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Tausend und eine Nacht. Band XVIII
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Sechste Nacht.

Die Geschichte von dem Prinzen, der sich in ein Bild verliebte.

»Wisse, glückseliger König, es lebte einmal in einer Gegend Persiens ein König von großer Macht und Majestät und reich an Garden, doch kinderlos. Da schenkte ihm sein Herr am Ende seines Lebens einen Sohn, und der Knabe wuchs heran und war schön und lernte die gesamten Wissenschaften. Der Prinz erbaute sich, um allein zu sein, einen hochragenden Palast aus buntem Marmor und Edelsteinen und ließ ihn mit Malereien ausschmücken. Als er nun aber den Palast betrat, gewahrte er an der Decke das Bild eines von Sklavinnen umgebenen Mädchens, wie er bisher kein schöneres erschaut hatte, so daß er in Ohnmacht sank und von der Liebe zu ihr verstört ward, worauf er sich unter das Bild setzte und es so lange betrachtete, bis er abgemagert und seine Farbe verblichen war. Eines Tages kam sein Vater zu ihm und glaubte, als er ihn in diesem Zustande sah, er wäre krank, weshalb er nach den Weisen und Ärzten schickte, damit sie ihn kurierten. Zu einem seiner Tischgenossen aber sagte er: »Wenn du erfahren kannst was meinem Sohne fehlt, so sollst du eine weiße Hand bei mir findenDu sollst reiche Geschenke erhalten..« Da ging der Betreffende zum Prinzen und drang so lange mit freundlichen 155 Worten in ihn, bis er ihm mitteilte, daß sein Zustand durch jenes Bild verursacht sei. Der Tischgenosse des Königs kehrte nun wieder zu seinem Herrn zurück und teilte es ihm mit, worauf der König seinen Sohn in einen andern Palast schaffen ließ und seinen Palast zum Gasthaus machte, indem er jeden, den er dort aufnahm, fragte, wen das Bild unter den Arabern darstellte, ohne daß ihm einer hätte Auskunft geben können. Da traf es sich eines Tages, daß ein Reisender zu ihm kam und beim Anblick des Bildes rief: »Es giebt keinen Gott außer Gott, dieses Bild hat mein Bruder gemalt.« Da ließ ihn der König rufen und fragte ihn, wen das Bild vorstelle, und wer der Maler desselben wäre. Der Reisende versetzte: »Mein Herr, einer meiner Brüder zog nach Indien und verliebte sich in die Tochter des Königs von Indien, die dieses Bild hier vorstellt. In jeder Stadt nämlich, in die er kommt, malt er ihr Bild, während ich ihm folge; und meine Fahrt währt schon lange.« Als der Prinz dies vernahm, sprach er: »Ich muß zu diesem Mädchen reisen.« Hierauf nahm er allerlei Kostbarkeiten und eine Menge Geld zu sich und reiste Tage und Nächte lang, bis er nach dem Lande Indien nach großer Drangsal gelangte. Hier erkundigte er sich nach dem König, der ebenfalls von ihm vernommen hatte und ihm Audienz erteilte. Als der Prinz nun vor dem König stand, bewarb er sich um seine Tochter, worauf der König versetzte: »Du bist ihr ebenbürtig, jedoch darf niemand vor ihr einen Mann nennen, da sie die Männer haßt.« Hierauf schlug der Prinz seine Zelte unter ihrem Schloß auf, bis er eines Tages eine ihrer Vertrauten abfaßte und ihr eine Menge Geld schenkte, worauf sie ihn fragte: »Hast du ein Anliegen?« Er versetzte: »Jawohl,« und erzählte ihr seine Geschichte. Sie erwiderte: »Du hast dein Leben in Gefahr gestürzt.« Alsdann saß er da, von leeren Hoffnungen gewiegt, bis er all sein Geld ausgegeben hatte und seine Diener fortgelaufen waren, worauf er zu einem Vertrauten sagte: »Ich will heimkehren und mit genügenden Mitteln wiederkommen.« Sein 156 Vertrauter entgegnete: »Du hast zu bestimmen.« Hierauf kehrte er heim, doch war der Weg weit, so daß er alles Geld, das er noch besaß, ausgab und seine Begleiter bis auf einen starben, den er mit dem Rest der Zehrung belud. Dann zogen sie weiter, das andre zurücklassend, als ein Löwe sie überfiel und den Burschen fraß, so daß der Prinz ganz allein übrigblieb. Er zog jedoch weiter, bis sein Saumtier stehen blieb, worauf er es zurückließ und weiter marschierte, bis ihm die Füße anschwollen. So gelangte er endlich nackend, hungrig und allein im Besitz von einigen Juwelen, die er an seinen Arm gehängt hatte, zum Land der Türken. Hier suchte er den Bazar der Goldschmiede auf und rief einen der Mäkler, dem er die Juwelen gab. Als der Mäkler sah, daß es zwei Hyazinthen waren, sagte er zu ihm: »Folge mir.« Da folgte er ihm zu einem Goldschmied, dem der Mäkler die Hyazinthen mit den Worten überreichte: »Kauf' diese da.« Der Goldschmied fragte: »Woher hast du sie?« Der Mäkler versetzte: »Sie gehören diesem Jüngling.« Da fragte ihn der Goldschmied: »Woher hast du diese Steine?« Nun erzählte ihm der Prinz seine ganzen Erlebnisse, und der Goldschmied verwunderte sich über seine Schicksale und kaufte ihm die Hyazinthen für tausend Dinare ab, worauf der Prinz zu ihm sagte: »Mach' dich zurecht und begleite mich in mein Land.« Da machte sich der Goldschmied bereit und reiste mit dem Prinzen, bis sie an die Grenze des Landes seines Vaters gelangten, wo die Leute sie aufs ehrenvollste aufnahmen, indem sie zugleich den König durch Boten von der Ankunft seines Sohnes benachrichtigten. Der König zog ihm zum Empfang entgegen, und sie behandelten den Goldschmied aufs ehrenvollste, bis der Prinz nach einiger Zeit wieder zum Land der Schönen, der Tochter des Königs von Indien, zurückkehrte. Unterwegs wurden sie jedoch von Räubern überfallen, von denen der Prinz nach hitzigstem Gefecht erschlagen wurde, worauf der Goldschmied ihn bestattete und, nachdem er auf seiner Gruft ein Mal errichtet hatte, verstört und bekümmert 157 weiter wanderte, bis er in sein Land gelangte, ohne daß jemand etwas vom Tod des Prinzen wußte.

