Washington Irving
Humoristische Geschichte von New-York
Washington Irving

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Viertes Kapitel.

Wie der edle Ritter die Seinen zur Abfahrt versammelte, von den Bürgern Abschied nahm und rüstig zum Fort Casimir gelangte – wie dort der Schwede Schamade schlug und ehrenvollen Abzug erhielt.

Jetzt mahnten die Trompetenstöße Antons Van Corlear zum Aufbruch; die Zelte bewegten sich, die Fahnen flatterten stolz in den Lüften, die Trommeln wirbelten, die Matrosen kletterten wie Katzen im Takelwerk und rüsteten die großen Seekübel, worin die Armee aufgenommen werden sollte, zur Abfahrt nach dem Delaware.

Die ganze Bevölkerung der Hauptstadt, Männer, Weiber und Kinder, blickten heraus, um die Krieger zu sehen, wie sie vor der Abreise durch die Straßen zogen. Manches Schnupftuch wehte aus dem Fenster, manche schöne Nase stimmte klägliche Töne der Angst und Trauer an. Der Schmerz der schönen Damen und Fräuleins von Granada konnte nicht lauter seyn bei der Verbannung des ritterlichen Geschlechts der Abencerragen, als der gegenwärtige Jammer der Schönen von Neu-Amsterdam. Jedes liebekranke Mädchen stopfte dem Geliebten Pfefferkuchen und Teignüsse in die Taschen; wie mancher kupferne Ring wurde ausgetauscht, wie manches krumme Sechskreuzerstück zerbrochen, als Pfänder ewiger Liebe und Treue – noch existiren einige Liebesverse für diese Gelegenheit, die kein Mensch enträthseln kann und über deren Entzifferung alle Weise der Erde zu Narren werden könnten.

Rührend war es anzusehen, wie die schmucken Dirnen an dem herzhaften Anton Van Corlear hingen – denn er war ein schöner, rothbackiger, muntrer Junggeselle, lustig aus der Maßen, und machte nicht wenig Glück bei den Weibern. Gern hätten sie ihn zurückbehalten, um sie für die Abwesenheit der andern Helden zu trösten, aber nichts konnte den ritterlichen Antonius bestimmen, seinen guten alten Gouverneur zu verlassen, den er wie sich selber liebte – so umarmte er denn jede junge Vrouw, gab allen, die gesunde Zähne und Rosenlippen hatten, ein Dutzend kräftige Küsse und ging, mit ihren Segenswünschen beladen, von dannen.

Der Abgang des Trompeters war aber nur ein Theil des allgemeinen Jammers. Der ritterliche Peter selbst war zwar den Thorheiten seines Volkes immer entgegen gewesen, hatte sich aber durch seinen Heldenmuth sehr populär gemacht, und man hielt ihn für ein Wunder von Tapferkeit. Sein hölzernes Bein wurde mit Ehrfurcht betrachtet; jeder alte Bürger und jedes Mütterchen hatte einen Sack voll Geschichten von dem starrköpfigen Peter für die Kinder an langen Winterabenden bereit, und man glaubte, er könne selbst Beelzebub die Hölle ordentlich heiß machen; die Leute erzählten sich sogar heimlich, er habe in einer finstern stürmischen Nacht den Teufel, als er in einem Kanot durch das Höllenthor segelte, mit einer silbernen Kugel erschossen. Aber davon schweigt die Geschichte, weil es kein ganz beglaubigtes Factum ist.

Der Gouverneur haranguirte noch einmal von dem Hintertheil seines Schooners die bekümmerten Bürger und empfahl ihnen Folgsamkeit und Verträglichkeit, den Kirchgang und die Arbeit, den Weibern kurze Worte und lange Röcke, den Männern Gehorsam gegen die aufgestellten Oberen, Geldmachen zu Hause und Kinderkriegen zum Wohl des Landes, den Burgermeistern gerechte Handhabung der bestehenden Gesetze ohne alle Neuerungen und lieber Verhütung als Bestrafung von Verbrechen. Endlich ermahnte er alle, sich so gut zu betragen, als sie könnten, von welchem goldnen Spruch er immer viel hielt; und damit gab er ihnen seinen Segen. Van Corlear blies die Trompete, das Volk jubelte, die Armada stieß ab, von der Batterie winkten Hände, Tücher, Hüte, und als sie um die Ecke der Meerenge bogen, verloren sich allmählig die Schönen mit stummen hängenden Köpfchen.

Eine düstre Stille hing jetzt über der eben noch so lärmenden Stadt – die ehrlichen Bürger rauchten ihre Pfeifen in tiefem Hinbrüten und warfen manchen nachdenklichen Blick auf den Wetterhahn der St. Nicolaus-Kirche; alle alten Weiber aber versammelten ihre Küchlein und verrammelten, eingedenk der Abreise ihrer treuen Wächter, mit Sonnenuntergang Thüren und Fenster.

