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Kampf gegen das Haus Österreich

Von einem dritten Buch muß ich noch sprechen, in dem sich eine Tendenz der Zeit ausspricht. Im Jahre 1640, also während des Dreißigjährigen Krieges, erschien es unter dem Titel Dissertatio de ratione status in Impero Romano-Germanico, und als Verfasser nannte sich Hipolythus a Lapide. Unter diesem Namen verbarg sich Bogislav Philipp von Chemnitz, der auf protestantischer Seite Kriegsdienste getan hatte und dann schwedischer Kanzler in Pommern wurde. Er war der Enkel eines berühmten Theologen. Man vermutet, daß die Schrift in Zusammenhang mit einer anderen stehe, die im Jahre 1635 herausgekommen war und ihren Zweck im Titel unverhohlen aussprach: Quaestio odiosa sed notabilis de Remotione Austriacae Domus abs Imperiali dignitate – Peinliche, aber wichtige Untersuchung über die Entfernung des Hauses Osterreich von der Kaiserwürde. Das nämlich, die Niederwerfung des Hauses Österreich, ist der Kern der Abhandlung des Chemnitz, und der Verdacht liegt nahe, daß Schweden ihn angeregt hatte, um sein Schwert durch die Feder zu unterstützen.

Chemnitz behandelt seinen Gegenstand systematisch und gründlich: der Gegner soll nicht nur als hassenswert, er soll als schuldig und strafwürdig hingestellt werden. Die Lehrer der Staatswissenschaft gingen damals von der Theorie des Aristoteles aus, es gäbe drei Formen des Staates: Monarchie, Aristokratie und Demokratie, je nachdem die Staatsgewalt im Besitz eines einzigen, mehrerer oder des ganzen Volkes sei. Allerdings konnte Chemnitz nicht übersehen, daß diese Einteilung auf verschiedene Länder, zum Beispiel auf das Römische Reich, auf Holland, auf die Eidgenossenschaft, sich nicht anwenden ließ; aber er erklärt diese gemischten Formen für unzweckmäßig. Staaten gemischter Form, sagt er, beständen nicht lange oder wären dauernden Unruhen ausgesetzt, denn jeder Teil strebe nach der alleinigen Macht, was Kampf und Zwietracht zur Folge habe. Richtig charakterisierte er damit die eifersüchtigen Machtkämpfe zwischen dem Kaiser und den Ständen oder in Holland zwischen dem Statthalter und den Staaten. Wäre das nicht, meint er, würde die gemischte Regierungsform sogar die allerbeste sein; aber der Mensch sei nun einmal so, daß jeder sich anstelle, als sei es ihm nur um das Gleichgewicht zu tun, während er sich selbst erheben und die andern unterdrücken wolle. Aus diesem Grunde nannte er Staaten, in denen die Regierungsgewalt geteilt war, verdorbene Staaten, schaltete sie gewissermaßen aus und erklärte das Römische Reich deutscher Nation für eine Aristokratie. Das gab ihm die Möglichkeit, alle Zustände, Ereignisse und Handlungen im Reich, die den Charakter des Monarchischen hatten, für Übergriffe und widerrechtliche Anmaßungen des Hauses Österreich zu erklären. Wenn gewisse Staatsrechtslehrer, besonders katholische, das Reich als Monarchie angesehen wissen wollten, stellte er ihre Beweisführung als Faselei von Dummköpfen hin, oder er erklärte die Tatsachen, die für sie sprachen, als Überbleibsel alter Zeiten oder für eine Folge hochtönender zeremonieller Wendungen, deren sich die Kanzleien zu bedienen pflegten, die aber nur Schein wären, nichts Wesentliches bedeuteten. Wie konnte denn, fragt er, das Reich, das eine Aristokratie sei, den Schein der Monarchie annehmen? Daran sei die Einführung des Römischen Rechtes schuld. Die Juristen, die aus der unreinen Pfütze, der Mistjauche des Römischen Rechtes geschöpft hätten, wendeten den Unrat auf das Römische Reich deutscher Nation an, um es zur Monarchie zu erheben. Mit Recht lehnte Chemnitz die absolute Monarchie für das Reich ab; aber daß es ebensowenig eine Aristokratie im aristotelischen Sinne war, diese Einsicht hatte er wohl, er schob sie aber beiseite.

Nach der theoretischen Feststellung konnte er zur Anklage übergehen. Die Habsburger, meinte er, seien diejenige Dynastie, die von Anfang an danach gestrebt hätte, das Amt, das sie im Auftrage der Stände führte, in eine erbliche Macht zu verwandeln, die Schlangenbrut, die zu einer Zeit, als andere Dynasten schon herrschten und mächtig waren, als geringes Geschlecht aus dem Dunkel des Schwarzwaldes hervorgebrochen sei. Sie habe sich dabei der List sowie der Gewalt bedient. Zum Beispiel habe sie die Türkenkriege benutzt, um den Ständen Geld zu entlocken, das sie dann für eigennützige Zwecke gebraucht hätte, ja sie hätte die Türken selbst zum Angriff gereizt, um sich dieses Vorwandes bedienen zu können. Ein anderer Kunstgriff sei die Gründung des Reichshofgerichts gewesen, wodurch sie sich der Gerichtsbarkeit im Reiche habe bemächtigen wollen. Als Vorbilder für den Kaiser stellte Chemnitz den Dogen von Venedig und den König von Polen hin und führte eine Stelle aus der Rede eines polnischen Magnaten beim Tode des Königs Sigismund von Polen, eines energischen, herrschsüchtigen Fürsten, an, daß die unter monarchischer Herrschaft gepfiffenen Trauerlieder der Sklaverei sich zu der Regierungsform eines freien Staates nicht schickten und daraus gänzlich zu verbannen seien. Der König von Polen sei nichts als gleichsam der Mund des Königreiches, der Mund aber dürfe sich nicht bewegen und kein Wort sprechen, als was aus dem Herzen des ganzen Körpers, nämlich der polnischen Magnaten, hervorgegangen sei. Diese Art der Machtverteilung, findet Chemnitz, sei dieselbe wie im Römischen Reich deutscher Nation. Es klingt wie Hohn, wenn er sagt, soviel Macht wie der polnische König habe, möge man dem deutschen Kaiser wohl gönnen.

