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Tausend und eine Nacht. Band XVIII
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Die Geschichte der zehn Wesire.

Man erzählt, o König der Zeit, daß in alten Tagen ein König Namens Asâd Bacht lebte, dessen Residenz Kuneim Madûd hieß, und dessen Reich sich bis zur Grenze von Sistân und von den Grenzen Hindustans bis zum Meer erstreckte. Er hatte zehn Wesire, welche seines Königreiches walteten, und war voll Einsicht und überreichen Kenntnissen. Eines Tages zog er mit einigen seiner Krieger auf die Jagd aus und gewahrte einen Eunuchen zu Pferd, der eine Maultierstute am Zaum führte. Auf dem Maultier befand sich ein kuppelförmiges Zelt aus golddurchwirktem Brokat mit einem perlen- und edelsteinbesetzten Gurt, und eine Anzahl Reiter umgab es. Als der König Asâd Bacht das Maultier sah, trennte er sich von seinen Gefährten und ritt auf das Maultier und die Reiter zu. Dann fragte er sie: »Wem gehört dieses Zelt, und wer ist darin?« Der Eunuch antwortete ihm, ohne daß er wußte, daß es der König Asâd Bacht war: »Dies ist das Zelt Isfahands, des Wesirs des Königs Asâd Bacht, und es befindet sich seine Tochter darinnen, die er mit dem König Sâd Schâh vermählen will.« Während aber der Eunuch mit dem König redete, lüpfte das Mädchen den Zipfel des Vorhangs vom Zelt, um nach dem Sprecher zu schauen, und sah den König. Sobald der König sie jedoch erblickte und ihre Gestalt und Lieblichkeit gewahrte, wie kein Auge ihresgleichen gesehen hatte, neigte sich sein Herz ihr zu, und sie nahm es gefangen und bezauberte ihn so, daß er zum Eunuchen sagte: »Wende den Kopf des Maultiers um und kehr' heim; ich bin der König Asâd Bacht und will sie selber heiraten, da ihr Vater Isfahand mein Wesir ist; er wird dies annehmen, und es wird ihn nicht verdrießen.« Der Eunuch versetzte: »O König, Gott schenke dir langes Leben, doch gedulde dich, bis ich es ihrem Vater, meinem Herrn, mitgeteilt habe: du magst sie dann in erlaubter Weise heiraten, da es dir nicht ansteht und geziemt, sie in solcher 35 Weise zu nehmen, dieweil es ein Schimpf für ihren Vater wäre, wenn du sie ohne sein Wissen nähmest.« Der König versetzte: »Ich kann mich nicht so lange gedulden, bis du zu ihrem Vater gegangen und wieder zurückgekehrt bist, und es ist auch keine Schande für ihn, wenn ich sie heirate.« Nun sagte der Eunuch: »Alles, was übereilt geschieht, hat keinen Bestand und bereitet dem Herzen keine Freude. Es steht dir nicht an, sie in solch schmählicher Weise zu nehmen. Was dir auch widerfährt, stürze dich nicht durch Übereilung ins Verderben, denn ich weiß, daß ihrem Vater hierdurch die Brust beklommen werden wird, und, dein Thun wird nicht gut enden.« Der König entgegnete jedoch: »Siehe, Isfahand ist ein Mamluk und einer meiner Sklaven, und ich kehre mich nicht daran, ob ihr Vater zürnt oder nicht!« Hierauf riß er den Zügel des Maultiers an sich und nahm das Mädchen in seinen Palast, worauf er es heiratete; und ihr Name war Bahrdschûr. Der Eunuch aber begab sich mit dem Reitertrupp zu ihrem Vater und sprach zu ihm: »Mein Herr, du hast diesem König viele Jahre gedient und warst ihm nimmer ungetreu; er aber hat deine Tochter ohne deine Einwilligung und Zustimmung genommen.« Alsdann erzählte er ihm, wie es ihm mit seiner Tochter ergangen war, und wie der König sie mit Gewalt genommen hatte. Als ihr Vater die Worte des Eunuchen vernahm, ergrimmte er gewaltig und versammelte ein großes Heer, zu dem er sprach: »Als der König sich mit seinen Weibern abgab, sorgten wir uns nicht vor ihm; jetzt aber, wo er seine Hand nach unserm Harem ausgestreckt hat, müssen wir uns einen sichern Ort aufsuchen.