Washington Irving
Humoristische Geschichte von New-York
Washington Irving

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Sechstes Kapitel.

Von der großen Pfeifenverschwörung – und von dem Elend, welches Wilhelm dem Eigensinnigen die Erleuchtung der Menge bereitete.

Wilhelmus Kieft war, wie ich schon angedeutet habe, ein großer Gesetzgeber im Kleinen. Als Jüngling hatte er sich den Spruch Salomo's eingeprägt: «Geh zu der Ameise, du Fauler; sieh auf ihre Wege und werde weise.» Daher kam es, daß er immer wie eine Ameise unruhig hin und her lief, sich viel zu thun machte, und oft über ein Senfkorn sich abmühete, als habe er einen Berg in Bewegung zu setzen.

So geschah es denn, daß aus einem seiner Geisteskämpfe, die er Ueberlegen nannte, ein unglückliches Gesetz hervorging, welches den allgemeinen Gebrauch des Tabackrauchens verbot. Er fand durch mathematischen Beweis, daß es nicht allein für das Volk eine drückende Ausgabe, sondern auch ein Zeitverderber, ein Tödter des Glücks und der Moralität der Staatsgemeine sey. Unglückseliger Kieft! hättest du in diesem aufgeklärten und libellsüchtigen Zeitalter gelebt und die unschätzbare Preßfreiheit zu unterdrücken gewagt, du hättest die Empfindlichkeit von Millionen nicht schärfer treffen können.

Der Volkshaufe ward wüthend; eine Schaar aufrührerischer Bürger versammelte sich sogar vor dem Haus des Gouverneurs, setzte sich keck hin, wie eine belagernde Armee, und rauchte mit solcher Hartnäckigkeit, als gelte es, ihn zu zwingen, daß er sich übergebe. Wilhelm der Eigensinnige rannte aus seinem Hause wie eine zornige Spinne und verlangte den Grund dieser aufrührerischen Versammlung und dieses gesetzwidrigen Rauchens zu wissen; aber die kecken Aufwiegler antworteten nur thatsächlich damit, daß sie sich sehr phlegmatisch auf ihren Sitzen ausstreckten und mit verdoppelter Wuth rauchten; sie verbreiteten so dicke Wolken, daß der kleine Mann froh war, wieder in sein Schlößchen zurück zu kommen.

Der Gouverneur erfuhr bald die Ursache des Aufruhrs, und ward inne, daß es unmöglich seyn werde, eine Sitte aufzuheben, welche den Niederländern zur zweiten Natur geworden war. Dieß ist auch die Ursache, warum in meiner Geschichte dieser Sitte so oft gedacht wird. Die Pfeife kommt dem ächten Holländer nie vom Munde; sie ist sein Gefährte in der Einsamkeit, seine Erholung in müßigen Stunden, sein Rathgeber, sein Tröster, sein Augapfel, sein Stolz, kurz er scheint nur durch die Pfeife zu athmen und zu denken.

Wilhelm der Eigensinnige ward endlich zu capituliren gezwungen; er wollte nun zwar die Sitte nicht aufheben, aber er verbannte jene schönen langen Pfeifen aus den Tagen Walters des Zweiflers, welche so viel Behaglichkeit, Ruhe und Mäßigung ausdrückten; an ihrer Stelle wollte er kleine pfiffige kurze Pfeifen von zwei Zoll Länge einführen, die man, wie er sagte, in eine Ecke des Mundes und in das Hutband stecken könnte, und der Arbeit nicht im Wege wären. Hierdurch schien die Menge etwas beruhigt und zerstreute sich nach ihren Wohnungen. Auf solche Weise endete der große Aufstand, der lange unter dem Namen des Pfeifen-Complotts bekannt war, und der sich, wie man etwas spitzig bemerkte, gleich den meisten Bewegungen dieser Art, in Rauch auflöste.

Aber höre, Leser, welche beweinenswerthe Folgen später daraus hervorgingen. Der Rauch der schändlichen kleinen Pfeifen, der immer in Wolken um die Nase dampfte, drang durch diesen Weg in's Gehirn, umnebelte es, sog alle liebreiche Feuchtigkeit auf und machte die Menschen so wirblich und eigensinnig wie ihren berühmten kleinen Gouverneur – ja, was mehr ist, aus einer gedeihlichen, aufgequollenen Race wurden, gleich unsern würdigen holländischen Landwirthen, welche kurze Pfeifen rauchen, Laternengesichter, rauchgedörrte, lederhäutige Kerls!

Das war aber noch nicht Alles. Denn von da datirten sich die Entzweiungen in der Provinz. Einige der reicheren und wichtigeren Bürger, die der alten Sitte treu blieben, bildeten eine Art Aristokratie, die den Namen Lang-Pfeifen annahm; die niederen Stände dagegen, die sich der Neuerung gutwillig unterwarfen, weil sie sich auch zu ihren Handthierungen besser eignete, wurden mit dem Namen Kurz-Pfeifen gebrandmarkt. Es entstand nun noch eine dritte Parthei, von beiden verschieden, unter Anführung der Nachkommen des berühmten Robert Chewit, dem Gefährten des großen Hudson. Diese gaben den Gebrauch der Pfeifen ganz auf und kauten den Taback, daher sie den Namen Quids erhielten. Diese Benennung hat man seitdem auf alle jene Spielarten ausgedehnt, die zuweilen aus zwei großen feindlichen Geschlechtern hervorgehen, wie der Maulesel vom Pferd und Esel abstammt.

