Washington Irving
Humoristische Geschichte von New-York
Washington Irving

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Fünftes Kapitel.

Wie der Fürst der Finsterniß die Bevölkerung des Ostens berückte und wie man den Feind ausrottete – wie dann ein ritterlicher Held unter den Holländern aufstand und zeigte, daß ein Mann, wie eine Blase, mit lauter Wind gefüllt seyn kann.

Eine Unzahl Hexen zeigten sich im Lande; es war ein wahrer Schauder über diese Bünde mit dem Teufel. Das Merkwürdigste aber war, daß die höllischen Künste gerade den dummsten, verrunzeltsten, häßlichsten alten Weibern anvertraut wurden, die kaum mehr Verstand hatten, als die Besenstiele, auf denen sie ritten. – Aber wenn einmal Lärm geschlagen ist, bedarf es keiner großen Beweise mehr; und es geht dann mit den Anzeichen wie bei dem gelben Fieber. Wo sich eine Krankheit zeigte, mußten Hexen daran schuld seyn, und wehe dann dem alten Weibe, das in der Nachbarschaft lebte. Die schändlichen Hexen wurden schnell erkannt an den Liebesmälern des Teufels, an schwarzen Katzen, Besenstielen und dem Umstande, daß sie nur drei Thränen und zwar aus dem linken Auge weinten. – Es gab Gerüchte von Schaluppen, die mit alten Weibern bemannt waren, von einem Schiff, wo ein großes rothes Pferd am Hauptmast stand, das aber plötzlich verschwunden war, von unsichtbarem Mannzen, von schrecklichen Erscheinungen und solchen Dingen mehr.

Umsonst war es, daß Viele die Vergehungen läugneten; sie mußten alle Martern durchlaufen, bis sie endlich in dem Feuer ihren gerechten Tod fanden.

In der Stadt Ephesus soll sich diese Plage dadurch verloren haben, daß man ein zerlumptes altes Weib steinigte, welches der böse Feind selbst war und sich augenblicks in einen zottigen Hund verwandelte. Eben so weise verfuhr man hier mit den schnellen Ausrottungen. Die Hexen wurden alle verbrannt oder verjagt, und in kurzer Zeit gab es in ganz Neu-England kein einziges häßliches altes Weib mehr – woher es ohne Zweifel kommt, daß alle junge Weiber dort so schön sind. Das gute Volk dieses Landes aber wandte sich von jenen geheimen Künsten auf den reelleren Hokuspokus des Handels, und wenn sich ja noch Hexerei durchdrängt, so geschieht es unter Verkleidungen, in der Maske von Aerzten, Rechtsgelehrten, Geistlichen. Diese Leute zeigen eine Gelehrsamkeit und Spürkraft, die gewaltig nach Hexerei schmeckt, auch ist sehr richtig bemerkt worden, daß die Steine, die sich vom Mond ablösen, meist in Neu-England niederfallen.

Der Verfasser des unschätzbaren Manuscripts in der Stuyvesant'schen Familie schreibt jene Irrungen und Plagen im Osten lediglich dem Beistande des heiligen Nikolaus zu, welches wir nicht bezweifeln wollen. Peter Stuyvesant, auf dieser Seite durch so mächtigen Schutz gesichert, wandte sich jetzt mit ernstlicher Besinnung gegen andere Freibeuter im Süden, die Schweden, die sich gegen das Ende der Regierung Wilhelms des Eigensinnigen dort festgenistet hatten.

Ohne vielen Lärm ließ er ein Truppencorps nach Süden marschiren und stellte es unter den Befehl des Generallieutenants Jacobus Van Poffenburg. Dieser berühmte Krieger war der zweite Commandant des Forts der guten Hoffnung gewesen, dessen Garnison mit so schmählichen Sprüngen von dannen fliegen mußte. In Folge dieser «denkwürdigen Affaire,» bei welcher er mehr Wunden an einem gewissen Ort erhielt, als alle seine Kameraden, sah man ihn immer als einen Helden an, «der sich im Dienste umgesehen.» Wilhelm Kieft würdigte ihn seines besonderen Vertrauens und gab ihm die Stelle Van Curlets, als dieser nach der Capitulation des Forts, des Dienstes satt, sich unter den Schatten seiner Lorbeern zurückzog.