« Alsdann schrieb er an den König Asâd Bacht Briefe folgenden Inhalts: »Ich bin einer deiner Mamluken und Sklaven, und meine Tochter ist deine Dienstmagd; Gott, der Erhabene, lasse deine Tage dauern und deine Lebenszeit voll Wonnen und Freuden sein! Fürwahr, immer war ich gegürtet zu deinem Dienst und in der Hut deiner Herrschaft und der Abwehr deiner Feinde; jetzt aber will ich mich noch größern 36 Eifers befleißigen, dieweil ich mir dies auferlegt habe, seitdem meine Tochter deine Gemahlin geworden ist.« Hierauf schickte er einen Boten mit einem Geschenk zum König. Als dieser beim König Asâd Bacht angelangt war, und er den Brief gelesen hatte und das Geschenk vor ihn gebracht war, freute er sich mächtig und hob an eine Stunde nach der andern zu schmausen und zechen. Da trat sein Großwesir zu ihm ein und sprach zu ihm: »O König, wisse, der Wesir Isfahand ist dein Feind, da er mit dem, was du ihm angethan, nicht zufrieden ist; freue dich nicht über das Schreiben, das er an dich schickte, und sei nicht fröhlich über seine süßen Worte und seine sanfte Rede.« Der König hörte auf die Worte seines Großwesirs, bald aber schlug er die Sache wieder in den Wind und verbrachte seine Zeit wie zuvor mit Schmausen und Zechen und in Freude und Fröhlichkeit. Der Wesir Isfahand aber schrieb Briefe an alle Emire, in denen er ihnen mitteilte, was ihm vom König Asâd Bacht widerfahren war, und wie er seine Tochter mit Gewalt genommen hatte, und schloß mit den Worten: »Und euch wird er noch übler mitspielen wie mir.« Als die Briefe bei den Edeln eintrafen, versammelten sich alle bei Isfahand und sprachen zu ihm: »Wie war die Sache?« Da enthüllte er ihnen die Sache seiner Tochter, und sie wurden alle eins, die Ermordung des Königs zu betreiben. Alsdann saßen sie auf und zogen mit ihren Truppen wider ihn. Der König ahnte nichts, bis der Kriegslärm die Stadt erfüllte, worauf er seine Gemahlin Bahrdschûr fragte: »Was sollen wir thun?« Sie versetzte: »Du weißt es am besten, und ich stehe unter deinem Befehl.« Da ließ der König zwei schnelle Rosse holen, und beide nahmen soviel Gold, als sie vermochten, und bestiegen jeder ein Pferd, worauf sie zur Nachtzeit zur Wüste von Karmân flüchteten, während Isfahand in die Stadt einzog und sich zum König machte. Die Gemahlin des Königs Asâd Bacht war aber schwanger, und, da die Wehen sie bei dem Gebirge überkamen, stiegen sie am Fuß desselben bei einer 37 Quelle ab, wo sie einen Sohn gleich dem Mond gebar. Seine Mutter Bahrdschûr wickelte ihn in einen Rock aus golddurchwirktem Brokat, und so verbrachten sie die Nacht daselbst, indem sie das Knäblein bis zum Morgen stillte. Dann aber sagte der König zu ihr: »Der Knabe belästigt uns, und wir können hier nicht länger bleiben und sind auch nicht imstande ihn mitzunehmen. Das rechte ist daher, wir lassen ihn hier und ziehen weiter, denn Gott ist imstande, ihm jemand zu senden, der ihn an sich nimmt und erzieht.« Und so weinten sie bitterlich über ihn und ließen ihn neben jener Quelle in dem Brokatrock eingewickelt liegen, indem sie einen Ranzen mit tausend Dinaren ihm zu Häupten niederlegten. Dann saßen sie wieder auf und setzten ihre Flucht weiter fort. Nach Gottes, des Erhabenen, Fügung stieß aber eine Schar Straßenräuber nahe bei jenem Gebirge auf eine Karawane und plünderten sie aus, worauf sie zu jenem Gebirge kamen, um dort ihren Raub zu teilen. Wie sie nun nach dem Fuß des Gebirges schauten, gewahrten sie den Brokatrock; da stiegen sie ab, um nachzuschauen, was es wäre, und siehe, da war es ein Knäblein, das in jenem Rock eingewickelt war, und das Gold lag ihm zu Häupten. Verwundert hierüber, riefen sie: »Preis sei Gott, durch welches Verbrechen ist dieser Knabe hierhergekommen?« Hierauf teilten sie das Gold untereinander, und der Räuberhauptmann nahm das Knäblein als Sohn an und nährte ihn mit süßer Milch und Datteln, bis er nach Hause kam, wo er ihn einer Amme zum Aufziehen gab.

