in sich hinein, und dann ist die Maschine geheizt. Der Unterschied zwischen seiner Lebensweise und der des gemeinen Arbeiters ist nur der, daß er keinerlei geistiges Getränk zu sich nimmt. Jene arbeiten nur mit ihren Muskeln, er aber arbeitet mit seinen Muskeln und seinem Hirn. Er bedarf der ganzen Kraft seiner Nerven, er darf sie nicht den Wirkungen des Alkohols aussetzen.

Sein Bett braucht nicht gemacht zu werden; es ist ein Lindenholzbett, mit einem Kotzen darüber gebreitet, und mit einem Schafpelz deckt er sich zu. Seine Kleider brauchen nicht gereinigt zu werden, sie würden ja ohnehin gleich wieder mit Kohlenstaub bedeckt. Auch seine Wäsche braucht nicht weiß gewaschen werden, denn sie ist aus blauer Leinwand.

Wer ihm aber den Dienst leisten wollte, sein Zimmer zusammenzuräumen, der würde ihm die größte Beleidigung zufügen. Da liegen bunt durcheinander aufgeschlagene Bücher, Mineralien, physikalische Instrumente, Zeichnungen, Bilder und Retorten. Aber alle diese Gegenstände müssen dort sein, wo sie sind. Er weiß von jedem Stück, wo es liegt, und mitten in dem scheinbaren Wirrwarr findet er selbst im Finstern das geringste Stückchen Papier, worauf er etwas aufgezeichnet hat. Es darf nichts von seiner Stelle gerückt werden.

In die kleine Seitenkammer aber, welche sein chemisches Laboratorium bildet, darf niemand auch nur hineinblicken.

Wer von den in seiner Umgebung lebenden Menschen würde auch die Bestimmung dieser geheimnisvollen Instrumente erraten? Was beleuchtet die Locatellische Lampe? Was berechnet man mit Lavoisiers Pyrometer, was mit Berards Gaswärmemesser? Was lehrt uns das wunderbare Sonnenspektrum? Was ist der Nutzen von Bunsens galvanischer Batterie, die das Wasser in seine Elemente auflöst? Welche Kraft wirkt in Wollastons galvanischer Batterie? Was vollbringt die thermo-elektrische Säule? Und diese zahlreichen, nur dem Eingeweihten begreiflichen, geheimnisvollen Kessel, Retorten, Schmelztiegel, Sublimierapparate, durchsichtigen gläsernen Keulen in tönernen Ringen, die chemische Wage des Berzelius, die Woulffsche Flasche, die Oxygengaslampe, der Kohlensäurekondensierapparat, die Phosphordestillierröhre, die Chlorcalciumröhre, der Marschsche Arsenapparat, die Analysiergefäße – wozu braucht das geheimnisvollste von all diesen Wesen der Mann, der ganze Nächte unter ihnen zubringt, diese Dinge?

Wenn ein anderer Mensch ermüdet von seinem Tagewerk heimkehrt, so tut es ihm wohl, sich zu einem schmackhaften Abendmahl zu setzen, seinen Bissen mit der heiteren Gattin, mit den geschwätzigen Kindern oder wenigstens mit einer spinnenden Katze zu teilen; und sobald er sich gesättigt hat, setzt er sich wenigstens auf einen Augenblick vor sein Haus und atmet, nachdem er den ganzen Tag unter der Erde zugebracht hat, die freie Luft der Nacht. Dieser aber schließt sich, sowie er aus seinem Bergwerk nach Hause kommt, in seine Gelehrtenhöhle ein, zündet Feuer an, bringt blendendes Licht hervor, zertrümmert Steine, kocht Säfte und entwickelt tödliche Gase, von welchen ein Hauch genügt, um einen Menschen ins Jenseits zu befördern.

Was treibt ihn dazu an?

