Washington Irving
Humoristische Geschichte von New-York
Washington Irving

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Fünftes Kapitel.

Wie die Helden Communipaw's etwas weiser zurückkehrten, als sie gekommen waren – und wie der weise Oloff einen merkwürdigen Traum hatte.

Nach einer fürchterlich stürmischen Nacht, wo die Geister heulten und huschten, und die Elemente vor Wuth brüllten, erwachten die, welche sich vom Schiffbruch gerettet hatten, an verschiednen Theilen der Küste, wo sie größtentheils blieben und sogleich Colonieen gründeten. Ten-Broeck hatte das Glück, über Bord zu fallen und wurde durch seine vielen Beinkleider gerettet, die ihn wie ein Meerweibchen oben hielten, und die er am Morgen eifrig im Sonnenschein zu trocknen beflissen war.

Mit Schrecken und Zagen schifften die muthigsten wieder durch die gefährliche Meerenge, an welcher sie keinesweges gesonnen waren, eine Stadt zu gründen. Aber Neptun widersetzte sich ihrer Rückkehr und warf die Tonne oder den Zuber des Commodore Van Kortlandt ohne Weiteres auf den Strand von Manna-Hata.

Sie machten ein Feuer unter einem großen Baum, wo jetzt die Batterie liegt; dann sammelten sie eine große Menge Austern, die dort im Ueberfluß zu finden waren, leerten den Inhalt ihrer Schnapsäcke aus und richteten ein stattliches Rathsessen her. Der würdige Van Kortlandt war besonders andächtig bei dieser feierlichen Verrichtung, und da er bei der Fahrt die hauptsächlichste Mühe und Sorge hatte, so hielt er es für nöthig, auch für das Gemeinwohl tüchtig zu essen. Je mehr Oloff sich mit den schmackhaften Speisen bis zum Rande füllte, stieg auch das Herz dieses trefflichen Bürgers bis zur Kehle empor, so daß er an dem guten Essen und an der Fröhlichkeit ordentlich drückte und würgte. Wenn dieser Zustand des emporsteigenden Herzens eintritt, kann man auch eigentlicher vom Herzen reden und das Gespräch fließt von Liebe und Freundschaft über. So fühlte auch der würdige Oloffe, nachdem er den letzten Bissen hinabgedrückt und mit einem brennenden Schluck niedergewaschen, sein Herz von sanften Schmerzen bewegt und seinen ganzen Körper gleichsam erweitert von unbegrenztem Wohlwollen. Alles umher schien ihm köstlich und ergötzlich; er legte die Hände an seine umfassende Rundung, ließ die halbgeschlossenen Augen über den reizenden Wechsel von Land und Wasser dahinschweifen und rief mit fetter, halb erstickter Stimme: «Welch reizender Prospect!» Die Worte erstickten ihm in der Gurgel – er schien über die schöne Scene einen Augenblick nachzudenken – die Augenlieder schlossen sich schwer – der Kopf sank auf die Brust – allmählig rutschte er auf den grünen Rasen herab und fiel nach und nach in einen tiefen Schlaf.

Und der weise Oloffe träumte einen Traum – und siehe, der gute, heilige Nicolaus kam über die Wipfel der Bäume daher gefahren, in demselben Wagen, worin er den Kindern alljährlich seine Geschenke bringt; und er kam und stieg dicht an der Stelle aus, wo das Rathsessen gehalten worden war. Und der schlaue Van Kortlandt kannte ihn an dem breiten Hut, an der langen Pfeife und an der Aehnlichkeit überhaupt, die er mit der Figur am Vordertheil der Goede Vrouw hatte. Und er steckte seine Pfeife am Feuer an und setzte sich nieder und rauchte; und indem er rauchte, stieg der Rauch von seiner Pfeife in die Luft und breitete sich wie eine Wolke über ihnen aus. Und Oloffe besann sich und eilte sich und kletterte auf den Wipfel eines der höchsten Bäume und sah, daß der Rauch sich über eine große Fläche verbreitete – und wie er genauer zusah, war es ihm, als nehme die große Masse Rauchs mannichfaltige wunderliche Formen an, wo sich denn in dem düstern Nebel Paläste und Kirchen und hohe Thürme unterschieden, die aber nur einen Augenblick sichtbar waren und dann verschwanden, indem die Decke hinwegrollte und nichts als die grünen Wälder zurückließ. Als der heilige Nicolaus seine Pfeife ausgeraucht hatte, steckte er sie in sein Hutband, legte den Zeigefinger an die Nase und sah den erstaunten Van Kortlandt sehr bedeutungsvoll an; dann stieg er wieder in den Wagen, kehrte über die Spitzen der Bäume zurück und verschwand.

Und Van Kortlandt erwachte aus seinem Schlaf sehr weise und er weckte seine Gefährten und erzählte ihnen den Traum, und deutete ihn so, daß es der Wille des heiligen Nicolaus sey, daß sie sich hier niederlassen und eine Stadt bauen sollten, und daß der Rauch der Pfeife in seiner ganzen Ausdehnung als Vorschrift gelte, wie weit die Stadt gehen solle, sintemal die Rauchwolken sich über eine große Strecke verbreitet hätten. Darauf stimmten Alle einmüthiglich der Auslegung bei, ausgenommen Mynheer Ten-Broeck, welcher den Traum so deutete, daß es eine Stadt geben werde, wo wenig Feuer großen Rauch mache, mit andern Worten, eine recht dunstige kleine Stadt – und beide Auslegungen sind merkwürdig in Erfüllung gegangen!

Und die Helden von Communipaw kehrten zurück und erzählten, was sie erlebt und was Oloffe von Kortlandt geträumt. Und das Volk erhob seine Stimme und segnete den guten heiligen Nicolaus, und von nun an stieg der weise Van Kortlandt mehr als je im Ansehen wegen seiner großen Gabe, zu träumen, und man erklärte ihn für einen sehr nützlichen Bürger und braven Mann – wenn er schlafe.


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