Washington Irving
Humoristische Geschichte von New-York
Washington Irving

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Fünftes Kapitel.

Wie das Fort der guten Hoffnung furchtbar belagert wurde – wie der berühmte Wouter in einen tiefen Zweifel fiel und endlich ausschmauchte.

Schon sehr früh und vor der Ankunft des berühmten Wouters hatte das Cabinet der Neuen-Niederlande die Ländereien am Connecticut gekauft und dort zum Schutz einen befestigten Punkt am Ufer errichtet, welchen man das Fort der guten Hoffnung nannte, dicht bei der jetzigen schönen Stadt Hartford. Das Commando mit dem Titel als Commissär erhielt der ritterliche Jacobus Van Curlet oder Van Curlis. Er hatte das Ansehen eines langen Mannes auf kurzen Beinen, und machte deßhalb solche Schritte, daß man ihn hätte für den Däumling mit den Siebenmeilenstiefeln halten sollen; dabei tappte er so stark auf, daß seine Leute immer fürchteten, er werde sich selbst einmal unter die Füße treten.

Dieses verwegenen Mannes und seines starken Forts ungeachtet, unterließen es die Yankees doch nicht, in das Gebiet einzudringen und sich selbst in der Umgebung des Forts festzusquattern.

Bei solcher Beleidigung unterließ es auch der langleibige Van Curlet nicht, hervorzukommen, auf gut holländisch dagegen zu protestiren und eine Abschrift der Protestation mit einem höchst beschwerenden Bericht an den Gouverneur zu schicken. Nun sprach er seinen Leuten Muth ein, schloß das Thor der Festung, rauchte drei Pfeifen, ging zu Bett und erwartete mit großer Kaltblütigkeit den Erfolg, welches seinen Leuten großen Muth und seinen Feinden ohne Zweifel Zaghaftigkeit einflößte.

Nun geschah es zu selbiger Zeit, daß der berühmte Wouter Van Twiller, an Jahren und Ehren und Rathsmahlzeiten reich, die Lebensperiode erreicht hatte, die nach dem großen Gulliver zum Eintritt in den alten Orden der Struldbruggs berechtigt. Als nun Seine Excellenz der Gouverneur die Protestation des ritterlichen Jacobus Van Curlet zu lesen bekam, fiel er gradeswegs in den tiefsten Zweifel, den er je gehabt hatte; sein umfassender Kopf sank allmählig auf die Brust herab, er schloß die Augen, neigte das Ohr auf die eine Seite, als wolle er genau der Discussion zuhören, die in seinem Magen vor sich ging, welcher bei ihm das Unterhaus des Parlaments war. Ein unarticulirter Ton, der sehr einem Schnarcher glich, entfuhr ihm, aber diese innere Ueberlegung kam nie mehr zu Tage, da er über diesen Gegenstand gegen Niemanden seine Lippen mehr öffnete. Mittlerweile lag die Protestation Van Curlets ruhig auf dem Tisch, wo sie dazu diente, die Pfeifen anzuzünden, und in dem großen Tabacksdampf, den der Rath verbreitete, war bald das Fort der guten Hoffnung und sein ritterlicher Vertheidiger umwölkt und vergessen, wie eine wichtige Frage in einer Congreßsitzung durch vieles Schwatzen und Entschließen.

Während nun Wouter in seinen Zweifeln vorrückte, schritt der Feind in dem Gebiet weiter und baute in der Nähe des Forts die Stadt Pyquag, die jetzt Weathersfield heißt, und nach dem würdigen Historiker John Josselyn wegen ihrer Hexen verflucht war. Die Bewohner derselben wurden so keck, daß sie ihre Zwiebeln, wodurch sie berühmt geworden sind, der Garnison der guten Hoffnung dicht unter die Nase bauten, so daß die guten Holländer nach dieser Gegend nicht ohne Thränen in den Augen hinausblicken konnten.

Diese schreiende Ungerechtigkeit erregte den vollen Unwillen des ritterlichen Jacobus Van Curlet. Er zitterte vor Zorn und Muth, und dieser Ausbruch von Leidenschaft wurde durch die Länge seines Leibes verstärkt. Er ging heraus, vermehrte die Befestigungen und schickte einen zweiten Courier mit der furchtbaren Nachricht von seiner gefährlichen Lage ab.

Der erwählte Courier war ein kleiner, fetter, schmieriger Kerl, der die Hetze wohl aushalten konnte. Man gab ihm das schnellste Wagenpferd in der ganzen Garnison, welches hoch und lang war, derbe Knochen hatte und stark stieß; der kleine Mann mußte sich am Schweif über das Hintertheil hinaufarbeiten. Aber er eilte sich so sehr, daß er in etwas weniger als einem Monat im Fort Amsterdam ankam, obwohl die Entfernung gute zweihundert Pfeifen ausmachte.

Das Außerordentliche seiner Erscheinung würde die Stadt Neu-Amsterdam in Schrecken versetzt haben, wenn sich die guten Leute je um irgend etwas, außer ihren häuslichen Angelegenheiten, bekümmert hätten. Mit dem Anschein der größten Eile sprengte er in scharfem Trab durch die schmutzigen Gassen der Hauptstadt und überritt ganze Häuser von Koth, welche die kleinen Kinder am Wege bauten, für welche plastische Kunst die Jugend dieser Stadt immer bekannt gewesen ist. Als er beim Haus des Gouverneurs ankam, rutschte er mit großer Hast vom Pferd herab, weckte den grauköpfigen Thürsteher, den alten Skaats – klopfte heftig an der Thüre des Rathszimmers und erschreckte die Mitglieder, die über einen Plan zu einem Markte in stilles Brüten versunken waren.

In diesem Augenblick wurde ein sanftes Grunzen oder vielmehr ein tiefer, schnarchender Athemzug von dem Stuhl des Gouverneurs gehört, sogleich sah man eine Rauchwolke seinen Lippen entschlüpfen und eine kleinere dem Pfeifenkopfe. Der Rath glaubte, er sey für das Wohl der Gemeine eingeschlafen, und es wurde, wie sonst in solchem Falle, Stille geboten, als auf einmal die Thüre aufging und der kleine Courier ins Zimmer tappte, zur Hälfte in großen Steifstiefeln versteckt, die er eigens zu diesem Ritt mit bekommen hatte. Die rechte Hand hielt die verhängnißvolle Depesche und die linke den Hosenträger, der ihm beim Absteigen gerissen war. Er ging mit Entschlossenheit auf den Gouverneur los und übergab mit mehr Eile als Vorsicht die Botschaft. Aber glücklicherweise kamen diese traurigen Nachrichten zu spät, um die Ruhe dieses friedlichen Herrschers zu stören. Seine ehrwürdige Excellenz hatte so eben den letzten Zug gethan – seine Lunge und Pfeife gingen mit einander aus und seine friedliche Seele schwang sich in dem letzten Puff, der seiner Tabackspfeife entstieg, zu besseren Gefilden empor. Mit einem Wort, der berühmte Walter der Zweifler, welcher so oft mit seinen Collegen geschlafen, schlief nun mit seinen Vätern, und Wilhelmus Kieft ward Gouverneur an seiner Stelle.


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