Will er das Geheimnis der Goldmacherei ergründen? Quält ihn der Traum vom Stein der Weisen? Opfert er seinen Schlaf dem Bestreben, aus Kohlenstoff Diamanten zu machen? Versucht er vielleicht die höllische Wirkung unbekannter Gifte? Zerbricht er sich den Kopf über das Geheimnis der Luftschifferei? Oder läßt er sich einfach vom Dämon des Wissensdurstes hinreißen und forscht, experimentiert, grübelt, bis er wahnsinnig wird und in unfruchtbarem Wissen das Leben und die Freuden versäumt, mit welchen Gott es gesegnet hat?

Nichts von dem allen.

Dieser Mann macht nicht Gold, sucht nicht die Geheimnisse, um auf wunderbare Art reich zu werden, er kocht keine Gifte und ist nicht der Narr eines unfruchtbaren Strebens.

Dieser Mann will das große, der Menschheit nützliche Geheimnis ergründen, wie man die Schrecken der Kohlengruben bannen könnte.

Mit welchem Mittel es möglich wäre, das Feuer einer in Brand geratenen Steinkohlengrube zu löschen.

Mit der Erforschung dieses Geheimnisses verbringt er seine Nächte, die freudlosen Jahre seiner Jugend, seines Mannesalters. Möglich, daß er darüber wahnsinnig wird, möglich, daß es ihn sein Leben kostet; aber das Wissen, welches er sucht, verdient es, daß man dafür strebe, darüber wahnsinnig werde. Es geschieht im Dienst der großen Wohltäterin der Menschheit, der Steinkohle.

Auch der Sklave der Wissenschaft hat seine Genüsse. Es sind verzehrende, Nerven aufreibende Genüsse, die aber mit überirdischer Wonne verbunden sind. Nur diese Wonne macht den Durst begreiflich, mit welcher die Kenntnis gesucht wird; – nur sie macht es begreiflich, wie sich jemand in eine von Metalldünsten erfüllte Höhle einschließen kann, um anstatt mit jungen Mädchen oder fröhlichen Kameraden, mit Wesen umzugehen, die durch Millionen Jahre und Billionen Meilen von ihm getrennt sind, mit unbegreiflichen Wesen, die erst von ihren Genossen getrennt werden müssen, um sichtbar zu werden, mit Wesen, die noch nicht sind, die er erst schaffen muß – um Wärme zu suchen, nicht im lebendigen Herzen, sondern in toter Erde – um zu erglühen von dem Liebesbekenntnis, welches die schaffende Natur in einem gelungenen Experiment dem kühnen Sterblichen macht – um mit weltgestaltenden Elementen zu schwelgen, und mit den Genien des Feuers und des Wassers Kinder zu zeugen!

Und das ist keine Zauberei mehr, kein Teufelswerk, sondern Wissenschaft, in Gott sich vertiefende Wissenschaft.

Diesen Abend machte Iwan Berend mit einer neuen Erfindung wiederholte Versuche. Es ist die Erklärung des Planetensystems.

In der Mitte eines tiefen und breiten Glasgefäßes ist ein Kreisel, dessen Axe durch eine Kugel aus einer gelblichen Masse gesteckt ist. Diese Kugel ist aus einem Gemisch von Seife, Oel und Alkohol bereitet. Das Oel und das Alkohol ist leichter, die Seife schwerer als das Wasser; die drei Stoffe verbinden sich gern miteinander, und in richtigen Verhältnissen gemengt, bilden sie einen weichen Teig, der genau dieselbe spezifische Schwere hat wie das Wasser, und so an der Stelle im Wasser bleibt, an welche man ihn hingetan hat. Das Ganze bleibt weich und löst sich im Wasser nicht auf.

Iwan beginnt mit dem Kreisel die weiche Kugel im Wasser zu drehen, worauf sie oben und unten an der Achse sich abplattet und an den Seiten ringsherum sich ausdehnt. Das sind die Pole und der Aequator.

Er dreht die Kugel noch stärker, der Aequator dehnt sich noch weiter aus und es entsteht eine linsenartige Kante; plötzlich löst sich die Kante von der Kugel ab und bleibt als Ring um die Kugel. Die Kugel erhält wieder die Pomeranzengestalt. Das ist der Saturn mit dem Ring.

