Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band XVIII
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Zwölfte Nacht.

Die Geschichte der drei Leute und unsers Herrn Jesus.

»Wisse, o mächtiger König, drei Leute gingen einmal auf Schätze zu suchen und fanden einen Goldklumpen im Gewicht von fünfzig Doppelpfund. Als sie ihn sahen, hoben sie ihn auf und trugen ihn auf ihren Schultern fort, bis sie in die Nähe einer Stadt gelangten, wo einer von ihnen sagte: »Wir wollen uns in die Hauptmoschee setzen, während einer von uns ausgeht und uns etwas zum Essen kauft.« Da erhob sich einer und ging in die Stadt; seine Seele gab ihm jedoch ein an seinen Gefährten Verrat zu üben, um das Gold allein zu besitzen, so daß er an das Essen, das er kaufte, Gift that. Als er jedoch wieder zu ihnen zurückkehrte, 173 überfielen sie ihn und erschlugen ihn, um das Gold ohne ihn zu besitzen. Dann aßen sie und starben an dem Gift, und das Gold lag ihnen gegenüber am Boden. Da traf es sich, daß Jesus der Sohn der Maria – Frieden sei auf ihm! – an ihnen vorüberkam. Als er dies gewahrte, bat er Gott, den Erhabenen, um Auskunft über sie, worauf Gott ihm ihre Geschichte mitteilte. Höchlichst verwundert hierüber erzählte er seinen Jüngern, was er geschaut hatte, worauf einer seiner Jünger zu ihm sagte: »O Geist Gottes, nichts gleicht diesem Vorfall so sehr als meine Geschichte.« Da fragte Jesus: »Wieso?« Und der Jünger erzählte: »Ich war einmal in der und der Stadt und versteckte in dem und dem Kloster tausend Dirhem. Nach einer Weile kam ich wieder das Geld zu holen und band es mir um den Leib, worauf ich heimkehrte. Ich mußte aber an der Wüste vorüber, und, da ich einen Reiter hinter mir gewahrte, wartete ich bis er mir nahe gekommen war, worauf ich zu ihm sagte: »O Reitersmann, trag dieses Geld und verdiene dir Belohnung und Vergeltung.« Der Reiter versetzte jedoch: »Ich thu's nicht, da ich mich und mein Pferd dadurch ermüde.« Hierauf ritt er weiter, doch sprach er bereits nach kurzer Zeit bei sich: »Wenn ich das Geld nehme und dann mein Pferd antreibe, daß ich ihm zuvorkomme, wie will er mich einholen?« Ich aber sprach wiederum bei mir: »Ich irrte, denn, wenn er das Geld genommen hätte und davongeritten wäre, was hätte ich dann angefangen?« Alsdann kehrte er zu mir zurück und sagte zu mir: »Gieb das Geld her, ich will es dir tragen.« Ich erwiderte jedoch: »Was du dachtest, dachte ich auch; zieh' hin in Frieden.« Da sagte Jesus – Frieden sei auf ihm! – »Wenn diese klug gewesen wären, so hätten sie für ihr Leben gesorgt; sie aber dachten nicht an den Ausgang der Dinge; denn, wer klug handelt, ist sicher und gewinnt sein Ziel, wer aber die Klugheit außer acht lässet, kommt um und bereut.«

Jedoch ist diese Geschichte nicht wunderbarer und schöner als die Geschichte von dem König, der sein Reich und Gut 174 wiedergewann, nachdem er verarmt war und keinen einzigen Dirhem besessen hatte.« Als der König die Geschichte vernommen hatte, sprach er: »Wie ähnlich ist dies meiner Geschichte in betreff des Wesirs und seiner Hinrichtung! Wenn ich nicht besonnen gewesen wäre, so hätte ich ihm bereits das Leben genommen.« Hierauf entließ er ihn nach Hause; am nächsten Abend aber entbot er ihn wieder zu sich in sein Zimmer und befahl ihm die neue Geschichte zu erzählen, worauf der Wesir versetzte: »Ich höre und gehorche,« und also anhob:

 


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