Washington Irving
Humoristische Geschichte von New-York
Washington Irving

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Drittes Kapitel.

Welches die fürchterliche Wuth Wilhelms des Eigensinnigen und den großen Schmerz der Neu-Amsterdamer beschreibt, ferner wie Jener die Stadt stark befestigte, und Stoffel Brinkerhoofd große Thaten that.

Die Sprache ist zu arm, die merkwürdige Wuth zu beschreiben, in welche Wilhelmus Kieft durch diese ehrenrührige Behandlung verfiel. Drei gute Stunden war das Rasen des kleinen Mannes zu stark für Worte, oder vielmehr Worte waren zu stark für ihn, und er erwürgte schier an einem Dutzend ungeheurer, mißgeschaffner, neuneckiger holländischer Flüche, die sich ihm in der Gurgel kreuzten. Nachdem er endlich die erste volle Lage gegeben, feuerte er ohne Aufhören drei ganzer Tage – indem er die Yankees, Männer, Weiber und Kinder, an Leib und Seele verfluchte, und sie als Diebe, Schobbejaken, Deugenieten, Twist-Zökeren, Loozen-Schalken, Blaes-Kaken, Kakken-Bedden brandmarkte, sowie mit vielen anderen Namen, die leider die Geschichte nicht aufbewahrt hat. Zuletzt schwur er, daß er nichts mehr zu thun haben wolle mit einem solchen squatternden, spatzenartigen, lauernden, ausfragenden, schnappsenden, kürbisfressenden, syrupschmierigen, schindelspaltenden, weinverwässernden, roßkammichten, zettelkrämerischen Packvolk – sie möchten auf dem Fort Goed Hoop stehn und schimmeln, ehe er seine Hände mit ihren Cadavern besudeln wolle; und um dieß zu bethätigen, ließ er die neuausgehobenen Truppen, obwohl es noch nicht einmal ganz Sommer war, sogleich die Winterquartiere beziehen. Der Gouverneur Kieft hielt sein Wort und seine Gegner ihre Posten, und so fiel der herrliche Fluß Connecticut mit seinem schönen Thal, seinen Salmen, Alsen und andern guten Fischen auf immer in die Hände der siegreichen Yankees, die bald der Schrecken der Gegend wurden, so daß die alten Mütterchen die Kinder mit dem bloßen Namen schon still machten und ins Bett jagten.

Zu der Zeit lebte in Neu-Amsterdam einer Namens Anton Van Corlear (nach welchem die Corlears-Spitze benannt wird), ein schmucker kugelrunder holländischer Trompeter, mit einem lustigen dicken Gesicht, berühmt wegen seines langen Athems und buschigen Backenbarts; er blies so kräftig, als ob zehntausend Sackpfeifen einem lustig in die Nase dröhnten. Ihn erwählte der berühmte Kieft zum Kämpen und zur Complettirung der Garnison von Neu-Amsterdam, an dessen besserer Befestigung nun, nach dem Rath der alten Weiber, ernsthaft gedacht werden mußte. Er hoffte zuversichtlich, daß diese Trompete so kräftig seyn werde, wie das Horn des Paladin Roland oder das noch classischere Alecto's. O wie schnippte der Gouverneur die Finger und faselte hin und her im Entzücken, als sein schmucker Trompeter die Wälle auf und ab marschirte und lustig der Welt ins Gesicht blies, wie ein herzhafter Autor, der allen Hoheiten und Gewalten jenseits des atlantischen Meers keck aufspielt.

Was die Stärke der Befestigung erhöhte, waren Zuthaten von seiner eignen Erfindung, in der Geschützkunde, Mechanik &c.; er setzte eine Flagge in die Mitte, die über die ganze Stadt reichte, und auf der südöstlichen Bastion erbaute er eine große Windmühle. Diese letzte war etwas ganz Neues in der Fortificationskunst, aber Kieft war ein erfinderischer Kopf, ein Universalgenie, welcher Patent-Rauch-Gestelle, sodann große Schiebkarren für Pferde, und Anderes mehr erfand, besonders aber die Windmühlen, seine alte Passion, bei verschiednen Gelegenheiten höchst glücklich anwandte.