Inzwischen waren der König Asâd Bacht und seine Gattin weitergezogen, bis sie zum König von Persien gelangten, dessen Name Kutrū war. Der König nahm ihn ehrenvoll auf und bewirtete ihn aufs beste. Als ihm der König Asâd Bacht seine Geschichte von Anfang bis zu Ende erzählt hatte, gab er ihm ein großes Heer und eine Menge Geld, und nun blieb er nur wenige Tage bei ihm, bis er sich ausgeruht hatte, worauf er mit seinem Heer gegen sein Land auszog 38 und, wider Isfahand die Schlachtreihen aufstellend und seine Residenz überfallend, ihn schlug und tötete. Dann zog er in seine Residenz ein und setzte sich auf den Thron seines Königreiches. Als er zur Ruhe gekommen und sein Königreich wieder in Frieden war, schickte er Boten nach dem Gebirg' aus, um seinen Knaben zu suchen, doch fanden sie ihn nicht und kehrten wieder zum König zurück, ihm vermeldend, daß sie ihn nicht gefunden hätten.

Die Zeit verstrich darüber, und der Prinz wuchs auf und trieb mit den Räubern Buschklepperei, indem sie ihn auf jeden ihrer Raubzüge mitnahmen. Da traf es sich, daß sie eines Tages wieder gegen eine Karawane mit reichem Gut aus dem Lande Sabistân auszogen, in der sich starke und wackere Männer befanden. Da aber die Leute vernommen hatten, daß jene Gegend von Räubern unsicher gemacht wurde, schlossen sie sich eng zusammen, ihre Waffen in Bereitschaft setzend und Späher aussendend, die ihnen von den Wegelagerern Nachricht brachten. Da machten sie sich kampfbereit, und, als die Räuber sich der Karawane näherten und sie angriffen, entbrannte ein hitziges Gefecht, in dem die Karawane die Räuber durch ihre Überzahl besiegte, die einen erschlagend und die andern in die Flucht treibend. Den Prinzen aber, den Sohn des Königs Asâd Bacht, nahmen sie gefangen, und, da sie sahen, daß der Knabe schön wie der Mond und voll Liebreiz und Anmut war, fragten sie ihn: »Wer ist dein Vater, und wie bist du zu diesen Räubern gekommen?« Der Knabe erwiderte: »Ich bin der Sohn des Räuberhauptmanns.« Da nahmen sie ihn und brachten ihn zu seinem Vater, dem König Asâd Bacht. Als sie zur Residenz des Königs Asâd Bacht kamen, und er von ihnen vernahm, befahl er ihnen, ihm von ihrem Gut ein ihm geziemendes Geschenk zu bringen. Wie sie nun vor dem König erschienen und er den Knaben erblickte, fragte er sie: »Wem gehört dieser Knabe?« Sie erwiderten: »O König, wir zogen auf der und der Straße, als wir von einer Räuberbande überfallen wurden; wir kämpften 39 mit ihnen und besiegten sie, wobei wir diesen Knaben gefangen nahmen. Aus unsere Frage, wer sein Vater wäre, sagte er: »Ich bin der Sohn des Räuberhauptmanns.« Da sagte der König: »Ich wünsche diesen Knaben;« und der Häuptling der Karawane erwiderte: »Gott schenkt ihn dir, o König der Zeit, und wir alle sind deine Sklaven.