Mittlerweile segelte die Armada des muthigen Peter glücklich weiter, hatte mit Stürmen und Wasserhosen, Wallfischen und andern Ungeheuern zu thun, und nachdem die ganze Garnison die schreckliche Plage, welche man Seekrankheit nennt, männlich bestanden und überwunden, kam das ganze Geschwader wohlbehalten in dem Delaware an.

Ohne Anker zu werfen und die müden Schiffe zu Athem kommen zu lassen, verfolgte der unerschrockne Peter seinen Lauf stromaufwärts und erschien plötzlich vor dem Fort Casimir. Der langathmige Van Corlear trompetete ihnen zu, und Peter rief im Donnerton, sich zu ergeben. Suen Scutz, der mumienartige Commandant, pfiff mit seiner feinen Stimme, die wegen Mangel an Athem lautete, wie die Luft, die aus einem zerrissenen Blasbalg streicht, «er habe zwar keine wichtigen Gründe, sich zu weigern, aber er wünschte doch erst die Zeit zu haben, sich mit dem Gouverneur Rising zu berathen, und bitte deßhalb um Waffenstillstand.»

Der cholerische Peter, entrüstet über die verrätherische Entreißung und hartnäckige Vorenthaltung seines Forts, verweigerte den begehrten Waffenstillstand und schwur bei der Pfeife des heiligen Nicolaus, die wie das heilige Feuer nie ausging, wenn das Fort sich nicht in zehn Minuten ergebe, werde er sogleich die Werke mit Sturm nehmen, die Garnison über die Klinge springen lassen und ihren Schuft von Commandanten spalten wie einen gesalznen Mutterhäring. Um der Drohung mehr Nachdruck zu geben, zog er sein Schwerd, welches im Sonnenschein geglänzt haben würde, wenn es nicht so rostig gewesen wäre, und daher auch keine große Wirkung that. Er ließ darauf eine Batterie aufführen, die aus zwei Wirbelkanonen, drei Musketen, einer langen Entenflinte und zwei Paar Reiterpistolen bestand.

Mittlerweile musterte der wackre Van Corlear das Heer und begann die Operationen. Wie ein Boreas blies er die Backen auf und schmetterte ganz satanisch – die muntern Chorsänger von Sing-Sing erhoben einen abscheulichen Schlachtgesang – die Krieger von Breukelen und die Wallabonter bliesen herzhaft in ihre Muschelhörner, das gab zusammen ein Concert, als ob fünftausend französische Geiger ihre Geschicklichkeit in einer modernen Ouvertüre erprobten.

War es nun, daß die plötzlich aufmarschirte schreckenerregende Fronte die Garnison zahm machte, oder daß die Aufforderung, sich auf Discretion zu ergeben, von Suen Scutz mißverstanden und auf seine eigene Discretion bezogen wurde, kurz es war ihm unmöglich, einer so artigen Aufforderung zu widerstehen. Grade noch zur rechten Zeit, als eben ein Schiffsjunge nach einem Brand gehen wollte, um die Wirbelkanonen loszufeuern, wurde auf dem Wall von der einzigen dort befindlichen Trommel Schamade geschlagen, worüber beide Partheien nicht wenig erfreut waren, da sie, obgleich ihnen der Magen aufs Kämpfen stand, doch vorzogen, ihr Mittagsmahl in Ruhe zu verzehren, als sich schwarze Augen und blutige Nasen zu holen.

So kehrte denn diese unüberwindliche Festung wieder unter die Botmäßigkeit Ihrer Hochmögenden zurück; Scutz und seine Garnison von zwanzig Mann durften mit klingendem Spiel ausmarschiren, und der großmüthige Peter erlaubte ihnen, alle Waffen und Vorräthe zu behalten – man fand sie nämlich ganz untauglich, welches sie schon von den Zeiten Poffenburgs her gewesen waren. Van Corlear erhielt zum Lohn für seine bereits geleisteten Dienste ein Landgut in der Nähe, das bis auf den heutigen Tag Corlears Hook heißt.

Die beispiellose Großmuth Stuyvesants erregte Unzufriedenheit in der Hauptstadt, besonders unter denen, die in den Tagen Wilhelm des Eigensinnigen geherrscht hatten, und jetzt, da der Gouverneur abwesend war, selbst auf der Straße über ihn raisonnirten. Auch in dem Rathszimmer wurde gemurrt, und man kann nicht wissen, ob sie nicht starke Reden gegen den Gouverneur gehalten hätten, wäre er nicht so klug gewesen, seinen Stock nach Hause zu schicken, um ihn als Zeichen seiner Macht auf den Rathstisch zu legen; die Herren merkten, was es zu bedeuten hatte, und hielten von da an den Mund.


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