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Gegner Frankreichs

Macht wirkt wie das Licht auf die Motten, wie der Blick der Schlange auf die Tiere, die sie verschlingen will: Frankreich unterwarfen sich alle, auch diejenigen, die voraussehen mußten, daß es zu ihrem Schaden oder Untergang führen würde. »Wenn Europa bereit ist zu dienen«, sagte der kaiserliche Gesandte Lisola, »ist Ludwig bereit, ihm Ketten anzulegen.« In Flugblättern wurde wohl eine öffentliche Meinung laut, die vor der französischen Tyrannei warnte und zum Widerstand mahnte; aber das waren namenlose Stimmen, Stimmen von Leuten, deren Platz im Leben ihnen keinen Einfluß auf die öffentlichen Angelegenheiten gestattete. Immerhin gab es einige unter den zu öffentlicher Wirksamkeit Berufenen, die den Kampf gegen Frankreichs Übermacht und rechtswidrige Gewalttätigkeit sich zur Aufgabe machten: einer der ersten war Franz Paul von Lisola, kein Reichsdeutscher, sondern italienischer Abkunft und in Salins in der Freigrafschaft geboren. In Dôle studierte er die Rechte. Mit 25 Jahren ging er nach Wien, um dort eine Rechtssache zu vertreten, und nahm kaiserlichen Dienst an. Am Ende des Dreißigjährigen Krieges begleitete er den Grafen Trautmannsdorff nach Münster zu den Friedensverhandlungen. Mit einer Zielsicherheit und Energie, mit der rücksichtslosen Schärfe gegen seine Gegner stand Lisola zwischen den gemütlichen Österreichern ziemlich allein, seine Versuche, dem Kaiser das Elsaß zurückzugewinnen, scheiterten. Vielleicht hätte Ferdinand III. für seine Pläne Verständnis gehabt, wenn ihn nicht in seinen letzten Lebensjahren Schwermut gelähmt hätte; Leopold mit sich fortzureißen war anfangs unmöglich. Trotzdem arbeitete er unermüdlich im antifranzösischen Sinne an den Höfen, wo er den Kaiser als Gesandter zu vertreten hatte. Als im Jahre 1667 die Schrift erschien, in der Frankreichs Ansprüche auf die spanischen Niederlande entwickelt wurden, die noch als burgundischer Kreis des Reiches galten, verfaßte Lisola eine Antwort und Widerlegung unter dem Titel Bouclier d'état et de justice. Es war eine Kampfschrift, die die Weltherrschaftspläne Frankreichs entlarvte und brandmarkte. In einer Sprache voll Feuer und scharfer Klarheit stellte Lisola den abendländischen Fürsten vor, daß sie alle gleichmäßig bedroht wären, daß keiner auf eine andere Gunst des Zyklopen hoffen könne, als zuletzt verschlungen zu werden. Merkwürdig, daß dieser leidenschaftliche und glänzende Aufruf zum Kampfe gegen Frankreich von einem im kaiserlichen Dienst stehenden Manne italienischer Abkunft in französischer Sprache geschrieben war. Während des holländischen Krieges hielt sich Lisola im Haag und in Amsterdam auf, ungeachtet der Gefahr, der er sich dort aussetzte, bestrebt, ein Bündnis zwischen dem Kaiser und den Staaten zustande zu bringen. »Ohne miraculi«, hieß es in einem Gutachten des Hofkriegsrats in Wien, »ist nicht möglich, daß nolente imperio der Kaiser Ludwig's vasti disegni verhindere.« Es mußte einer viel Feuer in sich haben, der sich zutraute, so viel Bedenklichkeit und Schläfrigkeit zu entflammen. Lisola erlebte noch den Abschluß des Bündnisses, das einen Umschwung der Ereignisse hoffen lassen konnte, die Enttäuschung nicht mehr; er starb im Jahre 1674.