Er dreht die Kugel weiter, und der von derselben abgelöste Ring dreht sich mit ihr zugleich mit der gleichen Geschwindigkeit.

Plötzlich zerplatzt der Ring, und einzelne Teile davon, je nach Größe und Gewicht in geringere oder größere Entfernung fortgestoßen, gestalten sich zu kleinen Kugeln, und jede einzelne kleine Kugel setzt im Wasser ihren Rundgang um die Mutterkugel fort und dreht sich zugleich um sich selbst.

Das ist die Sonne mit ihren Planeten!

Iwan stellt das Wassergefäß, in welchem er dieses Experiment gemacht hat, beiseite und nimmt sein Notizbuch vor.

Er sieht es durch, und in den letzten Blättern notiert und verbessert er.

In dem Buch war vieles durchstrichen. Findet doch der weiseste Naturforscher heute eine Dummheit in dem, was er gestern für eine göttliche Lösung hielt, und die heutigen Hypothesen wischt wieder die morgige Erkenntnis von der Tafel weg. Unsere ganze Wissenschaft besteht aus solchen weggewischten Hypothesen. Eppur si muove! Und doch bewegt sie sich. Sie schreitet vorwärts, und zwar mit riesigen Schritten.

Unter Iwans Notizen waren viele bizarre, kühne Thesen. Aber eins läßt sich nicht bestreiten, es war Konsequenz in ihnen.

Er sagte: »Die ganze Welt wird durch Feuer zusammengehalten. Die Sonne selbst und alle Fixsterne sind nichts als Feuer. Eine in vollständig geschmolzenem Zustande befindliche Masse.«

»Leben, das Leben der Tiere, Menschen, Pflanzen kann nur auf den des eignen Lichts entbehrenden Planeten bestehen, oder auf jenen den unsichtbaren Zentralpunkt bildenden dunkeln Sonnen, um welche sich die Doppelsterne drehen. Die berühmtesten Astronomen beweisen, daß es Sonnen gibt, die sich um Erden drehen; selbst der Sirius bewegt sich um einen glanzlosen Himmelskörper, der zwar nicht sichtbar ist, dessen Existenz aber durch die Gesetze der Mechanik bewiesen ist.«

»Die Sonne kann keine bewohnbare Rinde haben wie die Erde; – schon deshalb nicht, weil bei der Anziehungskraft der riesigen Masse der Sonne auf derselben keine organische Bewegung denkbar ist. Das Gewicht einer menschlichen Gestalt, wie die unsrige, würde auf der Sonne viertausend Zentner betragen, und sie würde eine Dampfmaschine von zweihundert Pferdekraft brauchen, um nur einen Fuß heben zu können; ja der Mensch könnte auf der Sonne überhaupt nicht stehen, sondern er wäre im buchstäblichen Sinne des Wortes an die Scholle gebunden, er wäre nur in der Form des bas relief denkbar. Eine Fliege müßte mit ihren Flügeln einen halben Zentner schleppen. Und wenn auf der Sonne Bäume wüchsen und jeder Ast wäre aus Gußeisen, so würde ein einziger Apfel, den ein solcher Baum trüge, mit seiner Last von vierzig Zentnern genügen, um den ganzen Baum zu entwurzeln.«

»Die Sonnenflecke sind kein Beweis, daß die Sonne eine dunkle Rinde habe. Auch in der geschmolzenen Metallmasse sieht man dunklere und hellere Flecke, gleich den Sonnenflecken und Sonnenfackeln.«

»Die Erde ist aus denselben Bestandteilen zusammengesetzt wie die Sonne. Das hat die Chemie mit Hilfe des Sonnenspektrums im Verein mit der Optik nachgewiesen.«

»Die Erde hat sich ebenso wie die übrigen Planeten vom Körper der Sonne losgerissen; sie haben sich davon losgetrennt, wie vom Saturnus dessen Ringe.«