Hier ist denn auch der Ort, wo ich die große Wohlthat jener Parthei-Unterschiede bemerklich machen muß, welche die große Masse des Volkes des Denkens überhebt. Schon Hesiod theilt die Menschen in solche, die für sich selbst denken, solche, die andere für sich denken lassen, und solche, die weder das eine, noch das andere thun. Die zweite Classe begreift die große Masse der bürgerlichen Gesellschaft, und daher kommt der Ausdruck Parthei, worunter man eine Menge Menschen versteht, wovon die einen denken und die übrigen schwatzen. Die ersteren, die man die Führer nennt, discipliniren die letzteren, lehren sie, was sie billigen, bei was sie schreien und ins Zeug gehen, was sie unterstützen, doch vor allem, wen sie hassen müssen – denn Niemand kann ein guter Partheigänger seyn, wenn er nicht ein entschiedener und entschlossener Hasser ist.

Wenn aber das souveraine Volk so recht in den Harnisch gebracht, angeschirrt, mit einer Kinnkette versehen und unterm Zügel ist, so kann es nur erfreulich seyn, wie sie nun den Dreckkarrn ihrer Parthei, durch Koth und Schlamm fortziehen nach dem Willen ihrer Treiber. Wie viele patriotische Congreßmitglieder habe ich gesehen, die nicht im Stande gewesen wären, zu einem Votum den Verstand zu öffnen, wenn sie nicht solche Vordenker gehabt hätten.

Nun konnten die erleuchteten Bewohner von Manhattan sich zum Zwiespalt organisiren und sich systematisch hassen, das Geschäft der Politik ging wacker seinen Gang; die Partheien versammelten sich in besonderen Bierhäusern und rauchten mit unversöhnlichem Groll gegen einander, zu nicht geringem Nutzen des Staates und der Bierwirthe. Die Eifrigeren gingen weiter und salbten einander mit jenen Spitznamen und infamen kleinen Schimpfwörtern, womit die holländische Sprache gesegnet ist. Waren aber die Partheien noch so aufsässig gegen einander, so stimmten sie doch darin überein, daß sie über alle Maßregeln der Regierung raisonnirten und sie verdammten; denn Niemand interessirte sich für einen Gouverneur, den sie nicht geschaffen hatten, noch für das Glück des Landes, so lange es unter ihm stand.

Unseliger Wilhelm Kieft! dem die inneren wie die äußeren Feinde alles zunichte machten. Wollte er ein Heer auf die Beine bringen, so hieß es, das seyen Heuschrecken, welche das Land verwüsteten, und eine eiserne Ruthe in den Händen der Regierung. Sammelte er im Augenblick der Gefahr allerlei Vagabunden, so schrie man über die ohnmächtige und gelderschöpfende Maßregel. Nahm er seine Zuflucht zu dem ökonomischen Schritt einer Proclamation, so lachten ihn die Yankees aus; hob er den gegenseitigen Verkehr auf, so wurden ihm seine eignen Unterthanen ungehorsam. Wo er sich hinwandte, überall Petitionen, «von zahlreichen und würdigen Versammlungen», die aus einem halben Dutzend zänkischer Kannenhelden bestanden. Er las sie alle, und was noch schlimmer war, er richtete sich nach allen. Die Folge war, daß nichts seinen geraden Weg mehr ging und vor lauter Thun am Ende gar nichts geschah.

Man würde sich sehr irren, wollte man glauben, daß er alle diese Promemoria's und Bittschriften gutwillig angenommen habe; dieses würde seinem ritterlichen Geist sehr ungleich sehen. Im Gegentheil, er nahm nie in seinem Leben einen guten Rath an, ohne zuerst gegen den Rathgeber in Gift zu gerathen. Aber ich habe stets bemerkt, daß kleine heftige Menschen wie kleine Barken mit großen Segeln am leichtesten umwerfen oder aus ihrem Lauf gebracht werden; und dies zeigte sich bei dem Gouverneur Kieft, der zwar biß wie ein alter Rettig und einen Geist hatte, wo beständig Wirbelwinde und Tornado's hausten, doch sogleich umgedreht war durch den mindesten Rath, der ihm in's Ohr geblasen wurde. Ein Glück war es dabei, daß seine Macht vom Volke unabhängig war, und so thaten sie zwar mit einigem Anstand, doch mit Qual und Verdruß auf seiner Seite, ihr Möglichstes, ihn jedesmal herumzukriegen, wie ein Sonntagsreiter einen verruchten Racker von Miethklepper hin und her zerrt. Wilhelmus Kieft ward in der That durch seine ganze Verwaltung wie ein Klepper entweder hin und her gerissen oder in steifem kurzem Galopp gehalten.


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