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Umschwung

Mit Heerführern war der Kaiser für den bevorstehenden Türkenkrieg gut versehen. Karl V. von Lothringen, der Neffe des inzwischen verstorbenen Herzogs, der nach dem Tode Montecuccolis an die Spitze des kaiserlichen Heeres trat, war ein ausgezeichneter General; als sein höchster Ruhm galt es, daß er auch ein edler Mensch war. Eine besonders glückliche Fügung war es, daß der König von Polen, der ehemalige Kronfeldherr Johann von Sobiesky, die frühere Verbindung mit Frankreich aufgab und dem Kaiser seine Hilfe zur Verfügung stellte. Bundesgenossen aus dem Reich waren die Kurfürsten von Bayern und Sachsen, Herzog Ernst August von Hannover und einige Reichskreise, die der Graf Waldeck in Bewegung gesetzt hatte. Max Emanuel, ein hochbegabter Feldherr, und Johann Georg von Sachsen führten ihre Truppen selbst an, Ernst August schickte zwei Söhne. Der Kurfürst von Brandenburg, damals ganz in den Händen Frankreichs, stellte unannehmbare Bedingungen als Preis seiner Hilfe, daß nämlich der Kaiser einen neuen Waffenstillstandsvertrag mit Frankreich annehmen sollte, auch Jägerndorf blieb nicht aus. Ohne Zuzug der Verbündeten hatte der Herzog von Lothringen nur 40 000 Mann unter sich, mit denen er nicht hoffen konnte, den heranrückenden Türkenmassen Widerstand zu leisten. Am 7. Juli 1683 kam es bei Petronell zu einem Gefecht, welches dadurch bemerkenswert ist, daß darin zum ersten Male der junge Prinz Eugen von Savoyen, der erst kürzlich in Wien angelangt war, als Soldat auftrat. Sein älterer Bruder wurde in diesem Treffen verwundet und starb bald nachher. Es blieb Herzog Karl nichts übrig, als sein Heer langsam zurückzuziehen und den Zuzug zu erwarten. Etwa 10 000 Mann warf er in die Stadt, um die sich der furchtbare Ring der Belagerung zu schließen begann. Kaiser Leopold begab sich mit dem Hofe nach Passau.

Das Kommando in Wien führte der charaktervolle Graf Rüdiger von Starhemberg, ihm zur Seite standen der Bürgermeister Liebenberg und der Bischof von Wiener Neustadt, Graf Kollonich, der in seiner Jugend als Malteserritter auf Kandia gegen die Türken gefochten hatte. Unter Leitung dieser Männer arbeitete die Bevölkerung mit aufopferungsvoller Kraft und Hingebung an der Verteidigung.

An der Donau liegt eine Stadt, die ist geheißen Tuln, erzählt das Nibelungenlied. Dort sammelte sich am 7. und 8. September das Heer, das Wien und die Christenheit vor den Türken retten sollte. Alles in allem zählte es 84 000 Mann gegen etwa 100 000 Türken; denn diese hatten während der Belagerung große Verluste erlitten.

Noch war Wien nicht die Stadt mit den grandiosen Barockpalästen, mit dem festlichen Ring, die Kaiserstadt, die das 19. Jahrhundert entzückte; aber es wurde jetzt Vienna gloriosa, die Stadt, die in den 8 Wochen der Belagerung 53 Stürme zurückschlug und 36 Ausfälle machte. Der Stephansdom, der sich gewaltig über dem Gewimmel der gotischen Häuser erhob, wurde von vielen Geschossen getroffen, und Raketen stiegen von seinem Turme auf, um den ersehnten Befreiern die äußerste Not der Stadt anzuzeigen. Je näher das Entsatzheer kam, desto häufiger und hitziger wurden die Anstrengungen der Türken, durch unterirdische Minen in die Stadt einzudringen oder sie durch Sturm zu überwältigen.