« Der König aber wußte nicht, daß es sein Sohn war. Hierauf entließ der König die Karawane und führte den Knaben in seinen Palast, wo er wie einer der Pagen gehalten ward. Als dann die Tage über hinstrichen und der König seinen Anstand und Verstand und seine außerordentlichen Kenntnisse gewahrte, fand er Gefallen an ihm und übergab ihm seine Schatzkammern, indem er befahl, daß nichts ohne des Jünglings Geheiß aus ihnen genommen werden sollte, so daß die Schatzkammern des Königs den Händen der Wesire unzugänglich waren. In dieser Weise verbrachte er eine Reihe von Jahren, während welcher Zeit der König ihn stets als gut und treu erfand. Nun hatten die Schatzkammern zuvor unter der Hand der Wesire gestanden, die mit ihnen nach Belieben schalteten und walteten, während sie ihnen nunmehr, seit sie unter die Hand des Jünglings gekommen waren, verschlossen blieben; und der Jüngling ward dem König lieber als ein Sohn, so daß er sich schließlich gar nicht mehr ohne ihn gedulden konnte. Als die Wesire dies sahen, wurden sie eifersüchtig auf ihn und trachteten ihn durch List aus den Augen des Königs zu reißen, ohne jedoch eine Gelegenheit zu finden. Schließlich aber, als das verhängte Geschick nahte, traf es sich eines Tages, daß der Jüngling Wein trank und so trunken ward, daß er die Besinnung verlor. Er begann das Innere des Königspalastes zu durchwandern, und das Schicksal trieb ihn hierbei zum Frauenpalast, in dem sich ein kleines Gemach befand, in welchem der König mit seiner Gemahlin zu schlafen pflegte. Der Jüngling betrat es, und, da er dort ein bedecktes Lager fand, warf er sich auf dasselbe und besah sich verwundert die Dekorationen jenes Gemachs, in dem eine 40 Wachskerze brannte. Hierbei versank er in tiefen Schlaf und lag bis zum Abend da, als eine Sklavin herein kam, die wie üblich für den König und die Königin den Nachtisch, bestehend aus Eßbarem und Trinkbarem, brachte. Als sie dort den Jüngling auf seinem Rücken liegen sah, ohne daß jemand von seinem Zustand wußte und er selber keine Ahnung hatte, wo er sich befand, glaubte die Sklavin, der König schliefe auf seinem Bett, und stellte das Räucherfäßchen und die Wohlgerüche neben das Polster, worauf sie die Thür verschloß und ihres Weges ging. Bald danach verließ der König das Trinkzimmer und schritt mit seiner Gemahlin, sie bei der Hand fassend, zu seinem Schlafgemach. Als er die Thür öffnete und eintrat, gewahrte er den Jüngling auf dem Bett liegen, worauf er sich zu seiner Gattin wendete und zu ihr sagte: »Was thut der Bursche hier? Er ist nur um deinetwillen hiehergekommen.« Sie versetzte: »Ich weiß nichts von ihm.« Da erwachte der Jüngling, und, als er nun den König erblickte, sprang er auf und warf sich vor ihm nieder. Der König aber schrie ihn an: »Du gemeine Brut, du treuloser Bube, was hat dich in mein Haus getrieben?« Hierauf befahl der König den Jüngling und seine Frau abgesondert voneinander einzusperren.

Erster Tag.
Gegen Unglück ist alles Ankämpfen vergeblich.