Seine Person war nicht besonders groß, doch ansehnlich und stattlich, nicht sowohl von Fleisch als von merklicher Aufgeblasenheit. Er war einem jener Säcke nicht unähnlich, welche Ulysses von Aeolus auf seine Reise mitbekam. Seine Kleidung harmonirte vollkommen mit seinem Wesen. Er trug eine Art Polonaise mit rothen Schnüren und war umwickelt mit einer karmoisinfarbenen Schärpe von der Art und Größe eines Fischnetzes, wahrscheinlich um das ritterliche Herz zu hindern, daß es nicht durch die Rippen springe. Kopf, Schnurr- und Backenbart waren reichlich gepudert, und in der Mitte glänzte ein vollblütiges Gesicht wie ein feuriger Ofen, und die hochherzige Seele blickte aus einem Paar großen funkelnden Augen, die hervorstarrten, wie bei einer Hummer.

Ich schwör' dir's zu, wackerer Leser, sofern die Geschichte nicht lügt, mögte ich ihn gesehen haben (alles Geld in meiner Tasche hätte ich darum gegeben) von Kopf bis zu Fuß kriegerisch gerüstet, bis zur Mitte in großen Stiefeln versteckt, hoch gestutzt bis zum Kinn, einen Kragen bis an die Ohren, beschnurrbartet bis in die Zähne hinein, gekrönt mit einem weithinschattenden dreieckigen Hut und gegürtet mit einem zehn Zoll breiten ledernen Riemen, an dem ein Säbel, so lange schier als ein Weberbaum, herabhing. So gerüstet, stolzierte er umher, sauer blickend wie jener berühmte Held More von More-Hall, als er auszog, den Drachen von Mantley zu erschlagen, wie jene Ballade singt:

O säht ihr ihn in seiner Pracht,
      In seiner Waffen Zier,
Ihr hieltet ihn gewiß für ein
      Egyptisch Wunderthier;
Wie floh da alles, Hund und Kuh,
      Gans, Katze, Pferd und Schwein,
Entsetzt sah'n sie im Rittersmann
      Ein fremdes Stachelschwein.

Der furchtbare General Van Poffenburg wurde hauptsächlich darum zu diesem Commando erwählt, weil sich sonst Niemand dazu meldete, auch weil Peter Stuyvesant die Anciennetät über alles achtete und nicht um alles in der Welt einen jüngeren Commandeur dazu genommen hätte. Er war eigentlich ein besserer Oekonom als Soldat, stellte lieber Kohlköpfe als Krieger in Reihe und Glied, und war behender in den Kornfeldern als auf dem Schlachtfelde.

Muthig machte dieser neue Anführer seinen Weg durch Wildnisse und Einöden, Flüsse und Dickichte, und bestand nach seinen eignen Aussagen mehr Fährnisse, als die zehntausend Griechen auf ihrem Rückzuge unter Xenophon. Am Delaware angelangt, errichtete er ein Fort, dem er, den schönen schwefelfarbenen Pluderhosen des Gouverneurs zu Ehren, den Namen Fort Casimir gab. Es war das nachmals sogenannte Niew-Amstel, welches der jetzigen blühen den Stadt New-Castle den Ursprung gab, aber eigentlich No-Castle oder Nie-Schloß heißen sollte, da es niemals eine Veste war, noch je geworden ist.

Die Schweden litten aber diese drohende Bewegung nicht so gutmüthig; vielmehr erließ Jan Printz, damaliger Gouverneur von Neu-Schweden, eine Protestation gegen diese Einfälle auf seinem Territorium. Aber Van Poffenburg wußte von Wilhelms Kiefts Zeiten her, was Proclamationen zu bedeuten hatten. Ohne alle Furcht besichtigte er sein fertiges Fort von vorn und von hinten, zog seine volle Uniform an und marschirte ganze Stunden vorwärts und rückwärts auf den Wällen herum, stolz wie ein Hahn auf dem Mist, oder wie einer unserer kleinen lumpigen militärischen Posten im wissentlichen Gewicht seiner Wichtigkeit.

In dem ergötzlichen Roman Pierce Forest wird erzählt, daß ein junger Held, von König Alexander zum Ritter geschlagen, sich nicht enthalten konnte, sogleich in den nächsten Wald zu jagen und die Bäume kreuz und quer dergestalt niederzusäbeln, daß der ganze Hof die Ueberzeugung erhielt, er sey der stärkste und muthigste Ritter auf dem Erdboden. Grade so entledigte sich Van Poffenburg der heftigen Wildheit, die ihn befiel und zu mörderischen Kämpfen trieb. Wenn ihn nämlich die Hitze übernahm, rannte er hinaus ins Feld, riß seinen betrauten Säbel heraus und fegte gewaltig hin und her, köpfte lange Reihen von Kohlstauden, hieb ganze Fronten von Sonnenblumen nieder und nannte sie riesige Schweden; aber wenn er zufällig auf eine Colonie von dickwanstigen Kürbissen stieß, die sich still und behaglich sonnten, schrie er mit gräßlicher Stimme: «Ha, ha, ihr niederträchtigen Yankees, finde ich euch endlich!» und damit spaltete er die unglücklichen Gewächse unbarmherzig bis zum Nabel. Hatte er sein Müthchen auf solche Art gekühlt, so kehrte er beruhigt und zufrieden über seinen ritterlichen Geist zu seiner Garnison zurück.

