Washington Irving
Humoristische Geschichte von New-York
Washington Irving

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Fünftes Kapitel.

Wie Peter Stuyvesant, von unersättlicher Kriegslust erfüllt, das schwedische Fort Christina angriff und das Murren seiner Völker zuvor mit einer soliden Mahlzeit beschwichtigen mußte.

Wie ein mächtiger Herr vom Rath, wenn bei einer feierlichen Amtsmahlzeit der erste Löffel Schildkrötensuppe seinen Gaumen labt und er mit zehnfach gereiztem Appetit seine kräftigen Angriffe auf die Terrine wiederholt, während seine gefräßigen Augen gierig umherrollen und alles auf der Tafel verschlingen – so empfand der kampflustige Peter Stuyvesant einen unerträglichen Hunger nach kriegerischen Thaten, der bis in alle Eingeweide raste und nach der schnellen Besitznahme des Forts Casimir nichts übrig ließ, als die Eroberung von ganz Neu-Schweden. Kaum hatte er sich daher dieß Fort gesichert, als er entschlossen aufbrach, um von dem Fort Christina (der jetzigen Stadt Christiana oder Christeen) neue Lorbeern zu erndten.

Es war dies der Posten an dem kleinen Fluß desselben Namens; hier lag der listige Jan Rising fürchterlich in seinem Hinterhalte, wie eine graubärtige Spinne in der Citadelle ihres Gewebes.

So wie Peter Stuyvesant ankam, ging es sogleich ans Verschanzen, und nachdem die erste Parallele gezogen war, mußte sogleich Anton Van Corlear hinauf, um die Festung zur Uebergabe aufzufordern. Van Corlear wurde mit der gebührenden Höflichkeit empfangen, bekam am Thor die Augen verbunden, und wurde durch einen schändlichen Geruch von Seefischen und Zwiebeln zu der Citadelle, einer ansehnlichen Hütte von Tannenholz, geführt. Die Binde ward abgenommen und er befand sich in der erlauchten Gegenwart des Gouverneur Rising. Dieser Befehlshaber war, wie schon bemerkt, von riesenhaftem Wuchs, er hatte einen groben blauen Rock an, um die Hüfte mit einem ledernen Gürtel, der die ungeheuern Rockschößen und Taschen recht kriegerisch abstehen machte; die schweren Beine stacken in fuchsfarbenen Courierstiefeln; so stand er mit ausgespreiztem Untergestell, wie der Coloß von Rhodus, vor einem Stückchen zerbrochenen Spiegel und kratzte sich mit einem stumpfen Rasirmesser den Bart. Diese schmerzhafte Operation brachte fürchterliche Grimassen zum Vorschein, welche das grausige Ansehen dieses Mannes um Vieles erhöheten. Wie Antonius Van Corlear genannt wurde, hielt der unheimlich blickende Commandant in einer der schwierigsten Windungen seiner Schaberei einen Augenblick ein und sah über die Schulter nach ihm hinüber, blickte ihn mit knurrendem Grinzen ein wenig an, und fuhr dann zu schaben fort.

Nachdem die eiserne Erndte vorüber war, wandte er sich wieder zu dem Trompeter und fragte ihn nach dem Zweck seiner Sendung. Anton Van Corlear erzählte alle Beschwernisse der Provinz der Neuen Niederlande von vorn und endete mit der Aufforderung, daß sich das Fort sogleich ergeben solle; dann drehte er sich auf die Seite, nahm die Nase zwischen Zeigefinger und Daumen und trompetete ganz fürchterlich, als ob er auf seinem Instrumente zur Uebergabe blase. Der Gouverneur Rising hörte ihn von Anfang bis zu dem Signalstoß der Nase, die von der Nachbarschaft des Instrumentes etwas profitirt hatte, zwar an, jedoch mit großer Ungeduld, indem er sich ab und zu auf sein Schwerd stützte und mit einer ungeheuern stählernen Uhrkette spielte oder die Finger schnippte. Als Van Corlear zu Ende war, sagte er ganz kurz, Peter Stuyvesant und seine Aufforderungen sollten sich zum Teufel scheren, wohin er ihn und seine Lumpenhunde noch vor dem Mittagsbrod expediren wolle. Dann zog er das Schwerd, warf die Scheide weg und rief: «So wahr ich ehrlich bin, ich will dich nicht bedecken, bis ich aus den rauchgedörrten ledernen Häuten dieser hasenfüßigen Holländer Scheiden gemacht habe.» Nachdem er dem Feind so durch den Botschafter die trotzigste Antwort in den Bart geworfen, ließ er ihn zum Thor zurückführen, mit allen Ceremonien und Artigkeiten, die einem Trompeter, Kammerherrn und Gesandten eines so großen Machthabers gebühren, und nachdem sie ihm die Augen aufgebunden, entließen sie ihn mit einem Nasenschneller, um ihn lebhaft an seine Botschaft zu erinnern.

Kaum erhielt der ritterliche Peter die unverschämte Antwort, als er eine Batterie rothglühender Schimpfwörter spielen ließ, die unbezweifelt die Festungswerke niedergeschmettert und das Pulvermagazin samt dem kecken Schweden in die Luft gesprengt haben würde, wäre nicht die Befestigung äußerst dauerhaft und das Pulvermagazin bombenfest gewesen. Als er sah, daß die Werke der starken Salve widerstanden und es durchaus unmöglich sey, (wie wirklich in jenen unphilosophischen Tagen), einen Krieg mit Worten zu führen, befahl er seinen lustigen Völkern, sich augenblicklich zum Angriff zu rüsten. Aber jetzt erhob sich ein seltsames Gemurmel, das bei dem Stamm der Van Bummels, diesen famösen Tafelhelden vom Bronx, anfing und von Mann zu Mann ging, mit gewissen meuterischen Blicken und unzufriednem Gebrumme. Nur einmal im Leben geschah es, und es war diesesmal, daß Peter bleich wurde, er glaubte wahrlich schon, sein wackeres Heer werde die Stunde der Gefahr nicht heldenmüthig bestehen und einen ewigen Schandfleck auf die Provinz der Neuen Niederlande werfen.

Aber bald entdeckte er, zu nicht geringer Freude, daß er in seinem Argwohn diesem unerschrockenen Heere gewaltig unrecht gethan; denn der einfache Grund des Mißbehagens und Brummens war, daß eben die Mittagszeit eintrat und es den regelrecht lebenden holländischen Kriegern das Herz abgestoßen hätte, wären sie von ihrer festen Richtschnur abgewichen. Auch war es allezeit Vorschrift bei unsern Vorfahren gewesen, nur mit vollem Magen zu fechten, und dieser Regel mag wohl der Umstand zuzuschreiben seyn, daß sie in den Waffen so groß wurden.

Und nun sind die gewaltigen Helden von Manhattan und ihre nicht geringeren Kriegskameraden alle unter den Bäumen beim Bankettiren munter, und umhalsen so zärtlich ihre Flaschen und Krüge, als ob sie auf ewig von ihnen Abschied nehmen sollten. Da ich nun voraus weiß, daß wir auf der zweiten oder dritten Seite heiße Arbeit bekommen, so rathe ich meinen Lesern sich ebenfalls zur Mahlzeit zu begeben, weßhalb ich dieses Kapitel schließen will; ich gebe mein Wort zum Pfande, daß die ehrlichen Niederländer während dieses Waffenstillstandes keinen Ueberfall oder sonstige Beunruhigung in ihrer Mahlzeit zu befürchten haben.


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