Der Beschluß, vom Kahlenberg her anzugreifen, damit die Türken zwischen zwei Feuer genommen werden könnten, hätte den Christen zum Verderben ausschlagen können, wenn sich die Türken rechtzeitig dem schwierigen Anstieg, der durch Wälder und Gestrüpp und über Klüfte ging, in den Weg gestellt hätten; da sie das unterlassen hatten, führte der Plan zu überwältigendem Erfolge. Je größer die Gefahr gewesen war, die Österreich und den ganzen Westen bedroht hatte, desto rauschender war die Siegesfreude. Welch ein Mirakel des Hauses Habsburg! Märchenhafte Dinge, das Erlesenste orientalischer Kunstfertigkeit, Teppiche, Stoffe, Waffen, Geräte, dazu Tiere und Lebensmittel in Menge fielen in die Hände der Sieger, ja selbst das Wahrzeichen osmanischer Macht, die Fahne des Propheten, die dann aufgerichtet wurde, wenn es galt zu siegen oder zu sterben. Dies alles war aber nur die Einleitung zu einer Reihe von Taten ohnegleichen. Der Papst, Polen, Venedig, schlossen sich dem Kaiser zur Fortsetzung des Krieges an. Sobiesky drang nach der Walachei vor, Francesco Morosini eroberte Morea, unterstützt von Deutschen unter dem Grafen Otto Wilhelm von Königsmark. Der Herzog von Lothringen nahm Ofen, das 150 Jahre lang im Besitz der Türken gewesen war, Stuhlweißenburg, die alte ungarische Krönungsstadt fiel. Belgrad, ein Bollwerk, das für uneinnehmbar galt, wurde von Max Emanuel von Bayern bezwungen. Durch die Schlacht von Mohacz wurde Ungarn befreit, Siebenbürgen mußte die Hoheit des Kaisers anerkennen. Mit seinen beiden Söhnen, Joseph und Karl, zog Leopold in Preßburg ein und eröffnete einen Reichstag, der eine neue Verfassung Ungarns festsetzte. Ungarn wurde zu einem im Mannesstamm des Hauses Österreich erblichen Königreich erklärt, die Privilegien des ungarischen Adels wurden bestätigt mit Ausnahme der Widerstandsklausel der Goldenen Bulle des Königs Andreas; diese galt nun als ungereimt und göttlichen und menschlichen Gesetzen widersprechend. Joseph wurde als erster erblicher König aus dem Hause Habsburg in Preßburg gekrönt. Den Protestanten wurde innerhalb gewisser Grenzen Duldung zugestanden.

In den Jahren 1683-1688 waren Erfolge errungen, die Österreich zur Großmacht erhoben. Ein Ruhmesglanz umgab die kaiserlichen Feldherren, Karl von Lothringen, Max Emanuel von Bayern, Ludwig Wilhelm von Baden, vor dem der Name der französischen in Schatten fiel. Dieser Krieg war kein Raubkrieg, er war zur Rettung der abendländischen Kultur geführt; denn wie verfeinert die Sitten der Türken auch sein mochten, vom Standpunkte der abendländischen Christen waren sie Barbaren, die nach Asien zurückzudrängen die Aufgabe war. Man hoffte damals in Wien, die Conquesten bis Konstantinopel zu poussieren, wie man sich ausdrückte. Der Unterschied im sittlichen Charakter dieser Eroberungen und derer Ludwigs XIV. wurde allgemein und am bittersten vielleicht von ihm selbst empfunden. Was überall als Befreiung gefeiert wurde, kam ihm wie eine Beleidigung Frankreichs vor. Er verlangte nun, daß der für ihn so günstige 20jährige Waffenstillstand in einen Frieden umgewandelt würde; sonst müsse er fürchten, daß der Kaiser nach der Beendigung des Türkenkrieges die Waffen gegen ihn wenden werde. Allerdings wäre das die nächste Aufgabe des Kaisers gewesen.

Macht zieht Menschen und Dinge, Macht zieht auch das Glück an; wo sich Schwäche zeigt, fängt auch das Glück an zu wanken. Zum Teil schadete Ludwig XIV. sich selbst, namentlich durch die Vertreibung der Hugenotten. Es war ein Fehler, zu dem ihn die zunehmende Bigotterie und das Trachten nach unbeschränkter Autorität hinrissen. Daß es Franzosen gab, die einen anderen Glauben bekannten als er, kränkte sein Selbstgefühl; es vertrug sich nicht mit dem Grundsatz, daß, wie es nur einen Regenten in seinem Lande gebe, auch nur ein Glaube, der seine natürlich, herrschen dürfe. Unter dem Schutz des Edikts von Nantes, das Heinrich IV. im Jahre 1598 erlassen hatte, lebten damals etwa 3½ Millionen Hugenotten in Frankreich. Sie zeichneten sich durch Tüchtigkeit in vielen Berufen aus, im Gewerbe, in den Wissenschaften, im Militärdienst, vorzüglich aber, da sie höhere Staatsämter nicht bekleiden konnten, im Gewerbe und im Handel. Ihre Arbeitsamkeit und Sparsamkeit hing mit dem kalvinistischen Bekenntnis zusammen. Weil sie betriebsam und vermögend waren, wollte Ludwig sie nicht verlieren, sondern bekehren. Nachdem sie jahrelang unter Mißachtung des Ediktes schweren Verfolgungen ausgesetzt worden waren, hob der König im Jahre 1685 das Edikt gänzlich auf. Die Ausübung ihres Gottesdienstes wurde den Protestanten verboten, ihre Prediger wurden ausgewiesen, ihnen selbst aber wurde die Auswanderung bei schwerer Strafe untersagt. Eine Anzahl trat unleidlichen Quälereien weichend zum Katholizismus über, die besten, charaktervollsten gaben nicht nach, und vielen gelang trotz aller getroffenen Vorkehrungen die Flucht ins Ausland. Sie wurden namentlich in den Ländern reformierten Glaubens, Pfalz, Hessen-Kassel, Brandenburg, mit Freuden aufgenommen. Sie waren keine Flüchtlinge, die zehrten, sondern solche, die durch ihren Kunstfleiß und den Ernst ihrer Überzeugung Nutzen und Ehre brachten.