Was nun aber die Prinzessin anlangt, so pflegte sie von ihrem Schloßdach hinunterzuschauen und den Jüngling in seiner Schönheit und Anmut zu betrachten, bis sie eines Tages zu ihrem Mädchen sagte: »Wehe dir, was ist aus dem Heer geworden, das neben meinem Schloß lagerte?« Das Mädchen versetzte: »Es war das Geleit des jungen Prinzen von Persien, der hierher kam, sich um dich zu bewerben, und der um deinetwillen große Mühsal ertrug, ohne daß du dich seiner erbarmtest.« Da rief die Prinzessin: »Wehe dir, warum hast du mir nichts hiervon gesagt?« Das Mädchen erwiderte: »Ich fürchtete mich vor deinem Zorn.« Hierauf bat die Prinzessin ihren Vater um Zulaß und sprach zu ihm: »Bei Gott, ich will nach ihm suchen, wie er nach mir suchte; thäte ich es nicht, so wäre ich nicht gerecht gegen ihn.« Alsdann machte sie sich zurecht und durchmaß die Steppen und gab eine Menge Geld aus, bis sie auch nach Sadschastân gelangte, wo sie einen Goldschmied rufen ließ, ihr einen Schmuck zu machen. Als der Goldschmied sie sah, erkannte er sie, da der Prinz ihm von ihr erzählt und sie ihm beschrieben hatte, und fragte sie nach ihrer Geschichte, worauf sie ihm alles berichtete. Da schlug sich der Goldschmied vors Gesicht, und weinte, sich die Kleider zerreißend und Staub aufs Haupt streuend, so daß sie ihn fragte: »Warum thust du dies?« Da erzählte er ihr, daß der Prinz sein Freund gewesen und umgekommen sei, worauf sie ihn betrauerte und zu seinen Eltern reiste. Seine Eltern, sein Oheim und die Großen des Reiches machten sich nun auf zu seinem Grab, und sie betrauerte ihn dort in lauter Totenklage und verweilte einen vollen Monat an seinem Grab, worauf sie Maler kommen ließ und ihnen befahl, ihr Bildnis und das des Prinzen zu malen. Alsdann zeichnete sie ihre und des Prinzen Geschichte auf und alle die Schrecknisse, die sie betroffen hatten, und legte beides zu Häupten des Grabes nieder. Nach einer 158 Weile kehrten dann alle vom Grabe wieder heim. Jedoch ist dies, o König der Zeit nicht wunderbarer als die Geschichte des Walkers, seiner Frau und des Soldaten.« Da befahl der König dem Wesir heimzukehren, der den Tag über in seiner Wohnung blieb. Als aber der Abend anbrach, setzte sich der König wieder in sein Zimmer und ließ den Wesir zu sich entbieten, worauf er zu ihm sprach: »Erzähle mir die Geschichte vom Walker und seiner Frau.« Der Wesir versetzte: »Freut mich und ehrt mich.« Alsdann trat er vor und erzählte:

 


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