An Tatkraft und Schwung großer Entwürfe glich ihm ein Zeitgenosse, den man auf der gleichen Seite zu finden nicht erwarten konnte: Graf Georg Friedrich von Waldeck. Wer seine Anfänge kannte, wie er Pläne zur Niederwerfung des Hauses Habsburg machte, mußte sich höchlich wundern, ihm sechs Jahre nachdem er den Kurfürsten von Brandenburg verlassen hatte, weil dieser sich gegen Schweden mit dem Kaiser verbündete, im Dienst des Kaisers gegen die Türken kämpfend zu begegnen. Als ihm aufgegangen war, daß die Freiheit des Reiches und Europas nicht von Österreich, sondern von Frankreich bedroht war, stellte er sich vollständig um und führte nun den Kampf gegen Frankreich mit derselben entschiedenen Leidenschaft wie vorher gegen Österreich. Eine Zeitlang hielt er sich am Hofe des Herzogs Ernst August von Braunschweig auf und wirkte dort für Anschluß an den Kaiser, dann ging er nach Holland, wo der junge Wilhelm von Oranien als Mittelpunkt des Widerstands gegen Frankreich ihn anzog. Von Holland aus begab es sich, daß er im Auftrage der Republik an den Hof von Berlin ging, um den Kurfürsten zum Eintritt in eine Koalition gegen Frankreich zu bewegen. Der Trieb zu großen Wagnissen und Unternehmungen, bei denen Ehre zu gewinnen ist, der ihn nach seinen eigenen Worten beseelte, fand im Umgang mit Wilhelm von Oranien Genüge.

Man hat Wilhelm III. mit seinem großen Vorfahr, dem Schweiger, verglichen, weil er es verstand wie dieser, zu warten und sich zurückzuhalten, und weil er geduldig, hartnäckig, kein Opfer scheuend, auf der einmal beschrittenen Bahn ausharrte; aber er war nicht wie jener ein glänzender Kavalier, der durch Liebenswürdigkeit und Laune die Herzen gewann. Wilhelm III. war wortkarg, trocken, verschlossen, sei es, daß das seine Natur war, oder daß die im Schatten verbrachte Jugend, die Zurücksetzung, der er sich unterwerfen mußte, diese Anlage verstärkt hatte. Die Rolle, die er bei der Ermordung der Brüder de Witt spielte, hat düstere Linien in sein Bild gezogen. Seine unzugängliche Art schreckte manche ab, nur denjenigen, deren Charakter und Gesinnung er erprobt hatte, verriet er, daß er warmer Empfindung fähig war. Sehr schwer mußte es dem temperamentvollen, offenen Waldeck werden, die kühle Behandlung von Seiten des um dreißig Jahre jüngeren Mannes zu ertragen; aber er tat es um der Sache willen, für die sie beide kämpften. Auf Grund dieser Übereinstimmung sollte sie mit der Zeit enge und dauernde Freundschaft verbinden.

Hatte Wilhelm III. nicht die strahlende Kraft, die von manchen heroischen Naturen ausgeht, so wirkte doch auch seine verhaltene Leidenschaft fesselnd. Die sich ihm einmal angeschlossen hatten, wie Waldeck und der Ratspensionär Heinsius, der Nachfolger des unglücklichen de Witt, blieben in seinem Bann. Leider besaß er nicht die Feldherrngaben, die seine Vorfahren Moritz und Friedrich Heinrich ausgezeichnet hatten. Er war ebenso wie Waldeck im Felde meist unglücklich. Immerhin gab Ludwig, nachdem der erste siegreiche Angriff zurückgeworfen war und das verbündete kaiserlich-brandenburgische Heer herannahte, den Krieg gegen Holland auf. Die Republik war für den Augenblick gerettet.

Zu den großen Gegnern Ludwigs XIV. darf man auch Leibniz zählen, obwohl er im Dienst des Kurfürsten von Mainz seine Laufbahn als Anhänger Frankreichs begonnen hatte und nie aufhörte, die französische Kultur zu schätzen. Den Reichsfeind Ludwig bekämpfte seine Feder, seine eindringlichen, schneidenden Äußerungen begleiteten alle die kriegerischen Aktionen, die sein Leben erfüllten, bald aufreizend, bald trauervoll und zornig.


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