Das sinnlose Wüten Ludwigs gegen Bürger seines Landes, die keine andere Schuld hatten, als daß sie einen gesetzlich geduldeten Glauben bekannten, rächte sich nicht nur durch den Verlust vieler ausgezeichneter Menschen, sondern auch dadurch, daß er sich die protestantischen Fürsten entfremdete, vor allen denjenigen, dessen Abhängigkeit von Frankreich ihm so nützlich und Deutschland so schädlich gewesen war, den Kurfürsten von Brandenburg. Friedrich Wilhelm fühlte sich, nachdem Pfalz und Sachsen an Ansehen so sehr eingebüßt hatten, mit Recht als Haupt der protestantischen Partei und für sie verantwortlich. Er gehörte zu den Fürsten des 17. Jahrhunderts, die es mit ihrem Bekenntnis noch ernst meinten, als mit einem von den Vorfahren überlieferten Gut, das zu behüten war. Insofern er treu an seinem Bekenntnis hing, war er fromm. Die bösartige, ganz ungerechtfertigte Verfolgung seiner Glaubensgenossen faßte er als Kränkung auf, und das machte ihn dem französischen Bündnis abgeneigt. Er wurde nun Annäherungsversuchen seines Neffen Wilhelm von Oranien zugänglicher, war er doch ohnehin der oranischen Verwandtschaft im Grunde zugetan. Geheime Zusammenkünfte fanden statt, auf denen Wilhelms Plan, König Jakob II. von England, der inzwischen seinem Bruder gefolgt war, zu stürzen und selbst den Thron zu besteigen, besprochen und vorbereitet wurde. Nachdem der Kaiser den brandenburgischen Anspruch auf Schlesien, allerdings nur scheinbar, befriedigt hatte, wurde das Einvernehmen zwischen dem Kaiser und dem Kurfürsten wiederhergestellt. Hannover wurde durch die Aussicht auf die Kurwürde gewonnen. Als Ludwig XIV. im Jahre 1688 den Krieg erklärte, stand kein einziger deutscher Fürst mehr auf seiner Seite; es war ebenso ungewöhnlich, wie es selbstverständlich hätte sein sollen. Frankreich war der allgemeine Feind geworden.

Es war Ludwig XIV. klar, daß seine Lage nicht mehr so allbeherrschend war wie früher, und er zögerte, bevor er den Krieg erklärte. Bereits begannen sich die Folgen des rücksichtslosen, Geld und Blut der Untertanen verschleudernden Kriegführens bemerkbar zu machen durch Verarmung und durch zunehmenden Mangel an tauglichen Rekruten; aber zu ernstlichen Widersetzlichkeiten führten die vorhandenen Mißstände doch nicht. Es waren immer noch gut ausgerüstete Armeen mit ausgezeichneten Generalen an der Spitze vorhanden, die einheitlichem Befehl gehorchten und tadellos vorbereitete Pläne blitzartig ausführten.