»Jeder der Planeten war glühend und ein leuchtender Körper wie die Sonne.«

»Aber was hat ihr Feuer ausgelöscht? Was hat sie mit der festen, dichten Rinde umgeben, welche das innere Feuer verdeckt?«

»Wenn bloß die Kälte des Weltäthers dies verursacht hätte, so würde auch die Sonne schon längst eine dunkle Umhüllung bekommen haben.«

»Das Feuer muß also auf den Erden, auf den Planeten einen mächtigen Gegner haben.«

»Auch die Kometen müssen einst Planeten gewesen sein, welche als Teile des zerborstenen Sonnenringes sich ebenso regelmäßig um die Sonne und um ihre eigne Achse drehen wie die Erde. Bei der ersten Rindenbildung mag ihre Katastrophe eingetreten sein, als nämlich die plutonische Formation die Basaltschicht spaltend, die Granitmasse durchpreßte. Bei hundert Planeten gelang dieser erste größte Versuch der weltschöpferischen Formation; unter ihnen befinden sich unsere Erde und ihre ersten sechs bekannten Mitplaneten; bei Hunderttausenden aber endete der Versuch damit, daß die den Granit durch den Porphyr und Basalt durchstoßende Kraft stärker war, als die widerstehende Hülle, und so das zusammengepreßte Gas mit solcher Gewalt durch die entstandene Oeffnung hinausschoß, daß es die im halben Schöpfungswerk begriffen gewesene Hülle fortschleuderte, und die aus den Trümmern derselben entstandenen Meteore nach allen Seiten hin streute. Vielleicht ist die Asteroidengruppe, welcher unsere Erde am 13. August begegnet, der Ueberrest eines solchen zertrümmerten Planeten, der zersplittert, seinen von den ewigen Gesetzen der Mechanik vorgeschriebenen Weg um die Sonne fortsetzt, während seine befreite Seele, die Feuerseele, als Komet den endlosen leeren Raum jenseits der Planeten durchirrt.«

»Der Weg des Kometen ist keine vollständige Ellipse, sondern eine Spirale, ein gewundener Weg. Dies verursacht der widerstehende Weltäther. Einmal muß jeder Komet auf diesem gewundenen Wege zur Sonne zurückkehren, in dieselbe hineinfallen und ihr den verunglückten Stoff zurückgeben. Der riesige 1860er Komet kam der Sonne schon bis auf ein Sechstel Sonnendurchmesser nahe, und die Bewohner der Erde werden sehen, daß er bei seiner nächsten Rückkehr direkt mit der Sonne verschmelzen wird – freilich erst nach achttausend Jahren.«

»Der Kern des Kometen kann nicht einmal Gas sein. Wenn er vor den Fixsternen vorübergeht, so leuchten diese durch seinen Körper durch.«

»Wenn dieser Körper was immer für ein Gas wäre, so müßten die Sternstrahlen dadurch eine Brechung erleiden; aber der Komet verursacht keine Strahlenbrechung. Er kann also nichts anderes sein als eine Flamme, die fortwährend brennt. Wenn der Komet aus was immer für einem Gas bestünde, so müßte, indem er in einer vierundvierzigmal größeren Entfernung von der Sonne, als der Uranus, seine achttausendjährige Bahn in dem planetenlosen Weltraum durchläuft, in der unermeßlichen Kälte des Weltäthers, den nichts als die Sterne erwärmen, alles Gas tropfbar flüssig, und jeder Tropfen zu einem Kristall werden.«

»Es ist wohl wahr, daß der Komet, nach den Lichtbildern des Polaroskops zu urteilen, ein reflektiertes Licht hat. Aber ein solches kann ja auch die Flamme haben; wie denn auch die Venus außer ihrem von der Sonne reflektierten Licht noch ihre eigne Ausstrahlung hat, und gewiß auch das irdische Nordlicht bis zu den benachbarten Sternen durch das entlehnte Licht hindurch strahlt.«

