Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band XVIII
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Vierte Nacht.

Die Geschichte des Reichen, der seine hübsche Tochter mit dem armen Scheich vermählte.

»Vernimm, o mächtiger König, daß einmal ein reicher Kaufmann lebte, der eine Tochter schön wie der Vollmond hatte. Als sie fünfzehn Jahre alt war, begab sich ihr Vater zu einem alten Mann, breitete einen Teppich in seinem Wohnzimmer aus und aß und trank mit ihm, worauf er zu ihm sagte: »Ich will dich mit meiner Tochter vermählen.« Der Arme schlug es jedoch wegen seiner Armut aus und sagte: 148 »Ich bin ihrer nicht würdig und dir nicht ebenbürtig.« Wie nun der Reiche in ihn drang, antwortete er ihm und sprach: »Ich nehme dies nicht eher an, als bis du mir sagst, weshalb du gerade mich begehrst. Wenn ich dann den Grund billigen kann, so willige ich ein, sonst aber thue ich es nie und nimmermehr.« Da sagte der Mann: »Wisse, ich stamme aus dem Lande China und war in meiner Jugend ein hübscher und reicher Gesell. Ich kehrte mich jedoch nicht an die Weiber, sondern hing den Buben nach. Da war es mir einst im Traum, als sähe ich eine aufgestellte Wage und hörte eine Stimme daneben sprechen: »Dies ist der Lohn des und des.« Gespannt lauschte ich, bis ich meinen eigenen Namen vernahm, und, wie ich nun zusah, sah ich ein Frauenzimmer von abschreckendster Häßlichkeit. Da erhob ich mich entsetzt und sprach: »Ich werde mich nie verheiraten, damit nicht dieses häßliche Weib mein Teil wird.« Hierauf reiste ich mit Waren in dieses Land, und die Reise lief mir gut von statten, und der Aufenthalt gefiel mir hier, so daß ich lange Zeit hier wohnen blieb und Freunde und Geschäftsfreunde gewann. Als ich meine Ware verkauft und das Geld dafür eingestrichen hatte, blieb mir weiter nichts zu thun übrig, als zu warten, bis die Leute wieder heimzögen, um mich ihnen anzuschließen. Da zog ich eines Tages andere Kleider an, steckte etwas Geld in meinen Ärmel und streifte rings in der Stadt umher, wobei ich mit einem Male ein hübsches Haus gewahrte. Da es mir gefiel, blieb ich stehen und besah es mir, als ich mit einem Male eine hübsche Frau erblickte, die sofort nach meinem Anblick forteilte und hinunterstieg. Betroffen hierüber, ging ich zu einem Schneider, der dort in der Nähe wohnte, und fragte ihn, wem das Haus gehörte, worauf er mir sagte: »Es gehört dem und dem Notar, – Gott verfluche ihn!« – Dann fragte ich ihn, ob er ihr Vater wäre, und, als er es bejahte, eilte ich sofort zu dem Mann, bei dem ich meine Waren zu verkaufen pflegte, und teilte ihm mit, ich wünschte zu dem und dem Notar in seiner Stadt 149 zu gehen. Da versammelte er seine Freunde, worauf wir zu ihm gingen. Bei ihm angelangt, begrüßten wir ihn und setzten uns nieder, worauf ich zu ihm sagte: »Ich bin als Brautwerber zu dir gekommen und begehre deine Tochter.« Er versetzte: »Ich habe keine für diesen Mann passende Tochter.« Ich entgegnete jedoch: »Gott steh' dir bei! Mir liegt mehr an dir als an deiner Tochter.« Als er es von neuem abschlug, sagten seine Freunde zu ihm: »Dieser Mann ist ein nobler Part, und es steht dir nicht an, dem Glück des Mädchens im Wege zu stehen.« Er versetzte jedoch von neuem: »Sie paßt nicht für ihn.« Da drängten sie so lange in ihn, bis er sagte: »Meine Tochter, um die ihr euch bewerbt, ist von abschreckender Häßlichkeit und besitzt alle tadelnswerten Eigenschaften.« Ich versetzte jedoch: »Ich bin dessen zufrieden;« und die Leute riefen: »Preis sei Gott, das Reden hat ein Ende! So sprich dein Wort, was du begehrst.