Washington Irving
Humoristische Geschichte von New-York
Washington Irving

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Viertes Kapitel.

Getreue Beschreibung des betriebsamen Volkes von Connecticut und der Umgegend, Yankees genannt.

Der Provinz der neuen Niederlande drohten bald Gefahren von Eindrängern an den östlichen Grenzen. In England hatte die geistliche Gewalt den Leuten das Reden verboten. Die, welche sich der schrecklichen Tyrannei nicht unterwerfen wollten, wanderten nach Amerika, wo sie ihrem Hang, zu schwatzen, freien Lauf lassen konnten. Sie erhoben an dieser geschwätzigen Küste auch sogleich ein solches Durcheinander von Geschrei, daß die Vögel und das Wild weit entflohen und gewisse hier sehr zahlreiche Fische so stumm und dumm wurden, daß man sie noch heut zu Tage Stummfische nennt.

Von jener Zeit rührt das Palladium unseres Vaterlandes, das sogenannte «Recht zu sprechen», welches dieses Land so eifrig unterhält in Zeitungen, Pamphleten &c. Es ist dieß das wichtige Recht, gedankenlos und ohne unterrichtet zu seyn, über alles mitsprechen zu dürfen.

Die einfachen Urbewohner des Landes betrachteten dieses fremde Volk eine Zeitlang mit großem Erstaunen; als sie aber fanden, daß sie zwar geräuschvolle, doch unschuldige Waffen führten und ein regsamer, gutartiger Schlag Menschen seyen, wurden sie zuthunlich und gesellig und gaben ihnen den Namen Yanokes, welches in der Meis-Tchusang- (oder Massachusett) Sprache stille Menschen bedeutet – eine schalkhafte Benennung, die man in Yankees abgekürzt hat und noch heute gebraucht.

Was diese Yankees für unsere holländischen Vorfahren am gefährlichsten machte, waren mehrere Gewohnheiten, vor Allem das herumziehende unruhige Leben, das sie gleich den Söhnen Ismaels führten, wobei sie Land urbar machten und Häuser bauten, die sie anderen überließen, als die wahren Araber Amerika's. Wie die alten Patriarchen wanderten sie mit Weibern, Kindern, Knechten und Heerden weiter, mitten in die Wälder, lichteten sie und wirthschafteten darin. «Verbesserung» war dabei ihr stetes Ziel, d. h. eine ewige Veränderlichkeit. Diese treibt sie endlich hinaus, sich einen neuen Ort der Ansiedlung zu suchen, wieder Bäume zu fällen, Felder anzubauen, wieder Häuser, Ställe und Scheunen zu bauen und sie wieder zu verlassen.

Der Art waren die Bewohner von Connecticut, die östlichen Nachbarn der Neu-Niederländer, und meine Leser können sich leicht denken, welche Nachbarn dieses mercurialische Völkchen für unsere ruhigen Vorfahren waren.

Schaaren von Marodeurs streiften in ihr Gebiet hinüber und setzten ganze Dörfer durch ihre Behendigkeit und ihren Forschungstrieb in Angst und Schrecken, zwei Eigenschaften, die bis dahin unter ihnen unbekannt oder verabscheut waren.

Auch gab es viele Scenen der Eifersucht durch ihre schnellen Bekanntschaften mit dem göttlichen Geschlecht; denn bald hatten sie mit ihrer verwetterten Zunge und gewandten Art den einfachen holländischen Schönen die Köpfchen verrückt. Unter andern häßlichen Gewohnheiten wollten sie auch die vertraute Sitte des «Bündelns» einführen, welches bei Liebeshändeln damit anfängt, womit andere aufhören; aber diese ausländische Neuerung verbaten sich die Mütter, die besser als ihre Töchter mit der Welt und den Männern bekannt waren, sehr ernsthaft.

Ohne Weiteres nahmen sie oft von niederländischen Landestheilen Besitz, um den Boden zu cultiviren oder zu verbessern, wie sie sagten. Diese Art, sich ohne Complimente neuen Grund anzueignen, nannte man technisch Squatten, und daher bekamen sie den Namen Squatters, welcher allen großen Oekonomiebesitzern ein Gräul ist.

Das ruhige Cabinet Van Twillers ertrug alle diese Unglücksfälle mit einer Großmuth, die unsterblichen Ruhm verdient – man gewöhnte sich allmählig an diese wachsende Last, wie jener starke Mann im Alterthum, der ein Kalb von der Geburt an alle Tage trug, bis es ein großer Ochs geworden war.


 << zurück weiter >>