Ein zweiter Gegenstand seines militärischen Ehrgeizes war eine gute Disciplin, bekanntlich die Seele aller kriegerischen Unternehmungen. Er erzwang sie mit tyrannischer Strenge, ließ die ganze Mannschaft stark auswärts gehen und den Kopf so hoch als möglich halten, auch schrieb er genau die Breite der Hemdkrausen vor, welches aber nur für die galt, welche ein Hemd auf dem Leibe hatten.

Eines Tages stieß er zufällig in der Bibel auf die tragische Geschichte von Absalons Erhängung, und in einer schwarzen Stunde erging der Befehl, daß Officiere und Mannschaft fürder in kurzem Haar erscheinen sollten. Nun geschah es aber, daß sich in der Garnison ein kühner Veteran, Namens Kildermeester, befand, der in seinem langen Leben sich ein schönes Haar gezogen hatte, womit er einem wohlbewachsenen Neufundländer Hund nicht unähnlich sah, welches er in einen unmenschlichen Schweif versteckte, der so strack war wie der Stiel einer Bratpfanne, und das Haar überm Scheitel so arg zusammenzog, daß ihm Mund und Augen in der Regel offen, und die Augenbraunen fast dastanden, wo bei andern Menschen der Wirbel ist. Es war vorauszusehen, daß der Besitzer eines solchen Kleinods sich den Befehl der Schur unter keiner Bedingung würde gefallen lassen. Als er davon hörte, machte er seinem Grimm mit einem Strom von altsoldatischen Flüchen Luft. – Dunder und Blixurn feuerte er allen auf den Kopf, die es wagen würden, seinen Zopf anzugreifen, den er jetzt steifer als jemals, dem Schwanz eines Krokodils nicht unähnlich, zur Schau trug.

Jetzt wurde die Aalhaut des alten Kildermeester ein höchstwichtiger Gegenstand der Disciplin, welche mit ihrem Verschwinden oder Bleiben stehen oder fallen mußte: der ganzen Provinz, ja der Würde Ihrer Hochmögenden selber war ins Gesicht geschlagen, wenn er sich nicht unterwarf; mehr aber als Alle war der große General von Poffenburg compromittirt, und seiner Ehre mußte der Zopf zum Opfer fallen. So beschloß er denn, daß der alte Kildermeester im Angesichte der ganzen Garnison feierlich geschoren werden sollte. Der trotzige Veteran widersetzte sich. Der General ward zornig, wie es sich für einen großen Mann schickt, und stellte ihn vor ein Kriegsgericht, das ihn der Meuterei und böslichen Verlassung seiner Fahne schuldig erkannte und mit der Anerkennung der Infamie schloß, daß er es wage, einen ordonanzwidrigen, drei Fuß langen Zopf von Aalhaut, seinem General zum Trotz, den Rücken herabhängen zu lassen. Die Verhöre und die Gerüchte über das Schicksal des Zopfes und seines Besitzers setzten das Land in eine fieberhafte Bewegung. Ohne Zweifel wäre der ungehorsame Veteran, nach der, einem General in fernen Landen zustehenden Macht, geköpft worden, hätte ihn nicht glücklicherweise in Folge seiner Entrüstung ein heftiges Fieber befallen, vermöge dessen er allen irdischen Befehlen mit seinem Haarschmuck desertirte. Seine Hartnäckigkeit behielt er bis zum letzten Athemzuge, wo er befahl, daß man ihn mit der Aalhaut am Kopf zu Grabe tragen und den Zopf, so lang er wäre, durch ein Loch aus dem Sarg schauen lassen solle.

Dieser großartige Kampf machte dem General einen bedeutenden Namen als Disciplinator; aber leider untergrub er die Ruhe seines Lebens. Es wird nämlich erzählt, daß ihn böse Träume und fürchterliche Gesichte Nachts geängstigt und das grausige Gespenst des alten Kildermeester an seinem Bette Wache gestanden, steif wie eine Pumpe, und der Zopf herabhängend wie der Pumpenschwengel.


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