« Der Notar erwiderte: »Ich wünsche viertausend Dinare.« Ich entgegnete: »Ich höre und gehorche.« Hierauf ward die Sache erledigt und das Eheband geknüpft, und ich richtete das Bankett an. In der Hochzeitsnacht aber sah ich das häßlichste Geschöpf, das Gott, der Erhabene, je geschaffen, und glaubte, die Leute hätten sich einen Scherz erlaubt. Ich wartete daher, daß meine Freundin, die ich gesehen hatte, herauskommen sollte, doch kam sie nicht. Als mir die Sache zu lange währte und ich keine andre sah, wäre ich vor Kummer fast wahnsinnig geworden und betete flehentlich zu meinem Herrn mich von ihr zu befreien. Am andern Morgen kam die Beschließerin und fragte mich: »Bedarfst du des Bades?« Ich erwiderte: »Nein.« Dann fragte sie: »Hast du Lust zu frühstücken?« Ich versetzte: »Nein.« In diesem Zustande verbrachte ich drei Tage, in denen ich weder Speise noch Trank kostete. Als mich nun aber das Mädchen in dieser Verfassung sah, sagte sie zu mir: »O Mann, erzähle mir deine Geschichte; wenn ich deine Befreiung bewirken kann, so thue ich es bei Gott.« Ich gab ihren Worten Gehör und erzählte ihr nun im 150 Vertrauen auf ihre Wahrhaftigkeit von dem Mädchen, das ich gesehen und in das ich mich verliebt hatte, worauf sie mir erwiderte: »Wenn das Mädchen mir gehört, so ist alles, was ich besitze, dein Eigentum; gehört sie jedoch meinem Vater, so will ich sie von ihm erbitten und dir schenken.« Hierauf rief sie ein Mädchen nach dem andern und zeigte sie mir, bis ich das Mädchen, in das ich mich verliebt hatte, sah und rief: »Diese ist's.« Da sagte sie: »Gräme dich nicht; sie ist meine Sklavin, die mir mein Vater schenkte; und nun schenke ich sie dir. Schweig' still, sei guten Mutes und kühlen Auges.« Hierauf putzte und parfümierte sie das Mädchen und führte es mir in der Nacht zu, indem sie zu ihr sagte: »Widersetze dich deinem Herrn in nichts, das er von dir heischt.« Als sie nun bei mir ruhte, sprach ich bei mir: »Dieses Mädchen ist edler als ich.« Dann entließ ich die Sklavin und begab mich sofort zu meiner Gattin. Sie empfing von mir und gebar nach Ablauf ihrer Schwangerschaft dieses Töchterchen, das ich inniglich liebe, da es wunderhübsch ist und von der Mutter den Verstand und vom Vater die Schönheit erbte. Eine Anzahl der Großen unter dem Volk hat sich schon um sie beworben, doch wollte ich sie mit keinem von ihnen vermählen, denn mir war es, als hätte ich wieder die Wage aufgestellt und Männer und Frauen gegeneinander abgewogen gesehen, und mir deuchte, ich hätte dich gesehen und eine Stimme sprechen hören: »Der da ist für die und die bestimmt.« Da erkannte ich, daß Gott, der Erhabene, sie nur für dich bestimmt hatte und wollte sie lieber zu meinen Lebzeiten mit dir verheiraten, als daß du sie nach meinem Tode heiratetest.« Als der Mann dies vernommen hatte, willigte er in die Heirat mit dem Mädchen ein, und sie gewann ihn sehr lieb.

Doch ist diese Geschichte nicht wunderbarer und merkwürdiger als die Geschichte von dem Vermächtnis, das ein Weiser seinen drei Söhnen gab.«

Als der König die Geschichte seines Wesirs vernommen 151 hatte, sprach er bei sich: »Ich will ihm noch eine Frist gewähren, damit ich von seiner Geschichte von dem Weisen und seinen Söhnen profitiere.« Dann entließ er ihn in seine Wohnung und ließ ihn am nächsten Abend wieder in sein Privatgemach kommen, worauf er von ihm die versprochene Geschichte verlangte. Und so hob der Wesir Er-Rahwân an und erzählte:

 


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