Am andern Morgen setzte sich der König auf den Thron seines Königreiches und ließ seinen Großwesir vor sich kommen, zu dem er sprach: »Weißt du, was dieser Räubersohn gethan hat? Er kam in mein Haus und schlief auf meinem Lager; ich fürchte, mein Weib hat mit ihm etwas zu schaffen. Was ist deine Ansicht in dieser Sache?« Der Wesir erwiderte: »Gott schenke dem König langes Leben! Was konntest du von diesem Burschen anders erwarten? Ist er nicht von gemeiner Herkunft, eines Räubers Sohn? Ein Räuber muß immer wieder zu seinem gemeinen Ursprung 41 zurückkehren, und, wer Schlangenbrut aufzieht, der wird von ihr gebissen. Die Frau trägt keine Schuld; von Anfang an bis auf den heutigen Tag ward sie stets in Anstand und Züchten erfunden. Und jetzt, so der König es mir erlaubt, will ich zu ihr gehen und sie befragen, um dir die Sache klar zu stellen.« Da verstattete es ihm der König, worauf der Wesir zu ihr ging und sprach: »Ich komme wegen eines großen Schimpfs zu dir, und ich wünsche, daß du mir die Wahrheit sagst und angiebst, wie der Jüngling ins Schlafgemach kam.« Sie erwiderte ihm: »Ich weiß nicht das geringste,« und beteuerte es ihm durch einen Schwur, woraus der Wesir ersah, daß die Frau nichts um die Sache wußte und keine Schuld hatte. Er sagte deshalb zu ihr: »Ich will dir eine List angeben, durch die du dich befreien und dein Antlitz vor dem König weißwaschen kannst.« Da fragte sie: »Was ist's?« Er entgegnete: »Wenn der König dich rufen läßt und hierüber zur Rede stellt, so sprich zu ihm: »Jener Jüngling sah mich in meinem Zimmer und schickte mir einen Brief folgenden Inhalts: »Ich will dir hundert Perlen geben, die nicht mit Geld zu bezahlen sind, wenn du mir ein Stelldichein giebst.« Ich lachte jedoch über solch einen Antrag und wies ihn ab; doch ließ er mir von neuem sagen: »Wenn du hierin nicht einwilligst, so komme ich eines Nachts trunken in das Schlafgemach und leg' mich dort nieder, daß mich der König sieht und ermordet, während du in Schande gerätst und dein Antlitz vor ihm geschwärzt und deine Ehre vernichtet wird.« Sprich also zum König, und ich will sogleich zu ihm gehen und es ihm mitteilen.« Da sagte die Königin: »Ich will es thun;« worauf sich der Wesir unverzüglich zum König begab und zu ihm sprach: »Fürwahr, der Bursche hat nach all dem Guten strenge Strafe verdient, und kein Korn, das bitter ist, kann süß werden; ich bin überzeugt, daß die Frau keine Schuld trifft.« Hierauf erzählte er dem König, was er der Königin eingegeben hatte, und der König zerriß, als er es vernahm, seine 42 Kleider und befahl den Jüngling vor sich. Als sie ihn geholt und vor ihn gestellt hatten, ließ er den Schwertmeister kommen, während alle Leute ihre Augen auf den Jüngling hefteten, um zu sehen, was der König mit ihm thun würde. Während aber der König voll Zorn zum Jüngling sprach, antwortete dieser in aller Schicklichkeit; und also sprach der König: »Ich kaufte dich mit meinem Geld und erwartete Treue von dir und erwählte dich über alle meine Großen und Pagen und machte dich zu meinem Schatzhüter. Warum schändetest du meine Ehre und drangst in mein Haus ein und übtest Verrat an mir, ohne an all die Huld, die ich dir erwies, zu denken?« Der Jüngling versetzte: »O König, ich that dies nicht aus freier Wahl und eigenem Ermessen, und ich hatte auch dort kein Geschäft; in meinem Mangel an Glück ward ich dorthin getrieben, da das Schicksal sich wider mich kehrte und Fortuna mir unhold war. Ich gab mir alle Mühe, daß keine gemeine That von mir ausginge und achtete wohl auf mich, daß ich keinen Fehltritt beginge; jedoch vermag niemand etwas wider sein Unheil und alles Mühen ist umsonst, wenn man kein Glück hat, wofür der Kaufmann ein Beispiel ist, der vom Unglück heimgesucht ward und trotz all seiner Mühe durch sein Mißgeschick zu Fall kam.« Da fragte der König: »Wie ist die Geschichte des Kaufmanns, und wie kehrte sich sein Glück wider ihn, daß es ihm unhold ward?« Da sprach der Jüngling: »Gott schenke dem König langes Leben!

 


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