»1842 war die Erde zwei Tage lang im Flammenschweif eines Kometen, ohne daß wir davon etwas verspürt hätten.«

»Wenn die Erde durch den Kern des Kometen hindurchginge, so würde der Komet spurlos verschwinden, höchstens würde die Atmosphäre der Erde vergrößert und dadurch die Temperatur der Zonen wieder bis zu dem Grad steigen, unter welchem in Sibirien Palmen wuchsen, und die geschmolzenen Eispole würden das feste Land mit einer neuen Sintflut bedrohen.«

»Aber auch das ist nicht möglich. Der Komet nähert sich unbewegt der Erde, aber die Erde nicht ihm. Die Erde hat eine freie Achse. Wenn man auf ein in Bewegung gesetztes Kreisel ein Steinchen wirft, so schleudert der Kreisel das Steinchen von sich und setzt seinen Rundlauf fort; das ist die freie Achse. Aber wenn zwei Kreisel aufeinander stoßen, so stoßen sie einander nach entgegengesetzten Seiten fort und schleudern einander aus ihrer Bahn. Wenn auch der Komet einen Kreislauf hätte, so könnte er mit der Erde zusammenstoßen; er würde dem Dunstkreis der Erde nahe kommen, welcher viel dichter ist als der Komet, und der Dunstkreis, welcher sich mit der Erde in einer Geschwindigkeit von vier Meilen in der Sekunde um die Achse dreht, würde den Kometen weit von sich wegstoßen.«

»Wohl aber kann es nach astronomischen Berechnungen geschehen, daß zwei planetarische Kometen, die innerhalb des Kreises der Planeten wandeln, einmal zusammenstoßen, und dann werden die Sterblichen eine himmlische Schlacht zwischen zwei Kometen sehen. Welcher von beiden den andern fortreißen wird? Vielleicht verschmelzen sie miteinander, und es bleiben nur die zwei Lichtschweife übrig. Vielleicht sind jene Kometen, die eine doppelte Lichtgarbe haben, die Vereinigung solcher zwei Irrsterne. 1846 zerteilte der Mars vor den Augen der Astronomen den Bielaschen Kometen, und machte zwei daraus.«

»Es kann dem Kometen auch passieren, daß er mit unserem Mond zusammenstößt. Der Mond aber hat keinen Dunstkreis und seine Umdrehung ist sehr langsam. Es könnte daher geschehen, daß wir den Mond und den Kometen zusammenstoßen sehen würden. Die Folge davon wäre, daß der Komet unsern Mond um noch einige tausend Meilen von uns entfernen oder ihn uns ganz nahe bringen würde; dabei aber würde der Mond sich den ganzen Kometen behalten und sich mit ihm, wie mit einer neuen Atmosphäre umgeben. Und dann würde auch der Mond lebendig werden, er hätte Flüsse, Meere, Pflanzen, Tiere, und wir würden mit unseren Augen seine Meere blauen, seine Felder grünen sehen – vielleicht würde er von diesem Zusammentreffen auch eine raschere Umdrehung erhalten und anfangen auch seine andere Seite der Erde zuzukehren – und sein erstorbenes Feuer würde neu angefacht werden.«

»Und was hat dieses Feuer ausgelöscht?«

»Es gibt Gasarten, deren Zusammentreffen: Feuer, und Gasarten, deren Zusammentreffen: Erlöschen ist.«

»Das ist das Geheimnis der Schöpfung und der Wiedererschaffung.«

»Um dieses Geheimnisses willen ist es der Mühe wert, die Bahn des Kometen zu wandeln, den Weltäther hinan bis zu den Sonnenflecken, und dann hinab durch die Schichten der Erde, durch den Muschelkalk, durch die Juraformation, den Caradocquarz, den Venlocktonschiefer, das Ludlowgestein, den Llandiloschiefer, den Aymestryschen Glimmerkalk bis zum Steinkohlenflötz, wo schon die feuergebenden und die Feuer erstickenden Geister brausen.«

»Diese zu erobern! das verdient die Mühen eines Menschenlebens.«


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