In dem vielgestaltigen Universalreich Österreich konnte eine solche Einheitlichkeit mit dem Motto: Ein Herrscher, Ein Glaube, Ein Gesetz – un roi, une foi, une loi – nicht durchgeführt werden. Dazu kamen der in der Verwaltung eingefleischte Schlendrian, die Eifersüchteleien und Ränke unter den Adligen, die die Staatsämter innehatten. Unter den Generalen war Prinz Eugen von Savoyen der einzige, der die Verflechtung der militärischen Dinge mit der Verwaltung und der Wirtschaft, mit dem ganzen Aufbau Österreichs, untersuchte und durchschaute. Es erfüllte ihn mit dem größten Unbehagen, daß die Truppen schlecht gekleidet, ungenügend ernährt und gepflegt und nicht einmal regelmäßig besoldet wurden; auf seine Klagen wurde ihm geantwortet, daß kein Geld in der Kasse sei. Weil es an Geld fehlte, wurden notwendige Maßregeln nicht ergriffen. Dabei war Österreich kein armes Land, mit gutem Willen und vernünftigen Anordnungen wäre wohl Geld zu beschaffen gewesen. Allein Prinz Eugen, damals 25 Jahre alt, hatte kein Amt, das ihn berechtigte durchzugreifen, und war zu jung, um eins erhoffen zu können. Weil er die Schwächen der österreichischen Verwaltung kannte und nicht in der Lage war, etwas zur Besserung zu tun, war er, der Tapfere, vorsichtig und widerriet, einen Krieg nach zwei Fronten zu unternehmen. Im Hochgefühl der jüngst errungenen Erfolge hörte man nicht auf ihn: der Kaiser beschloß trotz des Angriffs im Westen den Türkenkrieg fortzuführen.

In gewisser Hinsicht hielt Ludwig den Augenblick doch auch für günstig: er war von der geheimen Absicht Oraniens auf England unterrichtet und meinte, dies große Unternehmen werde es seinen Feinden unmöglich machen, ihm am Rheine hinderlich zu sein. Der Gang der Ereignisse brachte ihm eine furchtbare Enttäuschung: am 15. November 1688 landete Wilhelm in England und im Beginn des folgenden Jahres anerkannte das englische Parlament ihn und seine Gattin Maria, die Tochter Jakobs II., als Könige von England. Die glorreiche Revolution, als welche die englische Geschichte sie verzeichnet, war vollständig geglückt, Jakob II. entfloh nach Frankreich. Sofort verwertete Wilhelm seinen Sieg zum Kampfe gegen Frankreich; ein enges Bündnis zwischen England, Holland und dem Kaiser wurde geschlossen, Spanien und Savoyen traten der großen Allianz bei. Im Februar 1689 wurde, allerdings zu spät, der Reichskrieg gegen Frankreich beschlossen.

Die Verschlechterung der Lage Ludwigs wirkte sich zunächst zum Schaden Deutschlands, besonders der unglücklichen Pfalz aus, die schon so viel gelitten hatte. Im Jahre 1685 war der Sohn Karl Ludwigs von der Pfalz in jungen Jahren ohne Erben gestorben, der letzte der Linie Pfalz-Simmern. Das benützte Ludwig XIV., um für seine Schwägerin, die Tochter Karl Ludwigs, nicht nur die allodialen Güter des Verstorbenen, sondern fast die ganze Pfalz als Erbe in Anspruch zu nehmen. Daß ihm die Auslieferung verweigert wurde, führte er mit als Kriegsgrund an. Da er annahm, die Pfalz werde der Schauplatz des bevorstehenden Feldzugs werden, faßte er den Beschluß, sie zur Einöde zu machen, und Louvois erließ den berüchtigten Befehl: Brûlez le Palatinat! Der unmenschliche Plan wurde grausam und flink nach einer geschickten Methode ausgeführt, wie sie bei häufiger Übung erworben wird. Durch die Mordbrennerarbeit wurde das Heidelberger Schloß, das Meisterwerk der deutschen Renaissance, in die pathetische Ruine verwandelt, deren Schönheit die bestialische Absicht der Zerstörer ausgeglichen hat. Nicht alle die ausführenden Organe waren so brutal wie der Kriegsminister Louvois, mehrere suchten den schrecklichen Befehl zu umgehen oder doch zu mildern, wagten sogar Vorstellungen zu machen, indem sie auf die Schönheit der betreffenden Orte hinwiesen und die Befürchtung aussprachen, solche Taten könnten den Ruhm des Königs verdunkeln. Es erregte den Zorn Louvois', daß in Heidelberg nur wenig Häuser zerstört waren. Gründlicher verfuhr man in Worms, Speyer, Mannheim und anderen Orten. Die einst so ruhmvollen, erinnerungsreichen Städte Worms und Speyer haben sich nie wieder erhoben. Wie edle Gefangene inmitten schäbiger Spießbürger stehen die Dome zwischen den mit kläglicher Sparsamkeit wieder aufgebauten Häusern. Die Einwohner mußten zu einer bestimmten Stunde, nachdem ihnen an den Toren alles abgenommen war, was sie etwa noch zu retten hofften, die Stadt verlassen und zusehen, wie ihre Heimat zu Asche brannte. Nach vollendeter Verwüstung und Ausplünderung der Pfalz wurden die Beutezüge nach Schwaben und Franken ausgedehnt.