Es versteht sich nach Chemnitz von selbst, daß die Reichsstände, welche im Vollbesitz der Regierungsgewalt sind, den Kaiser absetzen können. Die Absetzung des Hauses Habsburg, das ist es, was er mit seinem Buche bezweckt. Es ist mitten im Kriege geschrieben, ein Kampfmittel, und geht auf die Vernichtung des Gegners aus. Zu erörtern bleibt, ob die Entthronung ebenso ausführbar, wie sie nach Chemnitz rechtlich erlaubt und durch die Umstände geboten ist. Die Habsburgischen Tyrannen, besonders Karl V. und Ferdinand II., haben es so weit gebracht, daß ihr Geschlecht ohne Anwendung von Gewalt nicht gestürzt werden kann. Deshalb ist es vor allen Dingen nötig, daß die Fürsten fest zusammenhalten. Chemnitz sieht ein, daß die Kaiser aus dem Hause Österreich auch nicht den Schein der Macht, geschweige denn die Macht, über die sie wirklich verfügten, hätten erlangen können, wenn nicht die Kurfürsten sie immer wieder gewählt, und wenn nicht alle Fürsten durch ihre gegenseitigen Zwistigkeiten, vor allem aber durch die Kirchenspaltung, sich selbst geschwächt und den Kaisern Gelegenheit zu Übergriffen gegeben hätten. Deshalb müsse zu allererst Einigkeit unter sämtlichen Fürsten hergestellt werden. Daß man um Religion zu kämpfen vorgebe und teilweise auch glaube, sei wiederum eine List des Hauses Habsburg, das dadurch mächtige katholische Staaten auf seine Seite gezogen habe. In Wahrheit handle es sich nicht um Religion, sondern darum, ob die Reichsstände, die Fürsten, Leibeigene des Kaisers werden sollten oder ob sie ihre edle Hoheit und Freiheit wiedererlangen könnten. Wenn sie nur den Vorwand, als kämpften sie um die Religion, fallen ließen, könnten sie das um so eher, als die Kronen von Frankreich und Schweden bereit wären, sie mit ihren Waffen zu unterstützen. Vereint mit dem alten unauslöschlichen Haß Frankreichs und dem neuen Schwedens könnten die Fürsten das Haus Habsburg mit den Wurzeln ausgraben.

Allerdings entsteht die Frage, wer dann Kaiser werden soll? Der Grund, weshalb die Kurfürsten immer wieder Habsburger wählten, war eben das, was man fürchtete: die Macht dieses Hauses. Da die Kaiser ihre Domänen und das Reichsgut längst verschenkt hatten, verfügten sie als solche über kaum nennenswerte Einkünfte; nur ein mächtiger Reichsstand, meinte man deshalb, könne die Last der Kaiserkrone tragen. Chemnitz weiß einen Vorschlag zu machen, wie es künftig möglich werden solle, bei der Kaiserwahl einzig auf die guten Eigenschaften des zu Erwählenden zu sehen: man entreiße den überwältigten Habsburgern ihre Erblande und versehe daraus den jeweiligen Kaiser mit den Mitteln, seinen Stand zu erhalten. Sollte dies Ziel erreicht werden, mußte das Haus Habsburg in der Tat mit den Wurzeln ausgerottet werden.

Wie in allem, was er anführte, hatte Chemnitz ein wenig Recht und viel Unrecht auch in der Frage, ob der Krieg, der geführt wurde, ein Religionskrieg sei oder nicht. In einem Kriege, der, als das Buch erschien, bereits 22 Jahre gedauert hatte, war die gegenseitige Feindschaft tief eingefleischt: jeder hatte ein triefendes Schwert in der Hand und sah durch Blut. Man erkannte nicht mehr klar, um was es ging, man haßte und tötete blindlings den Gegner; aber im ganzen waren sich doch alle, mochte auch die alte Frömmigkeit geschwunden sein, ihres Bekenntnisses bewußt. Immerhin waren die Parteien nicht streng nach dem Glauben geschieden, und wenn es auch hauptsächlich Protestanten waren, die die Gesinnung des Chemnitz teilten, so waren doch auch Katholiken Feinde des Hauses Habsburg oder sahen wenigstens seine Macht mit Sorge und Eifersucht. Im allgemeinen herrschte nach dem Kriege im ganzen Reich außerhalb der österreichischen Erblande eine ablehnende Stimmung gegen den Kaiser, wenn sie auch nicht zu dem erbitterten Hasse gesteigert war, den die Dissertatio des Hipolythus a Lapide zu verbreiten suchte.


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