Freilich wurde ihm auch hie und da der Vorwurf gemacht, daß er die ganze Regierung wie eine Windmühle behandle, und es gab viel Unruhe und Muthlosigkeit, besonders als das verzweifelte Raubgesindel von Connecticut sich an der Austerbai, ganz nahe bei Neu-Amsterdam, niederließ.

Dieses griff die Ehre der Stadt unmittelbar an, denn die Auster war dasjenige Thier, welches bei unsern Landsleuten dazumal eine fast göttliche Verehrung genoß; auf allen Gassen, Plätzen, Promenaden waren ihr Tempel errichtet, und der Rath würdigte sie seines besondern Vertrauens und Behagens. Es wurde daher einmüthig beschlossen, die lästigen Gäste von der Austerbai wegzurasiren, und an die Spitze des damit beauftragten Detachements stellte man Stoffel Brinkerhoofd, oder Stoffel den Halsbrecher, der durch die ganzen Neuen-Niederlande wegen seiner geschickten Handhabung des Stuhlbeins oder Besenstiels bei unvorhergesehenen Kämpfen, gefürchtet wurde, und so groß war, daß er es mit Colbrand dem Dänen, den Gui von Warwick erschlug, hätte aufnehmen können.

Stoffel war ein Mann, der wenig Worte machte, ruhig gerade ausging und nach der Ordre immer zuschlug. Langsam und mit Nachdruck passirte er die Städte Ninive, Babylon, Jericho und andre merkwürdige Oerter des Alterthums, welche die Yankees hierher gehext hatten; auch hielt er sich nicht in Puspanitsch, Patchog und Quag auf, sondern ging ohne viel Federlesen auf die Austerbai los.

Hier stieß er auf eine tumultuarische Rotte von tapfern Kriegern, unter Anführung von Jöckel Stockfisch, Habakuk Nußkern, Wendum Kraft, Serubabel Unruh, Jonathan Tagdieb und Ehrenfest Gockel! – bei welchen Namen ihm zu Muthe ward, als ob das ganze Parlament der Preis-Gott-Barfüßer ihm entgegen gesandt worden wäre. Aber es war nur die Elite, und es zeigte sich, daß sie keine andre Waffen hatten als ihre Zungen, womit sie auf dem Schlachtfeld der Argumente siegen wollten. Dabei konnte der tapfre Stoffel sich aber nicht aufhalten und schlug sie sogleich in die Flucht, würde sie auch vollends in die See gejagt haben, hätten sie nicht um gut Wetter gebeten und sich zu einem Tribut verstanden.

Neu-Amsterdam war über den Sieg so im Taumel, daß dem Stoffel Brinkerhoff ein großer Triumphzug votirt wurde. Er ritt auf einem Navaganset-Zelter, und vor ihm her trug man fünf Kürbisse, die wie die römischen Adler den Feinden als Standarten gedient hatten; man zählte fünfzig Karrn mit Austern, fünfhundert Büschel Weatherfield-Zwiebeln und hundert Centner Kabeljau, zwei Sauköpfe mit Zuckersyrup und viele andere Schätze, welche den Triumphzug verherrlichten. Eine Kriegsmusik, bestehend aus der Trompete Van Corlears und dem Spektakel der Gassenjungen und Neger, mit Klappern, Rasseln und lärmenden Muscheln, belebte den Zug; kein Mann konnte am Ende auf den Beinen stehn, und eingedenk der Verewigung durch Bildnisse bei den Alten, erlaubte Van Kieft, den Kopf des unerschrocknen Stoffel Halsbrecher auf alle Wirthsschilder zu malen!


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