Wie konnte es geschehen, daß Kaiser und Reich die Zerstörung eines herrlichen deutschen Landes widerstandslos geschehen ließen? »Gott vergebe es allen denenjenigen«, schrieb Graf Notker Wilhelm von Oettingen, Generalfeldmarschall und Befehlshaber eines Teils der schwäbischen Truppen, »so davon Ursach, daß man Heidelberg nicht ehender erlöst hat&nbsp;&hellip; allein das gemeine Wesen hat mießen den Particular-Interessen weichen.« Während in Frankreich der Krieg in der Stille umsichtig vorbereitet war, verschleppten die Deutschen alle heilsamen Beschlüsse. Alle die Behinderungen, die mit Koalitionskriegen in der Regel verbunden sind, traten ein. Anstatt ihre Truppen ins Feld zu führen, vermieteten verschiedene deutsche Fürsten sie, um Geld zu verdienen, an England und Holland, die sie da verwandten, wo es ihr Interesse erforderte, in den Niederlanden. Zwar wurden Franken und Schwaben verhältnismäßig rasch von den räubernden Horden befreit, aber die vordem blühende Pfalz lag in Schutt, und besiegt war der Feind nicht. Für den Türkenkrieg war es ein Unglück, daß im Jahre 1690 Herzog Karl von Lothringen, noch jung, starb, der fast immer siegreiche, allbeliebte Feldherr. Ihm lagen Eitelkeit, Neid und Eifersucht fern, Fehler, von denen der Kurfürst von Bayern und der Markgraf von Baden nicht frei waren, und die die Durchführung der Kriegspläne oft erschwerten. Der Markgraf von Baden, der sich ungern vom türkischen Kriegsschauplatz an den Rhein versetzen ließ, richtete dort wenig aus, teils weil die Kreistruppen, auf die er angewiesen war, obwohl sie taten, was sie vermochten, der Aufgabe nicht genügten, teils weil ihn 25 Feldzugsjahre morsch und anfällig gemacht hatten.

Die Tatsachen bewiesen, daß Prinz Eugen recht gehabt hatte, als er dem Krieg nach zwei Fronten widerriet. Auch die Dinge in der Türkei verliefen unbefriedigend; Belgrad, Max Emanuels stolze Eroberung, ging wieder verloren. Durch die furchtbare Schlacht bei Szlankamen, eine der blutigsten des Jahrhunderts, stellte Ludwig Wilhelm von Baden die Waffenehre wieder her, indem er die wie Löwen sich wehrenden Türken besiegte. Dem weiteren Vordringen der Türken wurde dadurch ein Ziel gesetzt, aber die Lage war noch immer mißlich, zumal Ludwig Wilhelm die Verteidigung des Rheins übernehmen mußte. In dieser Not entschloß sich der Kaiser, auf dringende Empfehlung des Hofkriegsratspräsidenten Grafen Rüdiger von Starhemberg, des ruhmreichen Kommandanten von Wien, den Oberbefehl über die Armee in der Türkei dem Prinzen Eugen von Savoyen anzuvertrauen, dessen großmütige und uneigennützige Gesinnung der Präsident besonders hervorhob. Sofort durchdrang ein frischer Zug die Kriegführung. Eugen sammelte alle Truppen, um eine überlegene Macht beieinander zu haben, und als ein Übergang der Türken über die Theiß ihm die Gelegenheit gab, den Feind in einem schwierigen Augenblick zu überraschen, griff er an, obwohl es bereits Nachmittag war, und erfocht einen vollständigen Sieg. Der Sultan vermied jeden weiteren Kampf und verzichtete im Frieden von Karlowitz auf Ungarn mit Kroatien, Slawonien und Siebenbürgen. Nur das Banat Temesvar blieb im Besitz der Türken. So mehrte Österreich im Osten seine Macht, während im Westen die Hoffnungen sich nicht erfüllten, die man auf die große Allianz gesetzt hatte. Wilhelm von Oranien hatte Parlament und Volk von England noch nicht so hinter sich, daß er den Krieg mit vollem Nachdruck hätte führen können. Wieder gelang es der geschickten Diplomatie Frankreichs, die Verbündeten einzeln zum Frieden zu bewegen. Wilhelm begnügte sich damit, daß Frankreich ihn als König von England anerkannte, und gab dafür Straßburg und das Elsaß preis. Nur die Eroberungen auf dem rechten Rheinufer mußte Ludwig zurückgeben.


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